BT-Drucksache 14/2856

U durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 102. Interparlametarische Konferenz vom 10. bis 16. Oktober 1999 in Berlin

Vom 24. Februar 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2856
14. Wahlperiode 24.02.2000

Unterrichtung
durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe
der Bundesrepublik Deutschland

über die 102. Interparlamentarische Konferenz vom 10. bis 16. Oktober 1999
in Berlin

I n h a l t Seite

I. Teilnehmer.......................................................................................................................... 1
II. Zusammenfassung............................................................................................................... 2
III. Reden deutscher Teilnehmer .............................................................................................. 3
IV. Sitzungen des Interparlamentarischen Rates....................................................................... 15
V. Treffen der Parlamentarierinnen in der IPU ....................................................................... 16
VI. Sitzungen der Parlamentarier der Gruppe der Zwölf Plus .................................................. 20
VII. Personalien ......................................................................................................................... 27
VIII. Anhang................................................................................................................................ 27

I. Teilnehmer
Die 102. Interparlamentarische Konferenz fand auf Ein-
ladung des Deutschen Bundestages vom 10. bis 16. Ok-
tober 1999 in Berlin statt. Der deutschen Delegation
gehörten folgende Mitglieder an:
Abg. Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU), Leiterin der
Delegation
Abg. Dieter Schloten (SPD), Stellvertretender Leiter der
Delegation

Abg. Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU)
Abg. Angelika Graf (SPD)
Abg. Ulrich Irmer (F.D.P.)
Abg. Dr. Angelika Köster-Loßack
(Bündnis 90/Die Grünen)
Abg. Hans Raidel (CDU/CSU)
Abg. Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD)

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II. Zusammenfassung

Vom 10. bis 16. Oktober 1999 wurde auf Einladung des
Deutschen Bundestages die 102. Interparlamentarische
Konferenz im Internationalen Congress Centrum in Ber-
lin abgehalten. Deutschland war somit nach 1908, 1928,
1978 und 1980 zum 5. Mal Gastgeber einer ordentlichen
Konferenz der Interparlamentarischen Union. An der
Konferenz nahmen 722 Abgeordnete aus 131 nationalen
Parlamenten sowie 56 Beobachter verschiedener interna-
tionaler Organisationen teil. Unter den Teilnehmern
befanden sich 49 Parlamentspräsidenten sowie 37 stell-
vertretende Parlamentspräsidenten. Die Zahl der weibli-
chen Abgeordneten betrug 146, was einem Anteil von
ca. 20 % entspricht. Insgesamt kamen 1 599 Delegierte
nach Berlin. Auf Initiative der deutschen Gastgeber
wurde eine Delegation des oppositionellen weißrussi-
schen 13. Obersten Sowjets als Gast der deutschen De-
legation eingeladen, um ein Zeichen gegen die Unterdrü-
ckung der demokratischen Kräfte durch den autoritär
regierenden Präsidenten Lukaschenko in Weißrussland
zu setzen.
Die beiden Gründerväter Randal Cremer und Frédéric
Passy der 1889 ins Leben gerufenen Interparlamentari-
schen Union hatten es sich zum Ziel gesetzt, mittels
einer Zusammenarbeit zwischen Parlamentariern aus
aller Welt einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des
Friedens, zur Abrüstung und zur Völkerverständigung zu
leisten. Der massive russische Militäreinsatz in der ab-
trünnigen Kaukasusrepublik Tschetschenien und der
durch die pro-indonesischen Milizen ausgelösten bür-
gerkriegsähnliche Zustand in Osttimor verliehen den
Zielen der beiden Gründerväter der IPU eine besondere
Aktualität. Obwohl ein Antrag der portugiesischen Dele-
gation auf Aufnahme eines Dringlichkeitstagesord-
nungspunktes zum Thema: „Die schwierige Situation in
Osttimor“ nicht die notwendigen Vierfünftel an Mehrheit
(749 ja, 361 nein und 273 Enthaltungen) erhielt, spielten
in den meisten Debattenbeiträgen die groben Verstöße
gegen die Menschenrechte in Osttimor eine große Rolle.
Neben diesen beiden bei Konferenzbeginn vorgefunde-
nen Themen war der während der Konferenz erfolgte
Militärputsch in Pakistan zentrales Thema der 102. IPU-
Konferenz. Die meisten Debattenredner kritisierten die
von indonesischer Seite begangenen Gewalttaten und
forderten die dortige Regierung auf, das eindeutige Un-
abhängigkeitsvotum der Bevölkerung Osttimors zu res-
pektieren. Zum Militärputsch in Pakistan wurde ein auf
deutsche Initiative zurückgehender Aufruf verabschie-
det, der die neuen Machthaber dazu auffordert, die Men-
schenrechte zu achten und umgehend zur parlamentari-
schen Demokratie zurückzukehren.
Eigentliche ordentliche Tagesordnungspunkte waren die
in den Ausschüssen behandelten Themen „Die Notwen-
digkeit einer Überprüfung des derzeitigen globalen Fi-

nanz- und Wirtschaftsmodells“ und „Der Beitrag der
Parlamente zur Beachtung und Förderung des humanitä-
ren Völkerrechts anlässlich des 50. Jahrestages der Gen-
fer Konventionen“. Zu Beginn der 102. Konferenz der
Interparlamentarischen Union lagen zudem 8 Anträge
auf Aufnahme von Zusatztagesordnungspunkten vor. Der
zunächst von der deutschen Seite formulierte und von
der Gruppe der Zwölf Plus („westliche“ Staatengruppe)
unterstützte Zusatztagesordnungspunkt „Der Beitrag der
Parlamente zu einem friedlichen und toleranten Zusam-
menleben von ethnischen, kulturellen und religiösen
Minderheiten in einem gemeinsamen Staat“ wurde im
Konferenzvorfeld auf deutsche Initiative hin mit dem
mexikanischen Themenvorschlag „Rechte der Migran-
ten“ kombiniert und als gemeinsamer deutsch-
mexikanischer Antrag unter dem Titel „Der Beitrag der
Parlamente zu einem friedlichen und toleranten Zusam-
menleben von ethnischen, kulturellen und religiösen
Minderheiten in einem von Toleranz und uneinge-
schränkter Einhaltung ihrer Menschenrechte geprägten
gemeinsamen Staat unter Einschluss von Migranten“ zur
Abstimmung eingereicht, was die Unterstützung der
lateinamerikanischen Staatengruppe zur Folge hatte und
von dieser spürbar als bemerkenswerte Initiative aufge-
fasst wurde. Daneben wurde von libanesischer Seite das
Thema „Implementierung der UN-Sicherheitsrats-
Resolution 425“ und von irakischer Seite das Thema
„Aufhebung des Wirtschaftsembargos“ vorgeschlagen.
Im Redaktionsausschuss kam es zu einer bemerkenswert
guten Kooperation auch mit Vertretern anderer geopoli-
tischer Gruppen, darunter Iran und Sudan, sodass der
gemeinsame deutsch-mexikanische Vorschlag nicht nur
die notwendige Zweidrittel-Mehrheit, sondern auch die
höchste Zahl an zustimmenden Stimmen fand und somit
angenommen war.
Das Thema „Die Notwendigkeit einer Überprüfung des
derzeitigen globalen Finanz- und Wirtschaftsmodells“
wurde im Ausschuss für Wirtschafts- und Sozialfragen
behandelt. Von deutscher Seite lag dazu ein Resoluti-
onsentwurf vor (s. Anhang 5). An der Ausschussdebatte,
die von einem Vertreter der Weltbank eröffnet wurde,
beteiligten sich insgesamt Delegierte aus rd. 70 Staaten.
Im Redaktionsausschuss gab es längere Diskussionen
über die deutsche Forderung, zusätzliche Mittel für die
stark verschuldeten armen Länder (HIPC – Heavily
Indebted Poor Countries) nicht für den Kauf von Waffen
oder die Entwicklung von Massenvernichtungsmitteln zu
verwenden. Der Redaktionsausschuss einigte sich
schließlich auf die Formulierung, dass die begrenzten
Hilfsmittel ausschließlich für die Bekämpfung der Armut
und die Förderung nachhaltiger Entwicklung in den
betreffenden Ländern verwendet werden sollen. Breite
Zustimmung fand der lateinamerikanische Vorschlag,
geeignete Mechanismen einzurichten, die die Entschlie-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/2856

ßungen der IPU zur Verschuldungsproblematik weiter
verfolgen. Auch die Forderung Schwedens nach einer
gleichberechtigten Vertretung von Frauen in den interna-
tionalen Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen wurde
akzeptiert. In der vom Plenum am 15. Oktober 1999
verabschiedeten Resolution wird darüber hinaus eine
neue Weltfinanzarchitektur und eine baldige Umsetzung
der Vorschläge des Kölner Gipfels der G8-Gruppe, ins-
besondere eine Initiative zum Schuldenabbau und mehr
Transparenz im privaten Sektor, in der Wirtschaftspoli-
tik und in den internationalen Finanzinstitutionen gefor-
dert (s. Anhang 5).
Durchaus kontrovers verlief auch die Debatte im Aus-
schuss für Parlaments-, Rechts- und Menschenrechtsfra-
gen über das Thema „Der Beitrag der Parlamente zur
Beachtung und Förderung des humanitären Völkerrechts
anlässlich des 50. Jahrestages der Genfer Konventio-
nen“. Dem Ausschuss lagen insgesamt 22 Resolutions-
entwürfe vor, darunter auch ein von der deutschen Dele-
gation vorgelegter (s. Anhang 1). Libyen stellte den
Antrag, in der Resolution die Forderung nach einem
Verzicht auf Wirtschaftssanktionen aufzunehmen, ein
Antrag, der dann nochmals im Redaktionsausschuss und
während der Aussprache im Plenum vom Irak ohne Er-
folg gestellt wurde. Wichtigste Forderungen der am
15. Oktober 1999 vom Plenum angenommenen Resolu-
tion sind: Jene Staaten, die die Instrumente des humani-
tären Völkerrechts und die internationalen Vereinbarun-
gen zum Schutz der Menschenrechte und der Flüchtlinge
in bewaffneten Konflikten noch nicht ratifiziert und
implementiert haben, werden aufgefordert, diese umzu-
setzen. Außerdem werden die Mitgliedsländer aufgefor-
dert, ihre nationale Gesetzgebung in Einklang mit den
internationalen humanitären Standards zu bringen, den
internationalen Gerichtshof für das frühere Jugoslawien
und Ruanda in seiner Arbeit zu unterstützen, das Rom-
Statut des internationalen Strafgerichtshofs zu ratifizie-

ren und der Ottawa-Konvention über Anti-Personen-
minen beizutreten. (s. Anhang 1)
In der vom Plenum der IPU-Konferenz ebenfalls am
15. Oktober 1999 angenommenen Entschließung zum
Thema „Der Beitrag der Parlamente zu einem friedlichen
und toleranten Zusammenleben von ethnischen, kulturel-
len und religiösen Minderheiten in einem von Toleranz
und uneingeschränkter Einhaltung ihrer Menschenrechte
geprägten gemeinsamen Staat unter Einschluss von
Migranten“ werden die nationalen Parlamente aufgeru-
fen, für den gegenseitigen Respekt zwischen ethnischen,
kulturellen und religiösen Gemeinschaften Sorge zu
tragen. Zudem werden die nationalen Parlamente dazu
aufgefordert, darauf zu achten, dass bei Bewahrung der
Pressefreiheit die Berichterstattung über Minderheiten in
ihren Ländern ein objektives und ausgewogenes Bild
vermittelt, und besondere Aufmerksamkeit auf alle Dis-
kriminierungen von Minderheiten und Migranten in den
Bereichen der Bildung und des Berufes gerichtet wird.
(s. Anhang 3). Ein Antrag der kanadischen Delegation,
auch die Stellung und die Rechte von Minderheiten
unterschiedlicher sexueller Orientierung zu beschließen,
wurde nach z. T. leidenschaftlich kontrovers geführter
Debatte vom Plenum mit großer Mehrheit abgelehnt.
Besonders heftig fiel die Ablehnung durch die afrikani-
schen Staaten und den Iran aus.
Trotz kontroverser Diskussionen und heftiger Debatten
bewährte sich die Interparlamentarische Union bei der
letzten Interparlamentarischen Konferenz in diesem
Jahrhundert als Forum des friedlichen Meinungsaustau-
sches zwischen den Delegierten aus 138 Mitgliedsparla-
menten. Am Ende der Konferenz wurde die Inderin
Dr. Najma Heptulla vom Interparlamentarischen Rat
ohne Gegenkandidatin zur Nachfolgerin des Spaniers
Miguel Angel Martínez zur ersten weiblichen Präsiden-
tin des Interparlamentarischen Rates gewählt.

III. Reden der deutschen Teilnehmer

1. Am Samstag, dem 10. Oktober 1999, fand die
feierliche Eröffnung der 102. Konferenz der Interparla-
mentarischen Union im Berliner Reichstagsgebäude,
dem neuen Sitz des Deutschen Bundestages, durch Bun-
despräsident Johannes Rau statt. Die Ansprache des
Bundespräsidenten lautete:
„Frau Präsidentin,
Herr Bundestagspräsident,
meine Damen und Herren,
ich freue mich, Sie alle ganz herzlich im Namen der
Bundesrepublik Deutschland hier in Berlin im Reichstag
begrüßen zu können. 138 Delegationen bilden eine ein-
drucksvolle, hochansehnliche Festversammlung.

Das könnte uns vergessen lassen, dass am Anfang der
Interparlamentarischen Union zwei Menschen standen.
Ein Franzose und ein Engländer. Die beiden haben da-
mals, 1898, gesagt: So kann das nicht weitergehen, dass
Brückenköpfe gebaut werden und keine Brücken, so
kann das nicht weitergehen, dass wir in Nationalismen
verharren, statt Wege zueinander zu finden. Aus diesen
zwei Menschen und dem was sie nicht nur gesagt, nicht
nur gedacht, sondern getan haben, ist eine weltweit agie-
rende und funktionierende Organisation entstanden.
Freilich eine Organisation mit den Schwächen aller Or-
ganisationen: Sie hat Bürokratien entwickelt, sie lässt
Betriebsblindheiten zu, aber sie ist eine Organisation
geworden, in der man Brücken baut und nicht nur Brü-
ckenköpfe errichtet. Darüber bin ich von Herzen froh.

Drucksache 14/2856 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Freilich, wenn jetzt jede der 138 Delegationen die
Chance hätte, auch nur in 5 Minuten die Probleme des
einzelnen Heimatlandes darzustellen, würde uns Hören
und Sehen vergehen. Wir würden Angst bekommen
vor der Aufgabe, die jedem Parlament, die jeder Regie-
rung gestellt ist, wir würden das alles für unerfüll-
bar halten. Es wäre wie mit einem Griff nach dem Hori-
zont: Unser Arm wäre zu kurz, wir würden den Horizont
nie erreichen. Dennoch sage ich: Die Demokratie ist
ein Geschenk, die Demokratie ist eine Herausforde-
rung, die Demokratie ist eine nicht enden wollende Auf-
gabe.
Wir müssen diese Aufgabe anpacken, diese Herausforde-
rung annehmen und uns dieses Geschenk geben lassen.
Das sage ich gerade als Deutscher: Wir haben Diktaturen
nicht nur erlebt, sondern wir haben auch aufgrund
verbrecherischer Regime Diktatur über andere gebracht.
Wir wissen, wie das ist, wenn die Welt sich aufteilt in
Täter und Opfer, in Mitwirkende und Wegsehende, in
Zuschauer und in Widerstandleistende. Wir haben dar-
aus gelernt: Wir brauchen die Demokratie wie die Luft
zum Atmen, denn die Demokratie ist die Staatsform der
Toleranz. Toleranz ist eines der höchsten Güter der
Menschheit. Freilich ist es wie bei allen höchsten Gütern
der Menschheit: Sie sind verwechselbar, sie können in
mancherlei Gestalt auftauchen und sehr oft lassen wir
uns täuschen. Es gibt Menschen, die reden von Toleranz
und meinen Beliebigkeit. Es gibt Menschen, die reden
von Toleranz und meinen Indifferenz, sie meinen eine
Welt, in der alles möglich ist und nichts wichtig. Der
deutsche Dichter Hermann Hesse hat einmal gesagt:
„Gestaltlose Nebel begegnen sich nie.“ Toleranz setzt
eigenes Profil voraus, die Bereitschaft Konturen zu ha-
ben, ein Bekenntnis und Überzeugungen zu haben. Tole-
ranz heißt auch, bei Überzeugungen im Wettstreit mit
anderen Überzeugungen zuerst zuhören zu lernen und
erst dann ein Rednerseminar zu besuchen. Ein russischer
Dichter hat einmal gesagt: Toleranz heißt, den anderen
nicht hinnehmen, sondern ihn so wollen, wie er ist. Tols-
toi sagt, ihn so wollen, wie Gott ihn gemeint hat – „God
whatever you conceive him to be“, wie es in dem Gebet
von Baltimore heißt. Solche Toleranz brauchen wir.
Toleranz ist ein schwieriger Lernprozess, sie ist nie
Besitz einer Gruppe oder Klasse, einer Religion oder
Konfession, sie ist immer wieder zu erringen, sie ist auch
Erziehungsziel und Erziehungsmethode, wir brauchen
solche Toleranz, wenn wir miteinander leben wollen.
Toleranz lernen heißt auch, den Dialog der Kulturen zu
wollen.
Wir alle wissen: Es gibt einen engen Zusammenhang
zwischen den Weltreligionen und dem Weltfrieden. Wir
alle wissen: Religiöse Überzeugung kann Brücken bauen
und religiöse Überzeugung kann intolerant machen. Wir
alle wissen: Dieser Lernprozess wird jedem von uns
abgefordert und viele gleiten weg in Beliebigkeit oder in
Indifferenz.

Wir in Deutschland erleben und erfahren, was die
schnelle Entwicklung unseres Landes, auch unserer
Wirtschaft, bedeutet. Das Stichwort Globalisierung ist in
aller Munde. Nicht nur Finanzströme, sondern auch
Meldungen, auch Nachrichten gehen immer schneller um
den Globus. Viele Menschen werden dabei heimatlos,
viele Menschen bekommen dadurch Fremdenangst, viele
Menschen werden Opfer der schrecklichen Vereinfacher,
die für alles eine Antwort haben und für nichts eine Lö-
sung.
Darum ist es unser Auftrag, Menschen in ihrer Fremden-
angst abzuholen und ihnen zu zeigen: Es gibt einen Weg
von der Angst über die Neugier zur Vielfalt. Dieser Weg
ist der demokratische Weg, dieser Weg ist der Weg in
die Zukunft, dieser Weg ist die Alternative zu der Kette
von Angst über Hass zu Gewalt. Das müssen wir lernen,
damit, wie es Theodor Adorno einmal als Wunsch geäu-
ßert hat, eine Welt entsteht, in der man ohne Angst ver-
schieden sein kann.
Eine solche Welt wäre demokratisch. Eine solche Welt
ist die Zielvorstellung, nicht für die Menschen, die auf
das eigene Bekenntnis und auf das eigene Profil verzich-
ten, sondern für solche, die bereit sind, mit dem eigenen
Profil für Menschenwürde, für Mitmenschlichkeit einzu-
treten und die Agenda abzuarbeiten, die in den einzelnen
Ländern und Kontinenten vor uns liegt.
Wie beginnen wir diesen Lernprozess? Ich bin davon
überzeugt: Würde man jetzt darüber diskutieren, gäbe es
138 Antworten. Diese 138 Antworten werden sich zum
Teil ausschließen, würden einander widersprechen. Um-
so dringender der Dialog, umso dringender die Erkennt-
nis, dass Demokratie nicht irgendeine Spielart ist, in der
man Mehrheiten ermittelt und Minderheiten duldet. Die
Antworten werden von der nächsten Generation von uns
allen erhofft, erwartet, erbeten. Es gibt auch Menschen,
die trauen uns keine Antwort mehr zu. Sie wenden sich
gelangweilt ab. Auch diese Menschen dürfen wir nicht
aufgeben. Auch diese Menschen müssen wir zu gewin-
nen und zu erreichen versuchen: Die Demokratie lebt
davon, dass Menschen sich einmischen in ihre eigenen
Angelegenheiten.
Wie lernen wir, wie lehren wir so unterschiedliche Zie-
le? Wie helfen wir mit, dass Grenzen ihren trennenden
Charakter verlieren? Wie üben wir die Worte ein, die so
unterschiedlich sind und doch zusammengehören:
„Compassion“ und „Zivilcourage“, das eine aus der
Sprache des Engländers, das andere aus der des Franzo-
sen, den beiden Gründervätern der Interparlamentari-
schen Union. Wie macht man das in einer Welt, die,
wenn man es richtig gezählt hat, in Wirklichkeit nicht
200 Staaten, sondern 3 500 unterschiedliche Ethnien
umfasst?
Meine Damen und Herren, wenn Sie müde werden, wenn
Sie mutlos werden angesichts der Agenda, die vor Ihnen
liegt in den unterschiedlichen Ländern unserer Welt,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/2856

dann denken Sie daran: Es waren damals zwei Men-
schen, die vor 110 Jahren den Wunsch gehabt haben,
nachzudenken, zu reden, zu handeln. Diese zwei haben
die Welt verändert, sie haben Demokratie lebendig ge-
macht. Heute hat diese Demokratie Chancen in allen
Ländern der Welt, auf allen Kontinenten. Es ist nicht
vergeblich, was wir tun. Damals waren es zwei, heute
sind Sie viele, unübersehbar viele. Das ist eine große
Chance.
Ich erkläre die 102. Interparlamentarische Konferenz für
eröffnet.“
Eröffnungsansprachen hielten zudem Bundestagspräsi-
dent Wolfgang Thierse, der stellvertretende UN-
Generalsekretär Vladimir Petrovsky sowie die Präsi-
dentin ad interim des Interparlamentarischen Rates der
Interparlamentarischen Union, Dr. Najma Heptulla.
Herr Vladimir Petrovsky hob hervor, dass die Behand-
lung der Probleme des humanitären Völkerrechts eines
der Hauptanliegen der Vereinten Nationen sei. Die erst
jüngere Zusammenarbeit der IPU mit den VN bezeichne-
te er als „konstruktiven Parallelismus“ und wies auf die
besondere Rolle parlamentarischer Initiativen zur Stär-
kung des internationalen Friedens hin.
Frau Dr. Najma Heptulla sprach die außergewöhnli-
chen Veränderungen an, die sich im letzten halben Jahr-
hundert in der Welt vollzogen haben, wobei sie vor
allem die positiven Entwicklungen im Hinblick auf die
Demokratisierung herausstellte und auf die historische
Rolle Berlins verwies. Sie unterstrich ferner die Not-
wendigkeit, das humanitäre Völkerrecht fortzuentwi-
ckeln und sprach die besondere Rolle der Parlamentarier
an, die nicht nur solche Gesetze und Garantien errichten,
sondern auch ein breites Bewusstsein für diese Rechte
schaffen sollen.
Die Ansprache des Präsidenten des Deutschen Bundes-
tages, Wolfgang Thierse, anlässlich der 102. Konferenz
der „Interparlamentarischen Union“ am 10.10.1999 in
Berlin lautete:
„Herr Bundespräsident,
sehr geehrte Frau Präsidentin Heptulla,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus allen Teilen der
Welt,
verehrte Ehrengäste, meine sehr geehrten Damen und
Herren,
erst vor vier Wochen hatte der Deutsche Bundestag
anlässlich seines fünfzigjährigen Bestehens siebzig Par-
lamentspräsidentinnen und -präsidenten aus 47 Ländern
und acht interparlamentarischen Organisationen zu Gast.
Dies war eine große Freude für die Menschen in unse-
rem Land und bedeutet eine bleibende Verpflichtung für
unsere immer noch junge parlamentarische Demokratie.
Umso mehr freuen wir uns, schon einen Monat später

eine noch größere Zahl von Parlamentariern in der Bun-
desrepublik Deutschland begrüßen zu können. Weit über
tausend Parlamentarier und Delegierte aus insgesamt
138 Ländern sind in diesen Tagen hierher nach Berlin
gekommen, um an der 102. Konferenz der „Interparla-
mentarischen Union“, unserer IPU teilzunehmen. Ich
möchte Sie alle im Namen der Bürgerinnen und Bürger
unseres Landes herzlich willkommen heißen. Wir hoffen,
dass Sie von der deutschen Hauptstadt in einer spannen-
den Phase des Umbruchs interessante und bleibende
Eindrücke gewinnen werden.
Zum insgesamt fünften Mal in ihrer Geschichte hält die
IPU eine Konferenz in Deutschland ab. Zum dritten Mal
tagt sie in Berlin. Hier war die IPU erstmals 1908 bei der
15., dann 1928 bei der 25. Konferenz und später auch
1980 in Ost-Berlin zu Gast. Weitere Regional- und IPU-
Sonder-Konferenzen fanden in den Jahren 1976 und
1990 in Bonn statt. Zehn Jahre nach dem Ende der Mau-
er durch Deutschland und des Eisernen Vorhangs quer
durch Europa ist es für mich als Berliner ein besonders
beglückendes Gefühl, die Parlamentarier und Delegier-
ten der IPU in der Hauptstadt des geeinten Deutschlands
begrüßen zu können.
Die letzte IPU-Konferenz dieses Jahrhunderts findet im
110. Jahr des Bestehens dieser weltweit einzigartigen
Parlamentarier-Organisation statt. Bei einem solchen
Jubiläum liegt es nah, den Blick zugleich zurück und
nach vorne zu richten. Wir wollen unser Zusammen-
kommen hier in Berlin auch zu einer kritischen Bilanz
des Wirkens der IPU in diesem Jahrhundert nutzen. Es
gilt, das bereits Geleistete, aber auch die vor uns liegen-
den Aufgaben und Herausforderungen ins Auge zu fas-
sen. Hans Stercken, der bislang einzige deutsche Präsi-
dent des „Interparlamentarischen Rates“ der IPU, hat die
Notwendigkeit einer ständigen Standortbestimmung der
IPU so ausgedrückt:
„Bei jeder neuen Konferenz der „Interparlamentarischen
Union“ haben wir zu begründen, welchen Beitrag wir zu
Frieden und Sicherheit, zur Zusammenarbeit und Ent-
wicklung, zu Gerechtigkeit und Frieden leisten.“
Das oberste Ziel der Arbeit der IPU – ihre historischen
Wurzeln liegen bekanntlich in der europäischen Frie-
densbewegung des 19. Jahrhunderts – war von Anfang
an die friedliche Lösung von Konflikten. Wenn wir auf
die Geschichte unseres Jahrhunderts zurückblicken,
müssen wir uns allerdings eingestehen, dass das
20. Jahrhundert vor allem eine Epoche der Kriege gewe-
sen ist. Zwei Weltkriege mit Millionen von Toten, Ver-
triebenen und Flüchtlingen, zahlreiche militärische Kon-
flikte in allen Teilen der Welt, Völkermorde, religiös
oder ethnisch motivierte Vertreibungen, – die Aufzäh-
lung der Schreckensbilanz scheint kein Ende zu nehmen.
Dennoch wäre es kurzsichtig, ja fahrlässig, die frieden-
fordernde und friedensfördernde Arbeit der IPU in unse-

Drucksache 14/2856 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

rem nun zu Ende gehenden Jahrhundert zu unterschät-
zen. Schließlich ist die IPU das einzige weltweite Forum
für den interparlamentarischen Dialog. Sie allein bringt
die Parlamentarierinnen und Parlamentarier dieser
Welt – bildlich gesprochen – an einen Tisch. Ihr Wirken
bedeutet eine entscheidende Förderung von Kontakten
und Begegnungen zwischen den Parlamenten dieser
Welt. Diese weltumspannende und weltverbindende
Arbeit der IPU hat im Laufe dieses Jahrhunderts immer
wieder konkrete und praktische Ergebnisse erbracht. Die
Einrichtung des Ständigen Internationalen Gerichtshofes
in Den Haag ist hier ebenso hervorzuheben, wie das
Wirken des Ausschusses für die Menschenrechte von
Parlamentariern. Aber auch die Abkehr von ihrer jahr-
zehntelangen Nichteinmischungs-Haltung in die – wie es
lange Zeit hieß – 'inneren Angelegenheiten souveräner
Staaten' – hat die politische Bedeutung der IPU wesent-
lich gestärkt.
Am Ende dieses Jahrhunderts muss sich die IPU bereit
machen, künftig größere und gewichtigere Aufgaben zu
übernehmen. Schließlich ist mit dem Ende des Ost-West-
Gegensatzes keineswegs jener ewige Friede ausgebro-
chen, den der deutsche Philosoph Immanuel Kant als
eine Hauptaufgabe für alle postuliert hat, die sich dem
„öffentlichen Gebrauch der Vernunft“ verschrieben
haben. Im Gegenteil: Auch nach dem Ende des Kommu-
nismus bleibt unsere gemeinsame Aufgabe vor allem,
Frieden zu schaffen und zu wahren.
Für uns Parlamentarier bedeutet dies zuallererst: keine
Akzeptanz für die Austragung von Konflikten mit Ge-
walt. Dies hat uns in jüngster Zeit das Beispiel des Ko-
sovo-Konfliktes deutlich gemacht. Ebenso haben die
brutalen Menschenrechtsverletzungen, die wir in den
letzten Wochen in Osttimor beobachten mussten, deut-
lich gemacht: Die parlamentarischen Demokratien dieser
Welt dürfen nicht tatenlos zuschauen, wenn Grundrechte
des Menschen mit Füßen getreten werden. Die Entsen-
dung der UN-Schutztruppe nach Osttimor ist gerade in
diesem Zusammenhang ein wichtiges und ermutigendes
Signal.
Die IPU als weltweite Organisation der Parlamente wird
sich bei solchen Konflikten künftig inVerbindung mit
den Vereinten Nationen – als der Vertretung der Regie-
rungen – verstärkt um Lösungen bemühen müssen. Als
der parlamentarische Arm der Vereinten Nationen kom-
men auf die IPU neue und wachsende Aufgaben zu. Auf
diese zunehmende internationale Verantwortung muss
sie vorbereitet sein und sie muss sich ihr stellen. Deshalb
gilt es, die Zusammenarbeit von UN und IPU weiter
auszubauen und zu vertiefen.
Allerdings reicht das Aufgabenfeld der IPU gegenüber
ihrer Gründerzeit weit über die Friedenserhaltung im
klassischen Sinne hinaus. Vielmehr gibt es heute kaum
noch ein Feld der internationalen Politik, auf dem nicht
gemeinsame, friedliche Konfliktlösungen erforderlich

sind – seien es die interkulturellen Konflikte, das Über-
bevölkerungsproblem, die zunehmende Umweltzerstö-
rung, die bedrückende Armutssituation vieler Länder des
Südens.
Die sich in allen Lebensbereichen abzeichnenden Globa-
lisierungstendenzen machen vor allem deutlich: Die
Fragen, vor denen wir stehen, sind überall die gleichen:
Wie gewährleisten wir den notwendigen sozialen Zu-
sammenhalt, wie verbinden wir soziale Gerechtigkeit mit
ökologischer Vernunft, alle jene Ziele und Notwendig-
keiten, die Markt und Wettbewerb eben nicht von sich
aus erreichen, von denen sie uns vielmehr wegführen?
Diesen Problemen der Globalisierung wird auf internati-
onaler Ebene bislang nicht hinreichend Rechnung getra-
gen. Oft bleiben deshalb auch die Parlamente dem Rah-
men der nationalstaatlichen Angelegenheiten verpflich-
tet, in dem allein aber die meisten politischen Fragen
keine gültige Antwort mehr finden können. Hier ist die
IPU in besonderer Weise gefordert – eben weil sie in
einzigartiger Weise ein Forum für das Zusammenwirken
der Parlamentarier dieser Welt bietet.
Die Aufgaben, die vor uns liegen, scheinen so groß und
so vielfältig zu sein, dass man leicht kleinmütig werden
könnte. Machen wir uns deshalb auch klar: Trotz aller
Rückschläge des zu Ende gehenden 20. Jahrhunderts hat
sich die parlamentarische Demokratie weltweit als die
beste Staatsform erwiesen. Sie alleine geht von der Un-
antastbarkeit der Menschenwürde und der Menschen-
rechte aus. Gerade wenn wir den universalen Anspruch
der Menschenrechte bekräftigen, müssen wir ihnen vor
und hinter der jeweils eigenen Haustüre ihre Geltung
sichern. Das wird unter neuartigen Umständen neuartige
Mittel und Instrumente erfordern.
Unserer Übereinstimmung in den Grundwerten gilt es
künftig eine verstärkte internationale Zusammenarbeit
Rechnung zu tragen. Sie, verehrte Frau Präsidentin Prof.
Heptulla, haben in Ihrer Rede zum fünfzigjährigen Be-
stehen des Deutschen Bundestages ebenso eindringlich
wie eindrucksvoll für eine Vertiefung der Zusammenar-
beit der Parlamente geworben. An der Schwelle zum
dritten Jahrtausend – so Ihre Worte vor vier Wochen an
diesem Ort – ist der Ausbau der internationalen Zusam-
menarbeit eine zentrale Herausforderung an alle Staaten
und Parlamente in unserer 'einen Welt'. Internationale
Kooperation kann jedoch, wie Sie ausführten, nur erfolg-
reich sein, wenn wir bereit sind, in Vertrauen und Res-
pekt aufeinander zuzugehen und gemeinsam nach Lö-
sungen suchen. Nur gemeinsam können wir dazu beitra-
gen, den „kommendem Sieg der Demokratie“, von dem
der deutsche Schriftsteller Thomas Mann auch in der
Zeit der NS-Diktatur stets unbeirrbar überzeugt war,
weltweit durchsetzen.
Wer gegenüber solchem Optimismus skeptisch ist, den
möchte ich am Beispiel Berlin daran erinnern, wie rich-
tig es war, in der langen Phase der Teilung dieser Stadt,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/2856

Deutschlands, Europas, des gesamten Ost-West-
Gegensatzes die Hoffnung auf den Sieg der parlamenta-
rischen Demokratie niemals aufzugeben. Bis heute habe
ich das beglückende Gefühl der Freiheit nach den Jahr-
zehnten der Diktatur noch nicht vergessen. Wir wollen
dazu beitragen, dass es künftig auch jene erfahren kön-
nen, denen dies heute noch versagt ist.
In den vor uns liegenden Tagen werden wir intensiv über
diese und andere Fragen diskutieren und über die vorge-
legten Resolutionen beschließen. Ich freue mich auf
diese Beratungen und setze darauf, dass der Dialog der
Parlamentarier und Delegierten nicht ohne konkrete
Folgen bleiben wird – für friedliche Konfliktlösungen,
für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung, für die Si-
cherung der natürlichen Lebensgrundlagen und natürlich
für die Einhaltung der Menschenrechte in allen Teilen
der Welt.
Ein letzter Gedanke: Unser Engagement als IPU steht
nicht nur auf dem Papier. Vielmehr setzen wir uns dafür
ein, unsere Beschlüsse in die Wirklichkeit umzusetzen.
Wenn Sie alle nach dem Ende dieser Konferenz in ihre
Heimatländer zurückkehren, werden Sie sich in Ihrer
parlamentarischen Arbeit von den Entschließungen lei-
ten lassen, die hier verabschiedet worden sind. Der Frie-
de verlangt mehr als Beschlüsse, er erfordert unseren
fortgesetzten Einsatz. Die Bedrohung des Friedens ist
weltweit immer noch groß. Umso größer muss unsere
Entschlossenheit sein, den Frieden zu erhalten und die
entstehenden Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen.
Dies sind Ziele, die uns binden und verbinden. Es geht
um Aufgaben, denen wir uns gemeinsam stellen müssen,
weil wir sie nur im Bemühen um gemeinsame Lösungen
sinnvoll in Angriff nehmen können. Ich wünsche der
letzten IPU-Konferenz in diesem Jahrhundert, dass von
ihr konkrete Initiativen und Beiträge ausgehen für den
weiteren und wachsenden Erfolg der parlamentarischen
Demokratie und vor allem für ein friedlicheres
21. Jahrhundert.“
2. Nach der Eröffnung begann die eigentliche Konfe-
renz am Montag, dem 11. Oktober 1999, im Internatio-
nalen Congress Centrum mit der Wahl des Präsidenten
des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse zum
Konferenzpräsidenten.
Nach der Wahl der Konferenzpräsidenten begann die
Generaldebatte über die politische, wirtschaftliche und
soziale Lage in der Welt. Fortgeführt wurde die Gene-
raldebatte, an der sich insgesamt 152 Redner aus
132 nationalen Parlamenten beteiligten, am Dienstag,
dem 12. Oktober, Mittwoch, dem 13. Oktober, und am
Donnerstag, dem 14. Oktober 1999.
Am Montag, dem 11. Oktober 1999, richteten Bundes-
kanzler Gerhard Schröder, der Präsident des Internati-
onalen Komitees vom Roten Kreuz (ICRC) Cornelio
Sommaruga und die UN-Hohe Kommissarin für Men-

schenrechte Mary Robinson Grußadressen an die Kon-
ferenzteilnehmer.
Herr Dr. Cornelio Sommaruga unterstrich die Bedeu-
tung der Genfer Konventionen für das humanitäre Völ-
kerrecht und betonte in diesem Zusammenhang die
Wichtigkeit parlamentarischer Kontrolle der Exekutive.
Ferner zeichnete er weitere mögliche Felder auf, in de-
nen die Parlamentarier das humanitäre Völkerrecht för-
dern könnten.
Frau Mary Robinson wies im Bereich der Menschen-
rechtsverletzungen auf die weniger bekannten, aber
ebenfalls weitverbreiteten Formen des Missbrauchs hin.
Die größte Herausforderung sei es, die Menschenrechts-
verletzungen im Vorfeld zu verhindern und Konflikte
erst gar nicht entstehen zu lassen. Den Parlamentariern
käme dabei eine Schlüsselrolle zu, da sie Menschen-
rechtsfragen in die öffentliche Diskussion bringen könn-
ten.
Die Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor
der 102. Interparlamentarischen Konferenz am 11. Ok-
tober 1999 in Berlin lautete:
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrter Herr Sitzungspräsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist mir eine besondere Freude, Sie als Teilnehmer der
102. Interparlamentarischen Konferenz hier in Berlin
begrüßen zu dürfen.
Sie repräsentieren die Parlamente von 125 Staaten. Die
Vielfalt der Parteien und der politischen Richtungen in
diesem Saal ist beeindruckend.
Zu einer lebhaften, ja auch zu einer kontroversen Debat-
te möchte ich Sie ausdrücklich ermutigen. Die Tatsache,
dass die Interparlamentarische Union 110 Jahre nach
ihrer Gründung ein so reges Leben führt, ist gewiss auch
darauf zurückzuführen, dass gerade in der größten Viel-
falt immer wieder auch Gemeinsamkeiten sichtbar wer-
den. Sie sind die Grundlage eines intensiven Austauschs.
Dazu gehört nicht zuletzt die Achtung vor der Meinung
des anderen.
Sie kommen zu einem besonderen Zeitpunkt in die deut-
sche Hauptstadt. Erst vor wenigen Wochen haben der
Deutsche Bundestag und die Bundesregierung hier ihre
Arbeit aufgenommen. Der Umzug von Parlament und
Regierung nach Berlin ist ein historischer Einschnitt.
Das bedeutet aber keineswegs, dass wir Deutschen nun
in einer anderen Republik leben. Die Tradition der Tole-
ranz, der Offenheit und der guten Nachbarschaft stehen
für Bonn. Sie gehören auch zur Geschichte Berlins, und
diese Werte haben wir mit im Gepäck. In Berlin werden
sie ergänzt und verstärkt durch den Freiheitswillen der

Drucksache 14/2856 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Berliner, durch die Erfahrung von Menschen, die mit
viel Zivilcourage eine friedliche Revolution zum Erfolg
geführt haben. Aber auch durch die Brückenfunktion, die
Berlin immer für unsere mittel- und osteuropäischen
Partner gespielt hat.
Von Berlin aus muss deutsche Außenpolitik womöglich
noch klarer als bisher erkennbar sein als das, was ihr
Wesen ausmacht: zunächst natürlich als Politik in Euro-
pa und für Europa, aber auch als Politik von Europa aus,
die unserer internationalen Verantwortung gerecht wird.
Wir wissen, dass unser wirtschaftlicher und politischer
Erfolg untrennbar mit unserer festen Verankerung in der
Europäischen Union und der NATO verbunden ist. Un-
seren Verbündeten und Freunden werden wir weiterhin
verlässliche Partner sein.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands bleibt das
europäische Projekt, bleibt die Vertiefung und Erweite-
rung der Europäischen Union, mit der wir Europa stabi-
lisieren und seine globale Mitsprache sichern wollen,
unsere Hauptaufgabe.
Mit unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa werden
wir bei der Schaffung einer Friedensordnung für den
gesamten Kontinent eng zusammenwirken.
Auch Russland ist dabei gefordert. Die Bundesregierung
hat den Terrorismus stets in all seinen Formen verurteilt.
Moskau muss den OSZE-Verhaltenskodex von 1994 voll
einhalten. Die OSZE muss ihre Rolle wahrnehmen kön-
nen. Krieg darf nicht die Antwort auf Terrorismus sein.
Beim Aufbau einer europäischen Friedensordnung bleibt
der enge Schulterschluss mit den nordamerikanischen
Demokratien der unabdingbare Garant für Frieden und
Sicherheit in Europa.
Unsere aktive Mitarbeit in den Vereinten Nationen und
unsere Partnerschaft mit den Staaten Asiens, Afrikas und
Lateinamerikas werden wir im Zeichen einer immer
enger zusammenwachsenden Welt fortsetzen und vertie-
fen.
Wir werden unseren Beitrag zum ökonomischen, ökolo-
gischen und sozialen Fortschritt leisten – denn darin liegt
eine unabdingbare Voraussetzung für eine freiheitliche
und friedliche politische Entwicklung.
In Berlin ist die deutsche Geschichte stärker gegenwärtig
als in anderen deutschen Städten. In dieser Stadt, das
zeigt schon ein kurzer Rundgang, ist aber auch die Zu-
kunft besonders deutlich sichtbar: eine Zukunft, die
geprägt sein wird vom Zusammenleben verschiedener
Kulturen, vom internationalen Austausch, vom Kontakt
mit unseren Nachbarn und Partnern in Europa und der
ganzen Welt.
Die letzte Tagung der Interparlamentarischen Union in
Deutschland hat 1980 im Ostteil Berlins stattgefunden.
Die damaligen Teilnehmer haben ein Berlin erlebt, das

durch die Mauer geteilt war. Den Bewohnern der frühe-
ren DDR waren elementare Grund- und Freiheitsrechte
versagt.
Seit 1980 haben Freiheit, Demokratie und Parlamenta-
rismus in vielen Ländern der Welt erfreuliche Fortschrit-
te gemacht!
Gerade hier in Berlin waren diese Veränderungen be-
sonders dramatisch. In wenigen Wochen werden wir den
zehnten Jahrestag des Falls der Berliner Mauer mit ei-
nem internationalen Jugendfest feiern.
Eine friedliche Revolution der Bürger hat 1989 das wohl
hässlichste und unmenschlichste Bauwerk Europas zu
Fall gebracht – und bald darauf das SED-Regime selbst.
Wenig später folgte die erste freie Wahl einer DDR-
Volkskammer. Dieses erste frei gewählte Parlament der
DDR fasste dann auch den historischen Beschluss, der
zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten geführt
hat.
Die Wende in der DDR und die Wiedervereinigung
Deutschlands wären nicht möglich gewesen ohne den
entscheidenden Beitrag unserer Nachbarstaaten – ohne
die Öffnung der Grenze durch Ungarn, ohne Unterstüt-
zung der Polen, Tschechen und Slowaken. In den ver-
gangenen Wochen war ich in Budapest, in Warschau und
in Prag, um unseren Nachbarn noch einmal zu danken.
Die friedlichen Revolutionen in ganz Mittel- und Osteu-
ropa haben den Eisernen Vorhang hinweggerissen und
die Voraussetzungen für eine gesamteuropäische Frie-
densordnung geschaffen.
Aber auch außerhalb der Grenzen Europas sind Demo-
kratie und Parlamentarismus auf dem Vormarsch! Wer
von uns hat denn 1980 daran glauben können, dass das
Apartheid-Regime in Südafrika auf friedliche Weise
überwunden werden könnte oder Militärregimes in La-
teinamerika bald durch frei gewählte Regierungen abge-
löst sein würden?
In allen Erdteilen sehen wir heute zahlreiche Beispiele
dafür, dass die grundlegenden politischen, wirtschaftli-
chen und sozialen Rechte der einzelnen Bürger immer
fester im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert sind
und zunehmend das Handeln von Regierungen bestim-
men.
Diese Beispiele erregen nicht immer Aufsehen, es sind
noch nicht genug, und Gegenbeispiele kennen wir alle.
Aber die Richtung ist eindeutig: Herrschaft ohne Zu-
stimmung, ohne volle Legitimation, Herrschaft ohne
demokratische Teilhabe ist in Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft ein Modell ohne Zukunft.
Uns Deutschen bedeutet der Fortschritt der Demokratie
in der Welt gerade wegen unserer eigenen Geschichte so
viel. Wir wissen: Ohne frei gewählte Parlamente mit
umfassenden Befugnissen und Arbeitsmöglichkeiten sind

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/2856

Demokratie, Menschenrechte und innerer Frieden auf
Dauer nicht zu sichern.
Weil Menschenrechte und Demokratie, Menschenrechte
und Frieden so eng miteinander verbunden sind, deshalb
hat die Arbeit der Hochkommissarin der Vereinten Nati-
onen für Menschenrechte eine so zentrale Bedeutung für
die internationale Gemeinschaft.
Ich möchte Sie, sehr verehrte Frau Robinson, besonders
herzlich bei uns begrüßen. Sie können in ihrer Arbeit auf
die uneingeschränkte Unterstützung der Bundesregie-
rung zählen.
Die Bereitschaft Deutschlands, sich für Menschenrechte,
Frieden und Demokratie aktiv einzusetzen, ist in diesem
Jahr stärker auf die Probe gestellt worden, als ich es mir
je gewünscht hätte.
Deutsche Soldaten haben in diesem Jahr am ersten
Kampfeinsatz seit Bestehen der Bundeswehr teilgenom-
men. Die Entscheidung hierüber ist mir nicht leicht ge-
fallen. Aber dieser Einsatz war als letztes Mittel notwen-
dig geworden, um im Kosovo Mord, Vertreibung und
schwerste Menschenrechtsverletzungen zu beenden.
Gleichzeitig hat die Bundesregierung alles in ihrer
Macht Stehende getan, um eine politische Lösung auf
den Weg zu bringen – mit dem Gewicht der Präsident-
schaft in der Europäischen Union und der G8.
Jetzt stehen Deutsche im Rahmen der KFOR, der VN-
Verwaltung oder als Mitarbeiter von nationalen und
internationalen Hilfsorganisationen im Kosovo in einem
schwierigen und gefährlichen Einsatz, um allen Bewoh-
nern der Region – gleich welcher Volksgruppe und Reli-
gion! – ein sicheres und menschenwürdiges Leben zu
ermöglichen.
Unter den Organisationen, die zu dieser Aufgabe großar-
tige Beiträge geleistet haben, spielt das Rote Kreuz eine
ganz herausragende Rolle. Seine Helfer waren schon
während des Konflikts selbst in den schwierigsten Situa-
tionen präsent, um den betroffenen Menschen zu helfen.
Ich möchte an dieser Stelle den Vorsitzenden des Inter-
nationalen Komitees vom Roten Kreuz, Herrn Somma-
ruga, herzlich begrüßen. Dem Roten Kreuz und seinen
mutigen Helfern gebührt unsere höchste Anerkennung.
Nun steht die internationale Gemeinschaft vor der Auf-
gabe, in der gesamten Balkan-Region den Frieden so zu
gestalten, dass die Menschen wieder Hoffnung für die
Zukunft gewinnen. Nur so können wir unser eigentliches
Ziel erreichen: eine Wiederholung der blutigen Konflikte
dauerhaft unmöglich zu machen.
Auf diese Aufgabe haben wir uns in einem Kreis von
über 30 Staaten im Stabilitätspakt für Südosteuropa
verpflichtet. Dieser Stabilitätspakt wird in den kommen-
den Jahren eines der wichtigsten europäischen Projekte
sein.

Ganz zentral gehört zu diesem Pakt die Etablierung und
Stärkung demokratischer Institutionen und gesellschaft-
licher Strukturen. Ihnen kommt bei der dauerhaften
Sicherung des Friedens eine Schlüsselrolle zu.
Ich wünsche mir, dass am Beginn eines neuen Jahrtau-
sends die Idee des Parlamentarismus überall in der Welt
vorbehaltlose Aufnahme findet. Dies wird in dem Maße
gelingen, wie die Rahmenbedingungen der Parlaments-
arbeit gegeben sind. Ebenso wichtig aber ist das Enga-
gement der Parlamentarier selbst:
– ihre Verbindung zur Bevölkerung,
– ihr Mut zur offenen Diskussion,
– ihre Bereitschaft, im Interesse der Menschen den

demokratischen Ausgleich mit politischen Gegnern
zu suchen.

Wo Frieden und Freiheit aufs Spiel gesetzt werden, wo
Menschenrechte verletzt werden, wo Volksgruppen ge-
geneinander aufgehetzt werden, wo Minderheiten diskri-
miniert werden, überall dort haben Parlamentarier eine
Pflicht zur Mahnung und zum Widerstand.
Gerade weil dies oft schwierig und gelegentlich sogar
gefährlich ist, kommt der Solidarität der Parlamentarier
untereinander so große Bedeutung zu. Der Einsatz der
Interparlamentarischen Union für Abgeordnete, die we-
gen ihrer politischen Tätigkeit Verfolgungen ausgesetzt
sind, ist deswegen besonders zu begrüßen.
Ich möchte Sie alle bitten und ermutigen, im gemeinsa-
men Interesse aller Menschen Ihren Dialog zu wichtigen
Themen unserer Zeit, zur Förderung von Demokratie,
Frieden und Freiheit in unserer Welt fortzusetzen – im
Rahmen der IPU und darüber hinaus.
Wir sind froh, Sie bei uns in Deutschland zu Gast zu
haben.
Ich heiße Sie nochmals willkommen und wünsche Ihnen
einen guten Verlauf Ihrer Beratungen hier in Berlin. Ich
bin davon überzeugt, dass Sie aus dieser Stadt Inspirati-
on und Ermutigung für Ihre Arbeit zu Hause in Ihren
Parlamenten mitnehmen werden.“
Vor der Eröffnung des letzten Sitzungstages gab Konfe-
renzpräsident Wolfgang Thierse im Namen der Konfe-
renz eine Stellungnahme zum Militärputsch in Pakistan
ab. Darin verurteilte er die Gewaltanwendung auf das
Schärfste und rief zur Wiederherstellung der verfas-
sungsmäßigen Ordnung in Pakistan und zur Beachtung
der Menschenrechte auf. Zudem verurteilte er den Mord
an drei UN-Mitarbeitern im Kosovo und in Burundi und
die Entführung von UN-Beobachtern in Georgien und
äußerte seine Bestürzung über den Tod von Julius Nye-
re, dem früheren Präsidenten Tansanias.
3. In den Ausschussdebatten leisteten die deutschen
Teilnehmer auch folgende Beiträge:

Drucksache 14/2856 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Zum Tagesordnungspunkt „Der Beitrag der Parlamente
zur Beachtung und Förderung des humanitären Völker-
rechts anlässlich des 50. Jahrestag der Genfer Konven-
tionen“.
Von der deutschen Delegation sprachen Abg. Angelika
Graf (SPD) und Abg. Hans Joachim Fuchtel (CDU/
CSU). Der von der deutschen Delegation eingebrachte
Resolutionsentwurf, von dem zahlreiche Elemente in der
von der Konferenz verabschiedeten Resolution enthalten
sind, ist im Anhang 4 abgedruckt.
Zum Tagesordnungspunkt „Die Notwendigkeit einer
Überprüfung des derzeitigen globalen Finanz- und Wirt-
schaftsmodells“
sprach von der deutschen Seite Abg. Dr. Sigrid Skarpe-
lis-Sperk (SPD), die auch Mitglied des Redaktionsaus-
schusses war. Der von der deutschen Delegation einge-
brachte Resolutionsentwurf, von dem zahlreiche Ele-
mente in der von der Konferenz verabschiedeten Resolu-
tion enthalten sind, ist im Anhang 5 abgedruckt.
Zum Zusatztagesordnungspunkt „Der Beitrag der Par-
lamente zu einem friedlichen und toleranten Zusammen-
leben von ethnischen, kulturellen und religiösen Min-
derheiten in einem von Toleranz und uneingeschränkter
Einhaltung ihrer Menschenrechte geprägten gemeinsa-
men Staat unter Einschluss von Migranten“
sprach Abg. Dr. Angelika Köster-Loßack (Bündnis 90/
Die Grünen), die auch Berichterstatterin des Ausschus-
ses war und den Vorsitz im zuständigen Redaktionsaus-
schuss innehatte. Der von der deutschen Delegation
vorgelegte Resolutionsentwurf ist im Anhang 6 abge-
druckt.
In der „Generaldebatte über die politische, wirtschaftli-
che und soziale Lage in der Welt“
sprachen Abg. Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU)
am Dienstag, dem 12. Oktober 1999 und Abg. Dieter
Schloten (SPD) am Donnerstag, dem 14. Oktober 1999.
a) „Der Beitrag der Parlamente zur Beachtung
und Förderung des humanitären Völkerrechts an-
lässlich des 50. Jahrestag der Genfer Konventionen“
aa) Redebeitrag von Abg. Angelika Graf (SPD) am
12. Oktober 1999 im Ausschuss für Parlaments-, Rechts-
und Menschenrechtsfragen:
„Obwohl es nach dem zweiten Weltkrieg in einem mü-
hevollen aber erfolgreichen Prozess zumindest in weiten
Teilen Europas gelungen ist, ein friedliches Zusammen-
leben der Völker zu gewährleisten, die Teilung Europas
überwunden und der Ost-West-Konflikt beigelegt
scheint, müssen wir feststellen: Das 20. Jahrhundert ist
das Jahrhundert der historisch größten Völkermorde.
Schätzungen sprechen von 170 Mio. Menschen, die in
diesem Jahrhundert auf der Welt Opfer von Völkermor-

den geworden sind. Ethnisch-konfessionell begründete
bewaffnete Konflikte haben auf der ganzen Welt Hoch-
konjunktur. Bürgerkriege, Vertreibung und Folter, Miss-
handlungen und Vergewaltigungen sind unübersehbar an
der Tagesordnung; leidtragend ist die Zivilbevölkerung.
Davor ist auch das moderne Europa auf der Schwelle
zum dritten Jahrtausend nicht verschont, wie z. B. die
Konflikte im ehemaligen Jugoslawien zeigen.
Täglich werden auf der Welt Hunderte von Kindern von
Minen zerrissen, die im Zusammenhang mit solchen
Konflikten gelegt wurden. Grauenhafte Bilder dieser
unschuldigen Opfer gehen immer wieder um die Welt.
Ich habe solche Kinder in Krankenhäusern liegen sehen,
gezeichnet für ihr ganzes Leben.
Es wird Zeit, dass diese schrecklichen Waffen internati-
onal für immer geächtet werden und Opferfürsorge und
Minenräumung ganze Regionen wieder bewohnbar ma-
chen.
Und es wird Zeit, dass ein Internationaler Strafgerichts-
hof seine Arbeit aufnehmen kann, um die Kriegsverbre-
cher aburteilen zu können.
Die Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle zeigen,
dass viele Staaten sich ernsthaft bemühen, das „Recht
auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“ – wie es
in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
heißt – zu gewährleisten. Darf man sich aber auf diesen
Lorbeeren ausruhen? Die täglichen zivilen Opfer von
Unterdrückung und Verfolgung müssen uns alle, die wir
für bessere Lebensbedingungen auf der Welt kämpfen,
aufrütteln, die schreiende Kluft zwischen Anspruch und
Wirklichkeit zu schließen.
Wenn wir in unserem vorgelegten Resolutionsentwurf an
die Staatengemeinschaft den dringenden Appell richten,
der Vorbeugung von Krieg und Krisen durch Konflikt-
prävention, Deeskalation und friedliche Regulierung von
Konflikten mehr Bedeutung als bisher einzuräumen, so
bedeutet dies auch eine Umsetzung in nationales Recht
und nationale Programme.
Die Förderung von Friedens- und Konfliktforschung mit
der Weiterentwicklung von Instrumentarien zur Ursa-
chenanalyse und Konfliktfrüherkennung lässt uns auch
externen Sachverstand in dieser schwierigen Materie
nutzen.
Maßnahmen, wie der von Deutschland durchgeführte
Zivile Friedensdienst, könnten bei Konfliktprävention
und Deeskalation eine große Hilfe sein. Lassen Sie
mich – weil ich annehme, dass dieser Begriff nicht sehr
bekannt ist – erklären, was wir darunter verstehen:
Die Arbeit der Mitarbeiter des Zivilen Friedensdienstes
unterscheidet sich von herkömmlichen Aufgaben des
Entwicklungsdienstes deutlich durch gezieltes Eingehen
auf gewaltfreien Umgang mit Konflikten und Konflikt-
potenzialen. Die personellen Anforderungen gehen weit

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/2856

über die klassischen Anforderungen im Entwicklungs-
dienst hinaus.
Aktivitäten im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes
werden vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit finanziert. Zentrale Aufgaben sind die Stärkung
von Friedenspotenzialen und die Schaffung von vertrau-
ensstiftenden Maßnahmen zwischen Angehörigen von
Konfliktparteien, der Aufbau von Informations- und
Bildungsstrukturen zur Bekanntmachung und Erklärung
von Friedensaktivitäten und zum Abbau von Vorurteilen
und Feindbildern.
Es soll Vermittlungshilfe geleistet werden bei Konflikten
zwischen Angehörigen unterschiedlicher Interessengrup-
pen, Ethnien und Religionen und die Entwicklung einer
guten Menschenrechts- und Demokratiesituation unter-
stützt werden. Dazu gehört auch die Hilfe zur Versöh-
nung und beim Wiederaufbau.
Eine solche Hilfe kann sicherlich nie gegen den Willen
der Betroffenen geleistet werden. Die Beachtung des
Subsidiaritätsprinzips, des Prinzips des geringsten Ein-
griffs und des Grundsatzes der Hilfe zur Selbsthilfe muss
selbstverständlich im Mittelpunkt der Arbeit stehen.
Etwas aber darf man nicht vergessen: Die Konflikte am
Ende des 20. Jahrhunderts sind in der Regel beeinflusst
von Faktoren wie sozialer Ungleichheit und Diskriminie-
rung, Machtinteressen, wirtschaftlichen Interdependen-
zen und Kampf um Ressourcen sowie dem Mangel an
Bildung und Partizipationsmöglichkeiten. Diese Ursa-
chen zu beseitigen ist Friedenspolitik im besten Sinne.
Die Förderung des humanitären Völkerrechts ist ein
wichtiger Schritt auf diesem Wege.“
bb) Redebeitrag von Abg. Hans-Joachim Fuchtel
(CDU/CSU) am 12. Oktober 1999 im Ausschuss für
Parlaments-, Rechts- und Menschenrechtsfragen:
„Wenn die Fortschritte beim humanitären Völkerrecht
genauso rasant wären wie beispielsweise bei der Globa-
lisierung der Wirtschaft oder der Entwicklung moderner
Kommunikationstechnik, dann müssten wir uns heute
nicht über so abscheuliche Probleme wie Landminen
unterhalten. Es würde sich längst niemand mehr erlau-
ben, solche Landminen einzusetzen.
Die unerfreuliche Wahrheit ist wohl: Die Bereitschaft
zur Umsetzung der fundamentalen Prinzipien des huma-
nitären Völkerrechts wächst nicht gleichermaßen, wie
sich andere gesellschaftliche oder wirtschaftliche Pro-
zesse beschleunigen. Das ist sehr beunruhigend. Deswe-
gen hat die deutsche Delegation um Behandlung dieses
weltweiten Defizitproblems gebeten.
Durch die Bereitschaft, weltweit ein höheres Maß an
gemeinsamen Prinzipen zu akzeptieren und auch ent-
schieden wirksamere Möglichkeiten zur internationalen
Durchsetzung zu fordern, könnte – ja muss – ein Push
zugunsten der humanitären Seite des Völkerrechts erfol-
gen.

Mosaiksteine positiver Veränderung gibt es immer wie-
der.
Liebe Delegierte! Wir haben die Eröffnung der Konfe-
renz im Reichstag wenige Meter von den Fundamenten
der früheren „Berliner Mauer“ durchgeführt. Eine Mau-
er, die nicht nur Menschen getrennt hat, sondern auch
Ausdruck sehr verschiedener Auffassungen über das
humanitäre Völkerrecht war.
Die Verwirklichung dieses höheren Maßes an Völker-
recht ist mit der Wiedervereinigung Deutschlands gelun-
gen.
Es sollte uns Hoffnung und Optimismus geben, dass
solche Entwicklungen möglich sind: vor 10 Jahren hier
in Berlin, morgen und übermorgen anderswo in der
Welt!
Vor allem die Menschen müssen es wollen. Das ist
Grundvoraussetzung. Die Institutionen des einzelnen
Staates müssen bereit sein.
Es muss für die Menschen möglich sein, auf die Bereit-
schaft der Institutionen durch demokratische Entschei-
dungen einzuwirken.
Vor allem aber muss es auch die internationale Völker-
gemeinschaft wollen. Deswegen wollen wir uns auf
dieser Konferenz austauschen.
Deutschland unterstützt die verschiedenen Bemühungen,
vor allem die Bemühungen um
� Ächtung der Landminen,
� die Beseitigung der Todesstrafe,
� die Stärkung des Internationalen Gerichtshofes und

die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtsho-
fes.

Ein Blick auf die aktuellen kriegerischen Ereignisse
zeigt, dass für diesen Internationalen Strafgerichtshof
mehr als genug Arbeit vorhanden ist.
Das humanitäre Völkerrecht wird einen höheren Stel-
lenwert bekommen, wenn es nicht nur bellt, sondern
Zähne zum Beißen bekommt!
Wir werben dafür, sehr offen unter uns Parlamentariern
darüber zu reden, wie unter verschiedenen kulturellen
Bedingungen den Prinzipien des humanitären Völker-
rechts höhere Bedeutung beizumessen ist.
Enge wirtschaftliche Kontakte sind die eine Seite: es
muss trotzdem aber auch eine offene Aussprache über
gesellschaftliche Situationen möglich sein.
Aktuell gibt es auch kritische Fragen wegen der
Entwicklungen in Tschetschenien. Es muss möglich sein,
wenigstens den 200 000 Flüchtlingen internationale
Hilfe geben zu können.
Auf die genannten Gesichtspunkte baut die von Deutsch-
land eingebrachte Resolution auf. Ich möchte Sie herz-

Drucksache 14/2856 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Auf die genannten Gesichtspunkte baut die von
Deutschland eingebrachte Resolution auf. Ich möchte
Sie herzlich bitten, den Inhalt bei der Beschlussfassung
dieses Ausschusses mit aufzunehmen!"
b) „Die Notwendigkeit einer Überprüfung des
derzeitigen globalen Finanz- und Wirtschaftsmo-
dells“
Redebeitrag von Abg. Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
(SPD) am 13. Oktober 1999 im Ausschuss für Wirt-
schafts und Sozialfragen:
„Angesichts der unübersehbaren Bedeutung des Welt-
handels und der massiven Finanzkrisen ist es wichtig,
dass die Globalisierung und ihre Gestaltung eines der
Hauptthemen unserer IPU-Konferenz in Berlin ist.
Die deutsche Delegation hat dazu einen Resolutionsent-
wurf vorgelegt, aus dem ich drei Punkte herausgreife, die
ich persönlich für sehr wichtig halte:
1. Unbestreitbar hat die Globalisierung, d.h. die Öff-
nung der Märkte, die Entwicklung des Handels zusam-
men mit dem technologischen Fortschritt, eine positive
Entwicklung in vielen Ländern hervorgerufen.
Gleichwohl konnten viele Länder, ja sogar Regionen, an
diesem Wachstum nicht teilhaben. Der Abstand der
ärmsten zu den reichsten Ländern hat sich in den letzten
15 Jahren, gemessen am Sozialprodukt pro Kopf, von
1:30 auf 1:80 vergrößert. Das kann und darf nicht so
weitergehen: Wir Parlamentarier aus den Delegierten-
ländern werden darauf achten, dass unsere Regierungen,
z. B. bei der Millenniums-Runde der WTO in Seattle,
Direktiven bekommen, die Chancen der Entwicklungs-
länder besser als bisher zu berücksichtigen.
2. Welthandel ist wie Wirtschaft nicht Ziel an sich. Er
muss nicht nur dazu dienen, das weltweite Wachstum zu
fördern, sondern auch eine faire Verteilung der Vorteile
der Globalisierung bewirken sowie auf nachhaltige Ent-
wicklung, Schutz der Umwelt, sozialen Fortschritt, mehr
Gesundheit und eine deutliche Reduzierung der Armut
hinauslaufen.
3. Zum Dritten brauchen wir ohne Zweifel eine neue
Weltfinanzarchitektur, worauf der Vizepräsident der
Weltbank und meine japanische Kollegin hingewiesen
haben.
Die Öffnung der Finanzmärkte gegenüber der Weltwirt-
schaft hat vielfach Kapital erst zugänglich gemacht,
Zinskartelle aufgebrochen und in vielen Ländern eine
raschere wirtschaftliche Entwicklung und höheren Le-
bensstandard ermöglicht. Sie hat auch den internationa-
len Handel stark erleichtert.
Aber leider haben sich die Hoffnungen nicht erfüllt, die
weitgehende Deregulierung werde quasi im Selbstlauf
geringere Wechselkursschwankungen und weniger Fi-
nanzkrisen mit sich bringen.

Das Gegenteil war der Fall: Die periodischen Schul-
denkrisen in Mexiko und Lateinamerika, der New Yor-
ker Börsenkrach, die Krise des Europäischen Währungs-
systems (EWS) Mitte der 70er Jahre, die Asien-
Finanzkrise und schließlich die Russlandkrise zeigen
deutlich, dass das Tempo der Krisenfolgen immer
schneller wird, die Schulden-, Banken-, Börsen- und
Währungskrisen sich immer stärker verflechten und die
infrage stehenden Summen immer höher werden. Hun-
derte von Millionen Menschen wurden durch solche
Krisen unter die Armutsgrenze gedrückt.
Und die Probleme sind weiterhin ungelöst. In jeder Krise
gab es Rettungsmanöver – und das zu Recht – des Inter-
nationalen Währungsfonds (IMF), der Weltbank und
vieler Zentralbanken. Sie waren eine wertvolle und not-
wendige Feuerwehr. Aber wir müssen endlich daran
gehen, die Brandursachen zu bekämpfen und Krisenprä-
ventionen zu betreiben.
Die G8-Gruppe hat auf dem Kölner Gipfel im Juni 1999
dazu wichtige Vorschläge gemacht:
• Eine Initiative zum Schuldenabbau
• Mehr Transparenz des privaten Sektors
• Mehr Transparenz der Wirtschaftspolitik (macro-

economic policies). Europa hat mit der Einführung
einer Europäischen Währungsunion einen wichtigen
Schritt für seine eigene regionale Stabilisierung getan
und einen wichtigen Stützpfeiler zur Stabilisierung
des internationalen Finanzsystems geleistet.

• Mehr Transparenz der internationalen Finanzinstitu-
tionen wie z. B. des IMF. Aber reichen Transparenz
und Schuldenabbau alleine aus? Es müssen m. E. –
und das nicht nur in den Schwellenländern – eine
ausreichende Überwachung des Finanzsektors auf
Einhaltung solider Grundsätze und Praktiken aber
auch, wegen der Risiken des Offshore-Banking und
von Hedgefunds (Highleverage Institutions), Sankti-
onsmöglichkeiten hinzukommen und vor allem die
Ungleichgewichte im Welthandel abgebaut werden.
Appelle allein helfen wenig: Ist die Krise vorbei, die
Stützungsgelder aus den Taschen der Steuerzahler
geflossen, sind die Ratschläge meist vergessen.

Deswegen müssen wir endlich umsetzen, was auf den
Gipfeln beschlossen wurde: von der Transparenz bis
zum Schuldenabbau, von den besseren Praktiken bis zu
den schärferen Kontrollen, von fairem Welthandel bis zu
besserer Kooperation der Regierungen.
Nur dann werden wir die nächste ernste Krise vermeiden
können.“
c) „Der Beitrag der Parlamente zu einem friedli-
chen und toleranten Zusammenleben von ethnischen,
kulturellen und religiösen Minderheiten in einem von
Toleranz und uneingeschränkter Einhaltung ihrer

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/2856

Menschenrechte geprägten gemeinsamen Staat unter
Einschluss von Migranten“
Redebeitrag von Abg. Dr. Angelika Köster-Loßack
(Bündnis 90/Die Grünen) am 13. Oktober 1999 im Aus-
schuss für Parlaments-, Rechts- und Menschenrechtsfra-
gen:
„Der Beitrag der Parlamente zu einem friedlichen und
toleranten Zusammenleben von ethnischen, kulturellen
und religiösen Minderheiten unter Einschluss von Mi-
granten in einem von Toleranz und uneingeschränkter
Einhaltung ihrer Menschenrechte geprägten gemeinsa-
men Staat, dies ist das Thema des von der mexikani-
schen und von der deutschen Delegation gemeinsam
vorgelegten Resolutionsentwurfes.
Die Initiative basiert auf der Charta der Vereinten Natio-
nen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte,
dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung
jeder Form von Rassendiskriminierung, dem Internatio-
nalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie
dem Übereinkommen über soziale, wirtschaftliche und
kulturelle Rechte. Um die von uns gestellten Forderun-
gen zu verwirklichen, sind historische, soziale und kultu-
relle Rahmenbedingungen, die gegenwärtige wirtschaft-
liche Situation sowie psychologische Faktoren zu be-
rücksichtigen.
Diese Bedingungen sind in den jeweiligen Ländern un-
terschiedlich. Bei unseren gemeinsamen Anstrengungen
müssen wir jedoch die Umsetzung eines liberalen Ver-
fassungsrechts sicherstellen und fördern, wobei wir einen
besonderen Schwerpunkt auf demokratische Werte und
Mechanismen legen.
Es ist wichtig, durch die Ratifizierung internationaler
und regionaler Vereinbarungen zur Erhaltung ethnischer
und religiöser Identitäten beizutragen. Dies schließt auch
den Aufbau von Mechanismen zur Überwindung struktu-
reller Diskriminierung ein.
Von uns als Parlamentariern wird erwartet, dass wir
alleine, oder gemeinsam mit anderen Kolleginnen und
Kollegen, die sozialen und kulturellen Rechte von Min-
derheiten unterstützen, besonders bei der Pflege ihrer
eigenen Kultur und Gebräuche, bei der Ausübung ihrer
Religion und dem Gebrauch ihrer Sprache, privat und im
offiziellen Verkehr.
Was die Medien angeht, so müssen wir die Medienver-
treter dazu ermuntern, ein objektives und ausgewogenes
Bild aller ethnischen, kulturellen und religiösen Minder-
heiten zu vermitteln und Stereotypen zu vermeiden, die
zu Vorurteilen und diskriminierendem Verhalten führen
können.
Wir sollten auch die Rechte von Minderheiten im Er-
werbsleben stärken. Dies schließt die Inanspruchnahme
sozialer Leistungen ein. Wir müssen darüber hinaus
sicherstellen, dass der Zugang zum Erwerbsleben nicht

durch Diskriminierung verhindert wird, die ausschließ-
lich auf dem Bekenntnis ihrer Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Gruppe beruht.
Bei der Teilnahme am demokratischen und sozialen
Leben, wie beispielsweise an Wahlen und bei der
Geltendmachung der gemeinschaftlichen Interessen,
muss Gleichbehandlung gewährleistet sein. Dazu
gehören auch wirtschaftliche, administrative und
rechtliche Angelegenheiten.
Mit Blick auf das unmittelbare Problem der schwierigen
Situation von Wanderarbeitnehmern rufen wir schließ-
lich die Parlamente dazu auf, alle zuständigen Institutio-
nen in ihren Ländern zu ermutigen, die umfassende
Achtung der Menschenrechte von Migranten zu fördern,
insbesondere von Wanderarbeitnehmern, ungeachtet
ihres Status als Migranten.
Wir rufen ferner dazu auf, eine Kultur der Offenheit
gegenüber Migranten zu fördern, in deren Mittelpunkt
der positive Beitrag ihrer Arbeit und ihrer Anstrengun-
gen in den Volkswirtschaften, in denen sie beschäftigt
sind, stehen.
Schließlich rufen wir die Parlamente dazu auf, sofern sie
dies noch nicht getan haben, zu prüfen, ob die Ratifizie-
rung der von den Vereinten Nationen im Jahre 1990
verabschiedeten Internationalen Konvention zum Schutz
der Rechte der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familien
nicht erstrebenswert wäre.
An der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert, einem
neuen Jahrtausend, müssen wir die Bürde von Abhän-
gigkeiten überwinden, die sich aus unserer gemeinsamen
Geschichte ergeben. Wir müssen Netze der Zusammen-
arbeit aufbauen, um uns den Herausforderungen von
Konflikten zwischen Gruppen zu stellen. Wir müssen
weitere Verletzungen der Menschenrechte vermeiden,
indem wir eine Kultur der Toleranz und des gegenseiti-
gen Respekts entwickeln.“
d) „Generaldebatte über die politische, wirtschaft-
liche und soziale Lage in der Welt“
aa) Redebeitrag von Abg. Prof. Dr. Rita Süssmuth
(CDU/CSU) am 12. Oktober 1999:
„Im Namen der deutschen Delegation begrüße ich an
dieser Stelle die Teilnehmer der 102. IPU-Konferenz
nochmals ganz herzlich in Berlin.
Berlin ist ein besonderer historischer Ort. In den vergan-
genen fünfzig Jahren haben die Deutschen ihre Lektion
aus zwei Weltkriegen, einem rassistischen Regime und
einer kommunistischen Diktatur gelernt und daraus die
Konsequenz gezogen, dass nichts wichtiger ist als die
Beachtung der Menschenrechte.
Dazu gehört auch, für jene Völker und Länder einzutre-
ten, die in Bedrängnis geraten sind, und wo Menschen-
rechte mit Füßen getreten werden. Dies gilt nicht nur für

Drucksache 14/2856 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

bedrängte Nationen in Europa, sondern selbstverständ-
lich auch darüber hinaus. Insofern fordert gerade der
derzeitige Konflikt in Osttimor die Solidarität der Staa-
tengemeinschaft ein. Man kann nicht die Menschen-
rechte proklamieren und dann selbst nicht dafür eintre-
ten.
Deshalb rufe ich die IPU auf, sich in Indonesien einzu-
setzen und die reformbereiten Kräfte, beispielsweise mit
unseren Trainingsprogrammen, zu unterstützen, um der
Demokratie in dieser Region zum Durchbruch zu verhel-
fen und den Völkern Gerechtigkeit widerfahren zu las-
sen. Der beste Schutz vor bewaffneten Konflikten ist die
Demokratie, das Wort anstelle der Waffe. Ich appelliere
an die indonesische Regierung, für die Rückkehr der
Flüchtlinge zu sorgen und sich an dem Wiederaufbau der
Region zu beteiligen.
Wir haben erlebt, dass Menschenrechte sich nicht ent-
wickeln können, wenn ein Land von tiefer Armut geprägt
ist. Die Armutsbekämpfung ist deshalb ein unverzichtba-
rer Bestandteil unseres Einsatzes für die Menschenrech-
te. Damit wird auch ein Beitrag für den Kampf gegen
Extremismus und bewaffnete Konflikte geleistet.
Es wird leider in der Welt immer noch mehr Geld für
Kriege und Rüstung, darunter viele Millionen für Klein-
waffen, ausgegeben als für die friedliche Entwicklung
der Menschen. Das bedeutet für uns in politischer Ver-
antwortung stehenden Parlamentarier und Parlamentarie-
rinnen, dafür zu kämpfen, dass sich dieses Verhältnis
umdreht.
Die IPU war nie nur ein Forum, nie nur ein Treffpunkt
von Parlamentariern und Parlamentarierinnen. In den
zurückliegenden Jahrzehnten wurde die IPU zunehmend
politischer, die Umsetzung ihrer Beschlüsse in nationa-
len Parlamenten suchend und einfordernd. Ich appelliere
an die Konferenzteilnehmer, darauf einzuwirken, dass in
ihren nationalen Parlamenten so schnell wie möglich das
Statut des Internationalen Strafgerichtshofes ratifiziert
wird. Wichtig ist zudem, dass wir die Rechte von ethni-
schen und kulturellen Minoritäten anerkennen. Wir dür-
fen nicht zulassen, dass beispielsweise im Kosovo die
ethnischen Minderheiten voneinander getrennt werden,
anstatt zu lernen miteinander zu leben.
Wir setzen uns in diesen Tagen mit der Globalisierung
auseinander. Früher haben wir immer wieder gesagt,
dass das Kapital dahin geht, wohin es will, dass man es
nicht kontrollieren kann. Nachdem in Asien als Folge
der Wirtschaftskrisen riesige Mengen Geld verloren
gingen, ist es meiner Meinung nach endlich an der Zeit,
bestimmte Regeln zu schaffen, die verhindern, dass die
Ärmsten in den Entwicklungs- und Schwellenländern in
noch tiefere Armut gestürzt werden. Ich begrüße des-
halb, dass sich die IPU in den nächsten Tagen eingehend

mit der Frage einer gerechten wirtschaftlichen Ordnung
beschäftigt.
Gestatten Sie mir noch ein letztes Wort. Wir werden in
den nächsten Tagen über die Chancen und Risiken der
wirtschaftlichen Globalisierung sprechen, aber warum
kämpfen wir nicht für das Projekt einer Globalisierung
der Demokratie und des Parlamentarismus. Deshalb gilt
es die Zusammenarbeit der internationalen Organisatio-
nen zu stärken, insbesondere die Zusammenarbeit der
IPU mit den nationalen Parlamenten und den Vereinten
Nationen. Hier liegt der Schlüssel für eine gerechte und
friedliche Zukunft.
Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit.“
bb) Ebenfalls im Rahmen der Generaldebatte über die
politische, wirtschaftliche und soziale Lage in der Welt
sprach Abg. Dieter Schloten (SPD) am 14. Okto-
ber 1999 (Zusammenfassung):
Anrede,
„hiermit möchte ich mich herzlich bei den Delegierten
für ihre freundlichen Worte über Berlin bedanken. Ich
möchte jedoch einige kritische Anmerkungen zur Dar-
stellung der Lage in der Welt machen.
Der Parlamentspräsident der Nationalversammlung von
Pakistan hat der Konferenz berichtet, dass sein Parla-
ment am nächsten Tag zusammentreten werde, um die
Situation in Pakistan zu diskutieren. Gleichzeitig trafen
hier Nachrichten ein, dass das Parlament von Soldaten
umgeben sei und dass Parlamentsmitglieder keinen Zu-
gang zum Parlament mehr erhielten. Ich vermute, dass
der Präsident dies nicht gewusst hat; Aufklärung und
Erklärung wären dringend erforderlich gewesen.
Herr Bosovic aus Jugoslawien hat uns mitgeteilt, dass
sein Land Opfer einer internationalen Verschwörung und
völlig unberechtigter NATO-Angriffe gewesen sei. Er
hat jedoch das Thema Völkermord und Massenvertrei-
bung von Menschen durch Serbien komplett verschwie-
gen.
Parlamentarier sollten sich auf jeden Fall an die Allge-
meine Erklärung über Demokratie von Kairo halten und
ehrlich sein bezüglich dessen, was wirklich geschehen
ist. Sie können nicht andere verurteilen, ohne ihre eige-
nen Fehler zu sehen oder ihre Irrtümer zu bedauern.
Schließlich hat der Vertreter von Belarus gesagt, dass er
den Zusammenbruch der bipolaren Welt und das Ver-
schwinden des Ost-West-Konfliktes bedaure. Hat er
wirklich bedauert, dass Tausende von Menschen nicht
länger gefangengehalten wurden? Jeder, der solche Be-
merkungen macht, hat nicht die wirkliche Bedeutung von
Demokratie verstanden. Wenn die Welt Fortschritte
machen soll in Richtung Freiheit und Demokratie, müs-
sen die Parlamentarier der verschiedenen Staaten ehrlich
zueinander sein und zusammenhalten.“

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/2856

IV. Sitzungen des Interparlamentarischen Rates
Der Interparlamentarische Rat der Interparlamentari-
schen Union trat am Montag, dem 11. Oktober, und am
Samstag, dem 16. Oktober, unter dem Vorsitz der Präsi-
dentin ad interim Dr. Najma Heptulla zu seiner
165. Sitzungsperiode zusammen. Vor Eintritt in die
Tagesordnung gedachte der Interparlamentarische Rat
seines früheren Präsidenten Dr. Hans Stercken, der am
26. Juni 1999 verstarb.
Der Vorschlag der Präsidentin ad interim, den Präsi-
denten des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thiese
zum Konferenzpräsidenten zu wählen, wurde per Ak-
klamation angenommen.
Der Interparlamentarische Rat nahm auf Empfehlung des
Exekutivausschusses die Parlamente von Nigeria und der
Ukraine als Mitglieder in die IPU auf. Auf der gleichen
Sitzung entschied der Interparlamentarische Rat, die
Mitgliedschaft des Parlaments von Niger nach dem Mi-
litärputsch zu suspendieren. Nichtsdestoweniger be-
grüßte der Interparlamentarische Rat eine Ankündigung
der nigerianischen Militärmachthaber, vor dem Ende des
Jahres 1999 freie Parlamentswahlen abzuhalten. Als
Ergebnis dieser Entscheidungen umfasst die Interparla-
mentarische Union nunmehr 139 nationale Parlamente
und 5 internationale parlamentarische Vereinigungen als
assoziierte Mitglieder.
Anschließend gab der Generalsekretär der Interparla-
mentarischen Union, Anders B. Johnsson, einen Über-
blick über die Entwicklung der Beziehungen zwischen
der IPU und den Vereinten Nationen seit der letzten
Sitzung. Der Interparlamentarische Rat ermutigte die
Mitgliedsparlamente der IPU, an dem jährlichen Parla-
mentariertreffen bei den Vereinten Nationen am
25. Oktober 1999 teilzunehmen und bei der Erörterung
der UN-Generalversammlung über die Kooperation
zwischen der UN und der IPU am 27. Oktober 1999
präsent zu sein. Außerdem forderte er die IPU-
Mitgliedsparlamente auf, dafür zu sorgen, dass die stän-
digen Vertreter ihrer Staaten bei den Vereinten Nationen
in New York die Resolutionsentwürfe zur Zusammenar-
beit zwischen IPU und UNO unterstützen und ihre An-
nahme fördern.
Generalsekretär Anders B. Johnsson berichtete über das
Treffen des Vorbereitungsausschusses für die Konferenz
der Parlamentspräsidenten in Rabat vom 8. und 9. Sep-
tember 1999. Der Interparlamentarische Rat bestätigte
die Nominierung des kanadischen Senatspräsidenten
Gildas Molgat und der Präsidenten der beiden Kam-
mern des schweizerischen Bundesparlaments als Mit-
glieder des Ausschusses sowie die weitere Mitglied-
schaft folgender, den Exekutivausschuss verlassender
Mitglieder: Eduardo Menem (Argentinien), Jyum Kyu
Park (Korea) und Mélégué Traoré (Burkina Faso). Des
Weiteren nahm der Interparlamentarische Rat den vom

Vorbereitungsausschuss vorgelegten Deklarationsent-
wurf für die Parlamentspräsidentenkonferenz zur Kennt-
nis und entschied, ihn an die geopolitischen Gruppen
und die nationalen Mitgliedsparlamente zur weiteren
Stellungnahme weiterzuleiten.
Der Interparlamentarische Rat nahm auch den mündli-
chen und schriftlichen Bericht des früheren Präsidenten
des Interparlamentarischen Rates, Miguel Angel Mar-
tínez (Spanien), über seine Aktivitäten bis zum Tag
seines Rücktritts am 15. Juli 1999 zur Kenntnis. Dem
scheidenden Präsidenten wurde vom Interparlamentari-
schen Rat der Titel eines Ehrenpräsidenten des Interpar-
lamentarischen Rates zuerkannt.
Des Weiteren genehmigte der Interparlamentarische Rat
die Vorschläge des Exekutivausschusses zum Programm
und Haushalt der IPU für das Jahr 2000. Der Haus-
haltsentwurf lag um 4,5 % höher als der des laufenden
Jahres 1999. Dies soll die Höhe der Beitragszahlungen
der nationalen Parlamente jedoch nicht verändern, weil
einerseits neue Mitglieder hinzugekommen sind und
andererseits ein Teil des Haushaltsanstiegs durch die
finanziellen Reserven ausgeglichen werden kann.
Der Interparlamentarische Rat legte zudem die The-
men der 103. Interparlamentarischen Konferenz vom
30. April bis 6. Mai 2000 in Amman (Jordanien) fest:
Ausschuss I: Das Erreichen von Frieden, Stabilität und
einer umfassenden Entwicklung in der Welt und der
Aufbau engerer politischer, wirtschaftlicher und kultu-
reller Beziehungen zwischen den Völkern
Ausschuss IV: Der Dialog zwischen Zivilisationen und
Kulturen
Dieses Thema beruhte auf einem Antrag der deutschen
Delegation, den diese erstmalig bereits bei der
101. Konferenz in Brüssel gestellt hatte.
Der IPU-Exekutivausschuss trat am 8., 9. und 14. Oktober
1999 unter dem Vorsitz der Präsidentin ad interim des
Interparlamentarischen Rates, Dr. Najma Heptulla, zu
seiner 229. Sitzungsperiode zusammen. Bei seinen Sitzun-
gen beschäftigten sich die Mitglieder mit der Formulierung
von Empfehlungen zu den Tagesordnungspunkten der
Konferenz, die dem Interparlamentarischen Rat vorgelegt
wurden. Des Weiteren nahm der Exekutivausschuss einen
Vorschlag an, der die Geschäftsordnung des Ausschusses
dahingehend ergänzte, dass die Vorsitzende des Koordinie-
rungsausschusses der Parlamentarierinnen ex officio Mit-
glied im Exekutivausschuss wird. Zudem wurden Vor-
schläge zur Reform der Statuten, Strukturen und Arbeits-
methoden der Interparlamentarischen Union mit dem Ziel
einer engeren Verbindung zwischen der IPU und den
nationalen Parlamenten diskutiert. Außerdem wurden
nähere Bestimmungen zur Ausübung der Ehrenpräsi-
dentschaft des Interparlamentarischen Rates festgelegt.

Drucksache 14/2856 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

V. Treffen der Parlamentarierinnen in der IPU

Nach der statutenmäßigen Verankerung des Parlamenta-
rierinnentreffens bei der 101. IPU-Konferenz im April
1999 in Brüssel trafen sich am Sonntag, dem 10. Okto-
ber 1999, 104 Frauen aus 76 Ländern unter dem Vorsitz
von Abg. Prof. Dr. Rita Süssmuth zum 2. offiziellen
Parlamentarierinnentreffen. Zum ersten Mal fanden die
in Brüssel verabschiedeten Regeln der Geschäftsordnung
Anwendung, die das Parlamentarierinnentreffen sich
selbst gegeben hat. Die Präsidentin ad interim des Inter-
parlamentarischen Rates, Dr. Najma Heptulla, äußerte
sich in ihrer Begrüßungsansprache erfreut über den An-
stieg der absoluten wie relativen Beteiligung weiblicher
Parlamentarierinnen an der Konferenz in Berlin. Sie
verabschiedete die Vorsitzende des Koordinierungsaus-
schusses der Parlamentarierinnen, Abg. Faiza Kéfi (Tu-
nesien), die seit April 1999 Umweltministerin ihres
Landes und somit nicht mehr Mitglied des nationalen
Parlamentes ist. Außerdem sprachen Konferenzpräsident
und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und die
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, Dr. Christine Bergmann, zu den Parlamen-
tarierinnen.
Die Rede von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse
vor der Sitzung der Parlamentarierinnen der IPU am
Sonntag, den 10. Oktober 1999 lautete:
„Sehr verehrte Frau Präsidentin Kéfi,
liebe Frau Kollegin Süssmuth,
verehrte Kolleginnen,
meine Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich hier in Berlin aus Anlass der
Eröffnung der 102. Interparlamentarischen Konferenz.
Ihre Beratungen sind zu einem wichtigen Bestandteil der
Interparlamentarischen Konferenzen geworden. Sie
spiegeln in gewisser Weise die noch immer bestehenden
Schwierigkeiten, eine so einfache Feststellung in der
Wirklichkeit zu beherzigen, die da heißt: Frauen und
Männer sind gleich. Sie seien vor dem Gesetz, in ihrer
Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, als Mitglieder
ihrer Gesellschaft und Kultur als politische Wesen
gleich. Sie haben die gleichen Rechte und die gleichen
Chancen. Leider ist das immer noch mehr Wunsch als
Wirklichkeit – weltweit.
Seitdem indonesische Parlamentarierinnen während der
Interparlamentarischen Konferenz in Mexiko-Stadt im
April 1986 den Antrag gestellt hatten, vor den Interpar-
lamentarischen Konferenzen jeweils einen Sitzungstag
zusätzlich für Beratungen der Parlamentarierinnen vor-

zusehen, haben Sie den Charakter der Konferenzen ver-
ändert. Parlamentarierinnen haben sich gemeinsam für
die Gleichstellung der Frauen eingesetzt. Fortschritte im
nationalen wie im internationalen Bereich sind vorhan-
den aber keineswegs auch nur ausreichend zu nennen.
Hier in Deutschland teilt die Mehrheit die Auffassung,
nur wenn Männer und Frauen gemeinsam an der Gleich-
stellung der Geschlechter arbeiten, kann sie erreicht
werden. Diese Gleichstellung steht seit 50 Jahren in
unserer Verfassung. Die zitierte Auffassung ist noch
nicht so lange Mehrheitsmeinung, nach ihr gehandelt
wird bestenfalls in Ansätzen. Mit Dankbarkeit können
wir deshalb auf jene Frauen blicken, die sich seit den
frühen 80er Jahren immer wieder bemüht haben, die
Stellung der Frau in der IPU und weltweit aufzuwerten.
Parlamentarierinnen des Deutschen Bundestages hatten
die vom Interparlamentarischen Rat in Ottawa am
7. September 1985 verabschiedete Resolution – sie be-
traf die Gleichheit der Rechte und Verantwortlichkeiten
von Männern und Frauen – zum Anlass genommen, ein
Jahr später eine entsprechende Statutenänderung zu
beantragen. Meine Kolleginnen hatten damals argumen-
tiert, das Fehlen einer obligatorischen Einbindung von
Parlamentarierinnen – wenigstens eine Parlamentarierin
sollte einer Delegation angehören – verstoße gegen den
Inhalt der Resolution, gleiche Rechte und Verantwort-
lichkeiten von Männern und Frauen durchzusetzen.
Der Antrag, den meine Kolleginnen, die verstorbene
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Michaela
Geiger, die damalige Delegationsleiterin Leni Fischer –
sie weilt als Ehrenmitglied der Deutschen Delegation
unter uns – sowie Dr. Renate Lepsius einbrachten,
scheiterte. Er wurde auf der 78. Interparlamentarischen
Konferenz 1987 in Bangkok vom Interparlamentarischen
Rat abgelehnt. Das ist insoweit ein Spiegelbild der ge-
sellschaftlichen Wirklichkeit, als sich auch dort, wo
Gleichstellungsbemühen relativ erfolgreich gewesen ist,
nichts, kein einziger Schritt von selbst verstanden hat.
Ich will mich deshalb als ein Mann davor hüten, Ihnen
den Koordinierungsausschuss der Parlamentarierinnen
und damit die Stellung der Frau in der Verankerung der
Statuten als Erfolg vorzuhalten. Es ist ein wichtiger
Schritt; man muss ja oft bescheiden sein.
Wir – damit meine ich natürlich beide Geschlechter –
dürfen uns mit diesem Erfolg nicht zufrieden geben. Ein
Parlament ohne oder mit nur wenigen Frauen, verzichtet
auf die Repräsentanz und auf die Berücksichtigung der
Hälfte der Bevölkerung. Demokratisch wird das schwer-
lich genannt werden können. Wir sollten gemeinsam

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/2856

anerkennen, dass die Stellvertretende Generalsekretärin
der IPU, Frau Christine Pintat, dieses Gremium seit
seinem ersten Zusammentritt 1986 betreut. Vielen Dank
dafür. Ihr Einsatz ist bitter nötig. Nötig ist aber auch,
dass hier wie in den nationalen Parlamenten und Regie-
rungen eine angemessene Vertretung der Frauen endlich
selbstverständlich wird.
Verehrte Frau Präsidentin Professor Heptulla, wir hatten
vor einem Monat während Ihres Aufenthaltes aus Anlass
des 50-jährigen Jubiläums des Deutschen Bundestages in
Bonn und Berlin miteinander sprechen können. Dabei
habe ich auch von Ihrer Bereitschaft erfahren, sich als
Kandidatin für das Amt der Präsidentin des Interparla-
mentarischen Rates der IPU zur Verfügung zu stellen.
Nach dem zuvor Gesagten, meine sehr verehrten Damen,
kann ich mich nur noch unter die Befürworter Ihrer
Kandidatur einreihen und dafür werben. Ich wünsche
Ihnen Glück und Erfolg für Ihre Kandidatur.
Die Forderungen der Weltfrauenkonferenz von Peking
1995 – viele von Ihnen haben daran teilgenommen –
stehen hauptsächlich noch auf dem Papier.
Gleichwohl möchte ich beispielhaft einige Frauen nen-
nen, die bei den VN wichtige – und übrigens stets be-
sonders schwierige – Führungspositionen bekleiden: Die
Schweizerin Carla del Ponte ist die neue Chefanklägerin
des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien. Nafis
Sadik aus Pakistan leitet das wichtige Bevölkerungspro-
gramm der UNO. Sadako Ogata aus Japan steht an der
Spitze des UNO-Flüchtlingshilfswerkes. Die Amerikane-
rin Catherine Bertini ist Leiterin des Welternährungs-
programms. Carol Bellami steuert das Kinderhilfswerk
mit großem Geschick. Mary Robinson, die frühere iri-
sche Präsidentin und UNO-Hochkommissarin – sie wird
morgen im Plenum zu uns sprechen – genießt völlig zu
Recht weltweit Anerkennung. Dies gilt für Louise
Fréchette aus Kanada, die das neu geschaffene Amt einer
Stellvertretenden Generalsekretärin ausfüllt und nicht
zuletzt für die frühere norwegische Ministerpräsidentin
Gro Harlem Brundtlant als Leiterin der Weltgesund-
heitsorganisation.
Die Parlamentarierinnen der IPU werden die Bemühun-
gen der IPU als parlamentarischer Arm der UNO unter-
stützen. Ich bin sicher: Gerade dann, wenn es um die
Arbeit der Frauen und für die Frauen geht.
Ich möchte Sie als Gastgeber dieser IPU-Konferenz
besonders begrüßen und ermutigen, ohne Ihnen Ihr eige-
nes Arbeitsprogramm zu referieren, das Sie im Übrigen
besser kennen als ich. Ich möchte Ihnen Erfolg wün-
schen und hoffen, dass diese Konferenz eine gute Gele-
genheit sein möge, die Rechte und Entfaltungsmöglich-
keiten der Frauen voranzubringen.
Ich wünsche Ihrer Arbeit einen guten Erfolg.“
Die Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, Dr. Christine Bergmann, vor den

Parlamentarierinnen der 102. Interparlamentarischen
Konferenz am 10. Oktober 1999 in Berlin lautete:
„Sehr verehrte Frau Professor Süssmuth,
sehr verehrte Parlamentarierinnen,
ich freue mich sehr, dass Sie mich heute hier zu Ihrer
Tagung eingeladen haben, auf der im Vorfeld der mor-
gen beginnenden 102. Interparlamentarischen Konferenz
die weiblichen Parlamentarierinnen zusammenkommen.
Und ich freue mich als Berlinerin, dass Sie ihre Konfe-
renz gerade jetzt in Berlin abhalten, wo sich in diesen
Wochen der Fall der Mauer zum 10. Mal jährt.
In diesen Tagen sind die Geschehnisse von 1989 sehr
gegenwärtig, mir als Frau aus Ostdeutschland kommen
die Hoffnungen und Erwartungen, aber auch die Ängste
wieder hoch. Es war die Entschlossenheit der Mensch-
heit, die Chance zu ergreifen, demokratische Verhältnis-
se zu schaffen, die die Diktatur zum Einsturz brachten.
Für uns selbst kaum begreiflich, fiel eine Diktatur wie
ein Kartenhaus zusammen, als Abend für Abend mehr
Menschen auf den Straßen waren mit dem Ruf „Demo-
kratie – jetzt oder nie“. Und wir wissen, dass die Demo-
kratiebewegungen der Nachbarländer, dass Gorbat-
schows Perestroika den Boden mit vorbereitet haben.
Seit diesen Erfahrungen bin ich davon überzeugt, dass
Menschen nahezu alles vermögen, wenn sie ihr Ziel
entschlossen verfolgen.
Zehn Jahre nach diesem historischen Ereignis hat auch
der Deutsche Bundestag seinen Sitz nach Berlin verlegt
und vor wenigen Wochen hier seine Arbeit aufgenom-
men.
Wir hatten im Deutschen Bundestag hier in Berlin An-
fang September eine Debatte darüber, was Frauen in
50 Jahren Deutscher Bundestag bewegt haben. In dieser
Debatte wurde deutlich, dass die Frauen in Deutschland
um jeden Zentimeter, den sie in unterschiedlichen Le-
bensbereichen an Boden gewonnen haben, hart gerungen
haben. Sie haben es für sich getan, sie haben es für ihre
Töchter getan in dem Bewusstsein, dass eine menschli-
chere demokratische Gesellschaft die gleichberechtigte
Teilhabe von Frauen erfordert.
Dieses Beharrungsvermögen haben die Frauen nicht nur
in Deutschland gezeigt, sondern weltweit.
Wir sind inzwischen in vielen Ländern dieser Erde bei
der rechtlichen Gleichstellung von Frauen vorangekom-
men.
Aber wir haben auch erfahren müssen: Allein die rechtli-
che Gleichstellung sichert noch nicht die gleichberech-
tigte Beteiligung von Frauen an gesellschaftlichen Ent-
scheidungsprozessen. Intervention – auch staatliche – ist
nach wie vor unverzichtbar, wenn es darum geht, Chan-
cengleichheit zwischen den Geschlechtern herzustellen.

Drucksache 14/2856 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Auf europäischer Ebene gibt es seit dem In-Kraft-Treten
des Amsterdamer Vertrages am 1. Mai diesen Jahres nun
zum ersten Mal ein grundsätzliches positives Bekenntnis
zu einer europaweiten Gleichstellungspolitik – und ein
weitreichendes Instrumentarium für ihre Durchsetzung.
Die Gleichstellung von Frauen ist nun explizit im Auf-
gabenkatalog der Gemeinschaft verankert. Der Amster-
damer Vertrag schreibt vor, dass sämtliche Tätigkeiten
der EU unter der Maßgabe der Verwirklichung von
Gleichstellung geprüft werden müssen.
Hier hat sich also der so genannte „Gendermainstrea-
ming“-Ansatz durchgesetzt.
Ich betrachte dies als einen großen Erfolg, der uns bei
der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten Rü-
ckenwind beschert.
Auf internationaler Ebene haben wir weiter die Aufgabe,
die auf der 4. Weltfrauenrechtskonferenz verabschiedete
Aktionsplattform umzusetzen.
Ich weiß, dass die Umsetzung der Plattform von Peking
ja auch eines Ihrer Hauptanliegen ist. Im Juni nächsten
Jahres wird die Sondergeneralversammlung zu „Pe-
king+5“ eine umfassende Bilanz ziehen über den Stand
der Umsetzung der Aktionsplattform in den Mitglied-
staaten und im UN-System und Fragen der Weiterent-
wicklung diskutieren.
Ich habe mit Interesse gelesen, dass Sie sich einige Tage
vor dieser Sondergeneralversammlung dem Thema
„Demokratie durch Partnerschaft zwischen Männern und
Frauen“ widmen werden. Sie treffen mit diesem Thema
das Kernproblem, nämlich die Teilung der Macht als
Voraussetzung der Gleichstellung in der Demokratie.
Aus meiner Sicht gibt es am Ende des 20. Jahrhunderts
vier entscheidende gleichstellungspolitische Wegmarkie-
rungen:
Möglichst vielen Frauen möglichst gute Bildungs- und
Erwerbschancen zu ermöglichen.
Möglichst viele Frauen in politische, wirtschaftliche und
gesellschaftliche Verantwortung zu bringen.
Möglichst vielen Frauen die Voraussetzungen zu bieten,
Beruf und Familie zu vereinbaren.
Diskriminierungen und Gewalt gegen Frauen sowohl
präventiv zu verhindern als auch hart zu ahnden.
Wie wichtig gleiche Bildungs- und Erwerbschancen für
die Gleichstellung von Frauen sind, brauche ich in die-
sem Kreis nicht zu betonen. Bildung und eigenständige
Erwerbsarbeit bedeuten nicht nur soziale Anerkennung
und wirtschaftliche Autonomie, sondern auch die Mög-
lichkeit einer gleichberechtigten Partnerschaft. In
Deutschland sind mittlerweile 55 % der Abiturienten und
52 % der Studienanfänger an Universitäten Frauen. Aber
wenn wir uns in den Chefetagen der Wirtschaft umsehen,

finden wir nur wenige Frauen, das trifft ebenso zu für
Spitzenpositionen in der Wissenschaft.
Wir haben als Bundesregierung vor wenigen Monaten
das Programm „Frau und Beruf“ beschlossen, das quasi
unser gleichstellungspolitisches Regierungsprogramm
für die nächsten Jahre ist und das wir Schritt für Schritt
umsetzen werden. Damit wollen wir einen konkreten
Beitrag für die Zukunftschancen von Frauen in unserer
Gesellschaft leisten.
Zum Thema „Frau und Beruf“ gehört aus meiner Sicht
auch zwingend das Thema „Mann und Familie“. Die
bisherige fast vollständige Verlagerung aller Verantwort-
lichkeiten in der Familie auf die Mütter muss überwun-
den werden. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
und das damit zusammenhängende Rollenverständnis
sind Hauptursachen für politische und soziale Ungleich-
heiten zwischen Männern und Frauen. Es reicht nicht
aus, Müttern ein Nebeneinander von Familie und Beruf
zu ermöglichen; ebenso wichtig ist, dass Vätern ein
Nebeneinander von Beruf und Familie ermöglicht wird.
Der deutsche Soziologe Ulrich Beck hat die bestehende
Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei den
Männern als „verbale Aufgeschlossenheit bei weitge-
hender Verhaltensstarre“ gekennzeichnet. Dabei darf es
nicht länger bleiben.
Mit unserem Programm „Mann und Familie“ wollen wir
Väter motivieren, aktiv Verantwortung in der Familie zu
übernehmen. Wir wollen das öffentliche Bewusstsein
verändern, die finanziellen, rechtlichen und sozialen
Rahmenbedingungen für Väterverantwortung verbessern,
und Vätern, die guten Willens sind, Angebote zur Um-
setzung ihrer guten Vorsätze machen.
Ein zentraler Schwerpunkt in der Frauenpolitik weltweit
besteht weiterhin in der Bekämpfung von Gewalt gegen
Frauen.
Wir wissen alle, dass Frauen in allen Ländern in beson-
derer Weise Gewalt ausgesetzt sind. Gewalt verletzt die
Integrität der Frauen und ihr Recht auf Selbstbestim-
mung in eklatanter Weise.
Für die Bundesregierung haben daher Maßnahmen, die
der Gewalt gegen Frauen vorbeugen und von Gewalt
betroffenen Frauen größtmöglichen Schutz und Hilfe
zukommen lassen, höchste Priorität.
Aus diesem Grund werden wir in Kürze einen Nationa-
len Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen vorlegen. Da-
bei geht es zum einen um rechtliche Verbesserungen von
Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind.
Wir wollen deutlich machen, dass häusliche Gewalt
gegen Frauen keine Privatsache und kein Kavaliersdelikt
ist, sondern von den staatlichen Institutionen genauso
ernst genommen werden muss wie Eigentumsdelikte
oder Gewaltdelikte unter Fremden. So wollen wir z. B.,
dass der betroffenen Frau und ihren Kindern im Kon-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/2856

fliktfall die eheliche Wohnung zugewiesen wird. Denn es
verträgt sich einfach nicht mit dem Selbstverständnis
eines Rechtsstaates, dass die betroffene Ehefrau mit
ihren Kindern ihre vertraute Umgebung verlassen und
fliehen muss, um vor weiteren Angriffen Schutz zu fin-
den.
Neben dem Thema „Häusliche Gewalt“ brennen uns
natürlich im Bereich der Gewalt gegen Frauen noch viele
andere Themen unter den Nägeln.
Dazu gehören der Frauenhandel oder die Zwangsprosti-
tution.
Ich denke aber auch noch an andere Formen von Gewalt
an Frauen, z. B. Genitalverstümmelung oder Gewaltaus-
übung an Frauen in bewaffneten Konflikten.
Diese Probleme sind nur in enger internationaler Koope-
ration zu lösen.
Hier müssen wir gemeinsam Schritt für Schritt voran-
kommen.
Anfang dieses Jahres hat die 43. Frauenrechtskommissi-
on der Vereinten Nationen unter deutschem Vorsitz die
Annahme des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen zur
Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
(CEDAW) beschlossen. Mit dem Zusatzprotokoll erhal-
ten Frauen eine dem Standard anderer Menschenrechts-
übereinkommen vergleichbare Beschwerdemöglichkei-
ten. Internationalen Menschenrechtsorganisationen wird
die Möglichkeit eröffnet, zugunsten von Opfern tätig zu
werden. Das hilft insbesondere betroffenen Frauen in
Ländern der Dritten Welt.
Das Europäische Parlament hat 1999 zum Europäischen
Jahr gegen Gewalt an Frauen ausgerufen.
Wir haben dieses Thema von deutscher Seite zu einem
Schwerpunkt während unserer EU-Ratspräsidentschaft
im ersten Halbjahr 1999 gemacht. Es ist uns gemeinsam
in der Europäischen Union gelungen, das Aktionspro-
gramm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
(DAPHNE) auf den Weg zu bringen, das eine verstärkte
europäische Zusammenarbeit vorsieht ebenso wie die
Entwicklung gemeinsamer Strategien zur Gewaltbe-
kämpfung und -prävention.
Ich denke, dass wir mit solchen transnationalen Projek-
ten auf dem richtigen Weg sind.
Weltweit waren die Voraussetzungen, die Frauen für ein
gleichberechtigtes Verhältnis der Geschlechter mitbrin-
gen, noch nie so gut wie heute.
Wir hatten noch nie so viele junge Frauen, die ihre
gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft als
selbstverständlich betrachten.
Noch nie hatten wir so viele Frauen, die über alle welt-
anschaulichen und politischen Grenzen hinweg bei ihrem
Weg durch die männlich dominierten Institutionen Er-

fahrungen gemacht haben, die sie nachfolgenden Frauen
vielleicht ersparen möchten.
Lassen Sie uns diese Erfahrungen nutzen, um internatio-
nal neue Handlungsebenen in der Frauenpolitik auszulo-
ten, um den Blick auch auf neue Spielräume jenseits
staatlicher Institutionen zu richten und um auch neue
Bündnisse zu schmieden.
Denn es gilt noch immer, was die deutsche Frauenrecht-
lerin Louise Otto-Peters vor 150 Jahren gesagt hat:
„...die Geschichte aller Zeiten hat es gelehrt und die
heutige ganz besonders, dass diejenigen, welche selbst
an ihre Rechte zu denken vergessen, auch vergessen
werden.“
Das wollen wir uns sicher nicht nachsagen lassen.
Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
und wünsche Ihrer Konferenz weiterhin einen erfolgrei-
chen Verlauf.“
Die Abgeordnete Tatiana Yariguina (Russische Föde-
ration) berichtete, dass in Berlin, wie auch in Brüssel, 27
Delegationen vertreten seien, die sich ausschließlich aus
männlichen Mitgliedern zusammensetzten. Lediglich
drei dieser 27 Delegationen verträten Parlamente, denen
überhaupt keine Frauen angehörten. Damit verstießen sie
gegen IPU-Recht. Abgeordnete Yariguina erläuterte,
dass sich die aus zwei weiblichen und zwei männlichen
Parlamentarierinnen und Parlamentariern bestehende
Partnerschaftsgruppe Gedanken darüber gemacht habe,
wie man dagegen angehen könne, dass immerhin 22 %
der Delegationen, die IPU-Konferenzen besuchten, keine
weiblichen Mitglieder hätten. In jedem Falle wolle man
Listen verteilen, aus denen hervorginge, wie viele und
welche Delegationen rein männlich besetzt seien. Wei-
terhin habe man überlegt, Delegationen ohne Parlamen-
tarierinnen dadurch zu sanktionieren, dass man die Zahl
der ihnen zustehenden Stimmen verringere. Erforderlich
sei auch, die Statuten der IPU ganz eindeutig auf das
Ziel der Gleichberechtigung von Männern und Frauen
auszurichten. Im Verlauf der sich an den Bericht an-
schließenden lebhaften Diskussion forderten die Abge-
ordneten Sheila Finestone (Kanada) und Illani Isahak
(Malaysia), die Partnerschaftsgruppe betreffend die
Gleichberechtigung der Geschlechter solle sich mit jeder
Delegation, der keine weiblichen Abgeordneten angehör-
ten, treffen. Weiterhin solle der Präsident der IPU Briefe
an den Regierungschef, den Parlamentspräsidenten und
den Vorsitzenden der jeweiligen nationalen Delegation
schreiben und sie auf diese Situation aufmerksam ma-
chen.
Das Parlamentarierinnentreffen beschäftigte sich in sei-
nem weiteren Verlauf besonders mit dem Beitrag von
Frauen zur Errichtung eines neuen internationalen Fi-
nanz- und Wirtschaftsmodells. Eine Abgeordnete aus
Weißrussland berichtete, dass in ihrer Heimat 13 % der
Beschäftigten in der Wirtschaft Frauen seien. Die Ar-

Drucksache 14/2856 – 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

beitslosigkeit der Frauen sei mit 29 % signifikant höher
als die der Männer, die bei 18 % liege. Auch in Weiß-
russland sei zu beobachten, dass ökonomische Krisen
zuallererst zulasten der Frauen gingen. Sie hätten nicht
nur Probleme, einen Arbeitsplatz zu finden, sondern
bereits dementsprechend ausgebildet zu werden. Eine
Folge der ethischen Verrohung der Bevölkerung Weiß-
russlands sei auch der Anstieg der sozialen Waisen. Die
zivilisatorische Kultur eines Staates finde ihren Aus-
druck auch in der Art und Weise, so die weißrussische
Abgeordnete, wie die Frauen behandelt würden. Die
Parlamentarierinnen kritisierten, dass lediglich 20 % der
von der Weltbank zur Verfügung gestellten Mittel für
Bildung und Gesundheit ausgegeben würden. Einigkeit
bestand daher darin, dass eine Erhöhung des Budgets der
UN gefordert werden müsse, um die Ausgaben für Bil-
dung und Gesundheit zu erhöhen. Die Globalisierung sei
nicht vorgegeben, sondern werde von Menschen ge-
macht. Es gelte daher, eine Teilhabe an den Entschei-
dungsprozessen in diesen internationalen Handels- und
Wirtschaftsorganisationen zu erreichen. Vor allem müsse
man verhindern, dass Kredite an nicht demokratisch
geführte Staaten vergeben würden. Weiterhin müsse
angestrebt werden, die Wirtschaft der einzelnen Staaten
unabhängiger und resistenter gegen den Einfluss interna-
tionaler Finanzkrisen zu gestalten. Die ägyptische Abge-
ordnete Y. Loza schlug vor, sich in diesem Zusammen-
hang der Weltbank zu bedienen. Die Abgeordneten
sollten darauf hinarbeiten, dass die Vergabe der Mittel
durch die Weltbank transparenter gestaltet wird. Das
Ergebnis der Beratungen wurde in Form eines eigenen
Resolutionsentwurfs des Parlamentarierinnentreffens

zum Tagesordnungspunkt „Die Notwendigkeit einer
Überprüfung des derzeitigen globalen Finanz- und Wirt-
schaftsmodells“ eingereicht.
Des Weiteren beschäftigte sich das Parlamentarierinnen-
treffen mit der 1995 von der IV. Welt-Frauenkonferenz
verabschiedeten „Peking-Aktionsplattform“ sowie dem
vom Interparlamentarischen Rat im März 1994 verab-
schiedeten „Aktionsplan“, die darauf abzielen, das Un-
gleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der
Partizipation im politischen Leben zu beseitigen. Unter
dem Titel „Bejing Plus Five: 1995–2000. A Preliminary
Assessment“ wurde eine Studie vorgestellt, die die in
diesen Fragen inzwischen erreichten Fortschritte auf
nationaler Ebene untersucht und dokumentiert. Demnach
beträgt der derzeitige durchschnittliche Anteil von Frau-
en in den Parlamenten 12,9 %, im Vergleich zu 11,3 %
im Jahr 1995.
Außerdem nahmen die Teilnehmerinnen den Stand der
Vorbereitungen für die am 6. Juni 2000 geplante UN-
Sonderkonferenz zum Thema „Democracy through Part-
nership between Men and Women“ und das von der IPU
organisierten Dreiparteientreffen zur Evaluierung der
Ergebnisse nach Bejing ergriffenen Maßnahmen sowie
das Anfang Dezember 1999 in Paris stattfindende Forum
„Perspectives on Democracy: How Women Make a
Difference“ zur Kenntnis.
Der Koordinierungsausschuss entschied, dass das Parla-
mentarierinnentreffen sich bei der 103. IPU-Konferenz
in Amman mit dem Thema „Dialog zwischen Zivilisati-
onen und Kulturen“ beschäftigen solle.

VI. Treffen der Parlamentarier der Gruppe der Zwölf Plus

Die Sitzungen der geopolitischen Gruppe der Zwölf Plus
fanden unter Vorsitz des Abg. Dieter Schloten (SPD)
am 9., 12., 13., 14. und 15. Oktober 1999 statt. Wie in
der Vergangenheit dienten diese Treffen vor allem der
Koordinierung und Vorbereitung der politischen Arbeit
bei Interparlamentarischen Konferenzen.
Die Gruppe der Zwölf Plus, die mittlerweile aus 43 Staa-
ten besteht, feierte in diesem Jahr ihr fünfundzwanzig-
jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass schloss sich der
ersten Sitzung der Gruppe der Zwölf Plus am Samstag,
dem 10. Oktober 1999, eine feierliche Sitzung an. Darin
referierte das Ehrenmitglied der deutschen IPU-
Delegation Prof. Dr. Uwe Holtz, Gründungsmitglied
der Gruppe aus dem Jahr 1974, über die Geschichte der
Zwölf Plus und ihre Leistungen in den zurückliegenden
fünfundzwanzig Jahren. Weitere Festredner waren neben
dem Vorsitzenden Dieter Schloten der frühere Präsident
des Interparlamentarischen Rates und ehemalige Vorsit-
zende der Gruppe der Zwölf Plus, Miguel Angel
Martínez, der in bewegenden Worten dazu aufforderte,

nie den Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokra-
tie aufzugeben und eine stärkere Zusammenarbeit zwi-
schen IPU und UN forderte, sowie einer Grußbotschaft
der Präsidentin ad interim des Interparlamentarischen
Rates Dr. Najma Heptulla.
Prof. Dr. Uwe Holtz sprach zum Festvortrag:
„Die Zwölf Plus-Gruppe feiert heute zu Recht ihr
25-jähriges Jubiläum. Diese 25 Jahre machen fast die
Hälfte des Bestehens der IPU nach dem Zweiten Welt-
krieg aus.
Was wir heute als die Zwölf Plus-Gruppe bezeichnen,
wurde vor genau einem Vierteljahrhundert gegründet.
Während der IPU-Konferenz, die vom 2. bis zum
11. Oktober 1974 in Tokio stattfand, regte die Delegati-
on der Bundesrepublik Deutschland die erste Sitzung
unserer Gruppe an.
Ich möchte meine Gedenkansprache in vier Teile glie-
dern:

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21 – Drucksache 14/2856

I. Aussagen eines Zeitzeugen
II. Anmerkungen zu den 25 Jahren
III. Vorschläge für künftige Maßnahmen
IV. Appell

I. Aussagen eines Zeitzeugen
An der Konferenz in Tokio nahm ich als politischer
„Youngster“ teil. Es war meine zweite IPU-Konferenz –
nach der ersten im April 1974 in Bukarest.
In Bukarest erlebte ich selbst – wie ich es von meinen
älteren Kollegen zuvor schon gehört hatte –, dass die
bündnisfreien Staaten und der kommunistische Ostblock
die IPU beherrschten und die kleine Zahl westlicher
Demokratien nicht die Rolle spielten, die sie spielen
konnten und spielen sollten.
Damals gehörten demokratisch verfasste Staaten – global
betrachtet – zu einer exotischen Spezies politischer Sys-
teme. Die kleine Schar demokratisch gewählter westli-
cher Parlamentarierinnen und Parlamentarier unter-
schiedlicher politischer Ausrichtung gaben – innerhalb
der IPU – ein Beispiel für pluralistische Demokratien,
waren jedoch leider nicht sonderlich erfolgreich: Sie
vertraten sehr häufig verschiedene Auffassungen, gingen
unkoordiniert vor und waren zur Ausarbeitung gemein-
samer Positionen nicht in der Lage. Kurzum: Sie gelang-
ten innerhalb der IPU nicht zu wirklichem politischen
Gewicht und Einfluss.
Deshalb unterstützte ich mit großer Begeisterung die von
Klaus von Dohnanyi, dem damaligen Vorsitzenden unse-
rer IPU-Delegation, vorgeschlagene Idee, eine Koalition
westlicher Staaten zu schaffen.
Diese Koalition sollte nationale Delegationen innerhalb
der IPU zusammenbringen, deren Abgeordnete für de-
mokratische Mehrparteiensysteme und andere in der
Europäischen Menschenrechtskonvention des Europarats
verankerte Prinzipien eintreten.
Herr von Dohnanyi wurde von der damaligen Bundes-
tagspräsidentin, Frau Annemarie Renger, und natürlich
auch von der gesamten Delegation unterstützt. Als er
Delegierte der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirt-
schaftsgemeinschaft zu der ersten Sitzung in Tokio ein-
lud, stieß er auf ermutigende breite Unterstützung. Eine
neue Gruppierung innerhalb der IPU war geboren. Er
leitete die Sitzung der Gruppe in Tokio und im Jahr
darauf – 1975 – in Colombo und London.
Ich muss bekennen, dass diese Entwicklung mir persön-
lich zugute kam: Ein halbes Jahr nach Tokio – auf der
Konferenz von Colombo im April 1975 (um genau zu
sein am 4. April) – wurde ich auf Vorschlag eines nie-
derländischen Abgeordneten und mit Unterstützung
unserer Gruppe zum Vizepräsidenten des Wirtschafts-

und Sozialausschusses der IPU gewählt. Das war für
mich der Anfang eines aktiven, faszinierenden und anre-
genden Lebens innerhalb der IPU, das bis 1992 dauerte,
als Dieter Schloten mein Amt als IPU-Sprecher der SPD
und einer der beiden deutschen Delegierten in der Zwölf
Plus-Gruppe übernahm.
Nie werde ich die Sitzung der Zwölf Plus im April 1987
hier im Reichstag im Angesicht des Eisernen Vorhangs
und der Mauer zwischen West- und Ost-Berlin gleich
hinter dem Reichstag vergessen. Einige von Ihnen, die
heute anwesend sind, waren auch 1987 dabei, darunter
Miguel Angel Martínez als damaliger Vorsitzender unse-
rer Gruppe, der die Vision der Vereinigung der beiden
Teile Deutschlands ansprach.
Ich erinnere mich auch sehr gut an den 13. Oktober 1990
in Punta del Este, in Uruguay. Als Leiter der deutschen
Delegation, der erstmals ein Abgeordneter aus Ost-
deutschland angehörte, erstattete ich in der Zwölf Plus-
Gruppe einen kurzen Bericht über die deutsche Eini-
gung, die 10 Tage zuvor zustande gekommen war und zu
der die Zwölf Plus uns herzlich und aufrichtig beglück-
wünschten.
Die Ostdeutschen mit ihrer friedlichen Revolution, Gor-
batschow, unsere westlichen Verbündeten, unsere Nach-
barn und Freunde und nicht zu vergessen die Entspan-
nungspolitik, für die Willy Brandt stand, und der KSZE-
Prozess hatten diese Vision möglich gemacht.
Auf lange Sicht haben die Menschenrechte verletzenden
undemokratischen Regime keine Überlebenschance –
das war schon lange vor dem Fall der Berliner Mauer
meine Überzeugung und ist es auch heute noch.

II. Kommentierende Anmerkungen zu den 25 Jahren
1. Die vor 25 Jahren ergriffene deutsche Initiative be-
trachtete als Kern des informellen Zusammenschlusses
der westlichen Länder die neun damaligen EG-
Mitgliedstaaten, also die drei Benelux-Länder, Deutsch-
land, Frankreich und Italien sowie Dänemark, Irland und
das Vereinigte Königreich.
Auf Einladung dieser ursprünglich neun EG-Staaten
nahmen an der Londoner Konferenz im September 1975
folgende „gleichgesinnten“ („like-minded“) Staaten teil:
die USA und Kanada, Schweden, die Schweiz und Mo-
naco. Zunächst nannte man sich noch „Erweiterte Neun“
(„Expanded Nine“), aber schon bald setzte sich die Be-
zeichnung „Neun Plus“ durch. Das „Plus“ symbolisierte
zweierlei: das Ja zur Aufnahme weiterer Mitglieder
demokratischer „westlicher“ Länder und das Nein zur
Abgrenzung als Gruppe.
Das erste Treffen der Neun Plus außerhalb einer offiziel-
len IPU-Konferenz fand unter britischem Vorsitz in
London im Januar 1976 statt. Solche Treffen wurden
dann zur Routine, als die belgische Gruppe im selben

Drucksache 14/2856 – 22 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Jahr anbot, den Vorsitz zu übernehmen und die entspre-
chenden Treffen zu organisieren. Zunächst wechselte der
Vorsitz jährlich – so übernahm 1977 Dänemark den
Vorsitz.
Nach dem Beitritt Griechenlands als zehntem Mitglied
zur EG im Jahre 1981 änderten die „Neun Plus“ ihren
Namen in „Zehn Plus“.
Dieselbe Namensanpassung wurde noch 1986 nach dem
Beitritt Portugals und Spaniens zur EG vollzogen –
seitdem heißt die informelle Gruppierung der westlichen
Demokratien „Zwölf Plus“.
Die Gruppe stellte das Zählen ein – offensichtlich wollte
sie nicht mehr über „zwölf“ hinausgehen (so ein offiziel-
ler Beschluss im Jahre 1993).
Der Teilnehmerkreis vergrößerte sich schnell: Australien
und Neuseeland traten bei, und besonders der Teilneh-
merkreis der Europäer wurde erweitert. So konnten als
erste Staaten Zentral- und Osteuropas Ungarn und die
Tschechoslowakei in der Zwölf Plus-Gruppe im Jahre
1991 begrüßt werden. Die Aufnahme in den Europarat
galt dabei auch für die Zwölf Plus quasi als „demokrati-
scher Taufschein“.
Als vorläufig letztes Vollmitglied der Zwölf Plus wurde
auf der IPU-Konferenz in Brüssel im April 1999 Moldau
aufgenommen.
Heute zählt die Zwölf Plus-Gruppe 43 Vollmitglieder –
von Albanien bis zu den Vereinigten Staaten, und drei
Bobachter: die Parlamentarische Versammlung des Eu-
roparats, das Europäische Parlament und Israel.
Vor ein paar Jahren wurde überlegt, unsere Gruppe um-
zutaufen in „Europarat Plus“. Immerhin gehören unserer
Gruppe 37 der 41 Mitgliedstaaten des Europarats an.
Aber die Namensänderung, mit der ich als langjähriger
offizieller Vertreter des Europarats bei der IPU und den
Zwölf Plus geliebäugelt hatte, wurde verworfen. Die
Bezeichnung „Europarat-Gruppe“ innerhalb der IPU
hätte den Vorteil einer geographischen und zugleich
wertegebundenen Identifizierung, während Zwölf Plus
eher an eine bestimmte Zahl reicher westlicher Länder
denken lässt.
2. Der informative Wert solcher gemeinsamer Sitzun-
gen zeigte sich sehr schnell. An den Zwölf Plus-Treffen
nehmen in der Regel – so die Verständigung – die bei-
den jeweiligen IPU-Ratsmitglieder der nationalen Grup-
pen teil.
Das Besondere dieser Sitzungen liegt im freien Mei-
nungsaustausch unter den Teilnehmern, einer politischen
Willensbildung über prozedurale, inhaltliche und perso-
nelle Fragen, die in der IPU zu einem mehr oder weniger
gemeinsamen Handeln führte, natürlich auch in der Ver-
tiefung der persönlichen Kontakte.
Bei allen Absprachen innerhalb der Zwölf Plus-Gruppe
entsteht jedoch kein Zwang zur Blockbildung. Die Zwölf

Plus schlugen auch immer wieder Brücken zu anderen
geopolitischen Gruppen.
Im Lauf der folgenden Jahre bildete sich dann ein festes
System bei der Veranstaltung dieser Zusammenkünfte
heraus (im Übrigen auch ein System der Finanzierung).
Die Arbeit der Zwölf Plus-Gruppe lässt sich wie folgt
charakterisieren: „Im Statut der IPU nicht existent – aber
sehr effizient“.
3. Was war, ist und wird von entscheidender Bedeutung
für Einfluss und Erfolge unserer Gruppe sein? Ich meine
zweierlei:
a) Die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren, zu koordi-
nieren und auch möglichst geschlossen innerhalb der
IPU zu handeln (übrigens bei den Abstimmungen in der
IPU auch präsent zu sein); deshalb sind auch die in ge-
wissen Abständen immer wieder unternommenen An-
strengungen zur organisatorischen Reform der Zwölf
Plus-Gruppe so wichtig. Seit der Revision der Arbeits-
richtlinien der Zwölf Plus im April 1998 werden die
Vorsitzenden, deren Wiederwahl jetzt möglich ist, von
einem Lenkungsausschuss bei ihrer Arbeit unterstützt –
eine sinnvolle Reform zur Stärkung der Koordinierungs-
fähigkeit der Zwölf Plus.
b) Die Fähigkeit, überzeugende, kompetente Persön-
lichkeiten aus den eigenen Reihen für die IPU-Arbeit in
verantwortlichen Positionen zu gewinnen.
Diese beiden Fähigkeiten führten zu vielen Erfolgen:
– Am augenfälligsten ist die Tatsache, dass die Zwölf

Plus-Gruppe während der letzten 25 Jahre für die
Hälfte dieser Zeitspanne die IPU-Ratspräsidenten
stellte (was von anderen geopolitischen Gruppen als
europäische Dominanz der IPU kritisiert wird), und
zwar

– Sir Thomas Williams vom Vereinigten Königreich
(1976–1979),

– Émile Cuvelier aus Belgien (ad interim von März bis
Oktober 1983),

– Sir Jack Page vom Vereinigten Königreich (ad inte-
rim im September 1985),

– Hans Stercken aus der Bundesrepublik Deutschland
(1985–1988),

– Sir Michael Marshall vom Vereinigten Königreich
(1991–1994) und

– Miguel Ángel Martínez aus Spanien (1997–1999).
Teilweise hatten zuvor Abstimmungen zwischen ver-
schiedenen Kandidaten innerhalb der Zwölf Plus stattge-
funden.
Wenn die Zwölf Plus-Gruppe sich nicht einig war – etwa
bei der Kandidatur des Schweden Sture Ericson 1983 in
Seoul für die Ratspräsidentschaft, dann hatte man auch
keinen Erfolg.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23 – Drucksache 14/2856

Leider fand auch meine eigene nationale Gruppe zu
keiner einheitlichen Haltung. Es schmerzt mich noch
heute, dass damals einige von uns einen Kandidaten aus
dem undemokratischen Sudan unterstützten.
– Den größten Erfolg der Zwölf Plus-Gruppe bei der

inhaltlichen IPU-Arbeit sehe ich in der Förderung
von Demokratie und Menschenrechten. Dabei wusste
und weiß die Zwölf Plus-Gruppe viele demokratisch
gewählte bzw. demokratisch gesonnene Abgeordnete
aus anderen geopolitischen Gruppen an ihrer Seite.

Einige Marksteine seien erwähnt:
Im Jahre 1977 wurde der Sonderausschuss für die Wah-
rung der Menschenrechte ins Leben gerufen. Er unter-
sucht Menschenrechtsverletzungen, unter denen aktive
oder ehemalige Abgeordnete aller Länder ungeachtet der
dort herrschenden politischen Regime zu leiden haben
(die ersten tatkräftigen Vorsitzenden waren André Chan-
dernagor, Frankreich, und G. C. van Dam, Niederlande).
Die Arbeit dieses Ausschusses hat vielen Abgeordneten,
auch ehemaligen, helfen können; sie hat sicherlich zum
erhöhten Ansehen der IPU beigetragen. Diese Arbeit
zeitigt ganz konkrete Ergebnisse der IPU, deren Haupttä-
tigkeit während der Konferenzen ansonsten im Produzie-
ren von Resolutionen besteht.
Seit ihrer Gründung vor 110 Jahren besteht eine der
vornehmsten Aufgaben der IPU darin, Beiträge zur Si-
cherung des Friedens und zur Förderung der Zusammen-
arbeit zwischen den Völkern zu leisten.
An dieser Zielsetzung, für die auch die Zwölf Plus-
Gruppe steht, hat sich bis heute nichts geändert.
Artikel 1 des IPU-Statuts beschreibt dieses Oberziel mit
den folgenden Worten
„Die Interparlamentarische Union, die seit 1989 als
Zentrum für weltweiten parlamentarischen Dialog dient,
setzt sich für Frieden und Zusammenarbeit zwischen den
Völkern und die dauerhafte Errichtung repräsentativer
Institutionen ein.“
Im Statut heißt es weiter seit vielen Jahren:
„Zu diesem Zweck
a) fördert sie (d. h. die Interparlamentarische Union)
Kontakte, Koordinierung und Erfahrungsaustausch zwi-
schen Parlamenten und Parlamentariern aller Länder;
b) untersucht sie Fragen von internationalem Interesse
und nimmt dazu Stellung mit dem Ziel, Parlamente und
ihre Mitglieder zum Handeln zu veranlassen;
d) trägt sie zu einer besseren Kenntnis der Arbeitsweise
der repräsentativen Institutionen und zur Stärkung und
Entwicklung ihrer Handlungsmöglichkeiten bei.“
Herr Präsident,
neu ist seit einigen Jahren (seit 1992, wenn ich mich bei
dem Datum der Überarbeitung des Statuts nicht irre) die
Aufnahme des folgenden Absatzes:

Zu diesem Zweck
„c) trägt sie (die Interparlamentarische Union) zur
Verteidigung und Förderung der Menschenrechte bei,
die universelle Geltung haben und deren Achtung ein
wesentlicher Faktor der parlamentarischen Demokratie
und der Entwicklung ist.“
Erstmals, liebe Kolleginnen und Kollegen, spricht das
Statut der Union von Demokratie, parlamentarischer
Demokratie.
Mit der aktiven Unterstützung der Zwölf Plus hat die
Union die Arbeiten auf dem Gebiet der Demokratie
fortgeführt. Die Union verabschiedete 1994 in Paris in
der „Absicht, die Errichtung demokratischer, pluralisti-
scher und repräsentativer Regime in der ganzen Welt zu
fördern“ eine „Erklärung zu den Kriterien für freie und
faire Wahlen“.
Die Interparlamentarische Union beschloss 1995 – nota
bene auf Initiative des Ägypters Ahmed Fathy Sorour,
dem damaligen Ratsvorsitzenden –, die Aufnahme der
Arbeit an einer Universellen Erklärung zur Demokratie,
um die internationale Norm voranzubringen und zum
laufenden Demokratisierungsprozess auf der Welt beizu-
tragen.
1997 verabschiedete der Rat in Kairo diese Universelle
Erklärung zur Demokratie. Ich war als Ehrenmitglied
meiner Delegation anwesend. Nach der Annahme der
Erklärung meldete die chinesische Delegation zu dem
Wortlaut Vorbehalte an und erklärte, China habe nicht
genug Zeit für eine eingehende Prüfung gehabt.
Der erste Absatz hat folgenden Wortlaut:
„Die Demokratie ist ein weltweit anerkanntes Ideal und
zugleich ein Ziel, das auf gemeinsamen Werten beruht,
die von der gesamten Völkergemeinschaft, unbeschadet
aller kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftli-
chen Unterschiede, geteilt werden.“
Im Zeitalter der ökonomischen Globalisierung ist auch
politische Globalisierung geboten: die Globalisierung
von Demokratie und Rechtsstaat. Mit der Universellen
Erklärung zur Demokratie von 1997 hat die IPU Leitli-
nien vorgegeben.
Natürlich wurden diese Änderungen und Fortschritte
innerhalb der Union durch die weltpolitischen Verände-
rungen, vor allem durch den seit 1989–90 stärker we-
henden Wind der Demokratie befördert. Der aus Indien
stammende Nobelpreisträger für Wirtschaft des Jahres
1998, Amartya Sen, hat m. E. zu Recht als das überra-
gende Charakteristikum des 20. Jahrhunderts den Auf-
stieg der Demokratie bezeichnet. Für ihn ist die Aner-
kennung der Demokratie als ein universell relevantes
System eine große Revolution im Denken. Dazu hat nach
meiner Überzeugung die IPU beigetragen.
Besonderen Wert legte die Zwölf Plus-Gruppe in den
neunziger Jahren darauf, dass die IPU Hilfestellung

Drucksache 14/2856 – 24 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

beim Aufbau parlamentarischer Institutionen anbot.
1991/ 1992 befasste sich eine Zwölf Plus-Arbeits-
gruppe (Kanada, Deutschland, Italien, Schweden und
Vereinigtes Königreich) nicht nur mit der Reform der
Zwölf Plus selbst, sondern auch mit der Koordination
von Hilfen für die neu entstehenden Demokratien
(newly emerging democracies – NEDs).
Die spezifische Rolle der IPU sah man darin, den NEDs
neue Modelle der interparlamentarischen Kooperation,
Hilfe und Know-how (how to run parliaments) anzubie-
ten.
Zwischenzeitlich stellt die IPU mannigfache Unterstüt-
zungen für die Förderung der repräsentativen Demo-
kratie und von parlamentarischen Institutionen zur
Verfügung: in der Form von Daten und Informationen
(sowohl in der Form von Bibliotheken und speziellen
Studien als auch über das Internet), von Konferenzen,
Seminaren und Workshops sowie besonderer Hilfspro-
gramme für Parlamente und Parlamentsbeamte. Die
IPU hat sich zu einem Ort des Demokratie- und Parla-
mentarismustransfers entwickelt.
c) Ein weiterer bedeutender Erfolg auch der Zwölf
Plus-Gruppe ist die Tatsache, dass die Parlamentarie-
rinnen in der Union an Einfluss gewonnen haben. Be-
sonderen Tribut möchte ich hier den skandinavischen
bzw. nordischen Ländern zollen – ja all jenen Parla-
mentarierinnen aus den verschiedensten Ländern, die
dem „Männer-machen-die-IPU“ einen „Empower-
ment“-Prozess der Frauen entgegensetzten.
Eine weltpolitische Premiere gelang der IPU mit dem
1989 durchgeführten Symposium über die Beteiligung
der Frauen am politischen und parlamentarischen Ent-
scheidungsprozess.
Auf Druck der weiblichen Abgeordneten, insbesondere
der Zwölf Plus-Gruppe – die deutsche Delegation war
bei diesem Punkt sehr aktiv –, wurden vor einem Jahr-
zehnt die Statuten geändert: Mindestens zwei der zwölf
Exekutivmitglieder müssen Frauen sein. Außerdem
gehört seit 1999 die Vorsitzende des Koordinierungs-
komitees des Treffens der Parlamentarierinnen dem
Exekutivausschuss an.
Frauen haben sich in mehrfacher Hinsicht durchge-
setzt: Ritva Laurila aus Finnland wurde zur Vorsitzen-
den des Wirtschafts- und Sozialausschusses gewählt,
innerhalb der nationalen Gruppen wurden sie Leiterin-
nen der Delegationen (im Falle der Bundesrepublik
Deutschland waren dies in den letzten beiden Jahrzehn-
ten Michaela Geiger, Leni Fischer und jetzt Rita Süss-
muth). Im Exekutivausschuss waren von den Zwölf
Plus Leni Fischer und bis jetzt Sheila Finestone, Kana-
da, vertreten. Ein wirklicher Durchbruch wäre die
Wahl einer Frau zur IPU-Ratspräsidentin.

III. Drei Vorschläge, die ich mir erlaube, den Zwölf
Plus zur Erörterung zu empfehlen (dabei kann bei die-
sen Vorschlägen an wichtige Vorüberlegungen oder
Vorarbeiten angeknüpft werden):
1. Ich empfehle der Zwölf Plus-Gruppe, in der IPU
die Gründung eines Sonderausschusses für die Wah-
rung der Demokratie zu betreiben – analog zum Son-
derausschuss für die Wahrung der Menschenrechte.
Demokratie muss täglich neu gestiftet werden; sie muss
weiterentwickelt und gegen ihre Feinde verteidigt wer-
den.
Hier im Reichstag möchte ich an ein berüchtigtes Zitat
des Chef-Propagandisten des Nationalsozialismus,
Josef Goebbels, erinnern. Er hatte seinen Nazi-
Gesellen zu Beginn der 30-er Jahre zugerufen:
„Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waf-
fenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen
zu versorgen.“ (Heute besteht keine Gefahr, dass sich
dies hier wiederholt.)
Aber jede Demokratie muss sich schützen; ein nicht zu
unterschätzendes Instrument könnte ein IPU-Sonder-
ausschuss zum Schutz der Demokratie sein.
2. Der zweite Vorschlag bezieht sich auf einen in-
ternationalen wirtschaftlichen Ordnungsrahmen. Mit
der Universellen Demokratie-Erklärung hat die IPU
der internationalen Gemeinschaft einen politischen
Ordnungsrahmen gegeben.
Könnte sich die IPU nicht in ähnlicher Weise an die
Ausarbeitung eines Konzeptes für eine internationale
soziale und ökologische Marktwirtschaft machen und
damit einen weiteren bedeutenden Beitrag zur „Global
Governance“-Gestaltung leisten?
Gerade die wirtschaftlich prosperierenden Länder der
Zwölf Plus-Gruppe wissen: Relative Inseln des Reich-
tums werden auf Dauer nicht überleben können, wenn
sie von Ozeanen der Armut umgeben sind. Wer im
Norden (genauer: in den westlichen Industrieländern)
in Sicherheit leben will, der muss auch wirksame Bei-
träge zur Verbesserung der Lebenssituation im Süden
und Osten und zum Abbau der immer noch bestehen-
den dramatischen Ungleichgewichte in der Welt leis-
ten. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs muss auch
der Armutsvorhang, der die Welt teilt, fallen. Willy
Brandt schrieb der Politik bereits vor zwanzig Jahren
ins Stammbuch: „Wer den Krieg ächten will, muss
auch die Massenarmut bannen.“
Die IPU muss gezielter als bisher Beiträge – auch
wenn diese nicht überschätzt werden sollten – zu einer
Globalisierung mit menschlichem Antlitz leisten und
sich dabei vom Rio-Leitbild einer nachhaltigen, men-
schenwürdigen Entwicklung (sustainable human deve-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25 – Drucksache 14/2856

lopment) leiten lassen. Deshalb sollte sie Prinzipien
und Leitideen für die Errichtung einer internationalen
Wirtschaftsordnung erarbeiten, welche die marktwirt-
schaftlichen Kräfte in einen sozialen und ökologischen
Rahmen einbettet.
3. Der dritte Vorschlag betrifft das Verhältnis der IPU
zu den Vereinten Nationen.
Die IPU muss sich zu einem veritablen parlamentari-
schen Counterpart der Vereinten Nationen entwickeln
und mit dafür sorgen, dass die parlamentarische Dimen-
sion bei der Arbeit der VN stärkeres Gehör findet. Die
IPU – wie auch z. B. das Europäische Parlament oder
die Parlamentarische Versammlung des Europarats –
sind aufgerufen, eine „demokratische Weltordnung“
aufbauen zu helfen.
Vor 15 Jahren hatte ich als Zwölf Plus-Vertreter in ei-
nem IPU-ad-hoc-Komitee über die Beziehungen zur
UNO für diesen Vorschlag geworben.
In der letzten Zeit ist schon einiges Wichtige passiert.
1996 wurde das Kooperationsabkommen mit den VN
geschlossen – so wie es auch Kooperationsabkommen
mit anderen VN-Einrichtungen gibt (z. B. der UNESCO,
UNDP und ILO), im letzten Jahr eröffnete die IPU ein
Verbindungsbüro in New York. Vor Beginn der VN-
Generalversammlung im Herbst eines Jahres findet ein
von der IPU organisierter VN-Parlamentstag statt. Die
IPU beteiligt sich an Sonderkonferenzen der VN. Die
Generalversammlung der VN beschloss am 10.11.1998
eine Resolution, in der von einer weiteren Verstärkung
der Zusammenarbeit zwischen den VN und der IPU die
Rede ist.
Die deutsche Delegation vertritt die Auffassung, dass
neben dem IPU-VN-Abkommen vor allem die finanziel-
len Probleme der VN und ihr Angewiesensein auf die
Parlamente als Hebel bei der Verwirklichung dieses
Vorschlags genutzt werden können.
Über die bestehenden Kooperationsformen hinaus sollte
der Versuch unternommen werden, dem Präsidenten des
Interparlamentarischen Rates Rederecht vor der Vollver-
sammlung einzuräumen und einen fundierten parlamen-
tarischen Beitrag zur Reform und Unterstützung der
Vereinten Nationen zu initiieren.
Einmal pro Jahr könnte ein spezialisiertes IPU-Treffen
oder ein Treffen des IPU-Councils am Sitz der Vereinten
Nationen abgehalten und einige der Haupttagesord-
nungspunkte der Vollversammlung der Vereinten Natio-
nen diskutiert und mit Handlungsvorschlägen versehen
werden.

IV. Appell
Nach den 25 Jahren Geschichte der Zwölf Plus lässt sich
feststellen: Demokratisch verfasste Staaten gehören

heute erfreulicherweise nicht mehr zu einer exotischen
Spezies. Aber im Zeitalter der ökonomischen Globalisie-
rung brauchen wir auch eine Globalisierung von Demo-
kratie und Rechtsstaat, brauchen wir eine revitalisierte
IPU und eine kraftvolle Zwölf Plus-Gruppe. Deshalb
lassen Sie bitte in Ihren Anstrengungen nicht nach.
Um der IPU mehr Gewicht zu verleihen, bitte ich Sie,
die Abgeordneten, sich noch konsequenter für die Um-
setzung sinnvoller Entschließungen der IPU – und es
gibt viele davon – zu Hause einzusetzen.
Raten Sie den Regierungen, die parlamentarische Diplo-
matie im Rahmen der IPU besser zu nutzen und Abge-
ordnete als Brückenbauer einzusetzen. (Hans Stercken
wusste meisterhaft auf dem Klavier der parlamentari-
schen Diplomatie zu spielen.)
Die USA waren und sind in der IPU kein einfaches Mit-
glied – und das im doppelten Sinne des Wortes. Die
Stimme der USA ist bei der Behandlung der wichtigen
Fragen der Welt zu wichtig, als dass es sich eine Organi-
sation mit weltweitem Anspruch wie die IPU leisten
könnte, auf die Mitarbeit einfach zu verzichten. Und die
USA sollten nicht einfach darauf verzichten, in dem
Parlament der Parlamente der Welt mitzuwirken.
Liebe Freunde! Für mich war die IPU eine überaus wich-
tige Schule, in der ich viel gelernt habe, eine politische
Sozialisationseinrichtung, ein Ort, an dem ich Freunde
aus der ganzen Welt kennen gelernt habe. Für mich als
Vorsitzenden des Ausschusses für Entwicklungszusam-
menarbeit des Deutschen Bundestages während 20 Jah-
ren war die IPU das relevanteste Forum, in dem ich
zweimal jährlich mit Abgeordneten aus vielen Entwick-
lungsländern zusammentreffen konnte.
Dafür bin ich sehr dankbar und fühle mich geehrt, dass
ich das Privileg hatte, diese Gedenkansprache halten zu
dürfen. Haben Sie vielen Dank!“
Im Laufe der Sitzungen der Gruppe der Zwölf Plus er-
hielten die beiden weißrussischen Gäste aus dem demo-
kratisch gewählten 130. Obersten Sowjet Gelegenheit,
die undemokratischen Zustände nach dem Coup von
1996 in ihrem Heimatland zu schildern. Sie schilderten
die unzufriedene Menschenrechtssituation und die Auf-
lösung des frei gewählten Parlaments, das Verschwinden
von politischen Oppositionellen und die drakonischen
Strafen für dem Regime missliebige Politiker. Der Vor-
sitzende Dieter Schloten dankte den beiden Politikern,
die trotz des großen persönlichen Risikos hier in Berlin
erschienen seien, und forderte die Mitglieder der Zwölf
Plus auf, das ihre dazu beizutragen, dass die illegal im
Gefängnis sitzenden Politiker in Weißrussland endlich
freikämen. Zu diesem Zweck verabschiedete die Gruppe
der Zwölf Plus eine Resolution (s. Anhang 8).
Auf der Grundlage eines deutschen Resolutionsentwurfs
formulierte die Gruppe der Zwölf Plus außerdem eine
Resolution zur Situation in Pakistan nach dem Militär-

Drucksache 14/2856 – 26 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

putsch, in der der Putsch scharf verurteilt und die Wie-
derherstellung der demokratischen Rechte und Freiheiten
eingefordert wird. Diese Resolution mündete in die Er-
klärung des Konferenzpräsidenten zum Militärputsch in
Pakistan (s. Anhang 7).
Des Weiteren unterstützte die Zwölf Plus die Kandidatur
von Dr. Najma Heptulla für das Amt der Präsidentin
des Interparlamentarischen Rates.
Der IPU-Generalsekretär Anders B. Johnsson gab einen
Bericht über die finanzielle Situation der IPU nach dem
Ausbleiben der US-amerikanischen Beitragszahlungen
und über die notwendige institutionelle Reform der IPU
vor dem Hintergrund der Parlamentspräsidentenkonfe-
renz im Jahr 2000 und dem Ziel, parlamentarischer Arm
der UN zu werden.

Der Vorsitzende Dieter Schloten unterrichtete die
Gruppe von dem Wunsch der deutschen Delegation, das
Thema „behinderte Parlamentarier“ auf die Agenda einer
der nächsten Konferenzen zu setzen. Der Steuerungsaus-
schuss der Gruppe sei übereingekommen, dieses Thema
nicht allein auf behinderte Parlamentarier zu beschrän-
ken, sondern behinderte Parlamentarier aus aller Welt zu
einer Konferenz über die Situation Behinderter einzula-
den.
Auf der letzten Sitzung der Gruppe der Zwölf Plus am
Freitag, dem 15. Oktober 1999, wurde Dieter Schloten
von den Delegierten für ein weiteres Jahr in seinem Amt
als Vorsitzender der Gruppe der Zwölf Plus per Akkla-
mation bestätigt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth, MdB
Leiterin der Delegation

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 27 – Drucksache 14/2856

VII. Personalien

1. Dr. Najma Heptulla (Indien) wurde zur neuen
Präsidentin des Interparlamentarischen Rates am
16. Oktober 1999 einstimmig gewählt
2. Übersicht über die neugewählten bzw. neuen ex
officio Mitglieder des Exekutivausschusses
– Dr. Najma Heptulla (in ihrer Eigenschaft als neue

Präsidentin des Interparlamentarischen Rates)
– Sheila Finestone (Kanada)
– Jaime Trobo (Uruguay)
– Raul S. Roco (Philippinen)
– Luvsanvandan Bold (Mongolei)
– Guy Nzouba-Ndama (Gabun)
3. Übersicht über die neuen Ausschussvorsitzenden
und ihre Stellvertreter
– Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschafts- und

Sozialfragen: Henning Gjellerod (Dänemark)
– Stellvertreter: Bourbekuer Bourkernous (Algerien)

– Vorsitzender des Ausschusses für Parlaments-,
Rechts- und Menschenrechtsfragen: José Thomaz
Nono (Brasilien)

– Stellvertreter: B. Mugo
– Jim Mc Kiernan (Australien) wurde als Nachfolger

für Jonathan Hunt (Neuseeland) zum stellvertreten-
den Vorsitzenden gewählt.

– In den Ausschuss für Menschenrechte von Parlamen-
tariern wurde als stellvertretendes Mitglied
Tarnthong Thongswasdi (Thailand) gewählt.

– Als Mitglied der Partnerschaftsgruppe wurde als
Nachfolgerin für Sheila Finestone (Kanada) Tatiana
Yariguina (Russland) gewählt.

– Als Mitglied des Ausschusses für nachhaltige Ent-
wicklung wurde Gilbert B. Buenya (Uganda) ge-
wählt.

– Als Mitglied des Ausschusses für Nahostfragen wur-
de anstelle von Q. Anwar (Indonesien) Sumit
Sundaravei (Thailand) gewählt.

VIII. Anhang

1. Der Beitrag der Parlamente zur Beachtung und
Förderung des humanitären Völkerrechts anlässlich
des 50. Jahrestages der Genfer Konventionen
(Von der 102. Interparlamentarischen Konferenz am 15.
Oktober 1999 in Berlin ohne Abstimmung angenomme-
ne Resolution)
2. Die Notwendigkeit einer Überprüfung des derzei-
tigen globalen Finanz- und Wirtschaftsmodells
(Von der 102. Interparlamentarischen Konferenz am
15. Oktober 1999 in Berlin ohne Abstimmung ange-
nommene Resolution)
3. Der Beitrag der Parlamente zu einem friedlichen
und toleranten Zusammenleben von ethnischen, kul-
turellen und religiösen Minderheiten in einem von
Toleranz und uneingeschränkter Einhaltung ihrer
Menschenrechte geprägten gemeinsamen Staat unter
Einschluss von Migranten
(Von der 102. Interparlamentarischen Konferenz am 15.
Oktober 1999 in Berlin ohne Abstimmung angenomme-
ne Resolution)
4. Der Beitrag der Parlamente zur Beachtung und
Förderung des humanitären Völkerrechts anlässlich
des 50. Jahrestages der Genfer Konventionen
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland vor-
gelegter Resolutionsentwurf)

5. Die Notwendigkeit einer Überprüfung des derzei-
tigen globalen Finanz- und Wirtschaftsmodells
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland vor-
gelegter Resolutionsentwurf)
6. Der Beitrag der Parlamente zu einem friedlichen
und toleranten Zusammenleben von ethnischen, kul-
turellen und religiösen Minderheiten in einem ge-
meinsamen Staat
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland vor-
gelegter Resolutionsentwurf)
7. Erklärung des Konferenzpräsidenten zum Mili-
tärputsch in Pakistan
8. Von der Gruppe der Zwölf Plus verabschiedete
Resolution zum Thema Weißrussland

Anhang 1
Der Beitrag der Parlamente zur Beachtung und För-
derung des humanitären Völkerrechts anlässlich des
50. Jahrestages der Genfer Konventionen
(Von der 102. Interparlamentarischen Konferenz am
15. Oktober 1999 in Berlin ohne Abstimmung ange-
nommene Resolution)
Die 102. Interparlamentarische Konferenz,

Drucksache 14/2856 – 28 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

(1) feststellend, dass zum 50. Jahrestag der vier Genfer
Abkommen diese Konventionen und ihre beiden Zusatz-
protokolle einen der Pfeiler des modernen humanitären
Völkerrechts bilden und bei seiner Kodifizierung eine
wichtige Rolle spielen,
(2) besorgt darüber, dass das humanitäre Recht nach
bald 50-jährigen Erfahrungen immer noch das schwächs-
te Glied des völkerrechtlichen Arsenals im Hinblick auf
die Glaubwürdigkeit dieses Systems ist und darum beun-
ruhigt über die ständigen Verletzungen des humanitären
Völkerrechts,
(3) zutiefst besorgt angesichts der zunehmenden Zahl
getöteter, verwundeter und einer unmenschlichen und
erniedrigenden Behandlung unterworfener Personen
sowie darüber besorgt, dass die große Mehrheit der
Opfer bewaffneter Konflikte Zivilisten sind, insbesonde-
re Flüchtlinge und Binnenvertriebene,
(4) alarmiert angesichts des immer häufigeren Einsat-
zes von Kindern als Soldaten bei verschiedenen Konflik-
ten unserer Welt, was eine flagrante Verletzung der
Konvention über die Rechte des Kindes und anderer
einschlägiger internationaler Rechtsinstrumente bedeu-
tet,
(5) erinnernd an die Resolutionen, die auf den Inter-
parlamentarischen Konferenzen von Buenos Aires (76.
Konferenz, 1986) und Canberra (90. Konferenz, 1993)
verabschiedet wurden sowie an die Resolutionen des
Interparlamentarischen Rates vom September 1997
(161. Konferenz, Kairo) und September 1998
(163. Konferenz, Moskau),
(6) voller Lob über die Tätigkeit des Komitees der
Interparlamentarischen Union, das den Auftrag hat, die
Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu fördern und
die Veröffentlichung des praktischen Handbuchs für
Parlamentarier mit dem Titel „Das humanitäre Völker-
recht einhalten und seine Einhaltung durchsetzen“ be-
grüßend,
(7) unter Hinweis auf den vor kurzem erschienenen
Bericht des Generalsekretärs der Organisation der Ver-
einten Nationen mit dem Titel „Der Schutz von Zivilis-
ten bei bewaffneten Konflikten“, in dem 40 Maßnahmen
empfohlen werden,
(8) die Annahme des Statuts des Internationalen Straf-
gerichtshofs am 17. Juli 1998 in Rom begrüßend, die als
Ergänzung der Strafjustiz der Staaten dazu beitragen
wird, der Kultur der Straflosigkeit ein Ende zu setzen
und alle Bevölkerungsgruppen vor den schwerwiegends-
ten Verletzungen des humanitären Rechts zu schützen,
(9) unter Hinweis darauf, dass die Annahme des Sta-
tuts von Rom einen wichtigen Schritt hin zur Bekräfti-
gung des Primats des Rechts und der Möglichkeit bedeu-
tet, die Verantwortlichen der schwersten im Völkerrecht
definierten Straftaten – Völkermord, Kriegsverbrechen,

Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Aggression –
vor Gericht zu bringen,
(10) daran erinnernd, dass dieses Statut auch Ermittlun-
gen über Sexualstraftaten wie Vergewaltigung, sexuelle
Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene Schwanger-
schaft, Zwangssterilisation und andere Formen sexueller
oder sexuelle Bezüge aufweisender Gewalttaten sowie
die Verfolgung ihrer Täter erleichtern wird,
(11) unter Hinweis darauf, dass der Internationale Straf-
gerichtshof seine entscheidende Arbeit erst aufnehmen
kann, wenn 60 Staaten das Statut von Rom ratifiziert
haben und die Staaten beglückwünschend, die dieses
Rechtsinstrument bereits ratifiziert haben,
(12) unter Hervorhebung der großen Gefahr, die mit
dem flächendeckenden Einsatz von Landminen verbun-
den ist, die unter unschuldigen Zivilisten eine beträchtli-
che Zahl von Toten fordern und noch sehr lange nach
dem Ende der Feindseligkeiten der Rückkehr von
Flüchtlingen, der Errichtung der Infrastruktur und dem
Wiederaufbau der betroffenen Regionen entgegenstehen,
(13) unter Begrüßung des In-Kraft-Tretens der Ottawa-
Konvention über das Verbot der Verwendung, der Lage-
rung, der Herstellung und der Verbringung von Antiper-
sonenminen und über ihre Zerstörung sowie dessen Rati-
fizierung durch 87 Staaten,
(14) besorgt über die Auswirkungen der unkontrollier-
ten Weitergabe leichter Waffen, die die Spannungen
erhöhen, die Zahl der zivilen Opfer ansteigen lassen,
Konflikte in die Länge ziehen, den Wiederaufbauprozess
nach dem Konflikt verlangsamen und darum eine
schwerwiegende Bedrohung für das humanitäre Völker-
recht darstellen,
(15) beunruhigt angesichts der weiteren Produktion und
Anwesenheit von Kernwaffen und anderer Massenver-
nichtungswaffen und der Bedrohung, die ihr Vorhanden-
sein für den Weltfrieden und die internationale Sicher-
heit bedeutet,
(16) unter Begrüßung des sehr zahlreichen Beitritts zum
Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Her-
stellung, Lagerung und Verwendung chemischer Waffen
und ihre Vernichtung, zum Übereinkommen über das
Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung
bakteriologischer (biologischer) Waffen oder von To-
xinwaffen und über ihre Vernichtung sowie zum Vertrag
über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, jedoch be-
sorgt feststellend, dass dieser Beitritt noch nicht weltweit
erfolgt ist,
(17) im Bewusstsein der wichtigen Rolle der unpartei-
ischen humanitären Organisationen und der besonderen
Rolle des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz
(IKRK) in Friedenszeiten wie während bewaffneter
Konflikte und in Kenntnis der Nützlichkeit der Foren,
die das IKRK den Regierungen bietet, um zusammenzu-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29 – Drucksache 14/2856

treffen und über die Stärkung und Umsetzung des huma-
nitären Völkerrechts nachzudenken,
(18) hervorhebend, dass die Förderung und die Einhal-
tung des humanitären Völkerrechts nur sichergestellt
werden können, wenn die Regierungen bei der Festle-
gung und Umsetzung ihrer diesbezüglichen Politiken
völlig unparteiisch handeln und nicht mit zweierlei Maß
messen, wenn sie mit behaupteten Verstößen gegen das
humanitäre Recht und den Verantwortlichen für diese
Verstöße umgehen,
(19) unter Hervorhebung der Bedeutung der Neutralität
und Unparteilichkeit der Mechanismen des humanitären
Völkerrechts,
(20) nachdrücklich darauf hinweisend, dass die Parla-
mente bei der Schaffung günstiger Voraussetzungen für
die Förderung des humanitären Völkerrechts eine be-
deutsame und konstruktive Rolle spielen können, indem
sie geeignete Gesetze verabschieden und deren Umset-
zung verfolgen und überwachen;
I. Die Genfer Abkommen
1. fordert die Staaten auf, die dies noch nicht

getan haben, die wichtigsten Instrumente des
humanitären Rechts sowie die internationalen
Verträge über die Menschenrechte und die
Rechte von Flüchtlingen zu ratifizieren und an-
zuwenden, den derzeitigen Korpus des humani-
tären Völkerrechts zu stärken, indem sie geeig-
nete Verträge aushandeln, ratifizieren und an-
wenden sowie Mechanismen schaffen, um Zi-
vilisten bei bewaffneten Konflikten besser zu
schützen und die innerstaatlichen Gesetze und
Rechtsvorschriften mit den internationalen hu-
manitären Normen in Einklang zu bringen,

2. fordert die betreffenden Staaten nachdrücklich
auf, ihre Verpflichtungen strikt einzuhalten und
die Achtung dieser Verpflichtungen nach dem
humanitären Recht und den internationalen
Verträgen über die Menschenrechte und die
Rechte von Flüchtlingen sicherzustellen, insbe-
sondere diejenigen, die in der Haager Land-
kriegsordnung von 1899 und 1907 sowie den
Genfer Abkommen von 1949 und ihren Zu-
satzprotokollen von 1977 enthalten sind,

3. fordert die Staaten auf, Maßnahmen zu ergrei-
fen, um wirksam gegen die übrigen schwerwie-
genden Folgen für vom Krieg betroffene Zivi-
listen und für das humanitäre Hilfspersonal
vorzugehen und die Sicherheitsanforderungen
im Hinblick auf dieses Hilfspersonal, darunter
auch die Ortskräfte, zu erhöhen;

II. Kindersoldaten
4. fordert darüber hinaus alle Staaten auf, alles in

ihrer Macht Stehende zu tun, damit Kinder un-

ter 18 Jahren nicht an Feindseligkeiten oder
Militäraktionen teilnehmen und nicht für die
Armee zwangsrekrutiert werden und die baldi-
ge Annahme des Fakultativen Protokolls über
die Lage der Kinder bei bewaffneten Konflik-
ten sicherzustellen;

III. Internationaler Strafgerichtshof
5. fordert die Staaten auf, die zurzeit unternom-

menen Anstrengungen der von den VN einge-
setzten internationalen Strafgerichtshöfe zur
Verfolgung und Aburteilung von Personen, die
im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda
Verletzungen des humanitären Völkerrechts
begangen haben sollen, zu unterstützen und mit
diesen Tribunalen zusammenzuarbeiten,

6. fordert die Staaten auf, an den Idealen des
Internationalen Strafgerichtshofs festzuhalten
und mit diesem uneingeschränkt zusammenzu-
arbeiten, um ihn zu einer starken und effekti-
ven Institution zu machen,

7. fordert die Staaten auf, das Statut von Rom des
Internationalen Strafgerichtshofs innerhalb
kürzester Frist zu unterzeichnen und – vor-
zugsweise ohne Vorbehalte – zu ratifizieren,

8. bittet die Mitgliedsparlamente, sich zu ver-
pflichten, alle Maßnahmen zu ergreifen und al-
le Schritte zu beschließen, um die Staaten, die
das Statut von Rom noch nicht unterzeichnet
haben, dazu zu bewegen, dies möglichst bald
nachzuholen,

9. ersucht die Staaten, sobald wie möglich ihre
Gesetze und Rechtsvorschriften zu prüfen und
entsprechend abzuändern, um die Ratifizierung
des Statuts von Rom vorzubereiten oder um
diese gegebenenfalls mit dem Statut in Über-
einstimmung zu bringen;

IV. Antipersonenminen
10. fordert die Staaten auf, die der Ottawa-

Konvention über das Verbot von Antiperso-
nenminen noch nicht beigetreten sind oder die-
se noch nicht ratifiziert haben, dies nachzuho-
len,

11. fordert die Staaten auf, die die Ottawa-
Konvention über das Verbot von Antiperso-
nenminen ratifiziert haben, die erforderlichen
Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Verpflich-
tungen nachzukommen, ihre Minenbestände
innerhalb von 4 Jahren zu zerstören und die
verminten Gebiete innerhalb von 10 Jahren von
Minen zu räumen,

12. fordert die Staaten auf, auf internationaler
Ebene die Bemühungen zur Beseitigung der

Drucksache 14/2856 – 30 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Verwendung von Antipersonenminen zu unter-
stützen und die Anwendung der Bestimmungen
der Konvention zu kontrollieren,

13. fordert die Parlamente auf, auf die bestehenden
Kommissionen oder anderen Mechanismen zu-
rückzugreifen oder solche Gremien bei Bedarf
zu schaffen, um die Anwendung der Ottawa-
Konvention über das Verbot von Antiperso-
nenminen zu überwachen und zu überprüfen,

14. verurteilt Staaten und nichtstaatliche Akteure,
die unbeschadet der Ottawa-Konvention diese
verwerflichen Waffen herstellen, einsetzen o-
der exportieren,

15. fordert die Staaten auf, insbesondere diejeni-
gen, die diese heimtückischen Waffen herstel-
len oder einsetzen, i) die Minenräumarbeiten
vor allem in stark verminten Gebieten, ii) die
Hilfsprogramme für Minenopfer und dabei vor
allem die Tätigkeiten zur Rehabilitation und
beruflichen Wiedereingliederung und iii) die
Aufklärungsprogramme über Minen finanziell
und fachlich zu unterstützen, um einen Beitrag
zur Verringerung der Unfallgefahr zu leisten;

V. Leichte Waffen
16. ermahnt die Staaten, die Weitergabe von Waf-

fen an Parteien einzustellen, die humanitäres
Hilfspersonal angreifen, die humanitäre Hilfe
untergraben und die Menschenrechte und das
humanitäre Völkerrecht verletzen;

VI. Andere Waffen
17. befürwortet das baldige In-Kraft-Treten des

Nichtverbreitungsvertrags für Kernwaffen und
die baldige Annahme eines nichtdiskriminie-
renden, multilateralen, international und wirk-
sam verifizierbaren Vertrags, der die Produkti-
on von Spaltmaterial für Kernwaffen und ande-
re Kernsprengkörper verbietet;

VII. Künftige Schritte
18. ruft die Staatengemeinschaft auf, der Kriegs-

und Krisenprävention größere Bedeutung
beizumessen und hierfür in der Außen-, Han-
dels-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik ge-
eignete Mittel vorzusehen,

19. fordert die Regierungen und die Parlamente
auf, ihre Anstrengungen zu verstärken, das
humanitäre Völkerrecht bekannt zu machen
und zu lehren und seine Bedeutung größeren
Kreisen nahe zu bringen;

20. bittet Parlamentarier aller Staaten, darauf zu
achten, dass die Frage der Einhaltung und Um-
setzung des humanitären Völkerrechts regel-
mäßig auf Sitzungen von Parlamentsausschüs-

sen oder auch auf Plenartagungen ihrer jewei-
ligen Parlamente ihren Kollegen zur Berück-
sichtigung und Beachtung vorgelegt wird. Bei
dieser Gelegenheit wäre es angemessen zu prü-
fen, ob bei der Ratifizierung angemeldete Vor-
behalte weiterhin gerechtfertigt sind;

21. bittet die Parlamente außerdem, für eine mög-
lichst große Verbreitung des Handbuchs für
Abgeordnete mit dem Titel „Das humanitäre
Völkerrecht einhalten und seine Einhaltung
durchsetzen“ bei Parlamentariern und Personen
zu sorgen, die mit ihnen zusammenarbeiten,
um die Achtung des humanitären Völkerrechts
zu fördern und das Handbuch deshalb bei Be-
darf übersetzen zu lassen,

22. bittet das Komitee der Interparlamentarischen
Union, zur Förderung der Einhaltung des hu-
manitären Völkerrechts die Umsetzung dieser
Resolution zu überwachen und dem Interpar-
lamentarischen Rat auf seiner 168. Sitzung im
Jahre 2000 Bericht zu erstatten.

Anhang 2
Die Notwendigkeit einer Überprüfung des derzeitigen
globalen Finanz- und Wirtschaftsmodells
(Von der 102. Interparlamentarischen Konferenz am
15. Oktober 1999 in Berlin ohne Abstimmung ange-
nommene Resolution)
Die 102. Interparlamentarische Konferenz,
(1) im Bewusstsein der jüngsten, anhaltenden monetä-
ren und wirtschaftlichen Turbulenzen in verschiedenen
Regionen der Welt und ihrer wirtschaftlichen und sozia-
len Folgen,
(2) in der Überzeugung, dass Parlamentarier es ange-
sichts der weitreichenden weltwirtschaftlichen Interde-
pendenz vermeiden sollten, sich allein auf die wirtschaft-
liche Steuerung ihrer eigenen Staaten zu konzentrieren
und stattdessen alle Auswirkungen weltweiter Standards
im Auge behalten und im ständigen Bemühen um ein
besseres Umfeld für eine gut funktionierende Weltwirt-
schaft alle verfügbaren Kenntnisse nutzen sollten, darun-
ter auch die von Regierungsbeamten, internationalen
Institutionen, Finanzexperten und Universitätsfachleuten,
(3) feststellend, dass das politische und wirtschaftliche
Handeln in Zukunft größeres Schwergewicht auf das
langfristige Ziel der nachhaltigen Entwicklung legen
sollte, um einen angemessenen Interessenausgleich zwi-
schen Männern und Frauen sowie der derzeitigen und
der künftigen Generation zu erreichen,
(4) ferner feststellend, dass die weltwirtschaftliche
Entwicklung seit der Konferenz der Vereinten Nationen
über Umwelt und Entwicklung (im Juni 1992 in Rio de

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31 – Drucksache 14/2856

Janeiro) nicht die in der Agenda 21 festgelegten Ziele
erreicht hat, was die Grundmuster des Ressourcen-
verbrauchs, die Produktionsweisen und Lebensstile an-
geht,
(5) feststellend, dass es dringend erforderlich ist, dass
alle Regierungen dem Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz
beitreten,
(6) unter Begrüßung der wachsenden Aufmerksamkeit
für „Good Governance“;
1. betont, dass zur Gewährleistung der erforderlichen

Voraussetzungen für einen geordneten Devisenver-
kehr noch entscheidende Arbeiten geleistet werden
müssen, insbesondere auf dem Gebiet der Wech-
selkurssysteme – einschließlich der Bindung von
Währungen an Körbe mit Währungen wichtiger
Handelspartner –, der Liberalisierung der Kapital-
verkehrsbilanzen, der Einführung von Kapitalsteue-
rungsmaßnahmen und der Regelung spekulativer
Fonds (Hedge Funds) und des Devisenhandels,

2. ruft zur Entwicklung geeigneter regulierender Si-
cherheitsmaßnahmen auf den Kapitalmärkten auf,
die für Transparenz-, Bewertungs- und Offenle-
gungsnormen sorgen und ganz allgemein die Har-
monisierung und Verbesserung der weltweiten
Normen für das Rechnungswesen fördern,

3. fordert die internationalen Finanz- und Währungs-
institutionen nachdrücklich auf, bei der Aufstellung
struktureller Anpassungspläne verstärkt über die
spezifischen Besonderheiten eines jeden Staates
nachzudenken und einen politischen und gesell-
schaftlichen Konsens zugunsten dieser Reformen
anzustreben;

4. dringt darauf, dass auf Gebieten, auf denen Emp-
fehlungen breite Unterstützung gefunden haben,
Schwellenländer, Entwicklungsländer und Indus-
triestaaten diese Empfehlungen zügig umsetzen, um
die weltweite Finanzstabilität zu verbessern und
vor allem die nachhaltige Entwicklung zu fördern;

5. unterstreicht die dringende Notwendigkeit, dass
Empfehlungen vorrangig von verschiedenen Foren
und Gremien der Vereinten Nationen und der In-
terparlamentarischen Union vereinbart und umge-
setzt werden müssen,

6. fordert nachdrücklich die Einbeziehung der Emp-
fehlungen der Weltwissenschaftskonferenz der
UNESCO (26. Juni – 1. Juli 1999 in Budapest) in
die Verhandlungen über Handel, Entwicklung und
Umwelt,

7. glaubt an die Notwendigkeit einer angemessenen
Vertretung der Entwicklungsländer bei den zurzeit
laufenden Konsultationen zur Reform der internati-
onalen Finanzarchitektur,

8. ruft die Privatwirtschaft auf, es den Regierungen
gleich zu tun, um die besten Praktiken auf einer
Vielzahl von Gebieten zu stärken, darunter bei der
Transparenz und der Offenlegung wirtschaftlicher,
finanzieller, sozialer und ökologischer Informatio-
nen auf kooperativer und gleichberechtigter Grund-
lage, da dies die Widerstandskraft des Weltfinanz-
systems deutlich erhöhen würde, das als entschei-
dend für wachstumsfördernde Politiken betrachtet
wird,

9. ruft die Regierungen und die verschiedenen
internationalen Finanzinstitutionen auf, sich
ungelösten Fragen im Hinblick auf die Regulierung
stark fremdfinanzierter Institutionen zu widmen
und eine Lösung für das Problem der Steuer-
paradiese und des Offshore Banking zu suchen,

10. ruft alle Geberländer auf, den für die offizielle
Entwicklungshilfe vorgemerkten Anteil des Brutto-
sozialprodukts (BSP) zu erhöhen, um das internati-
onal vereinbarte Ziel von 0,7 % des BSP zu errei-
chen,

11. fordert die nationalen Parlamente nachdrücklich
auf, für eine Eventualkreditlinie beim IWF einzu-
treten, bei der die gleichen Sozialkriterien wie auch
bei anderen Krediten gelten würden,

12. ruft die internationalen Finanzinstitutionen auf,
Länderdarlehen nur zuzustimmen, wenn sie von
dem Parlament des Empfängerlandes ratifiziert
worden sind,

13. verlangt, dass der von der Gruppe der Sieben (G7)
in Köln vereinbarte Schuldenerlass umgesetzt wird
und dass alle Gläubigerländer nach dem Grundsatz
der Gleichheit zu diesem beispiellosen Vorhaben
beitragen,

14. betont die dringende Notwendigkeit der effektiven
Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel für die Ini-
tiative zugunsten der hoch verschuldeten armen
Länder aus multilateralen und bilateralen Quellen
sowie von Unternehmen und erwartet in diesem
Zusammenhang die ausschließliche Verwendung
dieser begrenzten Mittel für die Überwindung der
Armut und die Förderung einer umfassenden nach-
haltigen Entwicklung in den betreffenden Staaten,

15. bittet den Interparlamentarischen Rat, geeignete
Mechanismen zu schaffen, um die Entschließungen
zum Problem der Auslandsverschuldung, die auf
der 99., der 100., der 101. und der gegenwärtigen
Interparlamentarischen Konferenz verabschiedet
wurden, gebührend umzusetzen,

16. bittet die Gläubigerländer, die Privatbanken und
die multilateralen Finanzinstitutionen, auf ihrem
jeweiligen Tätigkeitsfeld weiterhin bemüht zu sein,
die Handelsverschuldungsprobleme der am wenigs-

Drucksache 14/2856 – 32 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ten entwickelten Staaten anzupacken und auf Ersu-
chen um die fortgesetzte Mobilisierung von Mitteln
über die Schuldensenkungsfazilität der Internatio-
nal Development Association einzugehen, um den
am wenigsten entwickelten Staaten beim Abbau ih-
rer Handelsverschuldung zu helfen,

17. ruft die globalen Finanz- und Wirtschaftsinstitutio-
nen dazu auf, für die gleichberechtigte Teilnahme
von Frauen an Entscheidungen über multinationale
Finanz- und Handelsfragen zu sorgen,

18. empfiehlt, dass die IPU und die Weltbank ihre
institutionellen Verbindungen ausbauen und insbe-
sondere für die Umsetzung dieser Entschließung
Sorge tragen,

19. ruft die Industriestaaten auf, ihre Märkte offen zu
halten und von der Einführung protektionistischer
Maßnahmen oder künstlicher nichttarifärer Hemm-
nisse Abstand zu nehmen, die die wirtschaftliche
Erholung in den Entwicklungsländern untergraben
würden,

20. fordert die Regierungen nachdrücklich auf, alle
Anstrengungen zu unternehmen, um zu gewährleis-
ten, dass die Verhandlungen über die künftige Li-
beralisierung des Handels, einschließlich des Han-
dels mit Agrarprodukten, auf der WTO-Minister-
konferenz in Seattle auf einer breiten Grundlage
stattfinden und substanzielle und realistische Er-
gebnisse liefern,

21. ruft die Regierungen auf, sich für Transparenz und
Offenheit in der WTO einzusetzen und die Teil-
nahme geeigneter VN-Gremien, der IPU und von
den VN anerkannter Institutionen der Bürgergesell-
schaft am WTO-Verhandlungsprozess zu erleich-
tern,

22. befürwortet in allen Staaten nachhaltige landwirt-
schaftliche Methoden sowie in den Entwicklungs-
ländern Praktiken durch Bereitstellung von Land-
maschinen, Technologie und Düngemitteln, die auf
die agroklimatische Entwicklungspolitik der jewei-
ligen Region abgestimmt sind;

23. drängt die Regierungen zum Handeln gegen Unter-
nehmen des privaten und staatlichen Sektors sowie
Einzelpersonen, die an rechtswidrigem grenzüber-
schreitendem Handel, illegalen Finanzgeschäften
und Dumpingpraktiken beteiligt sind.

Anhang 3
Der Beitrag der Parlamente zu einem friedlichen und
toleranten Zusammenleben von ethnischen, kulturel-
len und religiösen Minderheiten unter Einschluss von
Migranten in einem von Toleranz und uneinge-
schränkter Einhaltung ihrer Menschenrechte ge-
prägten gemeinsamen Staat

(Von der 102. Interparlamentarischen Konferenz am 15.
Oktober 1999 in Berlin ohne Abstimmung angenomme-
ne Resolution)
Die 102. Interparlamentarische Konferenz,
(1) eingedenk der Charta der Vereinten Nationen, der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des Inter-
nationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form
der Rassendiskriminierung und der Internationalen Pakte
über bürgerliche und politische Rechte sowie wirtschaft-
liche, soziale und kulturelle Rechte,
(2) unter Hinweis auf die Erklärung über die Rechte
von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen
und sprachlichen Minderheiten angehören (Resolution
47/135 der Generalversammlung der Vereinten Nationen
vom 18. Dezember 1992),
(3) in Bekräftigung der zahlreichen in den vergangenen
Jahren von der Interparlamentarischen Union zu Min-
derheitenfragen angenommenen Resolutionen, in denen
Parlamenten und Regierungen Maßnahmen empfohlen
wurden, um die Rechte der Minderheiten in verschiede-
nen Regionen der Welt zu schützen, insbesondere der
folgenden:
„Unterstützung der Bemühungen der Vereinten

Nationen um die vollständige Entkolonialisierung,
die Beendigung des Rassismus und der Apartheid
und die Förderung der individuellen und kollekti-
ven Rechte der Nationalitäten und ethnischen Min-
derheiten“ (Budapest 1989, 81. Interparlamentari-
sche Konferenz)

„Organisation und Funktionsweise der Demokratie
und der ethnischen Vielfalt als Weg zur Sicherung
der Stabilität aller Staaten, der wirtschaftlichen
Entwicklung und der besseren Nutzung der Frie-
densdividende zugunsten der Dritten Welt“ (Ya-
ounde 1992, 87. Interparlamentarische Konferenz)

„Die internationale Völkerwanderung: ihre demo-
kratischen, religiösen, ethnischen und wirtschaftli-
chen Hintergründe, ihre Auswirkungen auf die
Herkunfts- und Aufnahmeländer, ihre internationa-
len Folgen und die Rechte der Migranten und
Flüchtlinge“ (Stockholm 1992, 88. Interparlamen-
tarische Konferenz)

„Minderheitenschutz als globale Aufgabe und
Grundvoraussetzung für Stabilität, Sicherheit und
Frieden“ (Istanbul, 95. Interparlamentarische Kon-
ferenz)

(4) in Würdigung der Bedeutung des friedlichen Zu-
sammenlebens der verschiedenen ethnischen, kulturellen
und religiösen Gemeinschaften und der gegenseitigen
Achtung ihrer Traditionen, Sprachen, Religionen und
Bräuche für die Stabilität und wirtschaftliche Entwick-
lung der Staaten,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 33 – Drucksache 14/2856

(5) unter gleichzeitiger Bekräftigung, dass Angehörige
von Minderheiten ihre Rechte in gutem Glauben und in
Treue zu dem Staat, in dem sie leben, ausüben sollten,
unbeschadet des Grundsatzes der Souveränität und In-
tegrität der Staaten, wie er in der Charta der Vereinten
Nationen und im Völkerrecht verankert ist,
(6) unter besonderer Betonung des Wertes der inter-
kulturellen Beziehungen zwischen den verschiedensten
ethnischen, kulturellen und religiösen Gemeinschaften
für den kulturellen Reichtum,
(7) zutiefst besorgt, dass ernste Probleme – auch durch
Zwangsassimilation und Unterdrückung – weltweit zu
Konflikten zwischen ethnischen, kulturellen oder religiö-
sen Gemeinschaften führen werden,
(8) unter Betonung der Verpflichtung aller ethnischen,
kulturellen und religiösen Gemeinschaften und ihrer
Angehörigen, Probleme harmonisch und kooperativ zu
lösen und die Integration aller zu ermöglichen,
(9) in der Erwägung, dass alle Streitfälle und Konflik-
te – insbesondere ethnische, kulturelle oder religiöse
Minderheiten betreffende – auf nationaler und internati-
onaler Ebene auf friedlichem Wege und gewaltlos im
Geiste gegenseitiger Achtung und in Übereinstimmung
mit dem Völkerrecht geregelt werden müssen,
(10) unter Hervorhebung der besonderen Pflicht der
Parlamente und ihrer Mitglieder, die Rechte der ethni-
schen, kulturellen und religiösen Minderheiten angehö-
renden Menschen zu verteidigen, sich für diese einzuset-
zen und so eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen
in den Genuss des gesamten Spektrums der zivilen, poli-
tischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte
kommen,
(11) anerkennend, dass Wanderarbeitnehmer in der
gesamten Geschichte zur wirtschaftlichen Entwicklung
der Aufnahmeländer beigetragen und ihr kulturelles und
historisches Erbe bereichert haben, in manchen Fällen
jedoch große Zahlen von Flüchtlingen – allein schon
aufgrund ihrer massiven Anwesenheit – die Stabilität der
Arbeitsmärkte und die Sozialversicherungs- und Bil-
dungssysteme der Aufnahmestaaten beeinträchtigen
können,
(12) in Würdigung der Tatsache, dass Wanderungen
nicht nur zwischen entwickelten Staaten und Entwick-
lungsländern, sondern auch zwischen letzteren erfolgen
und dass Migranten häufig Flüchtlinge – auch Wirt-
schaftsflüchtlinge – sind, die eine von dieser Konferenz
ausdrücklich anerkannte Kategorie bilden,
(13) berücksichtigend, dass der freie Personenverkehr in
einer Zeit beispielloser Freiheit des Kapitalverkehrs und
deutlich geringerer Hindernisse für die Freizügigkeit von
Geschäftsleuten und die Freiheit der Handelstätigkeit
immer noch zahlreichen Einschränkungen unterliegt,

(14) in der Überzeugung, dass, insbesondere seit der
Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Men-
schenrechte 1948 durch die Vereinten Nationen, bei der
Achtung der Menschenrechte generell Fortschritte erzielt
worden sind,
(15) in tiefer Besorgnis darüber, dass in bestimmten
Ländern der Welt Verletzungen der grundlegenden Men-
schenrechte und vor allem der Rechte der Angehörigen
von Minderheiten häufig eine Ursache für Auswande-
rung darstellen,
(16) unter Hinweis auf die Bedeutung des Schicksals
der Flüchtlinge für die Bemühungen der Staatengemein-
schaft um die Sicherstellung des friedlichen Zusammen-
lebens der Menschen in den Aufnahmeländern,
(17) in dem Bewusstsein, dass Fälle massenhaften
Flüchtlingszustroms immer häufiger auftreten,
(18) unter Hinweis auf das zunehmende Problem von
Flüchtlingsströmen wegen Umweltkatastrophen,
(19) mit Befriedigung feststellend, welche Beschlüsse
der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flücht-
linge (UNHCR) fasst und welche Anstrengungen er
unternimmt, um den von massenhaften Flüchtlingsbewe-
gungen am stärksten betroffenen Ländern und Regionen
durch Förderung des Prinzips der Lastenteilung zu hel-
fen,
(20) in der Erkenntnis der Tatsache, dass sich die Auf-
nahmeländer Sorgen über die Folgewirkungen der Be-
reitstellung unbegrenzten Schutzes und uneingeschränk-
ter Unterstützung für große Zahlen von Flüchtlingen auf
die soziale Harmonie und das friedliche Zusammenleben
machen,
(21) beunruhigt, dass der massive Zustrom von Flücht-
lingen in einigen Staaten zu öffentlichen Störungen füh-
ren und die Fähigkeit der Regierung beeinträchtigen
kann, die am stärksten gefährdeten Gruppen zu schützen,
(22) unter Verurteilung von Erscheinungsformen der
Fremdenfeindlichkeit, des Rassismus und der Intoleranz
gegenüber Migranten sowie ethnischen, kulturellen und
religiösen Minderheiten,
(23) unter Betonung der entscheidenden Rolle der Er-
ziehung bei der Förderung eines Geistes der Toleranz
und des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung gegen-
über allen Menschen unter gebührender Berücksichti-
gung der Minderheiten,
(24) tief besorgt über die besondere Anfälligkeit von
Wanderarbeitnehmern, illegalen Migranten und Flücht-
lingen, die oft unter Missbrauch zu leiden haben,
(25) unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die
Vereinten Nationen 1990 die Internationale Konvention
zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und
ihrer Familienangehörigen verabschiedeten,

Drucksache 14/2856 – 34 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

(26) unter Begrüßung der 1998 auf Vorschlag der me-
xikanischen Regierung von der Menschenrechtskommis-
sion der Vereinten Nationen vorgenommenen Ernennung
eines Sonderberichterstatters für die Menschenrechte der
Migranten,
(27) unter Begrüßung der Entscheidung der Generalver-
sammlung der Vereinten Nationen (1997-III), für das
Jahr 2001 eine Weltkonferenz gegen Rassismus, Ras-
sendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz
einzuberufen,
A. Demokratische Werte und Mechanismen
1. ruft alle Parlamente und ihre Mitglieder auf,

geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit
(i) gegenseitige Achtung und Kooperation der

ethnischen, kulturellen und religiösen Ge-
meinschaften nicht vorrangig in speziellen
gesetzlichen Regelungen, sondern wir-
kungsvoller im Rahmen einer die Freiheit
des Einzelnen gewährleistenden Verfas-
sung zum Ausdruck kommen,

(ii) internationale und regionale Vereinbarun-
gen zur Wahrung der Identität ethnischer,
kultureller und religiöser Minderheiten ra-
tifiziert werden oder die jeweiligen Staa-
ten, falls dies noch nicht geschehen ist, die
Vereinbarungen unterzeichnen,

(iii) die nationale Gesetzgebung auf die Über-
einstimmung mit den Normen und Stan-
dards des Völkerrechts für den Minderhei-
tenschutz überprüft und gegebenenfalls
geändert wird,

(iv) nationale parlamentarische Gremien oder
Ombudseinrichtungen geschaffen werden,
die permanent die Übereinstimmung des
legislativen, judikativen und exekutiven
Handelns mit den international und natio-
nal gefassten Zielen des Minderheiten-
schutzes überwachen,

(v) nationale Richtlinien und Programme
unter gebührender Berücksichtigung der
legitimen Interessen der Angehörigen aller
Minderheiten geplant und umgesetzt wer-
den und jedes Zeichen von Intoleranz
vermieden wird,

(vi) Bedingungen für den gegenseitigen Res-
pekt vor der ethnischen, kulturellen und
religiösen Identität aller Gemeinschaften
in der Gesellschaft geschaffen werden;

(vii) Lehrpläne für Schulen und Universitäten
Kurse über Menschenrechte enthalten,

(viii) die grundlegenden Prinzipien der Men-
schenrechte, der Achtung der ethnischen,

kulturellen und religiösen Verschiedenar-
tigkeit, eines Geistes der Toleranz und des
interkulturellen Dialogs in der Öffentlich-
keit gefördert werden,

(ix) Parlamente und ihre Mitglieder alle ihnen
zur Verfügung stehenden Mittel nutzen,
um das friedliche Zusammenleben und das
konstruktive Zusammenwirken der ver-
schiedenen Gemeinschaften zu fördern
und jede Benachteiligung oder Diskrimi-
nierung aufgrund der Zugehörigkeit zu ei-
ner ethnischen, kulturellen oder religiösen
Minderheit verhindern,

(x) alle rassistischen, fremdenfeindlichen,
antisemitischen und eine religiöse Diskri-
minierung darstellenden Handlungen ge-
setzlich verboten und bestraft werden,

(xi) von den Vereinten Nationen anerkannte
internationale und regionale Menschen-
rechtsorganisationen uneingeschränkten
Zugang zu Informationen über die Bedin-
gungen des Zusammenwirkens und Zu-
sammenlebens zwischen ethnischen, kultu-
rellen und religiösen Gemeinschaften er-
halten,

(xii) die von Menschenrechtsgremien vorgeleg-
ten Informationen und Vorschläge bezüg-
lich der Angehörigen ethnischer, kulturel-
ler und religiöser Gemeinschaften allen In-
teressierten zugänglich gemacht werden;

B. Kultur, Sprache und Religion der ethnischen, kultu-
rellen und religiösen Minderheiten

2. ruft die Parlamente und ihre Mitglieder auf, sich
dafür einzusetzen,

(i) dass das Bekenntnis zur Identität einer
ethnischen, kulturellen oder religiösen
Gemeinschaft und der Zugehörigkeit zu
ihr Gegenstand einer freien Entscheidung
ist,

(ii) dass Angehörige einer ethnischen, religiö-
sen oder sprachlichen Minderheit frei da-
rin sind, allein oder in Gemeinschaft mit
anderen Mitgliedern ihre eigene Kultur
und Bräuche zu pflegen, ihre eigene Reli-
gion zu bekennen und auszuüben, eine ei-
gene Erziehung zu erhalten und ihre Spra-
che privat und in der Öffentlichkeit zu
sprechen,

(iii) dass, wo eine Nachfrage danach besteht,
die Bedingungen dafür geschaffen und ge-
sichert werden, dass die Sprachen aller
ethnischen Minderheiten nach freier Wahl
gesprochen, unterrichtet und erlernt wer-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35 – Drucksache 14/2856

den können und das Bewusstsein für die
sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen
Realitäten der Minderheiten geweckt wird,

(iv) dass Angehörigen aller ethnischen, kultu-
rellen und religiösen Minderheiten unter
den gleichen Bedingungen wie anderen
Staatsbürgern Möglichkeiten zu qualifi-
zierten Ausbildungsgängen und Abschlüs-
sen sichergestellt werden;

C. Die Medien und ihre Darstellung der ethnischen,
kulturellen und religiösen Minderheiten

3. ruft alle Parlamente und ihre Mitglieder auf, unter
Achtung der Presse- und Redefreiheit darauf hin-
zuwirken,

(i) dass die Medienschaffenden dazu angehal-
ten werden, nach ethischen Prinzipien ein
objektives und ausgewogenes Bild aller
ethnischen, kulturellen und religiösen
Minderheiten zu geben;

(ii) dass rassistische und diskriminierende
Darstellungen verboten sind;

D. Teilnahme am Erwerbsleben und Inanspruchnahme
sozialer Leistungen

4. appelliert an alle Parlamente und ihre Mitglieder,
sich dafür einzusetzen,

(i) dass den Angehörigen der ethnischen,
kulturellen und religiösen Minderheiten
aus dem offenen Bekenntnis ihrer Zugehö-
rigkeit kein Nachteil beim Zugang zum
Erwerbsleben entstehen kann,

(ii) dass die Angehörigen aller ethnischen,
kulturellen und religiösen Minderheiten
die gleiche Behandlung bei der Inan-
spruchnahme sozialer Leistungen und
sonstiger Leistungen aus öffentlichen Mit-
teln erfahren;

E. Teilnahme am demokratischen und sozialen Leben
5. ersucht alle Parlamente und ihre Mitglieder, dafür

Sorge zu tragen,
(i) dass das freie und geheime Wahlrecht für

Angehörige aller ethnischen, kulturellen
oder religiösen Minderheiten gewährleistet
wird,

(ii) dass ethnische, kulturelle und religiöse
Minderheiten in angemessener Weise an
der politischen Entscheidungsfindung be-
teiligt werden und ihre Interessen demo-
kratisch geltend machen können,

(iii) dass nach der Verfassung und Gesetzge-
bung jedes Staates für dort rechtmäßig

wohnende Angehörige aller ethnischen,
kulturellen oder religiösen Minderheiten
das freie Recht auf Eigentumserwerb be-
steht,

(iv) dass den Angehörigen aller ethnischen,
kulturellen und religiösen Minderheiten
freier Zugang zu den Verwaltungsbehör-
den und allen Gerichten gewährt wird und
sie dort Gehör erhalten, auch zur Wahrung
der Rechte, die sie mit anderen Mitglie-
dern der Gesellschaft teilen,

(v) dass staatliche Ordnungskräfte die Ange-
hörigen aller ethnischen, kulturellen und
religiösen Minderheiten unterschiedslos
behandeln und innerhalb der Ordnungs-
kräfte Bemühungen unternommen werden,
ihre Mitglieder entsprechend aufzuklären,
um eine nichtdiskriminierende Behand-
lung zu gewährleisten,

(vi) dass Angehörige aller ethnischen, kulturel-
len und religiösen Minderheiten Informa-
tionen über ihre Grundrechte und die Mit-
tel zu ihrer Geltendmachung erhalten;

F. Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminie-
rung, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz

6. ruft alle Parlamente auf,
(i) sich aktiv an der Vorbereitung der Welt-

konferenz gegen Rassismus zu beteiligen,
(ii) die Regierungen und die zuständigen Stel-

len dazu zu ermutigen, dieses Ereignis zu
einem Erfolg beim Kampf gegen Rassis-
mus, Rassendiskriminierung, Fremden-
feindlichkeit und Intoleranz werden zu las-
sen,

(iii) alle nationalen Institutionen zu mobilisie-
ren, den Auswirkungen des Rassismus und
der Rassendiskriminierung auf zu Minder-
heiten gehörende Kinder und Migranten-
kinder bei der Erziehung und Ausbildung
und am Arbeitsplatz besonders zu beach-
ten und Schritte zur Unterbindung dieser
Auswirkungen einzuleiten;

G. Die schwierige Lage der Wanderarbeitnehmer
7. ruft die Parlamente auf, alle in ihren Staaten zu-

ständigen Institutionen dazu anzuhalten,
(i) die uneingeschränkte Achtung der Men-

schenrechte von Migranten, insbesondere
von Wanderarbeitnehmern, unbeschadet
ihrer Stellung als Migranten zu befolgen
und zu fördern,

(ii) eine Kultur der Offenheit gegenüber

Drucksache 14/2856 – 36 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Migranten zu fördern und dabei den
Schwerpunkt auf den positiven Beitrag ih-
rer Arbeit und Anstrengungen für die
Volkswirtschaften zu legen, in denen sie
beschäftigt sind,

(iii) die Ratifizierung der Internationalen Kon-
vention der Vereinten Nationen von 1990
über den Schutz der Rechte aller Wander-
arbeitnehmer und ihrer Familienangehö-
rigen zu erwägen, wenn sie dies noch nicht
getan haben;

8. ruft die betreffenden internationalen Institutio-
nen auf, den Aufnahmestaaten Hilfe und Unter-
stützung zu leisten, um ihnen eine bessere Ver-
sorgung von Wirtschaftsflüchtlingen zu ermögli-
chen und die Suche nach humanitären Lösungen
für die durch die massenhafte Einwanderung
verursachten Probleme zu finden und die Her-
kunftsländer bei der Bekämpfung der wirtschaft-
lichen Ursachen der Auswanderung zu unterstüt-
zen;

9. äußert ihre nachhaltige Unterstützung für die
vor kurzem entsprechend dem Vorschlag der
mexikanischen Regierung erfolgte Ernennung
eines Sonderberichterstatters für die Menschen-
rechte von Migranten durch die Menschen-
rechtskommission der Vereinten Nationen;

H. Die Notlage der Flüchtlinge
10. ruft die entsprechenden internationalen Organi-

sationen auf, ihre Anstrengungen zu verstärken,
um den von massenhaften Flüchtlingsströmen
besonders betroffenen Staaten Hilfe zu leisten;

11. ruft Parlamentsabgeordnete auf, durch Verab-
schiedung auf dem Grundsatz der Lastenteilung
beruhender Gesetze und Verordnungen aktiv an
der Lösung des Flüchtlingsproblems zu arbeiten;

12. ruft die Staatengemeinschaft und die Parla-
mentsabgeordneten auf, sich gemäß den
Grundsätzen des Genfer Flüchtlingsprotokolls
für die Anerkennung von Menschen einzusetzen,
die ihre Wohnungen und Heimatländer infolge
von Umweltkatastrophen als Flüchtlinge verlas-
sen mussten.

Anhang 4
Der Beitrag der Parlamente zur Beachtung und För-
derung des humanitären Völkerrechts anlässlich des
50. Jahrestages der Genfer Konventionen
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland vor-
gelegter Resolutionsentwurf)
Die 102. Interparlamentarische Konferenz,

(1) in der Überzeugung, dass angesichts zuneh-
mender politischer, sozialer, ökologischer und
ethnischer Konflikte in vielen Teilen der Welt,
die zu inner- und zwischenstaatlichen Spannun-
gen, zu Kriegen, Bürgerkriegen und anderen
bewaffneten Auseinandersetzungen mit großen
Opfern unter der Zivilbevölkerung führen, der
Beachtung und Förderung des humanitären
Völkerrechts fundamentale Bedeutung zu-
kommt;

(2) mit dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
besorgt darüber, dass die Kluft zwischen den
Normen des humanitären Völkerrechts und ih-
rer Anwendung immer breiter zu werden droht;

(3) zutiefst beunruhigt darüber, dass die Verbrei-
tung von Massenvernichtungswaffen sowie
Flugkörpern mit immer größerer Reichweite für
viele Teile der Welt neue Bedrohungsdimensi-
onen geschaffen hat;

(4) mit Bedauern feststellend, dass in zahlreichen
internen und externen Konflikten der letzten
Jahrzehnte, insbesondere in Afrika, Mittel- und
Südamerika, eine horrende Zahl von Men-
schen – und hier vor allem Zivilpersonen –
durch Kleinwaffen getötet wurden;

(5) in dem schmerzlichen Bewusstsein, dass jeder
Einsatz militärischer Gewalt, auch wenn er im
Namen der Menschlichkeit und zum Schutz von
Menschenrechten erfolgt, die Gefahr in sich
trägt, Normen des humanitären Völkerrechts
außer Acht zu lassen und zu verletzen;

(6) unter Hinweis auf die Entschließung der
76. Interparlamentarischen Konferenz (Buenos
Aires, Oktober 1986) zum Beitrag der Parla-
mente zur Anwendung und Verbesserung des
humanitären Völkerrechts bei bewaffneten Kon-
flikten sowie der 90. Interparlamentarischen
Konferenz (Canberra, September 1993) zur Be-
achtung des humanitären Völkerrechts und Un-
terstützung humanitärer Aktionen bei bewaffne-
ten Konflikten;

(7) in Würdigung der Tatsache, dass die Genfer
Abkommen und Zusatzprotokolle das Leben
Hunderttausender gerettet oder deren Leiden
gelindert haben und zu einem Zeichen der
Hoffnung in einer nicht perfekten Welt gewor-
den sind;

(8) mit hohem Respekt vor der Arbeit des Interna-
tionalen Komitees vom Roten Kreuz, der Liga
des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes
sowie allen anderen Organisationen, die sich
unermüdlich um das Wohl der Menschen und
die Förderung und Beachtung der Regeln des
humanitären Völkerrechts verdient machen;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 37 – Drucksache 14/2856

(9) in der Gewissheit, dass mit Verabschiedung des
Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs
(Rom, Juli 1998) ein neues Kapitel des Völker-
strafrechts begonnen hat;

(10) in der Überzeugung, dass die Unterzeichnung
und Ratifizierung des Statuts zur Errichtung des
Internationalen Strafgerichtshofs durch eine
möglichst große Anzahl von Staaten einen
Schritt von größter Bedeutung für die Anwen-
dung und Durchsetzung des humanitären Völ-
kerrechts darstellen wird;

(11) in der Überzeugung, dass der 50. Jahrestag der
Genfer Übereinkommen sich nicht in einer
rückwärts gewandten dankbaren Besinnung des
Erreichten erschöpfen darf, sondern einen An-
lass darstellt, mit neuem Elan die weltweite
Kenntnis und Beachtung dieser Texte voranzu-
treiben;

1. fordert die Parlamentarier aller Staaten auf,
die in dieser Resolution genannten Proble-
me, Fragestellungen und Diskussionsansät-
ze in ihrer Arbeit aufzugreifen und nach
Lösungen und Fortschritten zu suchen, wo
immer dies möglich ist;

2. richtet an die Gemeinschaft der Staaten den
Appell, der Vorbeugung von Krieg und
Krisen mehr Bedeutung zuzumessen und
dem in ihrer Außen-, Außenwirtschafts-,
Sicherheits- und Entwicklungspolitik an-
gemessen Rechnung zu tragen;

3. weist nachdrücklich darauf hin, dass Kri-
senvorbeugung besonders auch verstärkte
Investitionen in Entwicklungszusammenar-
beit und Strukturhilfen erfordert;

4. stellt heraus, dass geleistete Entwicklungs-
hilfe in vielen Krisengebieten entscheidend
mit dazu beigetragen hat, die Folgen von
Krieg und Bürgerkrieg in einem Land zu
überwinden;

5. teilt die Ansicht der Außenminister der G8-
Staaten, dass Demokratie, Menschenrechte,
Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsbewuss-
tes staatliches Handeln und menschliche
Entwicklung das wesentliche Fundament
für die menschliche Sicherheit sind;

6. verweist auf die Grundsätze und Ziele der
Charta der Vereinten Nationen, die dem Si-
cherheitsrat die Hauptverantwortung für die
Wahrung des Weltfriedens und der interna-
tionalen Sicherheit anvertraut;

7. ruft die ständigen und nichtständigen Mit-
glieder des Weltsicherheitsrats auf, dieser

Verantwortung durch konstruktive Zusam-
menarbeit zum Wohle der Menschen ge-
recht zu werden;

8. teilt die Besorgnis des Weltsicherheitsrats,
dass bewaffnete Konflikte immer mehr Op-
fer unter der Zivilbevölkerung fordern und
Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht
insbesondere gegen Frauen, Kinder und an-
dere schwächere Gruppen, darunter auch
Flüchtlinge und Binnenvertriebene, verübt
werden;

9. schließt sich dessen Aufforderung an alle
Konfliktparteien an, die Sicherheit von Zi-
vilpersonen zu gewährleisten und dem Per-
sonal der Vereinten Nationen sowie dem
sonstigen humanitären Personal ungehin-
derten und sicheren Zugang zu den Hilfe-
bedürftigen zu garantieren;

10. beklagt, dass Kleinwaffen und leichte
Kriegswaffen trotz ihrer destabilisierenden
Wirkung in zahlreichen Konflikten bislang
keiner wirksamen Rüstungskontrolle unter-
liegen;

11. fordert die Parlamente und Regierungen
auf, Initiativen zur Kontrolle und Abrüs-
tung von Kleinwaffen zu unterstützen und
voranzutreiben, um den hohen unkontrol-
lierten Bestand an Kleinwaffen in Krisen-
gebieten zu reduzieren und gleichzeitig den
weiteren Zustrom von Waffen zu verhin-
dern;

12. würdigt in diesem Zusammenhang das
Engagement des Internationalen Komitees
vom Roten Kreuz und begrüßt die Initiative
der Europäischen Union von Dezember
1998 sowie den Vorschlag der Jahreskonfe-
renz der Organisation für Afrikanische Ein-
heit von Juli 1999, ein Zentrum am Sitz der
OAU einzurichten, das gegen den illegalen
Handel mit Handwaffen in Afrika vorgehen
soll;

13. würdigt die Fortschritte, die der Ottawa-
Prozess für die Bekämpfung des Landmi-
nenproblems und die weltweite Ächtung
von Antipersonenminen erzielt hat;

14. beklagt jedoch, dass eine Reihe wichtiger
Minenproduzenten und -nutzer sich bisher
nicht zur Zeichnung entschließen konnten;

15. hebt hervor, dass die Zusammenarbeit von
Regierungen und Nichtregierungsorganisa-
tionen bei der Erarbeitung eines internatio-
nalen Vertragswerkes nie zuvor so eng und
fruchtbar war;

Drucksache 14/2856 – 38 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

16. erwartet im Hinblick auf den umfassenden
Verbotsansatz in Verbindung mit den Vor-
schriften zu Minenräumung und Opferfür-
sorge, dass dieses Übereinkommen sowohl
aus abrüstungspolitischer als auch aus hu-
manitär-völkerrechtlicher Sicht neue Maß-
stäbe setzt;

17. appelliert an alle Parlamente und Regierun-
gen, finanzielle Mittel und technische Un-
terstützung für die Beseitigung der unzähli-
gen, weltweit verlegten Minen bereitzustel-
len;

18. würdigt insbesondere das Engagement des
Internationalen Komitees vom Roten Kreuz
und der nationalen Rotkreuz-Gesell-
schaften, die Antipersonenminen-Kampag-
ne nach Ottawa als Kampagne für die Hilfe
für Minenopfer weiterzuführen;

19. wirbt um Unterstützung für die Resolution
53/L 33 der Vereinten Nationen, die alle
Staaten auffordert, dem Übereinkommen
von Ottawa beizutreten und es zu ratifizie-
ren, sowie für die Resolution 53/L 20, die
zur Stärkung des VN-Waffenüberein-
kommens und zur zügigen Umsetzung des
revidierten Minenprotokolls aufruft;

20. setzt sich ebenso für die Ratifikation des
Protokolls IV zum VN-Waffenüberein-
kommen (Laserwaffenprotokoll) ein;

21. verurteilt die Anwendung der Todesstrafe
in über 90 Ländern der Welt als eklatante
Missachtung elementarster Menschenrech-
te;

22. schließt sich dem Appell der Vereinten
Nationen und von amnesty international an,
für das Jahr 2000 einen weltweiten Hinrich-
tungsstopp zu fordern;

23. fordert in dem Bewusstsein, dass „die Ab-
schaffung der Todesstrafe zur Förderung
der Menschenwürde und zur fortschreiten-
den Entwicklung der Menschenrechte bei-
trägt“, alle Staaten auf, das Protokoll zum
Internationalen Pakt über bürgerliche und
politische Rechte zur Abschaffung der To-
desstrafe zu unterzeichnen;

24. äußert die Überzeugung, dass es 50 Jahre
nach Annahme der Genfer Übereinkommen
nicht so sehr um vertragliche Änderungen
geht als vielmehr darum, in allen Regionen
der Welt die Bereitwilligkeit zu entwickeln
und zu erhöhen, diese Texte ernst zu neh-
men und zu befolgen;

25. ist sich dessen bewusst, dass weltweit bei
der Integration der Inhalte des humanitären
Völkerrechts in die militärische Ausbildung
sowie in die entsprechenden Regelwerke
noch erheblicher Handlungsbedarf besteht;

26. appelliert an alle Parlamente, bei der Zu-
stimmung zur Entsendung eigener Truppen
in Kriseneinsätze die Streitkräfte ausdrück-
lich nochmals auf die Einhaltung des hu-
manitären Völkerrechts zu verpflichten und
dies zu verifizieren;

27. begrüßt die Initiative des Sicherheitsrats,
ihm einen Bericht u. a. zu der Frage zu
erstellen, ob die bestehenden Normen des
humanitären Völkerrechts ergänzungsbe-
dürftig sind und welche Beiträge der Rat
zur wirksamen Anwendung des Rechts
erbringen kann;

28. sieht in der vom Internationalen Komitee
vom Roten Kreuz in Auftrag gegebenen
Studie zum Stand des Völkergewohnheits-
rechts einen wichtigen Beitrag zur Gewähr-
leistung der Beachtung und Förderung des
humanitären Völkerrechts;

29. schließt sich dem Aufruf von VN-
Generalsekretär Kofi Annan an die interna-
tionale Staatengemeinschaft an, das Statut
zur Einrichtung eines Internationalen Straf-
gerichtshofs zu unterzeichnen und zu ratifi-
zieren;

30. wendet sich an die Parlamente dieser Staa-
ten mit der Aufforderung, das nationale
Strafrecht, soweit erforderlich, an das Statut
anzupassen und alles in ihrer Macht Ste-
hende zu tun, um die effektive Herstellung
der Arbeitsfähigkeit des Gerichtshofs zu
fördern;

31. ruft alle Parlamente auf, die Auflegung des
Zweiten Protokolls zur Haager Kulturgut-
schutzkonvention zum Anlass zu nehmen,
den Kulturgutschutz weiterzuentwickeln
und die im Protokoll enthaltenen Strafbe-
stimmungen national umzusetzen;

32. teilt angesichts jüngster kriegerischer Kon-
flikte die Besorgnis des OSZE-Beauftragten
für Medienfreiheit und verurteilt jede
Druckausübung und Einflussnahme auf die
Medienvertreter und die Objektivität der
Berichterstattung;

33. teilt die Kritik der Organisation „Ärzte
ohne Grenzen“, dass in Krisengebieten mi-
litärische Aktivitäten und humanitäre Hilfe
getrennt werden müssen, weil andernfalls

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39 – Drucksache 14/2856

die Arbeit der Hilfsorganisationen er-
schwert werden könnte und der Aufent-
haltsort der Hilfsbedürftigen von der ande-
ren Konfliktpartei möglicherweise nicht
mehr als „zivile“ Zone respektiert werden
würde;

34. ist schließlich der Überzeugung, dass hu-
manitäre Hilfe frei von politischer Konditi-
onierung gewährt werden muss.

Anhang 5
Die Notwendigkeit einer Überprüfung des derzeitigen
globalen Finanz- und Wirtschaftsmodells
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland vor-
gelegter Resolutionsentwurf)
Die 102. Interparlamentarische Konferenz,
(1) in der Erkenntnis, dass die Globalisierung der

Märkte für Güter, Dienstleistungen und Kapital
in vielen Ländern bereits die wirtschaftliche
Entwicklung und damit einen höheren Lebens-
standard gefördert hat, wobei allerdings nicht
alle an dem durch die Globalisierung geschaffe-
nen Reichtum teilhaben konnten,

(2) in dem Wissen, dass zukünftig eine Vertiefung
der internationalen Arbeitsteilung stattfinden
wird, die den Nationalökonomien eine Vielzahl
weiterer Chancen eröffnet, parallel dazu jedoch
neue ökologische und soziale Herausforderun-
gen entstehen, die eine nachhaltige Entwicklung
infrage stellen können,

(3) vor dem Hintergrund, dass die Globalisierung
auch mit globalen Risiken verbunden ist, die
sich insbesondere an dem zunehmenden Tempo
der Krisenabfolgen an den Finanzmärkten von
Asien über Russland bis nach Brasilien wider-
spiegeln, die als bedrohlich empfunden werden
und Hunderte Millionen Menschen in bittere
Armut gestürzt haben,

(4) vor dem Hintergrund, dass insbesondere grö-
ßere Unternehmen ihre Chancen, die die Globa-
lisierung bietet, bereits nutzen und ihre Aktivi-
täten dort durchführen, wo die Bedingungen
(vor allem in Bezug auf die wirtschaftlichen und
rechtlichen Rahmenbedingungen, das ökonomi-
sche Klima, die politische Stabilität, das Vor-
handensein von Forschungskapazitäten sowie
von qualifiziertem Personal und von Kapital)
am günstigsten sind, wodurch die Entschei-
dungsspielräume der nationalen Politiken einge-
schränkt werden,

(5) darauf hinweisend, dass sich Abwertungswett-
läufe, Sozialdumping und Protektionismus in

der Vergangenheit als nicht geeignete Mittel
erwiesen haben, die eigenen Probleme zulasten
der Partnerländer zu lösen,

(6) in der Erkenntnis, dass die Wirtschaft (ein-
schließlich der Konsumenten) ein hochkomple-
xes und schwer zu kalkulierendes System dar-
stellt, welches sich nur bedingt in Modellen ab-
bilden lässt und auf Politikinterventionen immer
wieder mit Überraschungen reagiert, Langfrist-
reaktionen daher nur bedingt prognostizierbar
sind,

(7) in der Überzeugung, dass die Überschreitung
der Tragfähigkeit der Erde durch Bevölke-
rungswachstum und daraus folgend durch die
fortgesetzte immer intensivere Nutzung nicht
erneuerbarer natürlicher Ressourcen auch in den
kommenden Jahrzehnten eine der großen Her-
ausforderungen bleiben wird,

1. weist darauf hin, dass gleichermaßen öko-
nomisch, ökologisch und sozial zukunftsfä-
hige Antworten auf die Herausforderung
der Globalisierung notwendig sind,

2. fordert nachdrücklich von den Regierun-
gen, ihre Fähigkeit zur Gestaltung globaler
Entwicklung besser zu nutzen und ein Kon-
zept einer sozialen Weltmarktwirtschaft in
ökologischer Verantwortung zu verwirkli-
chen sowie die Rahmenbedingungen für
weltweiten Handel mit Gütern, Dienstleis-
tungen und Kapital sowie die Rahmenbe-
dingungen für Investitionen dauerhaft zu
verbessern und an neue Herausforderungen
anzupassen,

3. betont daher die Notwendigkeit, dass die
Regierungen die vorhandenen Spielräume
zur Schaffung attraktiver Standortbedin-
gungen zum Wohle des Gemeinwesens bes-
ser ausschöpfen, gleichzeitig jedoch insbe-
sondere Anstrengungen unternehmen, um
einen harten Standortwettbewerb mit Sub-
ventionswettlauf zu verhindern,

4. plädiert dafür, die Globalisierung in ein
internationales System von Spielregeln ein-
zubetten und Initiativen zur

– Verhinderung zukünftiger internationaler
Finanzkrisen,

– Herstellung eines fairen internationalen
Wettbewerbs,

– Regelung internationaler Investitionen,
– Einführung bzw. Durchsetzung ökologi-

scher Mindeststandards und Arbeits- und
Sozialstandards sowie

Drucksache 14/2856 – 40 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– Verwirklichung des Ziels einer nachhal-
tigen Entwicklung

– zu ergreifen, diesbezügliche Initiativen
aber nicht als Gelegenheit für einen ver-
deckten Protektionismus zu missbrau-
chen,

5. unterstützt im Zusammenhang mit der
Entwicklung und Implementierung von Re-
geln zur Verhinderung zukünftiger interna-
tionaler Finanzkrisen die Forderungen nach
der Einrichtung eines funktionierenden
Frühwarnsystems für Turbulenzen auf den
internationalen Finanz- und Währungs-
märkten und der Entwicklung und Verab-
schiedung international verbindlicher
(Bank-) Aufsichtsregeln unter Einschluss
der offshore banking places sowie der Prü-
fung der Frage, wie Währungs- und Devi-
senspekulationen und insbesondere das bai-
ling-out mit möglichst marktkongruenten
Mitteln wirksam eingeschränkt werden
können,

6. regt an, auch Verbände, Gewerkschaften
und Nichtregierungsorganisationen mit ih-
rem Fachwissen am Meinungsbildungs- und
Umsetzungsprozess bezüglich aller oben
genannten Initiativen zu beteiligen,

7. ruft die nationalen Regierungen dazu auf,
die hinsichtlich der internationalen Finanz-
und Wirtschaftsorganisationen als notwen-
dig erkannten institutionellen Reformen zu
verwirklichen, um den neuen Herausforde-
rungen noch besser begegnen zu können,

8. richtet einen Appell an die verantwortli-
chen Entscheidungsträger, auch die multila-
terale Entwicklungszusammenarbeit weiter
zu verstärken und besser zu koordinieren
mit dem Ziel, die Effizienz zu erhöhen und
knappe Mittel wirkungsvoller zu verwen-
den,

9. erwartet in diesem Zusammenhang, dass
diese knappen Mittel zur Überwindung der
Armut in den Entwicklungsländern einge-
setzt werden und nicht für den Kauf von
Waffen oder die Entwicklung eigener Mas-
senvernichtungswaffen, wie dies bis in die
heutige Zeit in vielen Ländern der Dritten
Welt üblich ist,

10. verlangt, dass dafür Sorge getragen wird,
solche Fehlleitung von Hilfsgeldern in den
Empfängerländern zu verhindern, knappe
Mittel aber auch in den Industrieländern so
einzusetzen, dass die Volkswirtschaften
nicht nur mit den Herausforderungen der

Globalisierung besser umgehen können,
sondern auch die notwendigen Vorausset-
zungen für den Aufbau nachhaltiger Wirt-
schaftsstrukturen schaffen können,

11. vertritt die Auffassung, dass sich das
politische und wirtschaftliche Handeln zu-
künftig noch stärker an dem langfristig an-
gelegten Leitbild einer „Nachhaltigen Ent-
wicklung“ orientieren sollte, um damit
zugleich das Ziel eines fairen Ausgleichs
der Interessen gegenwärtiger und zukünfti-
ger Generationen zu erreichen,

12. weist mit Sorge darauf hin, dass die Ent-
wicklung der Weltwirtschaft seit der Welt-
umweltkonferenz von Rio de Janeiro im
Juni 1992 nicht die mit der Agenda 21 an-
gestrebte Trendwende beim Ressourcen-
verbrauch und der Änderung der Produkti-
ons- und Lebensstile erreicht hat,

13. fordert die Regierungen daher auf, bei
ihren Zielzusagen zur Schaffung nachhalti-
ger Wirtschaftsstrukturen insofern Vorsicht
walten zu lassen, weil nicht abgesicherte
bzw. einhaltbare Versprechungen schnell
zu einem politischen Reputationsverlust
führen können – zum Schaden dringend
notwendiger Veränderungen in der Wirt-
schaftsweise, die von den politischen Ent-
scheidungsträgern eingeleitet bzw. vorange-
trieben werden müssen,

14. bekräftigt – unter Hinweis auf die negati-
ven Wirkungen, die von überzogenen Ziel-
zusagen ausgehen können – ihre Forde-
rung, dem Leitbild nachhaltiger Wirt-
schaftsentwicklung zu folgen, nämlich an-
gemessenes Wirtschaftswachstum mit sozi-
aler Sicherheit und ökologischem Gleich-
gewicht zu verbinden, und erwartet daher in
diesem Sinne Denkkorrekturen in Politik
und Wirtschaft.

Anhang 6
Der Beitrag der Parlamente zu einem friedlichen und
toleranten Zusammenleben von ethnischen, kulturel-
len oder religiösen Minderheiten in einem gemeinsa-
men Staat
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland vor-
gelegter Resolutionsentwurf)
Die Interparlamentarische Union
– eingedenk der Charta der Vereinten Nationen, der

Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des In-
ternationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41 – Drucksache 14/2856

Form der Rassendiskriminierung und des Internatio-
nalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte,

– in Bekräftigung der Erklärung über die Rechte von
Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen
und sprachlichen Minderheiten angehören (Resoluti-
on 47/135 der Generalversammlung der Vereinten
Nationen vom 18. Dezember 1992), des Rahmen-
übereinkommens zum Schutz nationaler Minderhei-
ten und der Europäischen Charta der Regional- oder
Minderheitensprachen,

– unter Hinweis auf zahlreiche in den vergangenen
Jahren von der Interparlamentarischen Union zu
Minderheitenfragen angenommenen Resolutionen, in
denen Parlamenten und Regierungen Maßnahmen
empfohlen wurden, um die Rechte der Minderheiten
in verschiedenen Regionen der Welt zu schützen,
insbesondere

„Unterstützung der Bemühungen der Vereinten
Nationen um die vollständige Beendigung der
Kolonisation, des Rassismus und der Apartheid,
und Förderung der individuellen und kollektiven
Rechte der Nationalitäten und ethnischen Min-
derheiten“ (Budapest 1989, 81. Interparlamenta-
rische Konferenz)
„Demokratie und ethnische Vielfalt als ein Weg
zur Sicherung der Stabilität aller Staaten, der
wirtschaftlicher Entwicklung und des besseren
Nutzens der Friedensdividende zum Nutzen der
Dritten Welt“ (Yaounde 1992, 87. Interparlamen-
tarische Konferenz)
„Die Internationale Völkerwanderungsbewegung:
ihre demographischen, religiösen, ethnischen und
wirtschaftlichen Hintergründe; ihre Auswirkun-
gen auf die Ursprungs- und Aufnahmestaaten, ih-
re internationalen Folgerungen; die Rechte der
Auswanderer und Flüchtlinge“ (Stockholm 1992,
88. Interparlamentarische Konferenz)
„Der Minderheitenschutz als globale Aufgabe
und Grundvoraussetzung für Stabilität, Sicherheit
und Frieden“ (Istanbul, 95. Interparlamentarische
Konferenz)

– in Würdigung der Bedeutung einer friedlichen Ko-
existenz der verschiedenen ethnischen, kulturellen
oder religiösen Gemeinschaften und der gegenseiti-
gen Achtung ihrer Traditionen, Sprachen, Religionen
und Bräuche für die Stabilität und die wirtschaftliche
Entwicklung der Staaten,

– unter besonderer Betonung des Wertes der interkul-
turellen Beziehungen zwischen den verschiedensten
ethnischen, kulturellen oder religiösen Gemeinschaf-
ten für den kulturellen Reichtum,

– ihrer tiefen Besorgnis Ausdruck gebend, dass welt-
weit ernste Probleme – auch durch erzwungene As-
similation und Unterdrückung – zu Konflikten zwi-
schen ethnischen, kulturellen oder religiösen Ge-
meinschaften führen,

– unter Betonung der gegenseitigen Verpflichtung aller
ethnischen, kulturellen oder religiösen Gemeinschaf-
ten und ihrer Angehörigen, Probleme harmonisch
und kooperativ zu lösen und die Integration aller zu
ermöglichen,

– in der Erwägung, dass alle Streitfälle und Konflikte,
insbesondere die ethnische, kulturelle oder religiöse
Gemeinschaften betreffenden, auf friedlichem Weg
und gewaltlos sowie im Geiste gegenseitiger Achtung
geregelt werden sollen,

– unter besonderer Berücksichtigung der besonderen
Pflicht der Parlamente und ihrer Mitglieder, die
Rechte der ethnischen, kulturellen oder religiösen
Gemeinschaften zu verteidigen, sich für diese einzu-
setzen und so eine Welt zu schaffen, in der alle Men-
schen in den Genuss des gesamten Spektrums der zi-
vilen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und poli-
tischen Rechte kommen,

1. fordert
– in Bezug auf die demokratischen Werte und Mecha-
nismen –

alle Parlamente und ihre Mitglieder auf, geeignete Maß-
nahmen zu ergreifen, damit
(i) das Recht und die Pflicht zur gegenseitigen Ach-

tung und Kooperation der ethnischen, kulturellen
oder religiösen Gemeinschaften nicht vorrangig in
speziellen gesetzlichen Regelungen, sondern am
wirkungsvollsten in einer insgesamt liberalen
Verfassung zum Ausdruck kommen,

(ii) internationale und regionale Vereinbarungen zur
Wahrung der Identität von ethnischen, kulturellen
oder religiösen Gemeinschaften ratifiziert werden
oder die jeweiligen Staaten, falls noch nicht ge-
schehen, beitreten,

(iii) die nationale Gesetzgebung auf die Übereinstim-
mung mit den Normen und Standards des Minder-
heitenschutzes überprüft und gegebenenfalls geän-
dert wird,

(iv) nationale parlamentarische Gremien oder Ombuds-
einrichtungen, die permanent die Übereinstimmung
des legislativen, judikativen und exekutiven Han-
delns mit den international und national gefassten
Zielen des Minderheitenschutzes überwachen, ge-
schaffen werden,

(v) nationale Richtlinien und Programme unter gebüh-
render Berücksichtigung der legitimen Interessen
der Angehörigen aller Gemeinschaften geplant und

Drucksache 14/2856 – 42 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

umgesetzt werden und jedes Zeichen von Intole-
ranz vermieden wird,

(vi) Bedingungen für den gegenseitigen Respekt vor der
ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität al-
ler Gemeinschaften geschaffen werden,

(vii) Schritte zum Schutz und zur Förderung eines fried-
lichen Zusammenlebens und eines konstruktiven
Zusammenwirkens der verschiedenen Gemein-
schaften ergriffen werden und die Benachteiligun-
gen und Diskriminierung Einzelner aufgrund ihrer
Zugehörigkeit zu einer ethnischen, kulturellen oder
religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen werden,

(viii) internationale und regionale Menschenrechtsorga-
nisationen uneingeschränkt Unterstützung und un-
eingeschränkten Zugang zu Informationen über die
Umsetzung eines kooperativen Zusammenlebens
der ethnischen, kulturellen oder religiösen Gemein-
schaften erhalten,

(ix) die von den Menschenrechtsgremien der Nichtre-
gierungsorganisationen vorgelegten Informationen
und Vorschläge bezüglich der Angehörigen ethni-
scher, kultureller oder religiöser Gemeinschaften
allen Interessierten zur Kenntnis gegeben werden;

2. ruft
– in Bezug auf Kultur, Sprache und Religion der ethni-
schen, kulturellen oder religiösen Gemeinschaften –

die Parlamente und ihre Mitglieder auf, sich dafür einzu-
setzen,
(i) dass das Bekenntnis zur Identität einer ethnischen,

kulturellen oder religiösen Gemeinschaft und der
Zugehörigkeit zu ihr frei ist, im eigenen Namen
zum Ausdruck kommen kann und von Amts wegen
nicht bestritten wird,

(ii) dass die Angehörigen einer ethnischen, religiösen
oder sprachlichen Gemeinschaft frei darin sind, al-
lein oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern
ihre eigene Kultur und Bräuche zu pflegen, ihre ei-
gene Religion auszuüben und ihre Sprache im offi-
ziellen Verkehr und privat zu sprechen,

(iii) dass die Bedingungen dafür geschaffen und gesi-
chert werden, dass in öffentlichen und privaten
Schulen die Sprachen aller ethnischen Gemein-
schaften gesprochen, unterrichtet, nach freier Wahl
erlernt werden können und Verständnis für die so-
zialen, wirtschaftlichen und kulturellen Realitäten
der verschiedenen Gemeinschaften geweckt wird,

(iv) dass für talentierte Angehörige aller ethnischen,
kulturellen oder religiösen Gemeinschaften die
Möglichkeit zu qualifizierten Ausbildungen und
Abschlüssen sichergestellt wird;

3. regt

– in Bezug auf die Medien und ihre Darstellung der
ethnischen, kulturellen oder religiösen Gemeinschaf-
ten –

alle Parlamente und ihre Mitglieder an, unter Achtung
der Presse- und Redefreiheit darauf hinzuwirken,
(i) dass sich die Medienschaffenden einen Verhaltens-

kodex geben, in dem sie sich verpflichten, nach
ethischen Prinzipien ein objektives und ausgewo-
genes Bild aller ethnischen, kulturellen oder religi-
ösen Gemeinschaften zu geben,

(ii) dass die Darstellung aller ethnischen, kulturellen
oder religiösen Gemeinschaften in den Medien auf
Integration ausgerichtet ist und

(iii) dass rassistische und faschistische Darstellungen
verboten sind;

4. appelliert
– in Bezug auf die Teilnahme am Erwerbsleben und bei
der Inanspruchnahme sozialer Leistungen –

an alle Parlamente und ihre Mitglieder, sich dafür einzu-
setzen,
(i) dass den Angehörigen der ethnischen, kulturellen

oder religiösen Gemeinschaften aus dem Bekennt-
nis ihrer Zugehörigkeit kein Nachteil beim Zugang
zum Erwerbsleben entstehen kann,

(ii) dass die Angehörigen aller ethnischen, kulturellen
oder religiösen Gemeinschaften die gleiche Be-
handlung bei der Inanspruchnahme sozialer Leis-
tungen und sonstiger Leistungen aus öffentlichen
Mitteln erfahren;

5. ersucht
– in Bezug auf die Teilnahme am demokratischen und
sozialen Leben –

alle Parlamente und ihre Mitglieder, dafür Sorge zu
tragen,
(i) dass das allgemeine, freie und geheime Wahlrecht

für Angehörige aller ethnischen, kulturellen oder
religiösen Gemeinschaften gewährleistet wird,

(ii) dass ethnische, kulturelle oder religiöse Gemein-
schaften in angemessener Weise an der politischen
Meinungsbildung beteiligt werden und ihre Interes-
sen demokratisch geltend machen können,

(iii) dass das freie Recht auf Eigentumserwerb für An-
gehörige aller ethnischen, kulturellen oder religiö-
sen Gemeinschaften besteht,

(iv) dass den Angehörigen aller ethnischen, kulturellen
oder religiösen Gemeinschaften freier Zugang zu
den Behörden, Gerichten sowie deren Instanzen
gewährt wird und sie dort Gehör erhalten, auch zur
Wahrung ihrer gemeinschaftlichen Rechte,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 43 – Drucksache 14/2856

(v) dass staatliche Ordnungskräfte die Angehörigen
aller ethnischen, kulturellen oder religiösen Ge-
meinschaften unterschiedslos behandeln und inner-
halb der Ordnungskräfte Aufklärung über deren
ethnische, kulturelle und religiöse Besonderheiten
betrieben wird,

(vi) dass Angehörigen aller ethnischen, kulturellen oder
religiösen Gemeinschaften Informationen über die
ihnen zustehenden fundamentalen Rechte und die
Möglichkeit ihrer Geltendmachung erhalten;

6. beauftragt seinen Präsidenten,
diese Entschließung allen Parlamenten und ihren Mit-
gliedern zu Kenntnis zu bringen.

Anhang 7
Erklärung des Konferenzpräsidenten zum Militär-
putsch in Pakistan
Bevor wir mit der heutigen Tagesordnung fortfahren,
möchte ich eine Erklärung im Namen der Teilnehmer
dieser Konferenz abgeben.
Während die Gemeinschaft der Parlamente der Welt ihre
dieses Mal in Berlin stattfindende Halbjahreskonferenz
veranstaltet, erreichen uns die schockierenden Nachrich-
ten aus Pakistan über die erfolgte Machtübernahme
durch das Militär. Als Parlamentsmitglieder verurteilen
wir auf das Schärfste diesen verfassungswidrigen Akt. In
unserer heutigen Zeit ist ein militärischer Staatsstreich
völlig unannehmbar. Wir fordern die Wiederherstellung
der verfassungsmäßigen Ordnung in Pakistan und die
volle Achtung des parlamentarischen Prozesses. Wir
verlangen daher mit Nachdruck die unverzügliche Wie-
dereinsetzung der zivilen Regierung in Pakistan.
Wir fordern die neuen Machthaber nachdrücklich auf,
die parlamentarischen Institutionen in Pakistan und die
Menschenrechte der Parlamentsmitglieder zu achten. Ich
weiß, dass der Präsident der Nationalversammlung Pa-
kistans heute unter uns weilt, und ich möchte ihm im
Namen aller hier Anwesenden bitten, unseren Kollegen
in Pakistan unsere Solidarität auszusprechen.
Ich bin sicher, dass wir alle in unseren Parlamenten und
durch unsere weltweite Organisation, die Interparlamen-
tarische Union, weiterhin die Lage aufmerksam verfol-
gen werden.

Anhang 8
Von der Gruppe der Zwölf Plus verabschiedete
Resolution zum Thema Weißrussland
Entschließung der Gruppe der Zwölf Plus

„Betreffend die Lage in Belarus“
(verabschiedet auf dem Treffen am 15. Oktober 1999 auf
der 102. IPU-Konferenz in Berlin)
Wir, die Mitglieder der Gruppe der 12+ in der IPU,
welche 43 Staaten vertreten,
– besorgt über die Menschenrechtslage in Belarus, über

die Zunahme politischer Unterdrückung und das
Verbot nichtstaatlicher Zeitungen;

– unter Verurteilung des Verschwindens von Politi-
kern, der Weigerung, Nichtregierungsorganisationen
aus politischen Gründen zu registrieren und des auf
die „Vesna-96“ und andere Menschenrechtszentren
ausgeübten Drucks;

– in der Erkenntnis, dass der Oberste Rat der Republik
Belarus das einzige rechtmäßige Parlament ist, das
von der Bevölkerung von Belarus im Jahre 1995 de-
mokratisch gewählt wurde,

– feststellend, dass Präsident Lukaschenkos Amtszeit
am 20. Juli 1999 endete;

– mit Unterstützung für die Verhandlungen zwischen
der Regierung und der Opposition mit dem Ziel,
nicht auf Konfrontation ausgerichtete Lösungen für
die Verfassungskrise sowie die politische und wirt-
schaftliche Krise im Land zu finden;

1. fordern die nationalen Parlamente und Regierungen
aller demokratischen Staaten auf, ihre Solidarität mit
den demokratischen Kräften in Belarus zum Aus-
druck zu bringen und die Regierung von Belarus
dringend aufzufordern, ihren Verpflichtungen im
Menschenrechtsbereich nachzukommen;

2. fordern die Regierung von Belarus nachdrücklich
auf, Herrn A. Klimov und Herrn V. Kudinov, Mit-
glieder des Obersten Rates von Belarus und Herrn
Chigir, den früheren Ministerpräsidenten von Bela-
rus, entweder freizulassen oder ihnen ein rasches und
faires Gerichtsverfahren zuzusichern;

3. fordern eine eingehende Untersuchung über das
Verschwinden von Herrn V. Gonschar, Herrn Y.
Zakharenko und Frau Vinnikova und fordern die Be-
endigung aller Repressionen gegenüber Abgeordne-
ten des Obersten Rates und Vertretern der demokrati-
schen Opposition;

4. fordern, dass die Einschüchterung der Presse und der
Massenmedien beendet wird und dass freier Zugang
zu diesen Einrichtungen garantiert wird;

5. fordern die Regierung von Belarus auf, die Verhand-
lungen mit der politischen Opposition fortzuführen
mit dem Ziel, die Grundsätze des Parlamentarismus
und von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wieder-
herzustellen.

Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
esellschaft mbH, Postfach 13 20, 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44

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