BT-Drucksache 14/2521

Vorbereitung auf neue Herausforderungen an Deutschlands Sicherheitspolitik- Stärkung des Friedens- und Konfliktforschung als Teil der politikberatenden Forschung

Vom 18. Januar 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2521

14. Wahlperiode

18. 01. 2000

Antrag

der Abgeordneten Werner Lensing, Eckart von Klaeden, Dr. Andreas Schockenhoff,
Ilse Aigner, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen),
Norbert Hauser (Bonn), Dr.-Ing. Rainer Jork, Erich Maaß (Wilhelmshaven),
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Thomas Rachel, Dr.-Ing. Joachim Schmidt
(Halsbrücke), Dr. Erika Schuchardt, Bärbel Sothmann, Angelika Volquartz,
Heinz Wiese (Ehingen) und der Fraktion der CDU/CSU

Vorbereitung auf neue Herausforderungen an Deutschlands
Sicherheitspolitik – Stärkung der Friedens- und Konfliktforschung als
Teil der politikberatenden Forschung

Der Bundestag wolle beschließen:

Am Beginn des 21. Jahrhunderts ist Deutschland gemeinsam mit seinen atlanti-
schen und europäischen Partnern mit einer Vielzahl von neuen sicherheitspoliti-
schen Herausforderungen konfrontiert. Die Aufgaben der deutschen wie der atlan-
tischen Sicherheitspolitik haben sich geografisch wie funktional verändert. Die
Nordatlantische Allianz und die Europäische Union haben in den zurückliegenden
Jahren die Anpassung an die sich gewandelten Bedingungen vollzogen. Sicherheit
kann heute nicht mehr allein über einen territorial definierten Raum und aus-
schließlich militärisch bestimmt werden. Ein erweiterter Sicherheitsbegriff um-
fasst darüber hinaus Fragen der politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und
sozialen Stabilität. Die weltweite Zunahme von Krisen und Konflikten, die sich in
Form von Bürgerkriegen und von Armut, von Umweltkatastrophen und von
grenzüberschreitenden Flüchtlingsbewegungen äußern, ist äußerst besorgniser-
regend. Ungünstige wirtschaftliche und soziale Bedingungen, ethnische und reli-
giöse Gegensätze sowie innerstaatliche Auseinandersetzungen sind in zunehmen-
dem Maße Konfliktursachen geworden. Aufgrund dieser Entwicklungen kommt
dem Stabilitätstransfer, der Krisenvorsorge und der Konfliktprävention in Zukunft
eine immer größere Bedeutung zu. Nur gemeinsam und mit enger internationaler
Abstimmung und partnerschaftlicher Kooperation lassen sich die vor uns liegen-
den Aufgaben meistern. Deutschland muss vor diesem Hintergrund einen sicht-
baren konzeptionellen und praktischen Beitrag zur Stabilität in Europa leisten.
Deshalb ist es geboten, dass Deutschland seine sicherheitspolitischen Ziele und
Wege neu definiert, seine Instrumente überprüft und, wo nötig, an die neue Lage
anpasst. Sicherheitspolitische Herausforderungen dürfen dabei nicht isoliert
betrachtet werden, sondern sind in einem gesamtstrategischen Zusammenhang zu
sehen. Es geht deshalb darum, eine nationale Gesamtstrategie ressortübergreifend
zu entwickeln und dabei in stärkerem Maße als bisher auf die externe Expertise
von außeruniversitären Forschungsinstituten wie der Stiftung Wissenschaft und
Politik, dem Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien
und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zurückzugreifen.
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
In der von der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag beschlossenen
Neuformierung der politikberatenden Forschung, wie sie in den gemeinsamen
Leitlinien und dem Beschluss, die Stiftung Wissenschaft und Politik mit dem Bun-
desinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien in Berlin unter
einem Dach zu vereinen, zum Ausdruck gekommen ist, besteht bereits eine gute
institutionelle Grundlage, um eine Vertiefung der Friedens- und Konflikt-
forschung zu ermöglichen. Die geplante Deutsche Stiftung Friedensforschung ist
deshalb nicht erforderlich. Sie würde darüber hinaus die bislang von der Bundes-
regierung verfolgten Bemühungen um Bündelung der außeruniversitären Exper-
tise konterkarieren.

Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit der Neuformierung der politik-
beratenden Forschung in Berlin, d. h. mit dem bevorstehenden Umzug der Stif-
tung Wissenschaft und Politik und des Bundesinstituts für Ostwissenschaftliche
und Internationale Studien nach Berlin und der Zusammenlegung der beiden Insti-
tutionen, ein tieferes Verständnis für die Bedeutung und Förderung der außer-
universitären Politikberatung vermissen lassen. Die Erhöhung der Mittel zur För-
derung der Friedens- und Konfliktforschung im Etat des Ministeriums für Bildung
und Forschung im Zusammenhang mit der geplanten Deutschen Stiftung Frie-
densforschung steht im Gegensatz zu der rigiden Politik, mit der auch im Bundes-
haushalt 2000 die Mittel für die Stiftung Wissenschaft und Politik sowie Zu-
schüsse zur Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik auf Vorjahresniveau
eingefroren und eine zukunftgerichtete Personalplanung verhindert wurde.

Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,

– den Versuchungen einer einseitigen Klientelpflege eine konsequente Absage zu
erteilen und mit Blick auf eine nationale Gesamtstrategie Friedens- und Kon-
fliktforschung als Teil des Aufgabenprofils des integrierten Berliner Instituts
von Stiftung Wissenschaft und Politik und Bundesinstitut für Ostwissenschaft-
liche und Internationale Studien – in engem fachlichen Austausch mit den auf
dem Gebiet der Friedens- und Konfliktforschung tätigen Instituten, darunter
die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, das Institut für Frie-
densforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg, die Forschungsstelle der
Evangelischen Studiengemeinschaft, das Institut für Theologie und Frieden
(Barsbüttel) – zu stärken;

– die Schaffung neuer, bürokratischer Strukturen zu vermeiden und deshalb von
der Gründung einer Deutschen Stiftung für Friedensforschung abzusehen und
die dafür im Bundesministerium für Bildung und Forschung vorgesehenen Mit-
tel dem neuen, aus der Stiftung Wissenschaft und Politik und dem Bundesinsti-
tut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien hervorgehenden Institut
zu übertragen;

– in enger Kooperation mit Administration und Parlament die Grundlagen für
eine praxisorientierte politikberatende Forschung zu verbessern und den gegen-
seitigen Austausch zu fördern;

– bei der Verwendung der Mittel darauf zu achten, einen Teil der Förderung der
gezielten nachuniversitären Ausbildung zugute kommen zu lassen, um dem ge-
stiegenen Bedarf an deutschem Personal Rechnung zu tragen, das im Rahmen
der Arbeit der internationalen Organisationen mit außen- und sicherheitspoliti-
schem Profil eingesetzt werden kann.

Berlin, den 17. Januar 2000

Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

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