BT-Drucksache 14/2729

Regelung von Ansprüchen und Anwartschaften aus den Systemen der Altersversorgung der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post der DDR

Vom 17. Februar 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

17. 02. 2000

Antrag

der Abgeordneten Dr. Heidi Knake-Werner, Monika Balt, Heidemarie Lüth,
Petra Bläss, Maritta Böttcher, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS

Regelung von Ansprüchen und Anwartschaften aus den Systemen der Alters-
versorgung der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post der DDR

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn (DR) und der Deutschen Post
(DP) hatten in der DDR historisch gewachsene Ansprüche auf Altersversorgun-
gen. Im Prozess der Herstellung der Einheit Deutschlands wurden keine Rege-
lungen zur Weitergewährung der erworbenen Ansprüche und Anwartschaften
getroffen.

Die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum AAÜG-Änderungsgesetz
1996 gegebene Orientierung, die Thematik der Altersversorgung der Deutschen
Reichsbahn und der Deutschen Post im Nachgang gesondert zu verwirklichen,
weil diese Systeme nicht im Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz
(AAÜG) eingeordnet sind, ist noch offen.

Ehemalige Beschäftigte von Reichsbahn und Post haben zum einen eine Lücke
in der rentenrechtlichen Anerkennung ihrer Einkünfte nach SGB VI. Obwohl
höchstrichterlich anerkannt, weigern sich die Rentenversicherungsträger die
Urteile des Bundessozialgerichts vom 10. November 1998 (Az.: B4 RA 33/
98 R und B4 RA 32/98 R zu Reichsbahnern) und (Az: B4 RA 25/98 R; B4 RA
43/98 R zu Postlern) generell umzusetzen. Dort wird die Fehlerhaftigkeit der
bis dahin praktizierten Rentenberechnung nach § 256a SGB VI eindeutig
nachgewiesen.

Da die Rentenversicherungsträger die Entscheidungen des Bundessozialge-
richts als nicht bindend ansehen, legen sie für die Rentenberechnung der ehe-
maligen Reichsbahner und Postler nach wie vor die allgemeine Beitragsbemes-
sungsgrenze der Sozialpflichtversicherung der DDR von 600 Mark anstatt des
tatsächlichen Monatseinkommens zu Grunde.

Zum anderen berücksichtigt die gesetzliche Rente der Bundesrepublik Deutsch-
land die Versorgungsansprüche der ehemaligen Reichsbahner und Postler
nicht. Dadurch entstand eine gravierende Ungleichbehandlung in der Alters-
sicherung zu vergleichbaren Berufsgruppen bei der Deutschen Bahn und Deut-
schen Post. Sie tritt bei den Reichsbahnern besonders hervor, da mit dem Eisen-
bahnneuordnungsgesetz 1993 und der 1994 realisierten Zusammenführung der
beiden Deutschen Bahnen (Bundesbahn und Reichsbahn) zur DB AG zwar die
Altersversorgungsansprüche der Bundesbahner beispielhaft gesichert wurden,
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eine entsprechende Regelung für die Altersversorgungsansprüche für Reichs-
bahner aber immer noch aussteht.

Es ist ein Verfassungsgebot, gesetzlich zugesicherte und rechtmäßig erworbene
Ansprüche nicht erlöschen zu lassen, sondern Vertrauensschutz und Besitz-
stände zu wahren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bis spätestens 30. September 2000 eine rechtliche Regelung vorzulegen, die
folgende Vorgaben umsetzt:

– Anerkennung aller Entgeltpunkte bis zur Beitragsbemessungsgrenze als ren-
tenrechtliche Ansprüche nach SGB VI unabhängig von der Beitragszahlung

– Gewährung der rentenrechtlichen Ansprüche zur Gleichstellung der ehe-
maligen Reichsbahner und Postler gemäß SGB VI

– Schaffung von Versorgungsregelungen für die Gewährung der Ansprüche
der Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post; Basis
dafür sind die rechtlichen Regelungen der entsprechenden Versorgungs-
ordungen

– Anspruchsberechtigung rückwirkend ab 1. Juli 1990 für alle, die Ansprüche
und Anwartschaften aus den Versorgungsordnungen der DR oder der DP
erworben haben

– Finanzierung durch den Bund – dem Rechtsnachfolger des Trägers der
Altersversorgung –, da nach den Dokumenten der Deutschen Einheit die
Sondervermögen der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post Bun-
desvermögen wurden

– Einbeziehung der ehemaligen Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn mit
Wohnsitz im ehemaligen Berlin (West)

Organisation

Die Realisierung der Gewährung der Ansprüche und Anwartschaften ist zweck-
mäßigerweise dem Versicherungsträger Bahnversicherungsanstalt (BVA) zu
übertragen. Für die DP sollte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in
Abstimmung mit den Landesversicherungsanstalten die Umsetzung bewerk-
stelligen.

Berlin, den 17. Februar 2000

Dr. Heidi Knake-Werner
Monika Balt
Heidemarie Lüth
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
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Begründung

Anerkennung der Einkünfte

Die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post hatten
nach der „Verordnung über die Rechte und Pflichten der Eisenbahner…“ vom
18. Oktober 1956 bzw. nach der „Versorgungsordnung der Deutschen Post“
vom 8. November 1960 Anspruch auf eine zusätzliche Altersversorgung ohne
besondere Beitragsleistung über die 600 Mark sozialversicherungspflichtiges
Einkommen hinaus. Die Höhe dieser Altersversorgungen entsprach vergleich-
baren Leistungen aus der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR vom
10. Februar 1971), für die bis 1 200 Mark Beiträge gezahlt wurden. Erst ab
1. Januar 1974 wurden für die Angehörigen der Deutschen Reichsbahn bzw.
der Deutschen Post Regelungen getroffen, die einen gleichzeitigen Eintritt in
die FZR und Beiträge für Einkommen über 600 DM hinaus sinnvoll machten.
Damit ist es gerechtfertigt, für alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner und alle
Postlerinnen und Postler bei entsprechendem Gehalt eine Beitragszahlung bis
1 200 Mark auch ohne Beitritt zur FZR der Rentenberechnung zu Grunde zu le-
gen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass für die entsprechenden Ansprüche
Beitragszahlungen von den Unternehmen Deutsche Reichsbahn und Deutsche
Post geleistet wurden.

Wie bei der Deutschen Reichsbahn und Deutschen Post gab es auch bei den
Anspruchsberechtigungen auf Alters- und Invalidenrenten eine Übergangszeit.
Erst zum 1. Januar 1978 wurde geregelt, dass diese Personen der FZR nicht bei-
treten konnten und folglich zur Beitragszahlung nicht verpflichtet waren. We-
gen des gesicherten Anspruchs haben diese Personen in der Regel auch vorher
(1. März 1971 bis 31. Dezember 1977) neben den Beiträgen zur Sozialver-
sicherung keine Beiträge zur FZR gezahlt.

Anerkennung der Versorgungsansprüche

Der garantierte Anspruch auf Altersversorgung lag bis zum 1,8fachen höher als
die allgemeine Sozialversichertenrente. Durch die Aufhebung des Beamtensta-
tus in der DDR wurden die Altersbezüge der DR und der DP nicht als Pension,
sondern als „erhöhte Sozialversicherung“ betitelt.

Mit der Eisenbahnerverordnung von 1973 wurden Voraussetzungen zum mög-
lichen Beitritt zur FZR zusätzlich zum Versorgungsanteil der Altersversorgung
(AV) der DR geschaffen. Modifiziert wurden die Bewertungskriterien, die pro-
zentualen Anteile zur Bestimmung der Altersversorgung. Der Versorgungsan-
teil wurde von nun an bestimmt durch einen Steigerungssatz von 1,5 Prozent
pro Dienstjahr unter Nutzung der Verfahrensregelungen der Sozialversiche-
rung.

Subjektiv geprägte Begriffe, die die AV DR zum einen als Versorgungssystem
definieren, zum anderen als erhöhte Sozialpflichtversicherung werten, haben
dazu beigetragen zu verhindern, eine Regelung zu treffen, die der historisch
gleichen Entwicklung und ähnlichen Struktur der Alterssicherung der Deut-
schen Bundesbahn entspricht. Ähnliches trifft für die Versorgungsansprüche
der Beschäftigten der DP zu.

Charakteristika der Altersversorgung der Reichsbahner/Reichsbahnerinnen und
der Gesamtversorgung der Bundesbahner/Bundesbahnerinnen sind, historisch
begründet, das Umlageverfahren zur Finanzierung, die Abhängigkeit der Ver-
sorgungsleistungen von den erreichten Dienstjahren sowie das Vertrauen auf
die gesetzlich garantierte Altersversorgung, die auf einem günstigen Verhältnis
zwischen Versorgungszusage und Lohnverzicht basiert.
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Das Bundeseisenbahnvermögen für die finanzielle Sicherung einzusetzen er-
gibt sich aus dem Gleichbehandlungsprinzip für Ost und West.

Zur Vermeidung zusätzlichen Verwaltungsaufwandes könnten folgende Alter-
nativen zur Ermittlung und Gewährung der Versorgungsansprüche geprüft
werden:

1. Die Verwendung eines Faktors, mit dem die Entgeltpunkte der zurückgeleg-
ten Dienstjahre hochgerechnet werden, wobei die sich ergebende Differenz
zur Rente gemäß dem SGB VI ebenfalls aus dem Bundeseisenbahnvermö-
gen finanziert wird. Für die Bahn wurde ein gemittelter Faktor von 1,22 be-
rechnet, für die Post stehen derartige Berechnungen noch aus.

2. Die Gewährung einer Abfindung, die sich bei den Reichsbahnern/Reichs-
bahnerinnen gründet auf den für 45 Dienstjahre berechneten maximalen An-
spruch (auf Basis von durchschnittlich 16 Ruhestandsjahren) in Höhe von
65 TDM, bei 25 Dienstjahren, der häufigsten Anspruchsberechtigung, in
Höhe von 36 TDM.

Unerreicht bleiben wird eine berufsbezogene Gleichstellung von Eisenbah-
nern/Eisenbahnerinnen und Postlern/Postlerinnen Ost und West, angestrebt
wird aber eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Gewährung rechtmäßig
erworbener Ansprüche aus der Altersversorgung.

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