BT-Drucksache 14/2784

Vereinbarkeit des deutschen Staatsbürgerschaftsrecht mit dem Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit

Vom 22. Februar 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2784

14. Wahlperiode

22. 02. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Vereinbarkeit des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts mit dem Europäischen
Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit

Das im vergangenen Jahr von den Regierungsparteien verabschiedete Gesetz
zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes sieht vor, dass hier geborene Kin-
der ausländischer Staatsangehöriger durch Geburt im Inland die deutsche
Staatsbürgerschaft erwerben (§ 4 Abs. 3 des neuen „Reichs- und Staatsangehö-
rigkeitsgesetzes“).

In § 29 Abs. 1 des neuen Gesetzes heißt es dann, eine solche Person habe mit
Erreichen der Volljährigkeit zu erklären, ob sie die deutsche oder die ausländi-
sche Staatsangehörigkeit behalten wolle. Im folgenden Absatz 2 geht es dann
wie folgt weiter: „Erklärt der nach Absatz 1 Erklärungspflichtige, dass er die
ausländische Staatsangehörigkeit behalten will, so geht die deutsche Staatsan-
gehörigkeit mit dem Zugang der Erklärung bei der zuständigen Behörde verlo-
ren. Sie geht ferner verloren, wenn bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres
keine Erklärung abgegeben wird.“

Im „Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit“ vom 6. No-
vember 1997 ist in Artikel 14 („Fälle von Mehrstaatigkeit kraft Gesetzes“)
demgegenüber Folgendes geregelt:

1. Ein Vertragsstaat gestattet:

a) Kindern, die bei der Geburt ohne weiteres verschiedene Staatsangehörig-
keiten erworben haben, die Beibehaltung dieser Staatsangehörigkeiten;

b) seinen Staatsangehörigen den Besitz weiterer Staatsangehörigkeit, wenn
diese durch Eheschließung ohne weiteres erworben wird.

2. Die Beibehaltung der Staatsangehörigkeit nach Absatz 1 gilt vorbehaltlich
der einschlägigen Bestimmungen des Artikels 7.

In Artikel 7 („Verlust der Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes oder auf Veranlas-
sung eines Vertragsstaates“ ist der Verlust der Staatsangehörigkeit kraft Geset-
zes grundsätzlich untersagt, mit Ausnahme bestimmter, abschließend beschrie-
bener Fälle.

Diese Fälle sind in den Buchstaben a bis g wie folgt beschrieben:

„a) freiwilliger Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit;

„b) Erwerb der Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates durch arglistiges Ver-
halten, falsche Angaben oder die Verschleierung einer erheblichen Tat-
sache, die dem Antragsteller zuzurechnen sind;
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„c) freiwilliger Dienst in ausländischen Streitkräften;

„d) Verhalten, das den wesentlichen Interessen des Vertragsstaates in schwer-
wiegender Weise abträglich ist;

„e) Fehlen einer echten Bindung zwischen dem Vertragsstaat und einem Staats-
angehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland;

„f) Feststellung während der Minderjährigkeit eines Kindes, dass die durch in-
nerstaatliches Recht bestimmten Voraussetzungen, die zum Erwerb der
Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates kraft Gesetzes geführt haben, nicht
mehr erfüllt sind;

„g) Adoption eines Kindes, wenn dieses die ausländische Staatsangehörigkeit
eines oder beider adoptierenden Elternteile erwirbt oder besitzt.“

Das in § 29 des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes vorgeschriebene Ver-
fahren, das bei Erreichen der Volljährigkeit zwingend zum Verlust der doppel-
ten Staatsangehörigkeit führen soll, stellt also einen Verstoß gegen das „Euro-
päische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit“ dar.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das deutsche Staatsbürger-
schaftsrecht gegen das „Europäische Übereinkommen über die Staatsange-
hörigkeit“ vom 6. November 1997 verstößt?

Wenn nein, warum nicht?

2. Wann und in welcher Weise will die Bundesregierung ggf. das deutsche
Staatsangehörigkeitsrechtsrecht dem „Europäischen Übereinkommen über
die Staatsangehörigkeit“ durch eine Novellierung anpassen?

3. Wie viele Staaten sind Unterzeichnerstaaten des „Europäischen Überein-
kommens über die Staatsangehörigkeit“?

4. Sind der Bundesregierung bereits Klagen von Betroffenen bekannt, die sich
gegen die in § 29 des neuen Staatsbürgerschaftsrechts geforderte Aufgabe
der doppelten Staatsbürgerschaft bei Erreichen der Volljährigkeit wenden?

Berlin, den 16. Februar 2000

Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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