Vom 6. April 2000
Deutscher Bundestag Drucksache 14/3180
14. Wahlperiode 06. 04. 2000
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS
Rechtshilfeersuchen im Zusammenhang mit der Festnahme eines deutschen
Staatsbürgers in der Nähe der deutsch-österreichischen Grenze
Die Lebensgefährtin des am 25. Juli 1994 an der deutsch-österreichischen
Grenze verhafteten früheren Hamburger CDU-Bürgerschaftsabgeordneten
Dr. L. hat sich unlängst in einem ausführlichen Brief an den Bundesminister
des Auswärtigen, Joseph Fischer, gewandt.
Darin wirft sie deutschen Behörden vor, die Festnahme von Dr. L., der in der
Bundesrepublik Deutschland wegen Verdachts auf Spionage für die DDR ge-
sucht wurde, an diesem Tag am Grenzübergang Großgmain durch bayerische
Beamte sei auf österreichischem Boden erfolgt und damit rechtswidrig gewe-
sen. Der österreichische Botschafter habe deshalb auch am 18. Januar 1995
gegen diesen Festnahmeakt protestiert und die Rücklieferung von Dr. L. nach
Österreich, wo er uneingeschränktes Aufenthaltsrecht genoss und unter dem
Schutz eines Auslieferungsverbots stand, gefordert. Der österreichische Bot-
schafter soll die Festnahme von Dr. L., so seine Lebensgefährtin, als „Kidnap-
ping“ bezeichnet haben.
Auch die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Tübingen habe den
Fall als völkerrechtswidrige „Festnahmeaktion durch Polizeiorgane … auf
fremdem Hoheitsgebiet“ analysiert und damit als rechtswidrigen „Entführungs-
fall“ eingestuft. Vergleichbare Festnahmen, z. B. eines französischen Staatsbür-
gers in München im Jahr 1964 durch die französische Polizei, hätten im Deut-
schen Bundestag zu erregten Debatten und Protesten geführt.
Nun aber verweigerten deutsche Behörden mit dem Hinweis auf „Staatenim-
munität“ ein Rechtshilfeersuchen des Landesgerichts Salzburgs.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was geschah aus Sicht der Bundesregierung bei der oben genannten Fest-
nahme des Dr. L. auf welcher rechtlichen Grundlage?
2. Wie bewertet die Bundesregierung die Festnahme des Dr. L. an der deutsch-
österreichischen Grenze heute und was ist mit Dr. L. seitdem geschehen?
3. Stimmt es, dass die Bundesregierung bzw. deutsche Behörden Rechtshilfe-
ersuchen österreichischer Behörden bzw. Gerichte mit dem Hinweis auf
„Staatenimmunität“ abgewiesen haben?
Drucksache 14/3180 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
4. Wie oft haben deutsche Bundesregierungen in der Vergangenheit Rechts-
hilfeersuchen anderer Staaten des Europarats mit dem Argument der Staa-
tenimmunität verweigert?
5. Hält die Bundesregierung diese Verfahrensweise mit der Wertegemeinschaft
in der EU und innerhalb des Europarats für vereinbar?
Berlin, den 6. April 2000
Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion