BT-Drucksache 14/2551

Bahnreform und Eisenbahnpolitik

Vom 19. Januar 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2551
14. Wahlperiode 19. 01. 2000

Große Anfrage
der Abgeordneten Karin Rehbock-Zureich, Angelika Mertens, Hans-Günter
Bruckmann, Dr. Peter Danckert, Annette Faße, Norbert Formanski, Iris Gleicke,
Angelika Graf (Rosenheim), Klaus Hasenfratz, Gustav Herzog, Reinhold Hiller
(Lübeck), Gabriele Iwersen, Hans-Peter Kemper, Konrad Kunick, Dr. Christine
Lucyga, Dieter Maaß (Herne), Heide Mattischeck, Günter Oesinghaus, Gerhard
Rübenkönig, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Wieland Sorge, Wolfgang Spanier,
Rita Streb-Hesse, Uta Titze-Stecher, Reinhard Weis (Stendal), Dr. Peter Struck
und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen),
Franziska Eichstädt-Bohlig, Winfried Hermann, Helmut Wilhelm (Amberg),
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bahnreform und Eisenbahnpolitik

Im Dezember 1993 hat der Deutsche Bundestag die Gesetze für die Bahn-
reform verabschiedet und damit entscheidende Rahmenbedingungen für eine
leistungsfähige Eisenbahn in Deutschland gesetzt. Die zweite Stufe der Bahn-
reform wurde durch Gründung der fünf Aktiengesellschaften (DB Reise &
Touristik AG, DB Regio AG, DB Cargo AG, DB Netz AG, DB Station und
Service AG) unter dem Dach der DB-Holding im Laufe des Jahres 1999 reali-
siert.

Die Bahn leidet nach wie vor unter Wettbewerbsnachteilen vor allem im Ver-
hältnis zur Straße, aber auch zur Luft und angesichts unterschiedlicher Rah-
menbedingungen in Europa.

Als eine der wesentlichen verkehrspolitischen Aufgaben der neuen Bundesre-
gierung wurde nach dem Regierungswechsel in der Koalitionsvereinbarung
vom 20. Oktober 1998 ausdrücklich vorgesehen, dass die Bahnreform zum
Erfolg geführt werden muss, und hervorgehoben, dass hierfür der Abbau der
bestehenden Wettbewerbsverzerrungen auch im Hinblick auf das Ziel, den Kli-
maschutz zu verbessern, unerlässlich ist. Dies entspricht auch dem im Allge-
meinen Eisenbahngesetz festgeschriebenen Auftrag an die Bundesregierung
und die Länder, auf einen lauteren Wettbewerb der Verkehrsträger hinzuwirken.

Sechs Jahre nach Verabschiedung der Bahnreform ist es an der Zeit, Bilanz zu
ziehen.

Drucksache 14/2551 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen daher die Bundesregierung:

I. Grundlagen zur Eisenbahnpolitik

1. Wie haben sich bei der Deutschen Bahn AG in den Jahren seit der Bahn-
reform die wirtschaftlichen Eckdaten weiterentwickelt (Jahr für Jahr), ins-
besondere

a) Entwicklung des Streckennetzes (Aus- und Neubaustrecken, Stilllegun-
gen),

b) Umsatz- und Verkehrsleistungen in den Bereichen Personenfernverkehr,
Personennahverkehr, Güterverkehr einschließlich Kombinierter Verkehr,

c) Anteil am modal split aller Verkehrsträger,

d) Mitarbeiterbestand?

2. Hält die Bundesregierung nach Bildung der DB-Holding gegenwärtig Re-
strukturierungsmaßnahmen für erforderlich, damit das Unternehmen sich
im nationalen und internationalen Wettbewerb behaupten kann, und wenn
ja, welche?

3. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu Forderungen, die gegen-
wärtige Konzernstruktur zu verändern?

4. Wie vereinbart die Bundesregierung den am Gemeinwohl orientierten Ver-
fassungsauftrag des Bundes mit den unternehmerischen Vorstellungen und
betriebswirtschaftlich ausgerichteten Netz- und Angebotsplanungen der
Deutschen Bahn AG?

5. Welche Wettbewerbsnachteile ergeben sich für die Deutsche Bahn AG in-
folge der unterschiedlichen Treibstoffbesteuerung für Schiene, Luftfahrt
und Schifffahrt und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung hier-
aus?

6. Welche weiteren Wettbewerbsnachteile sieht die Bundesregierung und wel-
che Maßnahmen hält sie für erforderlich, um Chancengleichheit für die
Bahn im Wettbewerb auf dem Verkehrsmarkt herzustellen?

7. Hält die Bundesregierung es für vorstellbar, die Aufgabenzuweisung an das
Eisenbahn-Bundesamt im Hinblick auf dessen Überwachungsbefugnisse in
Wettbewerbsfragen zu verändern?

8. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für erforderlich, um einen
fairen Wettbewerb mehrerer Schienenanbieter zu gewährleisten und uner-
wünschte Effekte eines Netzmonopols auszuschließen?

9. Wie viele Wettbewerber operieren seit der Netzöffnung auf dem Schienen-
netz der Deutschen Bahn AG, wie viele davon aus anderen EU-Staaten und
wie hoch ist ihr Marktanteil in den Bereichen Personennahverkehr, Perso-
nenfernverkehr sowie Güterverkehr?

10. Wie viele und welche Strecken wurden für den Personennahverkehr ausge-
schrieben und auf welchen Strecken operiert die DB Netz AG?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Erfahrungen mit dem
durch die Bahnreform ermöglichten Wettbewerb auf der Schiene?

12. Welche Streitfälle sind anhängig, die sich gegen die Höhe der Trassen-
preise und Benachteiligung beim Netzzugang richten?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die gegenwärtig erhobenen Forderun-
gen, das Schienennetz aus der DB-Holding auszugliedern und welche Fol-
gerungen wird sie hieraus ziehen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/2551

II. Europäische Aspekte

14. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung hinsichtlich der Schaffung
geeigneter politischer Rahmenbedingungen in der EU zur Sicherung des
Wirtschaftsstandortes Deutschland sowie zur Sicherung des Wirtschaftser-
gebnisses der Deutschen Bahn AG im Hinblick auf die Nutzungsentgelte in
anderen EU-Mitgliedstaaten, die zum Teil nur die Grenzkosten decken?

15. Wie erfolgt die Finanzierung der Schieneninfrastruktur in den Mitglied-
staaten der EU und welche durchschnittliche Höhe haben die Trassenpreise
in anderen EU-Mitgliedstaaten im Vergleich mit Deutschland?

16. Inwieweit unterscheidet sich staatliche Förderung der Schiene in Deutsch-
land und in den übrigen EU-Mitgliedstaaten und welche Konsequenzen
sind zur Sicherung eines fairen Wettbewerbs zu ziehen?

17. Welches sind die wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der Besteuerung
bzw. Steuerbefreiung (unter anderem bei der Mehrwertsteuer und Energie-
besteuerung) bei den europäischen Eisenbahnunternehmen?

18. In welchem Umfang ergeben sich auf Grund fehlender Harmonisierung in-
nerhalb der EU Wettbewerbsnachteile für die Deutsche Bahn AG?

19. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung in nächster Zeit im Rah-
men der europäischen Verkehrspolitik, um abgestimmte Planungen und
ausgewogene Förderung aus EU-Fonds für europäische Eisenbahnachsen
voranzubringen und damit die Attraktivität des grenzüberschreitenden
Schienenverkehrs zu steigern?

20. Was unternimmt die Bundesregierung auf politischer Ebene, um die
Kompatibilität unterschiedlicher eisenbahntechnischer Systeme in Europa
rascher als bislang herzustellen, um damit die Reisezeiten infolge des
Wegfalls von technisch bedingten Grenzaufenthalten zu verkürzen?

21. Welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, damit ständig zu-
nehmende internationale Warenströme zu einem angemessenen Anteil auf
der Schiene abgewickelt werden und nicht einseitig das Straßennetz belas-
ten?

III. Perspektiven

22. Welche Akzente wird die Bundesregierung mittel- und langfristig setzen
bei der Fortführung der nationalen Investitionsplanung für ein modernes
nutzerfreundliches Schienennetz?

23. Wird die Bundesregierung das Schwergewicht auf den Bau weiterer
Schnellstrecken legen oder einer Ertüchtigung des bestehenden Netzes den
Vorrang geben?

24. Hat die Bundesregierung die Absicht, betriebliche Vorschriften der Eisen-
bahn zu vereinfachen, und wenn ja, welche?

25. Wie beurteilt die Bundesregierung die weitere Personalentwicklung bei
der Deutschen Bahn AG in Bezug auf den Zusammenhalt („Corporate
Identity“) im Unternehmen, die Qualität und Sicherheit des Eisenbahn-
betriebes?

26. Wie beurteilt die Bundesregierung Überlegungen, Vorruhestandsregelun-
gen für Eisenbahner zu verlängern?

27. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung für den Schienenpersonen-
nahverkehr im Hinblick auf die Fortschreibung des Regionalisierungsge-
setzes?

Drucksache 14/2551 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
28. Wurde die im Bundesschienenwegeausbaugesetz – BSchwAG – § 8 Abs. 2
festgelegte Nahverkehrsquote von 20 vom Hundert für Nahverkehrsvorha-
ben bisher tatsächlich ausgeschöpft, und wie werden sich voraussichtlich
die Regionalisierungsmittel weiterentwickeln?

29. Wie steht die Bundesregierung zum Ausbau von Nahverkehrsstrecken und
den hierfür geeigneten Finanzierungsinstrumenten wie Baukostenzuschüs-
sen oder zinslosen Darlehen und hält sie eine Umwandlung mindestens ei-
nes Anteils dieser Quote in Baukostenzuschüsse für vorstellbar für einen
beschleunigten zweckgebundenen Mittelabfluss?

30. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für eine Erhöhung der
Marktanteile der Schiene am Güterverkehr?

31. Reichen nach Ansicht der Bundesregierung die Vereinbarungen für ein
Kernnetz des Kombinierten Verkehrs aus oder welche weiteren Schritte
hält sie für erforderlich für eine sinnvolle Kooperation der Verkehrsträger?

32. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, um privates Kapital zu-
sätzlich für die Eigenkapitalbildung bei der Deutschen Bahn AG zu mobili-
sieren?

Berlin, den 19. Januar 2000

Karin Rehbock-Zureich Günter Oesinghaus
Angelika Mertens Gerhard Rübenkönig
Hans-Günter Bruckmann Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Dr. Peter Danckert Wieland Sorge
Annette Faße Wolfgang Spanier
Norbert Formanski Rita Streb-Hesse
Iris Gleicke Uta Titze-Stecher
Angelika Graf (Rosenheim) Reinhard Weis (Stendal)
Klaus Hasenfratz Dr. Peter Struck und Fraktion
Gustav Herzog
Reinhold Hiller (Lübeck)
Gabriele Iwersen Albert Schmidt (Hitzhofen)
Hans-Peter Kemper Franziska Eichstädt-Bohlig
Konrad Kunick Winfried Hermann
Dr. Christine Lucyga Helmut Wilhelm (Amberg)
Dieter Maaß (Herne) Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion
Heide Mattischeck

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