BT-Drucksache 14/279

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel)

Vom 19. Januar 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/279 vom 19.01.1999

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS Entwurf eines . . . Gesetzes zur
Änderung des Grundgesetzes (Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel)
=

19.01.1999 – 279


14/279


Gesetzentwurf
der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Ruth Fuchs, Kersten
Naumann und der Fraktion der PDS
Entwurf eines . . . Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel)

A. Problem
Artikel 20a des Grundgesetzes legt die Verantwortung des Staates für die
Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen fest.
Hinsichtlich des Schutzes von Tieren, die Bestandteil dieses Schutzes sind,
muß die gegenwärtige Verfassungsrechtslage als unbefriedigend eingeschätzt
werden. Immer dann, wenn im konkreten Fall
grundgesetzlich geschützte Güter gegeneinander abgewogen werden, wird der
Schutz der Tiere als weniger schützenswertes Gut eingestuft. Das ist
regelmäßig der Fall, wenn das Verbot von Tierversuchen gegen die
grundgesetzlich verankerte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre
gemäß Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz abzuwägen ist.
B. Lösung
In das Grundgesetz wird ein neuer Absatz zum Artikel 20a eingefügt
(Tierschutz). Dieser neue Absatz stellt eindeutig klar, daß der
Tierschutz zu den grundgesetzlich geschützten Gütern gehört.
C. Alternativen
Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes.
D. Kosten
Keine
Entwurf eines . . . Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel)
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz
beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:
Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie
folgt geändert: Artikel 20a wird wie folgt geändert:
1. Der bisherige Artikel 20a wird Artikel 20a Abs. 1.
2. Folgender Absatz 2 wird angefügt:
"(2) Tiere werden in ihrer artgemäßen Haltung vor der Zerstörung ihrer Lebensräume sowie vor vermeidbaren Schmerzen und Leiden geschützt. Tierversuche sind nur zulässig, wenn sie für die Entwicklung der Gesundheit von
Menschen unerläßlich sind."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Bonn, den 11. Januar 1999
Eva-Maria Bulling-Schröter Dr. Ruth Fuchs
Kersten Naumann
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Begründung
Nach wie vor steigt die Zahl der Schlachttiertransporte in oder durch
Deutschland und ein Ende des Tierleidens ist nicht abzusehen. Allein die
Subventionen dieser Tiertransporte durch die EU mit 200 Mio. DM für Deutschland
zeigt die wirtschaftliche Dimension und Attraktivität derlei Tiertransporte
auf. Aus humaner und ökologischer Sicht besteht
kein Grund, Schlachttiere über solch große Entfernungen zu transportieren. Sinnvoll kann nur eine Schlachtung im nächstgelegenen Schlachthof sein, um dann das Fleisch gekühlt oder im gefrorenen Zustand
weiterzubefördern.
Hühner müssen in Hühnerlegebatterien dahinvegetieren, deren Größe einem
DIN-A4-Blatt entspricht. Tier- oder artgerechtes Verhalten ist somit
nicht möglich. "Wirtschaftliche Rahmenbedingungen" zwängen zu derlei
Unterbringungsmethoden, um im Wettbewerb auf dem Markt "bestehen" zu
können, so die Aussagen der Befürworterinnen und Befürworter
dieser Unterbringungsmethoden. Jetzt soll auch in Neubuckow eine
Hühnerlegebatterie mit 800 000 Hühnern errichtet werden. Tierrechte
werden in Deutschland legal mit den Füßen getreten, obwohl in anderen
Ländern längst tiergerechte Methoden der Eierproduktion eingeführt
wurden.
Tierversuche sind nach wie vor für bestimmte Studienrichtungen an deutschen
Universitäten und Hochschulen verbindlich vorgeschrieben. Eine Evaluierung
alternativer Versuchsmethoden ist deshalb dringendst geboten. Eine
Verschärfung der gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen zur Genehmigung und
Durchführung von Tierversuchen hätte u. a. eine ve
rstärkte Förderung der Entwicklung und Anerkennung tierversuchsfreier
Methoden zur Folge. Hierin besteht eine große Chance für eine
Vorreiterrolle des Forschungs- und Industriestandortes Deutschland im Hinblick auf innovative und ethisch vertretbare
Verfahren.
Aus all diesen genannten Gründen ist die Erhebung des Schutzes von Tieren
in den Verfassungsrang längst überfällig. Schutz von Tieren muß im
Grundgesetz denselben Stellenwert erhalten, wie z. B. das in Artikel 5
Abs. 3 enthaltene Grundrecht auf "Freiheit der Wissenschaft". Dadurch
wird eine juristische Güterabwägung erst möglich.

Die Aufnahme des Schutzes von Tieren in das Grundgesetz muß gewährleisten,
daß bisher übliche, aber unnötige Tierversuche unterbunden werden. Mit der
Regelung des Schutzes von Tieren im Grundgesetz wird juristisches Neuland
betreten. Zu allen anderen im Grundgesetz geregelten Grundrechten gibt es
eine historisch entstandene gesicherte Rechtsa
uffassung, welche durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
dokumentiert wurde. Die Regelung im Grundgesetz muß daher so eng formuliert
werden, daß tierquälerische Handlungen im weitesten Sinne einschließlich der
nicht unbedingt notwendigen Tierversuche sowie der Massentierhaltung durch
diese Schutznorm unterbunden werden. Zugleic
h muß die Regelung genügend Raum lassen, um die artgerechte Haltung und
Schlachtung von Tieren für die menschliche Ernährung zu ermöglichen.

Da Tiere nicht selbst Träger von Rechten und Pflichten, zumindest nach
allen bisherigen Rechtsauffassungen, sein können, muß in der
einfachgesetzlichen Ausgestaltung festgelegt werden, daß
Tierschutzverbänden zur Wahrung des Tierschutzes der Rechtsweg eröffnet
wird.

19.01.1999 nnnn

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