BT-Drucksache 14/2955

Privatisierung von Naturschutzgebieten und angebliche oder tatsächliche Forderung der EU-Kommission

Vom 13. März 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2955

14. Wahlperiode

13. 03. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Rosel Neuhäuser
und der Fraktion der PDS

Privatisierung von Naturschutzgebieten und angebliche Forderung
der EU-Kommission

Der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, habe, laut Süddeutscher Zei-
tung vom 25. Februar 2000, die Mitteilung des Vorsitzenden der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Rezzo Schlauch, zurückgewiesen, nachdem
sich die Koalitionsspitze über den Umfang des Privatisierungsschutzes von ost-
deutschen Naturschutzflächen einig geworden sei. Auch die Umweltpolitiker
der SPD wollten von dem Kompromiss, den zuvor Umweltminister Jürgen
Trittin in einer Presseerklärung begrüßt hatte, „nichts mehr wissen“, meldet das
Blatt weiter. Zudem hätte Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Auseinan-
dersetzung um den tatsächlichen oder angeblichen Kompromiss Bundesminis-
ter Hans Eichel den Rücken gestärkt.

Dieser Kompromiss sah laut dem Abgeordneten Rezzo Schlauch vor, dass von
den etwa 100 000 Hektar Flächen, die als Naturschutzgebiete oder als Kern-
zone von Biosphärenreservaten festgesetzt oder einstweilig gesichert sind oder
für die das Unterschutzstellungsverfahren förmlich eingeleitet wurde, die
Hälfte, also etwa 50 000 Hektar, kostenlos an Naturschutzverbände und an die
Länder zum Zwecke einer den Zielen des Naturschutzes und der Landschafts-
pflege dauerhaft dienenden Nutzung abgegeben werden. Die andere Hälfte
würde die bundeseigene Bodenverwaltungs- und Verwertungsgesellschaft
(BVVG) an Naturschutzverbände oder Bundesländer zu einem Preis, der weni-
ger als die Hälfte des Verkehrswertes beträgt, veräußern.

Dem widersprechend verwies Bundesminister Hans Eichel laut Süddeutscher
Zeitung im Kabinett darauf, dass ein so umfassender Privatisierungsstopp auf
EU-Bedenken stoßen würde.

Diese angeblichen Bedenken der EU-Kommission sind seit längerem der
Hauptpfeiler in der Argumentation des Bundesministeriums der Finanzen ge-
gen einen umfassenden und gesetzlich verankerten Privatisierungsstopp bei
den wertvollsten Naturschutzflächen Ostdeutschlands: Da bei den bisherigen
Privatisierungen, entgegen europarechtlichen Vorgaben, nichtdeutsche EU-
Bürger keine oder nicht ausreichend Kaufsmöglichkeiten gehabt haben sollen,
fordere die EU-Kommission, dass diesen bei den noch zu privatisierenden Flä-
chen ausreichend Flurstücke angeboten werden müssten. Laut Bundesministe-
rium der Finanzen (BMF) wäre es deshalb – um die EU zufrieden zu stellen
und eine Rückabwicklung aller BVVG-Verkäufe zu verhindern – zwingend,
Drucksache

14/

2955

– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
auch einen großen Teil der genannten Naturschutzflächen nichtdeutschen EU-
Bürgern zum Verkauf anzubieten.

Demgegenüber berichtet die Financial Times Deutschland vom 2. März 2000,
dass die Europäische Kommission die Behauptungen des BMF zurückgewie-
sen habe, nachdem die EU die kostenlose Abgabe von Naturschutzflächen nur
bis zu einer festen Obergrenze gestatte. „Die Kommission hat keine Zahl ge-
nannt und hat keine im Hinterkopf“, zitiert das Blatt die Kommission. „Die an-
gebliche Obergrenze von 40 000 Hektar sei eine Erfindung des Berliner Fi-
nanzministeriums.“

Wir fragen die Bundsregierung:

1. Gab es im Bundeskabinett im Februar eine Einigung über die kostenlose
bzw. verbilligte Abgabe von ostdeutschen Naturschutzflächen an Natur-
schutzverbände und Bundesländer, und wenn ja, wie sah diese aus?

2. Auf welchen Quellen basieren die Befürchtungen des BMF, wonach es EU-
Vorbehalte gegen eine kostenlose Abgabe von ostdeutschen Naturschutz-
flächen an Naturschutzverbände und Bundesländer gebe?

3. Gab es eine offizielle Anfrage der Bundesregierung an die EU-Kommission,
inwieweit Bedenken bei der EU-Kommission gegen die kostenlose Abgabe
ostdeutscher Naturschutzflächen an Naturschutzverbände und Bundesländer
existieren, und wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

4. Wie steht die Bundesregierung zu den oben zitierten Aussagen der EU-
Kommission, wie sie in der Financial Times Deutschland vom 2. März 2000
dargestellt wurden?

5. Gibt es – falls es keine EU-Vorbehalte gibt – nach Auffassung der Bundes-
regierung andere Gründe, die gegen eine kostenlose Abgabe ostdeutscher
Naturschutzflächen an Naturschutzverbände und Bundesländer sprechen?

Berlin, den 8. März 2000

Eva-Maria Bulling-Schröter
Rosel Neuhäuser
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.