BT-Drucksache 14/2302

Gutachten zum Umfang von Zwangsarbeit während der NS- Zeit

Vom 2. Dezember 1999


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2302

14. Wahlperiode

02. 12. 99

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS

Gutachten zum Umfang von Zwangsarbeit während der NS-Zeit

Im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Entschädigung von NS-
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern hat Prof. Dr. Thomas Kuczynski für
die Stiftung Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Bremen
eine Ausarbeitung über das Ausmaß von Zwangsarbeit während der NS-Zeit
erstellt. Er kommt darin zu dem Ergebnis, dass von Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeitern während der NS-Zeit allein im Gebiet des Großdeutschen
Reiches etwa 64 Milliarden Stunden (umgerechnet ca. 21 Millionen Jahre)
Zwangsarbeit verrichtet wurden und dass ihnen dabei mindestens 16 Mrd.
Reichsmark Lohn vorenthalten wurde. Umgerechnet nach dem RM:DM-Kurs
der Deutschen Bundesbank von 1:5,9 entspricht dieser vorenhaltene Lohn
heute einem Betrag von 95,760 Mrd. DM, der, so Prof. Kuczynski, der „von der
Bundesregierung vorgeschlagenen ‚Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen:
Erinnerung, Verantwortung und Zukunft‘ zur Verfügung zu stellen“ sei.

Derselbe Betrag von 16 Mrd. Reichsmark, umgerechnet nach einem gewichte-
ten Durchschnitt zwischen Lebenshaltungs- und Lohnindex, ergäbe sogar einen
Betrag von rund 180 Mrd. DM, der in die Stiftungsinitiative einzubringen wäre.

Vertreter der Anwälte, die die Interessen der NS-Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter vertreten, haben die Studie von Prof. Kuczynski bei den letzten
Verhandlungen der Öffentlichkeit unterbreitet und darauf hingewiesen, dass die
Studie im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen Grundlage für Prozesse vor
US-Gerichten sein werde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung von dieser Studie Kenntnis genommen?

2. Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse dieser Studie:

a) im Hinblick auf das in ihr beschriebene Ausmaß von Zwangsarbeit?

b) im Hinblick auf die dort genannten Beträge über vorenthaltenen Lohn?

c) im Hinblick auf das Ausmaß an Bereicherung durch Zwangsarbeit seitens
der deutschen Industrie, der Landwirtschaft, des NS-Staates und privater
Haushalte?

d) im Hinblick auf daraus erwachsende Ansprüche der NS-Zwangsarbeite-
rinnen und Zwangsarbeiter auf Entschädigung?
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3. Welche anderen Studien sind der Bundesregierung bekannt, die bei der Be-
rechnung von Entschädigungsansprüchen von Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeitern herangezogen werden sollten?

4. Plant die Bundesregierung Schritte, um diese Studie in die politische Bil-
dungsarbeit und die Aufklärungsarbeit über die NS-Zeit einfließen zu lassen,
und wenn ja, welche?

Bonn, den 30. November 1999

Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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