BT-Drucksache 14/2322

Umsetzung der Altfallregelung für Asylbewerber mit langjährigem Aufenthalt

Vom 8. Dezember 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2322
14. Wahlperiode 08. 12. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS

Umsetzung der Altfallregelung für Asylbewerber mit langjährigem Aufenthalt

Auf der 159. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senato-
ren der Länder (IMK) am 18./19. November 1999 in Görlitz haben die Minister
unter TOP 12 ein Bleiberecht für Asylbewerber mit langjährigem Aufenthalt,
eine sogenannte Altfallregelung beschlossen.

Diese Regelung bleibt weit hinter den Forderungen von Kirchen, Wohlfahrts-
verbänden und Flüchtlingsorganisationen nach einer humanitären Lösung zu-
rück, die ein Bleiberecht auch für alte, kranke, traumatisierte und behinderte
Menschen beinhalten würde und die ohne engstirnigen Ausschluss von Sozial-
hilfebeziehern und Arbeitslosen auskäme. Von den 300 000 Menschen, für die
sich Verbände und Kirchen eine Lösung erhofft hatten, werden vermutlich nur
wenige tausend übrig bleiben.

Die auf der IMK beschlossene Altfallregelung folgt in erster Linie dem Leitge-
danken der Rückführung und Abschiebung von Flüchtlingen und betont aus-
drücklich, dass es kein Bleiberecht für Bürgerkriegsflüchtlinge und abgelehnte
Asylbewerber gibt.

Eine Aufenthaltsbefugnis sollen Menschen nur in Ausnahmefällen erhalten und
von den rigorosen Bedingungen soll wiederum nur in besonderen Härtefällen
abgesehen werden. Die Fristen für den Aufenthalt in Deutschland liegen weit
über den maximal fünf Jahren, die Nichtregierungsorganisationen gefordert
hatten.

In den weiteren Ausführungen, die die zusätzlichen Voraussetzungen bestim-
men, sind diverse Einzelheiten nicht eindeutig geregelt.

Insgesamt bleibt unklar, welche Spielräume die einzelnen Bundesländer haben,
wie die weiteren Absprachen verlaufen werden und auf welche Personen die
Altfallregelung letztlich Anwendung finden wird. Bei diesem Problem handelt
es sich auch um eine Bundesangelegenheit, da die Durchführung der Altfallre-
gelung durch den Bund zentral statistisch erfasst wird und die Bundesregierung
politisch in diesem Prozess involviert ist.

Deshalb fragen wir die Bundesregierung:

1. a) Auf welchem Weg werden die antragsberechtigten Personen von Bund
und Ländern über die nun getroffene Regelung informiert?

Drucksache 14/2322 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

b) Beabsichtigen die Bundesregierung oder die Länder schriftliche Erläu-
terungen zu der nun beschlossenen Altfallregelung, um die genauen
Modalitäten und Voraussetzungen für Flüchtlinge verständlich machen?

2. Auf welche Übersichten bzw. Untersuchungen stützen die Bundesregie-
rung und die Länder ihre nach der Tagung verbreitete Erklärung, dass etwa
20 000 Personen in den Genuss der neuen „Altfallregelung“ kommen wer-
den?

3. Warum wurden traumatisierte Lagerhäftlinge und vergewaltigte Frauen aus
der Bundesrepublik Jugoslawien, aus dem Kosovo und aus Bosnien-Herze-
gowina nicht in die Altfallregelung einbezogen und wie soll mit diesen
Menschen verfahren werden?

4. In welchem Umfang sind Menschen aus Staaten, mit denen ein Rücküber-
nahmeabkommen besteht, von der Altfallregelung ausgeschlossen und
wenn ja, warum?

5. a) Welche Folge hat unverschuldete Arbeitslosigkeit bei Personen, die die
Altfallregelung in Anspruch nehmen wollen?

b) Können Flüchtlinge im Fall unverschuldeter Arbeitslosigkeit eine ein-
heitliche Verwaltungspraxis in den Bundesländern erwarten oder gibt es
Unterschiede zwischen den Bundesländern?

6. Ist es richtig, dass auch kranke, behinderte und alte Menschen sowie Eltern
von Kindern trotz eingeschränkter Arbeitsfähigkeit für die Inanspruch-
nahme der „Altfallregelung“ eine geregelte Arbeit nachweisen müssen und
wenn ja, warum?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, bei wie viel Migrantinnen bzw. Migran-
ten und Flüchtlingen, die aus Gründen ihres Alters, einer Krankheit, einer
Traumatisierung oder einer Behinderung erwerbsunfähig sind,

a) der Lebensunterhalt einschließlich einer erforderlichen Betreuung und
Pflege ohne Leistungen der öffentlichen Hand dauerhaft gesichert ist,

b) der Lebensunterhalt einschließlich einer erforderlichen Betreuung und
Pflege ohne Leistungen der öffentlichen Hand dauerhaft nicht gesichert
ist,

c) wie viele Personen finanzielle Unterstützung aus Beitragsleistungen er-
halten?

8. Erhalten Familien mit mehreren Kindern, die wegen des Ausschlusses vom
Anspruch auf Kindergeld in der Regel auf ergänzende Sozialhilfe angewie-
sen sind, eine Aufenthaltsbefugnis nach dieser Altfallregelung und wenn
nein, warum nicht?

9. Werden für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge Ausnahmen bei den Vo-
raussetzungen gemacht, um ihnen einen Erwerb einer Aufenthaltsbefugnis
zu erleichtern, und wenn nein, warum nicht?

10. Wie definieren die Bundesländer die Bedingung des „ausreichenden Wohn-
raums“?

a) Definiert jedes Bundesland selbst diese Bedingung oder wird es eine
bundesweit einheitliche Vorschrift geben?

b) Wenn es bereits eine oder mehrere Festlegungen gibt: wie viel Quadrat-
meter pro Person werden als Bedingung definiert (bitte entweder bun-
desweit oder nach Bundesland einzeln aufführen)?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/2322

c) Ist die Bedingung „ausreichender Wohnraum“ auch beim Aufenthalt in
Wohnheimen möglich?

Wenn nein, warum nicht?

11. Wer setzt wie die Kriterien fest, ob eine „Aufenthaltsbeendigung von dem
Ausländer vorsätzlich hinausgezögert wurde“?

a) Legt jedes Bundesland die Kriterien selbst fest oder wird es bundesweit
einheitliche Kriterien geben?

b) Auf welcher gesetzlichen Grundlage soll das geschehen?

c) Wie sollen diese Kriterien konkret aussehen?

12. Warum wird die Aufenthaltsbefugnis für längstens zwei Jahre erteilt und
was geschieht danach mit den Flüchtlingen und Migrantinnen bzw. Mig-
ranten?

13. Warum enthält die nun getroffene Altfallregelung keinerlei Übergangsfris-
ten, innerhalb der es den Menschen ermöglicht wird, eine der geforderten
Voraussetzungen (Arbeit, ausreichender Wohnraum etc.) zu erfüllen?

14. Können nach Kenntnis der Bundesregierung die jeweiligen Ausländerbe-
hörden die Sechswochenfrist rückwirkend am 19. November 1999 begin-
nen lassen und wenn ja, warum?

15. Was soll mit den Menschen geschehen, die nach § 53 AuslG auch weiter-
hin nicht abgeschoben werden können?

Berlin, den 3. Dezember 1999

Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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