BT-Drucksache 14/2827

Erleichterungen bei der internationalen Vollstreckungshilfe

Vom 22. Februar 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2827
14. Wahlperiode 22. 02. 2000

Große Anfrage
der Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, Dr. Jürgen Rüttgers,
Wolfgang Bosbach, Dr. Wolfgang Götzer, Volker Kauder, Eckart von Klaeden,
Erwin Marschewski (Recklinghausen), Hans-Peter Repnik, Norbert Röttgen,
Dr. Rupert Scholz, Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Dr. Susanne Tiemann,
Andrea Voßhoff, Annette Widmann-Mauz und der Fraktion der CDU/CSU

Erleichterungen bei der internationalen Vollstreckungshilfe

Am 1. Februar 1992 ist das „Übereinkommen vom 21. März 1983 über die
Überstellung verurteilter Personen“ für die Bundesrepublik Deutschland in
Kraft getreten. Damit wurde eine vertragliche Grundlage geschaffen, in geeig-
neten Fällen ausländische Verurteilte einfacher, schneller und flexibler in ihre
Heimatländer zur dortigen weiteren Strafvollstreckung überstellen zu können.
Hinter dieser Zielsetzung steht die strafrechtliche und strafvollzugspolitische
Erkenntnis, dass der gesellschaftlichen Wiedereingliederung eines Straftäters
oftmals besser Rechnung getragen werden kann, wenn der Verurteilte die Strafe
in seinem Heimatland verbüßt. Zugleich trat das Gesetz zur Ausführung des
Übereinkommens vom 21. März 1983 (Überstellungsausführungsgesetz) in
Kraft. Durch dieses wurde eine vom Strafvollstreckungsanspruch losgelöste
richterliche Festhalteanordnung zum Zwecke der Anwendung des Überein-
kommens eingeführt.

Auf der 67. Konferenz der Justizministerinnen und -minister vom 3. bis 5. Juli
1996 in Wiesbaden haben sich die Justizministerinnen und -minister mit Er-
leichterungen bei der internationalen Vollstreckungshilfe – hier: Verzicht auf
das Einverständnis der verurteilten Personen im Vollstreckungshilfeverkehr –
befasst. Damals wurde der Bundesminister der Justiz aufgefordert, auf völker-
rechtliche Vereinbarungen hinzuwirken, die eine Überstellung ausländischer
verurteilter Personen auch ohne deren Zustimmung in ihre Heimatländer zur
Vollstreckung freiheitsentziehender Sanktionen ermöglichen. Die Justizminis-
ter begrüßten deshalb die im Entwurf eines Zusatzprotokolls zum Überein-
kommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 vor-
gesehene Möglichkeit, die Überstellung eines Häftlings, gegen den eine
rechtskräftige Ausweisungsverfügung vorliegt, auch ohne seine Zustimmung
vorzunehmen, sofern sich Urteils- und Vollstreckungsstaat über die Überstel-
lung einigen.

Auf der Herbstkonferenz am 10. November 1999 haben sich die Justizministe-
rinnen und -minister erneut mit den Problemen befasst, die sich aus der hohen
Zahl ausländischer Personen ergeben, gegen die Freiheitsstrafen verhängt wur-
den, die in Deutschland vollstreckt werden.

Drucksache 14/2827 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche erweiterten Möglichkeiten zur Erleichterung der Vollstreckung
innerhalb der EU bieten die Verträge über die Europäische Union und die
Europäische Gemeinschaft?

2. a) Wie viele Strafgefangene ausländischer Staatsangehörigkeiten saßen
seit 1992 jeweils zum Stichtag 31. März in den Folgejahren bis 1999 in
deutschen Strafvollzugsanstalten ein?

b) Gegen wie viele dieser ausländischen Staatsangehörigen wurde eine
Freiheitsstrafe vollstreckt?

c) Gegen wie viele dieser ausländischen Staatsangehörigen wurde eine
Jugendstrafe vollstreckt?

3. Wie viele dieser ausländischen Gefangenen haben seit 1992 nach dem
„Gesetz zum Übereinkommen vom 21. März 1983 über die Überstellung
verurteilter Personen“ einen Antrag auf Überstellung zur Strafvoll-
streckung in ihrem Heimatland gestellt (bitte nach Jahren differenziert auf-
führen)?

4. In wie vielen Fällen und mit welchen Begründungen wurde

– von möglichen Vollstreckungsländern eine Aufnahme verweigert oder

– der Antrag nach Überstellung von deutschen Behörden zurückgewie-
sen?

5. a) Wie viele Überstellungen wurden seit dem 1. Februar 1992 auf der
Grundlage des Übereinkommens von Deutschland ins Ausland vorge-
nommen?

b) Mit welchen Staaten erfolgte dieser Überstellungsverkehr?

(Bitte jeweils nach Einzeljahren differenziert ausführen.)

6. In wie vielen Fällen wurden Bitten um Überstellung von möglichen Voll-
streckungsländern an die Bundesrepublik Deutschland weitergeleitet (bitte
nach Vollstreckungsländern aufschlüsseln)?

7. a) Wie viele Überstellungen wurden seit dem 1. Februar 1992 auf der
Grundlage des Übereinkommens nach Deutschland vorgenommen?

b) Mit welchen Staaten erfolgte dieser Überstellungsverkehr?

(Bitte jeweils nach Einzeljahren differenziert ausführen.)

8. Aus welchen Gründen kam die gewünschte Überstellung nicht zustande?

9. a) Wie viele Festhalteanordnungen nach dem Überstellungsausführungs-
gesetz sind seit dessen Inkrafttreten erlassen worden?

b) Gegen wie viele dieser Personen wurde eine Festhalteanordnung voll-
streckt ?

10. Was sind nach Einschätzung der Bundesregierung die Gründe für eine ge-
ringe Anzahl von Überstellungen auf der Grundlage des Übereinkommens
vom 21. März 1983

– aus dem Ausland nach Deutschland und

– von Deutschland ins Ausland?

11. a) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Vorbehalte gegen die Voll-
streckungspraxis der anderen Mitgliedstaaten?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/2827

b) Was sind ggf. die Gründe für solche Vorbehalte?

12. Gegenüber welchen Staaten sind aus welchen Gründen solche Vorbehalte
besonders ausgeprägt?

13. Welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung in Angriff genom-
men, um Vorbehalte gegen die Vollstreckungspraxis anderer Mitglied-
staaten zu beseitigen?

14. Welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung ergriffen, um eine
verstärkte Anwendung des Übereinkommens vom 21. März 1983 zu er-
reichen?

15. Welche Staaten haben wann das „Zusatzprotokoll zum Übereinkommen
über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983“

– unterzeichnet und

– ratifiziert?

16. Ist es nach Einschätzung der Bundesregierung ausreichend, dass im Zu-
satzprotokoll zum Überstellungsübereinkommen der Verzicht auf das Ein-
verständnis der verurteilten Personen in seinem Anwendungsbereich auf
die Flucht- und Ausweisungs- bzw. Abschiebungsfälle beschränkt ist?

17. Gibt es Bestrebungen innerhalb der Bundesregierung, den Anwendungsbe-
reich des Zusatzprotokolls zu erweitern, d.h. welche Maßnahmen werden
von der Bundesregierung im Hinblick auf ein mögliches zusätzliches Pro-
tokoll zur Ausweitung des Anwendungsbereichs des Überstellungsüberein-
kommens ergriffen?

18. Welche Bestrebungen der Bundesregierung gibt es – neben dem Verzicht
auf das Einverständnis der verurteilten Personen –, zusätzlich die Anwen-
dung des Übereinkommens im Verhältnis zu anderen Staaten dadurch zu
fördern, dass die Kosten des weiteren Vollzugs von aus Deutschland über-
stellten Straftätern von der Bundesrepublik Deutschland – ganz oder teil-
weise – getragen werden?

19. Gibt es ggf. solche Bestrebungen insbesondere im Verhältnis zu osteuropä-
ischen Staaten?

20. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit der Überstellung verur-
teilter Personen in ihr Heimatland vor dem Hintergrund ein, dass auch nach
dem Zusatzprotokoll der Heimatstaat der Überstellung zustimmen muss?

21. Wie wird sich nach Einschätzung der Bundesregierung

– auf der Grundlage des Überstellungsübereinkommens und

– unter Berücksichtigung des Zusatzprotokolls

in Zukunft die Anzahl der Überstellungen vom Ausland nach Deutschland
zahlenmäßig entwickeln?

22. Wie wird sich nach Einschätzung der Bundesregierung

– auf der Grundlage des Überstellungsübereinkommens und

– unter Berücksichtigung des Zusatzprotokolls

in Zukunft die Anzahl der Überstellungen von Deutschland ins Ausland
zahlenmäßig entwickeln?

Drucksache 14/2827 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
23. Welche Initiativen hat die Bundesregierung in Folge des Europäischen
Rats von Tampere ergriffen, um die ungehinderte Vollstreckung von Straf-
urteilen innerhalb der EU zügig zu ermöglichen?

Berlin, den 22. Februar 2000

Norbert Geis
Ronald Pofalla
Dr. Jürgen Rüttgers
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Götzer
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Hans-Peter Repnik
Norbert Röttgen
Dr. Rupert Scholz
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Susanne Tiemann
Andrea Astrid Voßhoff
Annette Widmann-Mauz
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

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