Vom 10. Februar 2000
Deutscher Bundestag
Drucksache
14/
2680
14. Wahlperiode
10. 02. 2000
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS
Umgang mit NS-Akten und Anfragen von NS-Opfern und
Historikern beim Internationalen Suchdienst Bad Arolsen
Im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Entschädigung von NS-
Zwangsarbeit wird auch der „Internationale Suchdienst“ (ISD) in Bad Arolsen
in der Presse genannt. Der ISD soll 1943 von den Westalliierten gegründet wor-
den sein, seit 1955 vom Internationalen Roten Kreuz geleitet und von der Bun-
desrepublik Deutschland f nanziert werden. Kontrolliert werden soll die Arbeit
des ISD von einem 10-Länder-Ausschuss.
In Bad Arolsen sollen 47 Millionen Einzelinformationen von etwa 17 Millionen
Häftlingen aus Konzentrationslagern und Zwangsarbeitern gelagert sein – Ar-
beitsbücher, Firmenlisten, Krankenscheine, T otenbücher, Häftlingslisten, Be-
scheinigungen von Gemeindeverwaltungen und Standesämtern sowie persönli-
che Gegenstände der Opfer . Auf Recherchen des ISD bzw . seiner
Vorläuferorganisation ITS sollen u. a. auch die zurzeit in der Öffentlichkeit kur-
sierenden Listen über deutsche Firmen, die Zwangsarbeiter ausbeuteten, zurück-
gehen.
Nach Berichten müssen NS-Opfer , die sich mit Anfragen an den Suchdienst
wenden, derzeit drei bis dreieinhalb Jahre warten, bis sie eine Antwort erhalten,
450 000 unbearbeitete Anfragen sollen zurzeit beim Suchdienst liegen (lt. DER
SPIEGEL 4/2000). Das lässt eine völlig unzureichende Ausstattung des ISD
mit Personal und Sachmitteln vermuten.
Auch Leiter von KZ-Gedenkstätten haben die schleppende Bearbeitung von
Anfragen in Bad Arolsen schon mehrfach kritisiert. Historiker beschweren
sich, dass Material des ISD für die historische Forschung weitgehend gesperrt
ist. Auch dies deutet darauf hin, dass der ISD für seine Aufgaben nicht genü-
gend ausgestattet ist.
Der Leiter des ISD hat nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zei-
tung“ vom 2. Februar 2000 erklärt, bei Anträgen auf Entschädigung für NS-
Zwangsarbeit führe „an uns … kein W eg vorbei“. Sollten die oben genannten
Bearbeitungszeiten im ISD zutref fen, droht damit die Gefahr einer weiteren
Verzögerung der Entschädigungszahlungen für NS-Zwangsarbeiter infolge un-
zureichender Ausstattung und Ausrüstung des ISD.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann und mit welchem Auftrag wurde der ISD gegründet?
Wer kontrolliert und finanziert die Arbeit des ISD heute
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2. Wie erklärt es die Bundesregierung, dass über 55 Jahre nach Kriegsende die
Akten von 17 Millionen NS-Opfern of fenbar noch immer nicht systemati-
siert, auf Datenträgern erfasst und jederzeit abrufbar sind?
Welche Schritte will die Bundesregierung in personeller und f nanzieller
Hinsicht ergreifen, um diesen unhaltbaren Zustand abzustellen?
3. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Archive des ISD
selbst heute noch für die historische Forschung gesperrt sind?
Wenn ja, wann will die Bundesregierung darauf hinwirken, dass dieser Zu-
stand durch eine Erweiterung der Aufgabenstellung des ISD und entspre-
chende Ausstattung des Suchdienstes abgestellt wird?
Wenn nein, auf welche Weise werden die Archive des ISD und die dort do-
kumentierten Schicksale von KZ-Häftlingen und NS-Zwangsarbeitern für
die historische Forschung erschlossen?
4. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass derzeit über 450 000
Anfragen von NS-Opfern unerledigt in Bad Arolsen liegen und ihre Bearbei-
tung im Schnitt drei bis dreieinhalb Jahre dauert?
Wenn nein, wie lange dauert die Bearbeitung solcher Anfragen zurzeit und
wie viele unerledigte Anfragen liegen in Bad Arolsen zurzeit vor?
Wenn ja, welche Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um diesen Zu-
stand zu beenden, für eine rasche Bearbeitung der Anfragen zu sorgen und
sicherzustellen, dass die NS-Opfer die benötigten Unterlagen für ihre An-
träge auf Entschädigung für geleistete Zwangsarbeit ohne Verzug erhalten?
Berlin, den 3. Februar 2000
Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion