BT-Drucksache 14/2768

Den Stabilitätspakt Südosteuropa mit Leben erfüllen

Vom 22. Februar 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

Antrag

der Abgeordneten Karl Lamers, Peter Weiß (Emmendingen), Klaus-Jürgen
Hedrich, Peter Hintze, Paul Breuer, Christian Schmidt (Fürth), Horst Günther
(Duisburg), Siegfried Helias, Ursula Heinen, Thomas Kossendey, Dr. Christian
Schwarz-Schilling, Carl-Dieter Spranger und der Fraktion der CDU/CSU

Den Stabilitätspakt Südosteuropa mit Leben erfüllen

Der Bundestag wolle beschließen:

Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in den Ländern Süd-
osteuropas und den mit dem Zerfall Jugoslawiens einhergegangenen Konflikten
hat sich die internationale Staatengemeinschaft während des Kosovo-Konflik-
tes mit dem Stabilitätspakt das Ziel gesetzt, die Staaten in Südosteuropa bei ih-
ren Bemühungen um Förderung des Friedens, der Demokratie, der Achtung der
Menschenrechte sowie des wirtschaftlichen Wohlstandes zu stärken und Stabi-
lität in der gesamten Region zu erreichen. Dabei steht fest, dass vorrangig die
Menschen, insbesondere die politisch Verantwortlichen in den Ländern Südost-
europas, selbst die Voraussetzungen für Frieden, Stabilität und Wohlstand
schaffen müssen. Die internationale Staatengemeinschaft will sie dabei unter-
stützen. Dies ist eine der größten Herausforderungen, die sich vor allem der Eu-
ropäischen Union stellt. Sie hat den Staaten Südosteuropas die Perspektive auf
Mitgliedschaft in Aussicht gestellt und damit eine große Verantwortung über-
nommen. Den Stabilitätspakt mit Leben zu erfüllen, muss für die Europäische
Union daher oberste Priorität haben.

Deutschland kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Dies gilt nicht zu-
letzt aufgrund der finanziellen Mittel, die es im multilateralen, europäischen
und bilateralen Rahmen für die Stabilisierung der Region, für humanitäre Hilfe
und wirtschaftlichen Aufbau zur Verfügung stellt. Die mittelfristige Strategie
dieser Zusammenarbeit muss auf eine nachhaltige selbstragende Entwicklung
dieser Länder abzielen. Dabei ist die angebotene Hilfe bei der Schaffung demo-
kratischer Strukturen und Sicherung der Menschenrechte, beim wirtschaft-
lichen Aufbau, insbesondere bei den grenzüberschreitenden Infrastrukturpro-
jekten, sowie bei der Schaffung kooperativer Sicherheitsstrukturen als
Gesamtkonzept zu betrachten, das von unseren Partnern auch als solches ver-
standen werden muss. Insofern ist sicherzustellen, dass wirtschaftliche Hilfe
nur denen gewährt wird, welche durch kooperative Mitarbeit auch auf den an-
deren Gebieten eigene Beiträge zur Stabilität leisten. Denn nur auf der Grund-
lage von Sicherheit, Demokratie und Menschenrechte sowie wirtschaftlicher
Entwicklung ist eine Stabilisierung der Region möglich.
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. auf eine zügige Umsetzung und Verwirklichung der Ziele des Stabilitäts-
paktes Südosteuropa hinzuwirken;

2. dem Aufbau demokratischer Strukturen in Politik, Wirtschaft und Gesell-
schaft sowie der Sicherung der Menschenrechte im Rahmen des Stabilitäts-
paktes eine noch höhere Priorität beizumessen. Dabei gilt es insbesondere in
allen Staaten die Minderheits- und Selbstbestimmungsrechte der verschiede-
nen Volksgruppen abzusichern und zu achten. Insofern kommt der Minder-
heitenkonferenz im Mai 2000 eine besondere Bedeutung zu, die einer ent-
sprechend guten Vorbereitung bedarf;

3. zur Unterstützung des Aufbaus demokratischer Strukturen in Politik und
Verwaltung neben dem multilateralen Programm „Good Governance“ auf
bilateraler Ebene vor allem die Instrumente der staatlichen technischen Zu-
sammenarbeit und der politischen Stiftungen zu nutzen;

4. den Aufbau demokratischer zivilgesellschaftlicher Strukturen in den Län-
dern Südosteuropas zu fördern und dabei vor allem Projekte der Kirchen
und Nichtregierungsorganisationen sowie deren Partnern vor Ort zu unter-
stützen;

5. die Ausarbeitung der Mediencharta intensiv voranzutreiben und gleichzeitig
auf ein umfassendes Bildungsangebot für Journalisten zu den Themen De-
mokratie, Rechtsstaat, soziale Marktwirtschaft und Europa hinzuwirken;

6. im Rahmen der follow-up Konferenz des sog. Szeged-Prozess vom 22. bis
24. März d. J. die Städtepartnerschaften insbesondere mit den serbischen
oppositionellen Städten zu intensivieren, um den Dialog mit der Opposition
zu fördern und zugleich über diese humanitäre Hilfe vor Ort, Hilfen im Rah-
men des Programmes „Öl für Demokratie“ und für die oppositionelle Presse
besser leisten zu können;

7. die serbische Opposition insgesamt zu stärken, in dem Bewusstsein, dass
Frieden und Stabilität um Serbien herum, aber ohne Serbien nicht möglich
sein wird. Eine demokratische Wende aber ist nur möglich, wenn die Isolie-
rung Serbiens durchbrochen wird. Insofern ist die Suspendierung des Flug-
verbotes nach Belgrad ein wichtiger Schritt, die Aufhebung des Ölembargos
sollte folgen und für die serbische Bevölkerung unmittelbar mit der Opposi-
tion verbunden werden. Demokratische Wahlen und eine auf ein friedliches
Miteinander ausgerichtete Politik gegenüber dem Kosovo und Montenegro
sowie den angrenzenden Nachbarstaaten müssen Voraussetzung für die Ein-
beziehung Serbiens in die gemeinsame Verantwortung und Zusammenarbeit
im Rahmen des Stabilitätspaktes sein;

8. den von der United Nations Mission Implementation in Kosovo (UNMIK)
angestrebten Aufbau von Selbstverwaltungsstrukturen im Kosovo zu unter-
stützen und dabei insbesondere sicherzustellen, dass das von der UNO zu-
gesagte Polizeikontingent durch Entsendung durch die Partnerstaaten bereit-
gestellt und UNMIK direkte Zuschüsse zu seinem Haushalt erhält, um in der
Lage zu sein, denjenigen Kosovaren, die sich für den Wiederaufbau enga-
gieren, Gehälter zahlen zu können. Insofern ist innerhalb der EU darauf hin-
zuwirken, dass nicht nur Projekte im Kosovo, sondern mit den zur Ver-
fügung gestellten Mitteln der UNMIK-Haushalt direkt finanziell unterstützt
werden kann;

9. die Teilrepublik Montenegro soweit wie möglich in die Zusammenarbeit im
Rahmen des Stabilitätspaktes einzubeziehen und auch ihr Finanzhilfen zu-
kommen zu lassen;
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

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10. im Hinblick auf den wirtschaftlichen Aufbau in der Region sicherzustellen,
dass die internationale Finanzierungskonferenz Ende März des Jahres zum
Erfolg geführt wird und dabei sicherzustellen,

– dass Projekte ausgewählt werden, die für die Region von herausragen-
der Bedeutung sind und eine nachhaltige Entwicklung befördern. Dabei
kommt grenzüberschreitenden Projekten eine besondere Bedeutung zu.
Projekte, die offensichtlich ausschließlich dem nationalen Prestige die-
nen, dürfen keine Unterstützung erfahren;

– dass die beteiligten Akteure, die Staaten und Finanzorganisationen sich
angemessen an der Finanzierung der ausgewählten Projekte beteiligen;

– dass die Vorbereitungen soweit gediehen sind, dass mit dem Finanzie-
rungsbeschluss möglichst umgehend mit der Umsetzung der Projekte
begonnen werden kann und der wirtschaftliche Aufbau für die Bevölke-
rung vor Ort sichtbar voranschreitet;

– dass wirtschaftliche Hilfe nur denen gewährt wird, welche durch koope-
rative Mitarbeit auch auf den anderen Gebieten eigene Beiträge zur Sta-
bilität leisten;

11. die nationalen Regierungen vor Ort dabei zu unterstützen, international pri-
vate Investoren für ein Engagement in der Region zu finden und internatio-
nal um private Investitionen zu werben. Im Rahmen des Stabilitätspaktes
könnten Investitionsmessen Südosteuropa vorbereitet und international
durchgeführt werden;

12. die nationalen Regierungen auch bei den nationalen Privatisierungspro-
grammen zu unterstützen. Dabei kann auf entsprechende Erfahrungen in
Deutschland und den neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa zurück-
gegriffen werden. Durch eine weitgehende Privatisierung des bislang staat-
lich dominierten Wirtschaftslebens, die Schaffung von Rechtssicherheit,
Schutz des Privateigentums sowie Einführung eines einfachen und transpa-
renten Steuersystems müssen die Länder Südosteuropas die Voraussetzung
für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung schaffen;

13. bei der Zusammenarbeit mit den Verwaltungen der einzelnen Länder bei
der Entwicklung und Durchführung von Projekten die unterschiedlich ent-
wickelte Absorptionsfähigkeit zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass
diese durch einen zu schnellen Mittelabfluss nicht überstrapaziert werden.
Es ist die Einrichtung von Länderfonds zu prüfen, in welche die Geber ihre
Mittel einzahlen, die aber nicht zwingend im jeweiligen Haushaltsjahr ver-
ausgabt werden müssen. Vielmehr sollen für die Empfängerländer Anreize
geschaffen werden, Rahmenbedingungen für eine sinnvolle Verwendung
der angebotenen Mittel schrittweise zu schaffen, ohne Sorge haben zu müs-
sen, dass ihnen dadurch Gelder verloren gehen;

14. mit allen Staaten des Stabilitätspaktes ein umfassendes Sicherheitskonzept
für Südosteuropa zu entwickeln. Abrüstung, Rüstungskontrolle, vertrau-
ensbildende Maßnahmen, Sicherheit der Grenzen und Bekämpfung der
grenzüberschreitenden Kriminalität sind hierfür wichtige Grundlagen, um
eine friedliche Entwicklung der Region gewährleisten zu können. Zudem
ist eine enge Anbindung der Region an die euroatlantischen Strukturen an-
zustreben;

15. die regionale politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit der Länder
Südosteuropas zu fördern. Den Ländern Südosteuropas ist die Perspektive
auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union eröffnet worden. Der
Weg hierzu sollte über eine verstärkte Integration und regionale Zusam-
menarbeit dieser Länder erfolgen. Die von den Mitgliedern des informellen
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– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Bündnisses „South East European Cooperation Process“(SEECP), dem
auch Griechenland als EU-Mitglied angehört, am 12. Februar d. J. unter-
zeichnete Charta für gutnachbarschaftliche Beziehungen und Zusammen-
arbeit ist in dieser Hinsicht bedeutsam;

16. auf eine effektive Koordinierung der multilateralen europäischen und bila-
teralen Hilfen zu drängen. Die internationalen Geberorganisationen sollten
in einer klaren, transparenten Struktur zusammenwirken, um eine zielge-
richtete Hilfe zu ermöglichen. Die von der Europäischen Union errichtete
Wiederaufbauagentur für Südosteuropa ist auf eine schlanke Verwaltung zu
beschränken. Zur Durchführung von Maßnahmen sollte auf die bestehen-
den und bewährten Durchführungsorganisationen zurückgegriffen werden;

17. der deutschen Öffentlichkeit und dem Deutschen Bundestag kontinuierlich
über die bilateralen Bemühungen und die Aktivitäten im Rahmen des Sta-
bilitätspaktes zu berichten.

Berlin, den 22. Februar 2000

Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

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