BT-Drucksache 14/3196

Gegen die Todesstrafe in den USA - Keine Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal

Vom 12. April 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3196
14. Wahlperiode 12. 04. 2000

Antrag
der Abgeordneten Carsten Hübner, Fred Gebhardt, Wolfgang Gehrcke-Reymann,
Heidi Lippmann, Ulla Jelpke, Dr. Winfried Wolf, Dr. Gregor Gysi und der
Fraktion der PDS

Gegen die Todesstrafe in den USA – Keine Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Todesstrafe verletzt das elementare Menschenrecht auf Leben und ist
eine Form besonders unmenschlicher, grausamer und erniedrigender Be-
handlung. Sie ist Ausdruck einer gnadenlosen Justiz, die dem Gedanken von
Rache und Vergeltung Vorrang vor Bemühungen um eine Wiedereingliede-
rung und Resozialisierung Straffälliger einräumt. Sie ist bei Fehlurteilen un-
korrigierbar und wird oftmals rassistisch angewendet.

2. Die steigende Anzahl von Hinrichtungen in den USA ist Grund zu großer
Besorgnis. Die zunehmende Einschränkung von Berufungsmöglichkeiten ist
ebenso alarmierend wie die Tatsache, dass in verschiedenen Bundesstaaten
auch Minderjährige und geistig Behinderte hingerichtet werden und dass
Angehörige von Minderheiten sowie sozial Benachteiligte in den USA über-
proportional häufig zum Tode verurteilt und hingerichtet werden. Der Deut-
sche Bundestag erinnert an seine 1998 verabschiedete Resolution zur Todes-
strafe, in der er auch auf die Situation in den USA hingewiesen und die USA
zu einer Abschaffung der Todesstrafe aufgefordert hat. Er appelliert erneut
an die USA, sich völkerrechtlich bindend zu verpflichten, die Todesstrafe
abzuschaffen.

3. Der Deutsche Bundestag begrüßt die aufgrund verschiedener nachgewiese-
ner Fehlurteile von einzelnen US-amerikanischen Bundesstaaten ausgespro-
chenen Moratorien über die Todesstrafe. Er appelliert an diese Staaten, die
Todesstrafe vollständig abzuschaffen, sowie an die Staaten, in denen die
Todesstrafe weiterhin angewendet wird, sich dem Beispiel anzuschließen
und ebenfalls ein Moratorium über die Todesstrafe zu verhängen.

4. Der Deutsche Bundestag begrüßt die 1999 von der UN-Menschenrechts-
kommission verabschiedete Resolution zur Ächtung der Todesstrafe und un-
terstützt nachdrücklich die Bemühungen, auch bei der diesjährigen Tagung
der UN-Menschenrechtskommission eine entsprechende Resolution zu ver-
abschieden. Er appelliert an die USA, ihre ablehnende Haltung gegen eine
solche Resolution aufzugeben und ihr zuzustimmen.

5. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bemühungen, die seitens namhafter
Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen – so vom Europäischen

Drucksache 14/3196 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Parlament, von Amnesty International, dem damaligen Unterausschuss
Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestag, verschie-
denen Regierungsvertretern, Abgeordneten, Künstlern u. a. – unternommen
worden sind, die drohende Hinrichtung des im US-Bundesstaat Pennsylva-
nia in der Todeszelle einsitzenden afro-amerikanischen Journalisten Mumia
Abu-Jamal zu verhindern.

6. Angesichts der gravierenden Versäumnisse, von denen das Verfahren gegen
Mumia Abu-Jamal geprägt war und der nicht ausgeräumten Zweifel an sei-
ner Schuld unterstützt der Deutsche Bundestag Bemühungen, eine Neuauf-
nahme des Gerichtsverfahrens gegen Mumia Abu-Jamal zu erreichen.

Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,

1. sich nachdrücklich gegen die drohende Hinrichtung des afro-amerikani-
schen Journalisten Mumia Abu-Jamal auszusprechen,

2. sich für ein neues faires Verfahren unter Einbeziehung bisher nicht einge-
flossener Beweismittel einzusetzen,

3. sich in Gesprächen auf bilateraler Ebene und im Rahmen der EU gegenüber
den USA für ein umgehendes Moratorium als ersten Schritt zur Abschaffung
der Todesstrafe einzusetzen.

Berlin, den 12. April 2000

Carsten Hübner
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Heidi Lippmann
Ulla Jelpke
Dr. Winfried Wolf
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Der afro-amerikanische Journalist und ehemalige Aktivist der Black-Panther-
Bewegung Mumia Abu-Jamal wurde 1982 des Mordes an einem Polizisten
schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des zustande gekommenen Urteils wurden von Anfang an laut, da das Verfah-
ren von gravierenden Versäumnissen geprägt war, er keine angemessene Vertei-
digung hatte und seine Schuld nicht zweifelsfrei bewiesen wurde. Dennoch
wurden sämtliche Berufungen bislang verworfen. Ein vom Gouverneur Penn-
sylvanias für Anfang Dezember letzten Jahres anberaumter Hinrichtungstermin
wurde zwar aufgrund einer von der Verteidigung eingebrachten Habeas-Cor-
pus-Petition, die die Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte Mumia Abu-
Jamals im bisherigen Verfahren auflistet, vom zuständigen Richter ausgesetzt,
um angemessene Zeit zur Prüfung der Akten zu haben. Die Entscheidung über
den Fall steht jedoch voraussichtlich im April an. Sollte der Richter gegen ein
Neuverfahren entscheiden, stände die Anberaumung eines erneuten Hinrich-
tungsbefehls bevor. Da die Berufungsmöglichkeiten der Verteidigung weitge-
hend ausgeschöpft sind, drohte in diesem Fall eine Vollstreckung des Todesur-
teils.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3196

Während einige Staaten in den USA aufgrund verschiedener nachgewiesener
Fehlurteile – laut einer Studie der US-Regierung ist jeder siebte zu Tode Verur-
teilte unschuldig – Moratorien über den Vollzug der Todesstrafe verhängt ha-
ben, ist gleichzeitig in anderen Staaten eine Tendenz zu verzeichnen, die An-
wendung der Todesstrafe zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dies
entspricht dem Gesetz über die Effektivierung der Todesstrafe, das 1996 verab-
schiedet wurde und die Möglichkeiten der Berufung unter Inkaufnahme von
Fehlurteilen erheblich einschränkt. Entsprechend rapide steigt die Zahl der Hin-
richtungen in den USA an: Waren es 1998 noch 68 Personen, die hingerichtet
wurden, hatte sich die Zahl 1999 auf 98 erhöht und droht in diesem Jahr weiter
anzusteigen, da bereits in den ersten drei Monaten des Jahres 2000 26 Men-
schen hingerichtet worden sind. In Pennsylvania, dem Staat, in dem Mumia
Abu-Jamal in der Todeszelle sitzt, wurde durch Gouverneur Tom Ridge die
Vollstreckung von Todesurteilen wieder aufgenommen, die vor seiner Amts-
übernahme ausgesetzt worden waren. Seitdem sind drei Personen exekutiert
worden, 272 warten derzeit in den Todeszellen auf ihre Hinrichtung. Pennsyl-
vania ist darüber hinaus ein eklatantes Beispiel für die rassistische Anwendung
der Todesstrafe: Während der Prozentsatz schwarzer Todeskandidaten in den
USA mit 43% bei einem Anteil von Schwarzen an der Gesamtbevölkerung von
nur 13 % schon sehr hoch liegt, ist die Diskrepanz in Pennsylvania noch höher:
Der schwarze Bevölkerungsanteil in Pennsylvania beträgt 9 %, der Prozentsatz
schwarzer Todeskandidaten beläuft sich jedoch auf 63 %. Eine Untersuchung
über die Verhängung der Todesstrafe in Philadelphia im Zeitraum von 1983 bis
1993 zeigte auf, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Schwarzen, zum Tode
verurteilt zu werden, knapp viermal so hoch war wie für einen Weißen. Gleich-
zeitig zeigt die steigende Anzahl der Gefängnisinsassen und der Todeskandida-
ten in den USA – seit 1980 hat sich die Anzahl der Gefängnisinsassen auf zwei
Millionen sowie die der Todeskandidaten auf über 3 600 mehr als verdreifacht
–, dass die Todesstrafe als Mittel der Abschreckung gegen Gewaltverbrechen
ungeeignet ist.

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