BT-Drucksache 14/2323

Schutz der Kraft- Wärme- Kopplung

Vom 7. Dezember 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2323
14. Wahlperiode 07. 12. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Rosel Neuhäuser,
Rolf Kutzmutz, Dr. Uwe-Jens Rössel
und der Fraktion der PDS

Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung

Die Bundesregierung hat einlässlich der fünften Tagung der Konferenz der Ver-
tragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen (UNFCCC)
über Klimaänderungen das Ziel einer Reduktion von Treibhausgasen von 25
Prozent bis zum Jahr 2005 auf der Basis des Jahres 1990 bekräftigt. Bundes-
kanzler Gerhard Schröder hat in diesem Zusammenhang eingeräumt, dass die
bisher in Deutschland beschlossenen Maßnahmen lediglich eine Verringerung
der Treibhausgasemissionen um etwa 17 Prozent ermöglichen würden. Mo-
mentan habe Deutschland diese Emissionen, bezogen auf 1990, um 13,2 Pro-
zent verringert. Es sind also außerordentliche Anstrengungen notwendig, um
das deutsche Klimaschutzziel zu erfüllen.

Die Energieerzeugung aus Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist, im
Vergleich zur Energieerzeugung in klassischen Kondensationskraftwerken,
hocheffizient, weil sie mittels der Abwärmenutzung Wirkungsgrade bis zu 90
Prozent erreicht. Somit können anstatt Luft und Flüsse Wohnungen und Be-
triebe beheizt werden. Dadurch werden 30 bis 40 Prozent Primärenergie und
damit auch Klimagase eingespart.

Infolge der relativ preiswerten Technik wird die Kraft-Wärme-Kopplung –
nach der Energieeinsparung – noch geraume Zeit die kostengünstigste Verfah-
rensart zur CO2-Reduktion im Bereich der Energieerzeugung sein.

Durch die Liberalisierung der Energiemärkte sind allerdings eine große Anzahl
von KWK-Anlagen vom Aus bedroht. Damit stehen bis zu 40.000 Arbeits-
plätze in kommunalen Unternehmen und deren Zulieferbetrieben sowie bei
KWK-Anlagenbauern auf dem Spiel. Die von der Bundesregierung als Ziel de-
klarierte Minderung des CO2-Ausstoßes erfordert aber nach Auffassung vieler
Umweltschutzorganisationen und Wissenschaftler neben anderen Maßnahmen
eine drastische Erhöhung des Anteils der KWK an der Strom- und Wärme-
erzeugung.

Die überwiegende Anzahl der KWK-Anlagen werden von Stadtwerken und nur
die wenigsten von den großen Energieversorgungsunternehmen (EVU) betrie-
ben.

Durch großzügige Rückstellungsregelungen für Atomanlagen mittels Preisge-
staltung auf der Basis bereits abgeschriebener Kraftwerke durch Produktion
und Zukauf von risikobehafteten Atomstrom sowie durch jahrelang erzielte

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Monopolpreise haben die großen EVU genug flüssige Mittel, um noch mehrere
Monate lang Dumpingpreise zu finanzieren und somit kleinere Anbieter und
Stadtwerke „nieder zu konkurrieren“. Am Stärksten werden dabei Anlagen der
umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung unter Druck gesetzt. Sie können
preislich kaum mit Billigstromanbietern konkurrieren. Zudem spiegeln sich die
Umweltkosten des Billigstromes nicht in den Bilanzen der Erzeuger wider. Die
Stromerzeugung der EVU aus fossilen Großkraftwerken hat einen erhöhten
CO2-Ausstoß. Atomkraftwerke belasten die natürliche Umwelt mit Jahrtau-
sende strahlendem und hochgiftigem Atommüll sowie mit unverantwortlichen
Betriebsrisiken. Diese „Kosten“ hat nicht der jeweilige Stromanbieter, sondern
die ganze Gesellschaft zu tragen.

Die umwelt- und beschäftigungspolitische Relevanz der Bedrohung von KWK-
Anlagen wurde auf der Großdemonstration der Gewerkschaft ÖTV am 27. Sep-
tember dieses Jahres deutlich.

Infolge der Demonstration und anderer Aktivitäten von Kommunen und Stadt-
werken gab es mehrere Gespräche zwischen Vertreterinnen und Vertretern der
Bundesregierung und der ÖTV.

Am 8. November 1999 wurde als Ergebnis eines solchen Treffens eine Sofort-
hilfe für die Kraft-Wärme-Kopplung von Stadtwerken vereinbart. Angesichts
des Preisverfalls in der Stromerzeugung sollen KWK-Anlagen für ihre umwelt-
freundliche, aber teurere Produktion einen finanziellen Ausgleich erhalten.

Beim Treffen zwischen der Bundesregierung und der ÖTV am 8. November
1999 wurde laut Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vereinbart,
dass „Unternehmen der kommunalen Elektrizitätswirtschaft, die mehr als 25
Prozent des Stromabsatzes durch Kraft-Wärme-Kopplung auf der Basis von
Stein- und Braunkohle erzeugen,“ einen finanziellen Bonus pro erzeugter Kilo-
wattstunde erhalten. Dieser werde auf fünf Jahre befristet und degressiv gestal-
tet, „soweit nicht zuvor eine dauerhafte Lösung herbeigeführt wird“. Der Bonus
werde zielgerichtet auf die gutachterlich anlagenspezifisch nachgewiesene
Kostensituation am jeweiligen Erzeugungsstandort ausgerichtet. Damit solle es
den Unternehmen ermöglicht werden, ihre Erzeugungsstruktur zu optimieren,
den Anschluss an den Wettbewerb im Förderzeitraum wiederzufinden und Ar-
beitsplätze im größtmöglichen Umfang zu sichern. Die benötigten Gelder sol-
len über eine Umlage von etwa 0,2 Pf/kWh von allen Stromverbrauchern auf-
gebracht werden.

Durch die Formulierung der Vereinbarung, nach der nur Unternehmen der kom-
munalen Elektrizitätswirtschaft, die mehr als 25 Prozent des Stromabsatzes
durch Kraft-Wärme-Kopplung auf der Basis von Stein- und Braunkohle erzeu-
gen, in das Bonussystem integriert würden, sind sowohl bei den Belegschaften
von Stadtwerken als auch bei Investoren in KWK-Anlagen viele Unsicherhei-
ten entstanden. Die Ergebnisse diese Treffens bedürfen einer Interpretation.

Wir fragen deshalb die Bundesregierung:

1. Bedeutet die im Kompromiss zwischen der Bundesregierung und der ÖTV
vom 8. November 1999 zur Unterstützung der Kraft-Wärme-Kopplung ver-
wendete Formulierung, nach der 25 Prozent „des Stromabsatzes“ von Un-
ternehmen der kommunalen Elektrizitätswirtschaft durch Kraft-Wärme-
Kopplung auf der Basis von Stein- und Braunkohle erzeugt werden muss,
um in das Bonussystem integriert zu werden, dass beispielsweise Stadt-
werke, die einen Anteil von 30 Prozent ihres Stromabsatzes selber erzeugen
und diesen zu 80 Prozent aus KWK-Anlagen auf Kohle-Basis produzieren,
nicht in das Bonussystem einbezogen werden, weil der Anteil des auf dieser

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/2323

Basis erzeugten Stromes in diesem Falle rechnerisch lediglich 24 Prozent
betragen würde?

2. Ist die Formulierung aus dem in Frage 1 genannten Kompromiss, nach dem
25 Prozent des Stromabsatzes durch Kraft-Wärme-Kopplung auf der Basis
von Stein- und Braunkohle erzeugt werden muss, um in das Bonussystem
integriert zu werden, von der Bundesregierung gegenüber der ÖTV in dem
Sinn formuliert worden, dass ein KWK-Anteil von 25 Prozent an der ins-
tallierten Leistung – und nicht am Stromabsatz – existieren muss, um für
Bonuszahlungen anspruchsberechtigt zu sein?

3. Ist die Formulierung „Unternehmen der kommunalen Elektrizitätswirt-
schaft“ aus dem in Frage 1 genannten Kompromiss so zu interpretieren, dass
sowohl Regiebetriebe als auch Eigenbetriebe, Eigengesellschaften oder An-
stalten öffentlichen Rechts, welche Strom bzw. Wärme erzeugen und/oder
verkaufen, gemeint sind?

Wenn nein, welche Kategorien von „Unternehmen der kommunalen Elek-
trizitätswirtschaft“ sind gemeint?

4. Ab welchem Anteil von kommunalem Anteilsbesitz an Beteiligungsgesell-
schaften, die sich teils in kommunalem Besitz und teils in nichtkommuna-
lem Besitz befinden, ist ein Unternehmen im Sinne des unter Frage 1 ge-
nannten Kompromisses ein „Unternehmen der kommunalen Elektrizi-
tätswirtschaft“?

5. Mit welcher Begründung schließt die Bundesregierung in dem unter Frage 1
genannten Kompromiss KWK-Anlagen, die auf Basis von Gas oder Heizöl
Strom und Wärme produzieren, vom Bonussystem aus?

6. Mit welcher Begründung schließt die Bundesregierung in dem unter Frage 1
genannten Kompromiss KWK-Anlagen, die in anderen Betriebsformen als
in „Unternehmen der kommunalen Elektrizitätswirtschaft“ betrieben wer-
den, vom Bonussystem aus?

7. Ist die Bundsregierung der Auffassung, dass die KWK-Anlagen von „Un-
ternehmen der kommunalen Elektrizitätswirtschaft“, die einen geringeren
Anteil als den in Frage 1 genannten 25-Prozent-Anteil aufweisen, keine Un-
terstützung durch die Bundesregierung benötigen?

8. Wie viele Stadtwerke könnten nach dem unter Punkt 1 genannten Kompro-
miss in der Bundesrepublik Deutschland in den Genuss einer Bonusrege-
lung kommen?

9. Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass nur 9 von 64 Beteili-
gungsgesellschaften, die innerhalb des Verbandes kommunaler Unterneh-
men (VKU) KWK-Kraftwerke betreiben, auf Kohlebasis arbeiten, der Auf-
fassung, mit dem unter Frage 1 genannten Kompromiss eine substanzielle
Hilfe für die Kraft-Wärme-Kopplung ausgehandelt zu haben?

10. Welche Haltung hat die Bundesregierung zu den Äußerungen des Präsiden-
ten des Deutschen Städtetages und Saarbrücker Oberbürgermeisters Hajo
Hoffmann, der auf fünf Jahre befristete Bonus wäre nichts anderes als
„eine Verschrottungsprämie“ für KWK-Anlagen (siehe dpa-Meldung vom
9. November 1999)?

11. In welchem gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelwerk soll der unter
Punkt 1 genannte Kompromiss verankert werden und zu welchem Zeit-
punkt?

Drucksache 14/2323 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
12. Sieht die Bundesregierung den unter Punkt 1 genannten Kompromiss im-
mer noch als Übergangslösung an?

Wenn ja, wie lange soll diese Übergangslösung greifen?

13. Hat die Bundesregierung seit der Verabschiedung des unter Punkt 1 ge-
nannten Kompromisses am 8. November 1999 ihre Vorstellungen zu einer
dauerhaften substanzielle Unterstützung der Kraft-Wärme-Kopplung kon-
kretisieren können?

14. Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung des Deutschen Städteta-
ges, des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes für Wärme-
lieferungen und anderer nach einer dauerhaften Quotenregelung für die
Kraft-Wärmekopplung, die die Energieversorgungsunternehmen verpflich-
tet, einen wachsenden Anteil ihres Strom- und Wärmeabsatzes aus KWK-
Anlagen zu erzeugen bzw. erzeugen zu lassen, anstatt ein befristetes, de-
gressives und nur wenige KWK-Anlagen einschließendes Bonussystem zu
installieren, wie es in dem Kompromiß vom 8. November zwischen der
Bundesregierung und der ÖTV vereinbart wurde?

Berlin, den 1. Dezember 1999

Eva-Maria Bulling-Schröter
Rosel Neuhäuser
Rolf Kutzmutz
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Gregor Gysi und Fraktion der PDS

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