BT-Drucksache 14/3026

Haltung der Bundesregierung zu einem Atomkraftverstromungsgesetz

Vom 22. März 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

3026

14. Wahlperiode

22. 03. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Rolf Kutzmutz und der Fraktion
der PDS

Haltung der Bundesregierungen zu einem Atomkraftverstromungsgesetz

Seit mehr als einem Jahr verhandelt die Bundesregierung mit Energieversor-
gungsunternehmen über eine neue Energiepolitik, über Schritte zur Beendi-
gung der Atomenergie und über Fragen der Entsorgung radioaktiver Abfälle.
Da sich die Bundesregierung für diese Energiekonsensgespräche einen Zeitrah-
men von einem Jahr gesetzt hat und da die Vereinbarungen nach Möglichkeit
im Konsens getroffen werden sollen, steht die Bundesregierung unter einem
selbst auferlegten Druck.

Zahlreichen Presseberichten nach zu urteilen, ist es in den Gesprächen zu einer
sukzessiven Annäherung der Position der Bundesregierung an die wirtschaft-
lichen Interessen der Betreiber von Atomkraftwerken gekommen. Wie aus
einem Schreiben des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit, Jürgen Trittin, an die Delegierten des Bundesparteitages von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom März dieses Jahres hervorgeht, sollen die
Laufzeiten der Atomkraftwerke auf 30 Kalenderjahre befristet werden können.
Den beiden ältesten Atomkraftwerken Stade und Obrigheim müsse eine Über-
gangsfrist von drei Jahren eingeräumt werden.

Der Reaktor des Atomkraftwerkes Obrigheim ist am 22. September 1968 erst-
malig kritisch geworden, hat am 29. Oktober 1968 die Stromerzeugung auf-
genommen und wurde am 1. April 1969 an den Auftraggeber übergeben. Der
Reaktor des Atomkraftwerkes Stade ist am 8. Januar 1972 erstmalig kritisch
geworden, hat am 29. Januar 1972 die Stromerzeugung aufgenommen und
wurde am 19. Mai 1972 an den Auftraggeber übergeben.

Um die Stilllegungen von Atomkraftwerken noch in dieser Wahlperiode zu
erreichen, sei den Betreibern eine Flexibilisierung der Laufzeiten angeboten
worden. Dadurch dürfe sich die Summe der Restlaufzeiten aber nicht erhöhen,
schreibt Bundesminister Jürgen Trittin. Eine entsprechende Flexibilisierung auf
Basis der Strommengen könne ohne Zustimmung des Bundesrates festgelegt
werden. Innerhalb von Restlaufzeiten für die einzelnen Kraftwerke zwischen
drei und 18 Jahren könnten die noch zulässigen Strommengen pro Anlage im
Gesetz festgeschrieben und auf andere Anlagen übertragen werden. Eine
Bundesbehörde müsse dies überwachen. Damit könnten Anlagen vor Ablauf
der 30 Jahre vom Netz gehen und jüngere Kraftwerke länger laufen.

Die oben in Aussicht gestellte gesetzliche Regelung könnte analog der eben-
falls in Aussicht gestellten Quotenregelung zum Einsatz von Kraft-Wärme-
Kopplung auch als „Atomkraftverstromungsgesetz“ charakterisiert werden.
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Nach Berichten der Rhein-Zeitung (Ausgabe Neuwied vom 28. Februar 2000,
vom 1. März 2000 und vom 4./5. März 2000) bezieht sich auch die rheinland-
pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini positiv auf die Pläne für ein
Atomkraftverstromungsgesetz und fordert die Berücksichtigung des Atom-
kraftwerkes Mülheim-Kärlich in den laufenden Energiekonsensgesprächen der
Bundesregierung.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:
1. Erwägt die Bundesregierung eine Verknüpfung eines Gesetzes für eine

Kraft-Wärme-Kopplungsquote mit einem Atomkraftverstromungsgesetz,
etwa in Gestalt eines Artikelgesetzes?

2. Sollen sich Stillstandszeiten von Atomkraftwerken negativ oder neutral auf
die gesamte zu verstromende Atomkraftmenge auswirken?

3. Sollen sich Stillstandszeiten auf Grund von angeordneten Nachrüstungen
und Prüfungen oder auf Grund von Widerrufen von Betriebsgenehmigun-
gen negativ oder neutral auf die gesamte zu verstromende Atomkraftmenge
auswirken?

4. Beziehen sich die Vorstellungen der Bundesregierung bezüglich der Lauf-
zeit von Atomkraftwerken auf den Zeitpunkt der Erstkritikalität, auf den
Zeitpunkt der Aufnahme der Stromerzeugung oder auf den Zeitpunkt der
Übergabe der Anlage an den Betreiber?

5. Wann würden bei Befristung auf 30 Jahre Laufzeit die Hälfte aller in
Deutschland am Netz befindlichen Atomkraftwerke abgeschaltete sein?

6. Wann würde bei Befristung auf 30 Jahre Laufzeit in Deutschland das letzte
Atomkraftwerk abgeschaltet sein?

7. Welchen Einfluß üben Alterungsprozesse am Reaktordruckgefäß auf die
Laufzeit von Atomkraftwerken aus?

8. Kann die Bundesregierung zum heutigen Zeitpunkt ausschließen, dass das
Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich wieder ans Netz geht?

9. Tritt die Bundesregierung dafür ein, dass das Atomkraftwerk Biblis stillge-
legt wird und dafür das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich ans Netz geht?

10. Billigt die Bundesregierung dem nicht genehmigten Atomkraftwerk Mül-
heim-Kärlich ein Atomstromkontingent zu, das dann auf andere, laufende
Atomkraftwerke übertragen werden kann?

11. Trifft es zu, dass die Stromkunden das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich
inzwischen fast vollständig über ihre Stromrechnung finanziert und abge-
schrieben haben?

12. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung für ein Beteili-
gung Dritter beim bevorstehenden atomrechtlichen Verfahren zur Geneh-
migung des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich?

13. Hält die Bundesregierung das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich unter den
Maßgaben des § 7 Abs. 2a Satz 1 Atomgesetz für genehmigungsfähig?

14. Welches der 19 in Deutschland betriebenen Atomkraftwerke erfüllt die
Maßgaben des § 7 Abs. 2a Satz 1 Atomgesetz hinsichtlich der zu treffen-
den Vorsorge?

Berlin, den 20. März 2000

Eva-Maria Bulling-Schröter
Rolf Kutzmutz
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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