BT-Drucksache 14/2275

Feindliche Übernahmen und Mitbestimmung

Vom 26. November 1999


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2275

14. Wahlperiode

26. 11. 99

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Ursula Lötzer, Rolf Kutzmutz, Uwe Hiksch,
Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS

Feindliche Übernahmen und Mitbestimmung

Im Zuge der geplanten Übernahme der Mannesmann AG durch die britisch-
amerikanische Gesellschaft Vodafone AirTouch konnte man am Rande einer
Konferenz in Florenz laut Handelsblatt (22. November 1999) von Bundeskanz-
ler Gerhard Schröder hören, dass „er eine europäische Initiative (vor)bereitet,
die ein Verbot feindlicher Übernahmen zum Ziel haben soll. Bei Übernahmen
sollen die Aktionäre außerdem stets Bargeld für ihre Papiere verlangen kön-
nen.“ Die Bundesregierung antwortet zur Frage von „feindlichen Übernahmen“
(Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der PDS „Internationales Kartell-
recht, Unternehmensfusionen und -konzentrationen“; Drucksache 14/1824) am
20. Oktober 1999 hingegen: „Gesetzliche Maßnahmen bezüglich der Verhinde-
rung feindlicher Übernahmen sind von der Bundesregierung nicht geplant.“
Einzig der Schutz von Minderheitsaktionären wird angemahnt. Ineffziente Vor-
stände müssten deshalb immer mit der Übernahme des Unternehmens und ihrer
Ablösung rechnen. In einem Interview mit der Financial Times stellte der Bun-
desminister der Finanzen, Hans Eichel, fest, dass er keinen Handlungsbedarf
zur Verhinderung feindlicher Übernahmen sehe. Ähnlich äußerte sich der Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Werner Müller.

In der Haushaltsdebatte am 24. November 1999 bezog sich Bundeskanzler Ger-
hard Schröder mehrfach auf die Bedeutung der Mitbestimmung. Auch hierzu
erklärt die Bundesregierung in der o.g. Antwort auf die Große Anfrage, „die
künftige Entwicklung der Mitbestimmung – national wie international – muss
dem Leitbild einer kooperativen, beteiligungsorientierten und informationsin-
tensiven Unternehmenskultur verpflichtet sein.“ Jede „feindliche Übernahme“
ersetzt jedoch die im Unternehmen im Rahmen der Mitbestimmung getroffenen
gemeinsamen Entscheidungen von Unternehmensführung und Beschäftigten
durch die Entscheidungen von Aktienbesitzern. Über Banken und Fonds wird
damit die Mitbestimmung außer Kraft gesetzt. IG Metall-Vorsitzender Klaus
Zwickel wies in seiner Rede am 23. November 1999 in Düsseldorf auf der Voll-
konferenz der Mannesmann-Betriebsräte darauf hin, dass in der letzten Auf-
sichtsratssitzung eine Absprache über einen Vertrag zwischen Vorstand,
Konzernbetriebsrat und IG Metall getroffen wurde, mit dem bei der geplanten
Umstrukturierung die Betriebsverfassung und Unternehmensmitbestimmung
gesichert und die Qualität der Personalpolitik langfristig stabilisiert werden
sollten. In die dort beschlossene Umstrukturierung sind soziale Interessen der
Beschäftigten und regionale, strukturpolitische Ansätze an Rhein und Ruhr zu-
gunsten des dringend benötigten Strukturwandels integriert worden.
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Verbunden mit der feindlichen Übernahme wäre die Zerschlagung des Mannes-
mann-Konzerns der Verlust sozialer und demokratischer Rechte und Arbeits-
platzabbau. Um diese Fragen geht es beim Widerstand gegen feindliche Über-
nahmen, nicht um einen unterstellten Nationalismus. Beschäftigte, IG Metall
und HBV haben auch schon aus den gleichen Gründen die feindliche Über-
nahme von Thyssen Krupp bekämpft und bereits damals die Politik zum Han-
deln aufgefordert. Aus dieser Verantwortung um eine soziale Demokratie resul-
tiert deshalb ein hoher Handlungsbedarf.

In einer Aufforderung der Mannesmann-Betriebsräte an die Politik, die in Düs-
seldorf einstimmig verabschiedet wurde, kommt dies zum Ausdruck: „Wir
wenden uns an die Politiker in den Bundesländern, der Bundesrepublik
Deutschland und in Europa: Ächten Sie das Instrument der feindlichen Über-
nahme von Unternehmen. Die Internationalisierung von Wettbewerbs- und Ei-
gentümerstrukturen braucht klare, belastbare Regeln, die den Interessen der
Beschäftigten an sicheren Arbeitsplätzen und Einkommen gleichen Rang ein-
räumt wie den Interessen der Aktionäre auf hohe Erträge.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Haltung nimmt sie zur Aufforderung der Mannesmann-Betriebsräte
ein?

2. Wie erklärt sie die unterschiedlichen Positionen zu „feindlichen Übernah-
men“ und welche trifft nun zu?

3. Welche Initiativen auf europäischer Ebene, die „feindliche Übernahmen“
ausschließen, werden konkret vorbereitet?

a) Welche Bestandteile sollen diese enthalten und wann werden erste Ergeb-
nisse vorliegen?

b) Wie begründet sie ihre Haltung, falls keine diesbezüglichen Initiativen
geplant sind?

c) Welche anderen Schritte werden stattdessen unternommen?

4. Haben sich aus den jüngsten Ereignissen neue Erkenntnisse für Initiativen
ergeben, die zur stärkeren Europäisierung und Internationalisierung von
Mitbestimmungsrechten führen?

a) Welche Position bezieht die Bundesregierung zu den Gründen des bis-
herigen spanischen Vetos gegen die Verabschiedung des Statuts für eine
europäische Aktiengesellschaft?

b) Welche konkreten Schritte, über die Unternehmensform der Europä-
ischen Aktiengesellschaft hinaus, sind geplant?

c) Wie steht sie zur Forderung, dass in der Revision der Eurobetriebsrats-
richtlinie den Europäischen Betriebsräten (EBR) Mitbestimmungsrechte
eingeräumt werden?

5. Welche Ergänzungen plant die Bundesregierung zu den neuen europäischen
Mindestübernahmeregeln (13. Richtlinie zum Gesellschaftsrecht der EU)
einzubringen, die am 7. Dezember 1999 nach zehnjähriger Vorbereitung
verabschiedet werden soll?

a) Wenn keine Ergänzungen geplant sind, wie wird dann gewährleistet, dass
ein nur auf Aktientausch basierendes Übernahmeangebot in Zukunft
unmöglich ist?
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b) Orientiert man sich diesbezüglich an den strengeren Übernahmestan-
dards aus Großbritannien (City Code on Takeovers and Mergers) ?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 25. November 1999

Ursula Lötzer
Rolf Kutzmutz
Uwe Hiksch
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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