BT-Drucksache 14/2905

Für eine Modernisierung der Ausbildungsförderung für Studierende

Vom 14. März 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2905
14. Wahlperiode 14. 03. 2000

Antrag
der Abgeordneten Stephan Hilsberg, Brigitte Wimmer (Karlsruhe), Klaus Barthel
(Starnberg), Willi Brase, Ursula Burchardt, Dr. Peter Eckardt, Lothar Fischer
(Homburg), Walter Hoffmann (Darmstadt), Ulrich Kasparick, Siegrun Klemmer,
Ernst Küchler, Günter Oesinghaus, Manfred Opel, Dr. Edelbert Richter, René
Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Heinz Schmitt
(Berg), Bodo Seidenthal, Jörg Tauss, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Matthias Berninger, Hans-Josef Fell, Irmingard Schewe-
Gerigk, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Für eine Modernisierung der Ausbildungsförderung für Studierende

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Um unser Land zukunftsfähig zu machen und neue Innovationspotentiale zu er-
schließen, ist die junge Generation auf die bestmögliche Weise auszubilden und
zu qualifizieren. Jungen Menschen in der Ausbildung angemessene Förderung
und finanzielle Unterstützung zu gewähren, ist deshalb eine herausragende
Aufgabe der Bildungspolitik.

Die Ausbildungsförderung für Studierende befindet sich derzeit allerdings in
einer kritischen Phase.

Der Deutsche Bundestag begrüßt es deshalb, dass mit der 20. BAföG-Novelle
und der Erhöhung des Kindergeldes ein erster Schritt in die richtige Richtung
erfolgt ist, der bereits zu einer Trendumkehr führte, Strukturprobleme aber
noch nicht beseitigen konnte.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Absicht der Bundesregierung, alle Mög-
lichkeiten zur zeitgemäßen Optimierung des BAföG auszuschöpfen und erwar-
tet den Einstieg in eine Unterstützung von Studierenden in besonderen Studien-
situationen. Damit sollen folgende Ziele verfolgt werden:

● Realisierung von mehr sozialer Gerechtigkeit, damit mehr jungen Menschen
ein Studium ermöglicht wird und sich so die Bildungsbeteiligung erhöht,

● Entlastung der Familien mit Kindern in der Ausbildung,

● Überwindung der noch bestehenden Unterschiede in der Förderung zwi-
schen Studierenden in den alten und neuen Ländern,

● Internationalisierung der Förderung,

● Vereinfachung und transparente Gestaltung des Gesetzes,

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● Verkürzung der Studienzeiten und Senkung der Abbrecherquote.

Um dem wachsenden Bildungs- und Ausbildungsbedarf unserer Gesellschaft
gerecht zu werden, ist es von zentraler Bedeutung, einer zeitgemäßen Abstim-
mung und Verzahnung von Steuerrecht, Unterhaltsrecht, Familienförderung
und Ausbildungsförderung die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, ei-
nen Gesetzentwurf für eine grundlegende Reform des Bundesausbildungs-
förderungsgesetzes (BAföG) vorzulegen. Damit soll folgenden Eckpunkten
Rechnung getragen werden:

● Wie schon in anderen Sozialleistungsgesetzen, die einkommensabhän-
gige Leistungsansprüche gewähren (WohngeldG, BErzGG), soll auch bei
der Ermittlung von Leistungsansprüchen nach dem BAföG das den El-
tern der Auszubildenden zufließende Kindergeld nicht mehr anspruchs-
mindernd angerechnet werden. So werden die Leistungen nach dem
BAföG ausgeweitet und zugleich mehr Auszubildende einen Förderan-
spruch erhalten. Gerade für Familien mit mittlerem Einkommen wird
sich dies positiv auswirken.

● Die im BAföG vorgesehenen Freibeträge, die für die anrechenbaren Ein-
kommen maßgeblich sind, sollen erhöht und in ihrer Struktur vereinfacht,
weniger differenziert und damit durchschaubarer gestaltet werden.

● Die Bedarfssätze des BAföG sollen deutlich angehoben werden, so dass
der BAföG-Höchstsatz von zurzeit DM 1030 auf DM 1100 steigt.

So kann der in der Vergangenheit nicht durchgängig parallelen Entwick-
lung der Bedarfssätze einerseits sowie der gestiegenen Lebenshaltungs-
kosten andererseits und auch der Nettolöhne, wie sie zuletzt im
13. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG (Drs. 14/1927) darge-
stellt wurden, wieder angemessen Rechnung getragen werden.

Mit dieser Erhöhung der Bedarfssätze wird erreicht, dass mehr Auszubil-
dende mehr Geld bekommen, so dass eine realistische Finanzierung des
speziellen Lebensunterhalts für Auszubildende erreicht werden kann.

● Die noch bestehenden Unterschiede bei der Förderung von Auszubilden-
den in den alten und neuen Bundesländern, die sich auf die Wohnkosten
und die Krankenversicherungszuschläge beziehen, sollen aufgehoben
werden.

Damit wird für Leistungen nach dem BAföG die notwendige Einheit von
Ost und West realisiert.

Zusätzlich soll geprüft werden, ob im Sinne einer Vereinfachung der bis-
her bestehenden Regelungen die Wohnzuschläge für auswärtig unterge-
brachte Auszubildende und die damit einhergehenden Härtefallregelun-
gen zu einem gemeinsamen System verbunden werden können.

● Um die Internationalität der Ausbildung zu erhöhen, sollen Studierende
EU-weit ihren Anspruch auf Ausbildungsförderung „mitnehmen“ kön-
nen, wenn sie zunächst zwei Semester in Deutschland studieren.

Damit soll auch den geförderten Studentinnen und Studenten ermöglicht
werden, längere Zeit im Ausland zu studieren.

● Zur Förderung von Interdisziplinarität sollen Master-Studiengänge, die
auf Bachelor-Abschlüssen aufbauen auch dann gefördert werden, wenn

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sie für den späteren Beruf besonders geeignet, aber nicht unbedingt fach-
identisch sind.

Auf diese Weise kann der heute am Arbeitsmarkt geforderten interdiszip-
linären Ausbildung besser Rechnung getragen werden. Zudem wird die
Attraktivität neuer Studiengänge gesteigert.

● Statt der bislang befristet eingeführten und mehrfach verlängerten Stu-
dienabschlussförderung soll es eine dauerhafte Hilfe zum Studienab-
schluss geben, unabhängig von den Gründen, die zur Überschreitung der
Förderungshöchstdauer geführt haben.

Damit entfällt die bislang notwendige Voraussetzung, innerhalb der För-
derungshöchstdauer zur Abschlussprüfung zugelassen worden zu sein.
Auch nach einer selbstverschuldeten Unterbrechung des Studiums soll es
eine zweite Chance für jeden Studierenden im Förderungsrecht geben.

● Zur Vereinfachung und besseren Durchschaubarkeit der bürokratischen
Verwaltungsverfahren soll sich die Förderungshöchstdauer an der Regel-
studienzeit der jeweiligen Hochschule orientieren. Damit soll für die Stu-
dierenden größere Transparenz und Rechtssicherheit erreicht werden.

● Die Verlängerung der Förderung wegen Kindererziehung soll bedarfsge-
rechter ausgestaltet werden.

● Das BAföG wird insgesamt deutlich vereinfacht und transparenter gestal-
tet werden.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, zeitlich befristete
elternunabhängige Bildungskredite für Studierende in besonderen Ausbil-
dungssituationen zu ermöglichen.

Solche Kredite werden all jenen Studierenden eine neue Möglichkeit der
Bildungsfinanzierung eröffnen, die in besonderen Situationen bisher nur
durch erhebliches und die Ausbildung verlängerndes Jobben ihren Lebens-
unterhalt verdienen können. Ziel ist es, die Studienzeit zu verkürzen, die
Abbruchquote zu verringern und soziale Härten zu vermeiden.

Das notwendige Programm soll mit Inkrafttreten der BAföG-Reform zur
Verfügung stehen. Hierfür müssen parallel die notwendigen Voraussetzun-
gen geschaffen werden. Die Bundesregierung wird darüber hinaus aufgefor-
dert zu prüfen, welchen weiteren Gruppen von Auszubildenden derartige
Bildungskredite zu Verfügung gestellt werden können.

3. Die Regelungen sollen zum 1. April 2000 in Kraft treten.

4. Um das Recht auf Bildung weiter zu stärken und den veränderten Lebens-
entwürfen junger Erwachsener besser gerecht zu werden, sieht der Deutsche
Bundestag die Aufgabe, die verschiedenen Systeme, wie Steuerrecht, Unter-
haltsrecht, Familienförderung und Bildungsfinanzierung weiter zu entwi-
ckeln und besser aufeinander abzustimmen. In diesem Zusammenhang geht
es sowohl um die Erstausbildung wie um das lebensbegleitende Lernen und
die Weiterbildung, die in unserer Gesellschaft einen immer größeren Stel-
lenwert bekommen. Deshalb wird die Bundesregierung aufgefordert, eine
Expertenkommission einzuberufen, die bis zum Ende der Legislaturperiode
hierzu Vorschläge entwickelt.

Berlin, den 14. März 2000

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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