BT-Drucksache 14/2336

Keine Hermesbürgschaften für den Ilsisu-Staudamm in der Türkei

Vom 13. Dezember 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2336
14. Wahlperiode 13. 12. 99

Antrag
der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Eva-Maria Bulling-Schröter, Carsten Hübner,
Rolf Kutzmutz, Ulla Jelpke, Ursula Lötzer, Dr. Gregor Gysi
und der Fraktion der PDS

Keine Hermesbürgschaften für den Ilisu-Staudamm in der Türkei

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Großstaudamm-Projekte stehen gerade aufgrund der negativen ökologischen
und gesundheitlichen Folgen (Versalzung der Böden, Ausbreitung von
Malaria) seit Jahren im Kreuzfeuer der Kritik. Dies wurde besonders deut-
lich am Beispiel des Drei-Schluchten-Staudamms in der VR China und des
Arun-Staudammprojektes in Nepal. Im letzteren Fall zogen die Bundes-
regierung und die Weltbank ihre vorausgegangene Unterstützung aufgrund
der massiven Kritik zurück.

2. Zwischenzeitlich gibt es mit dem geplanten Ilisu-Staudamm in der Türkei
ein weiteres ökologisch und politisch umstrittenes Staudammprojekt. Mit
diesem soll der Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und dem Irak aufge-
staut werden. Die ökologischen und sozialen Folgen des Projektes sind
unabsehbar. Auch die Kosten in Höhe von 1,52 Mrd. US-Dollar scheinen die
türkischen Finanzierungsmöglichkeiten aufgrund der hohen Binnenver-
schuldung des Landes zu sprengen.

3. Das Projekt liegt in der südostanatolischen Bürgerkriegsregion, in der die
türkische Regierung keine Rücksicht auf Menschenrechte kennt. Der Stau-
damm wird 52 Dörfer und 15 Kleinstädte unter Wasser setzen. Die genaue
Zahl der Betroffenen wurde jedoch nicht erhoben; Konsultationen mit ihnen
hat es nicht gegeben. Eine Beteiligung der kurdischen Bevölkerung am Pla-
nungsprozess ist angesichts des Krieges gegen die kurdische Bevölkerung
nicht zu erwarten.Unter den Orten, die in den Fluten verschwinden sollen,
befindet sich Hasankeyf, die einzige Stadt in Anatolien, die vollständig aus
dem Mittelalter erhalten geblieben ist und ein einzigartiges Kulturdenkmal
darstellt.

4. Der Ilisu-Staudamm würde schwerwiegende Konsequenzen für die Sicher-
heitslage in der Region haben. Verschiedene Äußerungen von offizieller tür-
kischer Seite zeigen, dass die Türkei den Alleinanspruch auf die Quellen des
Euphrat und Tigris erhebt. In der Vergangenheit nutzte die türkische Regie-
rung bereits bestehende Staudämme mehrfach zur Erpressung in Konflikten
mit Syrien und dem Irak. Außerdem weigert sich die türkische Regierung,

Drucksache 14/2336 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
die UN-Konvention über die nicht-schiffbare Nutzung grenzüberschreiten-
der Wasserwege zu unterzeichnen, die es verbietet, Staaten am Unterlauf
von Flüssen Schaden zuzuführen. Die Weltmeteorologieorganisation
(WMO) warnte bereits Anfang des Jahres 1999 auf ihrer Konferenz vor dro-
henden Wasserkonflikten, vor allem in den Ländern in Nahost.

Der Bundesregierung liegt seit längerem ein Antrag auf Gewährung einer Her-
mes-Bürgschaft für das Projekt vor, über den auf Ministerebene entschieden
werden soll.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. aufgrund der sozialen, menschenrechtlichen, ökologischen, wirtschaftlichen
und sicherheitspolitischen Bedenken keine staatlichen Ausführgewährleis-
tungen (Hermesbürgschaften) für den Ilisu-Staudamm zu bewilligen;

2. festzustellen, dass eine bundesdeutsche finanzielle staatliche Beteiligung am
Ilisu-Staudamm nicht mit der entwicklungspolitischen, ökologischen und
menschenrechtsorientierten Politik der Bundesregierung zu vereinbaren ist;

3. die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform der Hermesbürgschaften nach
ökologischen, sozialen und entwicklungspolitischen Gesichtspunkten umge-
hend durchzuführen;

4. Förderungen von Großstaudämmen grundsätzlich auszusetzen bis die Emp-
fehlungen der World Commission on Dams vorliegen.

Berlin, den 8. November 1999

Dr. Winfried Wolf
Eva-Maria Bulling-Schröter
Carsten Hübner
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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