BT-Drucksache 14/2581

"Terroristengesetze": § 129a StGB, §§ 148 Abs.2 und 148 a StPO und §§ 31 ff. EGGVG

Vom 24. Januar 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

24. 01. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

„Terroristengesetze“: § 129a StGB, § 148 Abs. 2 und § 148a StPO
und §§ 31 ff. EGGVG

Am 18. August 1976 wurde § 129a StGB in das Strafgesetzbuch und § 148
Abs. 2 und § 148a StPO in die Strafprozessordnung eingefügt. Diese Sonderge-
setze für die Bekämpfung des Terrorismus waren von Anfang an umstritten.
Mittlerweile wird ihre Berechtigung immer häufiger infrage gestellt. Seit
„Mitte der 80er Jahre wurde kein RAF-Attentat mehr aufgeklärt“ (Tagesspiegel
3. September 1999).

Der letzte Prozess, der für die 90er Jahre die Existenz einer „terroristischen
Vereinigung“ nachweisen sollte, ist im Herbst vergangenen Jahres in diesem
Punkt erfolglos zu Ende gegangen. Die Anklage wegen Mitgliedschaft in einer
„terroristischen Vereinigung“ gegen zwei Personen, denen die Gründung der
Antiimperialistischen Zellen (AIZ) zur Last gelegt wurde, musste fallen gelas-
sen werden, da zu einer „terroristischen Vereinigung“ mindestens drei Personen
gehören müssen (vgl. Süddeutsche Zeitung 4. August 1999, Frankfurter Allge-
meine Zeitung 11. August 1999, Tagesspiegel 3. September 1999).

Selbst die Revolutionären Zellen (RZ) sollen schon seit Jahren nicht mehr exis-
tieren. „Intern gehen Sicherheitsbehörden davon aus, dass die <Zellen> sich
1992 aufgelöst haben.“ (Tagesspiegel 20. Dezember 1999). Trotz dieser Ein-
schätzung wurden am 19. Dezember 1999 drei Personen unter dem Verdacht
der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ verhaftet. Am glei-
chen Tag fand eine Durchsuchung der „Gebäude des <MehringHofes> in Ber-
lin-Kreuzberg nach Waffen und Sprengstoff“ statt. Die letzte Straftat, die den
Revolutionären Zellen zugeordnet wird, liegt über ein Jahrzehnt zurück. Sämt-
liche Straftaten wären ohne den § 129a StGB längst verjährt.

Auch die Einschränkung der Verteidigerrechte und die Einzelhaft für Gefan-
gene sind seit ihrer Einführung immer wieder kritisiert worden. Anfang des
Jahres haben erneut sämtliche Strafverteidigervereine Deutschlands in einer
gemeinsamen Stellungnahme die Abschaffung des § 148 Abs. 2 und § 148a
StPO und der §§ 31 ff. EGGVG (Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungs-
gesetz) verlangt. „Die deutschen Strafverteidiger haben schon frühzeitig immer
wieder in vielfältiger Weise darauf aufmerksam gemacht, dass die erwähnten
Vorschriften keine Rechtfertigung mehr finden. Nach Ansicht der Strafverteidi-
ger besteht die Notwendigkeit einer Korrektur der 1976 politisch motivierten
Einführung dieser Vorschriften, die eine effektive Strafverteidigung in ihren
Grundfesten beeinträchtigt.“ (Pressemitteilung Nr. 1/2000 des Deutschen An-
waltvereins vom 13. Januar 2000).
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Unter der Isolationshaft muss derzeit vor allem eine Gruppe türkischer und kur-
discher Aktivisten der DHKP-C leiden. Obwohl gegen einen Beschuldigten
„der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eingestellt
worden war“, sind „alle Versuche der Verteidigung, die strenge Einzelhaft nach
mehr als einem Jahr gelockert zu bekommen“ vom Senatsvorsitzenden abge-
lehnt worden (vgl. Pressemitteilung Nr. 5 der Verteidigung im Prozess gegen
DHKP-C-Anhänger I.Y. vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Ober-
landgerichts Hamburg, 18. Januar 2000). Darin heißt es weiter: „Wie amnesty
international bereits in den Jahresberichten 1980 bis 1982 ausgeführt (hat) und
(wie) vor dem UN-Menschenrechtsausschuss 1986 festgestellt wurde, erfüllten
die damals praktizierten Isolations-Haftbedingungen in 129a-Verfahren die in-
ternational anerkannte Definition des Tatbestands der Folter.“ Gegen diese
Haftbedingungen befinden sich derzeit 15 türkische und kurdische Häftlinge im
Hungerstreik.

Von allen seit 1976 eingeführten Sonderbestimmungen ist lediglich die Kron-
zeugenregelung Ende des Jahres 1999 ausgelaufen. Ein Sprecher des Wiesba-
dener Kriminalamtes musste einräumen, „im Bereich des Terrorismus sei durch
die Regelung nicht eine Tat aufgeklärt, nicht ein Täter überführt worden. Auch
im Zusammenhang mit OK sei ihm kein spektakulärer Erfolg für die Sicher-
heitsbehörden bekannt. <Polizeilich hat uns die Kronzeugenregelung nicht viel
gebracht>.“ (Rheinische Post 16. November 1999)

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wie viele Menschen sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit we-
gen des Verdachtes der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereini-
gung (§ 129a StGB) in Untersuchungshaft und wie lange sind sie schon
dort?

b) Gegen wie viele dieser Personen wäre ohne den § 129a StGB keine An-
klage erhoben worden, da ihnen entweder keine weiteren Straftaten vor-
zuwerfen sind oder diese bereits verjährt sind?

2. a) Wie viele Menschen sind derzeit wegen der Mitgliedschaft in einer terro-
ristischen Vereinigung rechtskräftig verurteilt, wie lange sind ihre Haft-
strafen insgesamt und wie lange sind die Reststrafen zum jetzigen Zeit-
punkt (bitte einzeln aufführen)?

b) Wie viele dieser Personen wären ohne den § 129a StGB bereits aus der
Haft entlassen, da ihnen entweder keine weiteren Straftaten nachgewie-
sen werden konnten oder diese bereits verjährt sind?

3. Wieviele der Inhaftierten unterliegen den verschärften Haftbedingungen

– der Einzelhaft,

– der Trennscheibe,

– der richterlichen Kontrolle der Verteidigerpost?

4. Wie viele der nach § 129a StGB Inhaftierten sind von den verschärften Haft-
bedingungen ausgenommen und warum?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung, eine Abschaffung des § 129a StGB, des
§ 148 Abs. 2, § 148a StPO und der §§ 31 ff. EGGVG herbeizuführen und
wenn nein, warum nicht?
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6. Wie sieht die strafrechtliche Praxis auf der Grundlage des § 129a StGB seit
1976 aus?

a) Gegen wie viele Personen ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wor-
den?

b) Wie viele Durchsuchungen sind durchgeführt worden?

c) Wie viele Personen wurden in Untersuchungshaft genommen?

d) Wie viele Personen wurden strafrechtlich verurteilt?

(Bitte nach Jahren einzeln aufführen)

7. Wie viele Personendaten sind im Zusammenhang mit Ermittlungen nach
§ 129a StGB gespeichert worden, wo und wie lange sind sie gespeichert
worden und wann wurden oder werden sie gelöscht?

8. Wie sieht die strafrechtliche Praxis der Kronzeugenregelung seit 1989 aus:

a) In wie vielen Fällen wurden Inhaftierten Angebote gemacht, nach der
Kronzeugenregelung auszusagen?

b) Wie viele Personen haben diese Angebote angenommen?

d) Wie viele Aussagen von Kronzeugen stellten sich im Verlauf des Verfah-
rens als unzuverlässig heraus?

c) Wie viele Verurteilungen gab es aufgrund der Aussagen von Kronzeu-
gen?

e) Wie viele dieser Verurteilungen mussten zu einem späteren Zeitpunkt
wieder revidiert werden, weil sich die Aussagen als unzureichend oder
falsch herausstellten?

9. In wie vielen laufenden Verfahren wird nach Kenntnis der Bundesregierung
derzeit die Kronzeugenregelung, die zum 31. Dezember 1999 ausgelaufen
ist, noch angewandt?

Berlin, den 21. Januar 2000

Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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