BT-Drucksache 14/2154

zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes - Drs. 14/1400, 14/1922, 14/1923, 14/1924 - hier: Einzelplan 16 - Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Vom 23. November 1999


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

23. 11. 99

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Rosel Neuhäuser,
Heidemarie Ehlert, Dr. Christa Luft, Dr. Winfried Wolf, Carsten Hübner,
Christine Ostrowski, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS

zu der dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2000
– Drucksachen 14/1400, 14/1680, 14/1922, 14/1923, 14/1924 –

hier: Einzelplan 16
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Mit dem Etatentwurf der Bundesregierung für den Einzelplan 16 des Haus-
haltsgesetzes wird der von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN postu-
lierte Einstieg in einen ökologischen Umbau unglaubwürdig. Der Umwelt-
etat soll im Gesetzentwurf der Bundesregierung um 3,4 Prozent schrumpfen.
Dabei wird der Stammhaushalt, also die Ausgaben, die mit dem klassischen
Umweltschutz im engsten Zusammenhang stehen, sogar um 7,3 Prozent ge-
kürzt.

2. Im Kapitel 16 02 des Haushaltsentwurfs (Allgemeine Bewilligungen, Um-
weltschutz, Naturschutz) sind die einschneidendsten Einsparungen zu ver-
zeichnen – er sinkt um 4,4 Prozent. Hier ist seit Jahren der Titel „Investitio-
nen zur Verminderung der Umweltbelastung“ der große Verlierer. Er soll im
Haushalt 2000 um 6,5 Mio. DM, das sind minus 14 Prozent, gekürzt werden.
Dabei ist zu beachten, dass dieser Titel seit 1993 von damals 181 Mio. DM
auf nun (Haushaltsentwurf 2000) 40 Mio. DM reduziert wurde bzw. werden
soll. Das ist ein Abschmelzen um 88 Prozent.

Ebenfalls gekürzt wird der Titel „Investitionen zur Verminderung grenzüber-
schreitender Umweltbelastung“. Der Titel wurde schon im Vorjahr um 25
Prozent reduziert.

Auch die wichtige Titelgruppe 01 „Naturschutz“ wird beschnitten. Sie soll
um 4,4 Mio. DM (5,7 Prozent) reduziert werden. Gekürzt wird insbesondere
der Titel 882 11 „Förderung der Naturschutzgroßprojekte“ mit minus 7 Pro-
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zent und „Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet des Na-
turschutzes“ mit minus 13,7 Prozent.

3. Der Ausstieg aus der Atomenergie findet sich kaum in den Zahlen des Ein-
zelplans 16 wieder. Während bei der Endlagerproblematik in Deutschland
herumlaviert wird, plant die Bundesregierung indirekt die Unterstützung der
Fertigstellung von Atomkraftwerken im Ausland.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Im Kapitel 16 02 wird der Ansatz des Entwurfs im Titel 892 01 - 330 – In-
vestitionen zur Verminderung der Umweltbelastung – um 60 Mio. DM auf
100 Mio. DM erhöht.

Die schwerpunktmäßige Förderung integrierter Umweltschutzmaßnahmen
zur Erstanwendung bereits entwickelter Technologien im großtechnischen
Maßstab bleibt eine Aufgabe des Bundes, der er sich nicht entziehen darf.

Der Förderung der Forschung und Entwicklung neuer Technologien durch
das Bundesministerium für Bildung und Forschung muss weiterhin durch
diesen Titel, also durch eine Förderung der Erstanwendung, ergänzt werden.
So kann eine Breitenförderung zur Markteinführung durch das Bundes-
ministerium für Wirtschaft und Technologie zielgenauer erfolgen und es
können Barrieren für innovative Umweltschutzinvestitionen gesenkt wer-
den.

In der Vergangenheit wurden aus diesem Titel vor allem End-of-pipe-Tech-
nologien in der DDR bzw. in den neuen Bundesländern gefördert. Obwohl
sich in Ostdeutschland die Umweltsituation in vielen Bereichen deutlich
verbessert hat, bleibt ein Nachholbedarf bestehen, bei dem es sich anbietet,
neueste Technologien mit Pilotprojekten zu fördern. Außerdem wird bun-
desweit immer mehr die Förderung von tatsächlich integrierten Umwelt-
schutzmaßnahmen zur eigentlichen Herausforderung der Förderpolitik. In
diesem Sinne sollte dieser Titel auf seine eigentliche Bestimmung zurückge-
führt, dabei aber besser ausgestattet werden.

2. Im Kapitel 16 02 wird der Ansatz des Entwurfs im Titel 896 04 - 330 – In-
vestitionen zur Verminderung grenzüberschreitender Umweltbelastungen –
(Pilotprojekte Ausland) um 8 Mio. DM auf 20 Mio. DM erhöht.

In diesem Titel werden Projekte im Ausland gefördert, die auch zur Verbes-
serung der Umweltsituation in Deutschland beitragen. Angesichts weiter be-
stehender grenzüberschreitender Umweltbelastungen, insbesondere aus ost-
europäischen Staaten, ist eine Erhöhung dieses Titels notwendig.

3. Im Kapitel 16 02 wird der Ansatz des Entwurfs im Titel 882 11 - 185 – Zu-
weisung zur Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und
Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung – um 60 Mio. DM
auf 100 Mio. DM erhöht. Im Kapitel 16 02 wird der Ansatz des Entwurfs im
Titel 892 11 - 185 – Zuschüsse für Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben
auf dem Gebiet des Naturschutzes – um 2,1 Mio. DM auf 15,3 Mio. DM an-
gehoben.

Die Förderung der Naturschutzgroßprojekte, die sich hinter diesen Titeln
verbirgt, ist auf Grund der geringen Gesamtfläche, die in der Bundesrepub-
lik Deutschland gegenwärtig Schutzstatus hat, eine prioritäre Aufgabe.
Auch in Hinsicht auf das Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Programm wäre eine
deutliche Steigerung der Mittel notwendig. Angesichts der deutschen Defi-
zite bei der Ausweisung und Ausstattung von Naturschutzgebieten ist eine
Reduzierung nicht hinzunehmen.
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Gegenwärtig beträgt der Anteil von Schutzflächen an der Bundesfläche le-
diglich 4 Prozent. Sie setzen sich zusammen aus 2,4 Prozent Landfläche und
1,6 Prozent Wasserfläche innerhalb von Naturschutzgebieten und National-
parks. Umweltverbände fordern seit langem, 15 Prozent der bundesdeut-
schen Fläche als Vorrangflächen für den Naturschutz bereitzustellen. In der
Magdeburger Erklärung der Umweltministerkonferenz und der Naturschutz-
verbände von November 1995 hatten sich die Unterzeichner auf 10 bis 15
Prozent geeinigt. Der Haushaltsansatz der Bundesregierung ist nicht geeig-
net, einer neuen Naturschutzpolitik die finanzielle Grundlage zu sichern.

4. In Kapitel 16 04 wird der Titel 686 04 - 330 – Aktionsprogramm Tscherno-
byl – mit einer Ausstattung von 10 000 TDM gestrichen.

Der Titel sollte die entgültige Schließung von Tschernobyl im Jahre 2000 er-
möglichen und geht auf ein multilaterales Abkommen zurück, welches auf
dem Weltwirtschaftgipfel in Neapel am 20. Dezember 1995 zwischen den
G7-Staaten und der Ukraine geschlossen wurde. Es handelt sich um das so
genannte – Memorandum of Understanding on the Closure of the Chernobyl
Nuclear Power Plant by the Year 2000 – (MOU). Für das Aktionsprogramm
haben die G7 insgesamt 200 Mio. US-Dollar zugesagt, wobei der bundes-
deutsche Beitrag 34 Mio. US-Dollar beträgt. Die Mittel werden überwie-
gend in den nuklearen Sicherheitsfonds bei der Europäischen Bank für Wie-
deraufbau und Entwicklung (EBWE) eingezahlt.

Im Rahmen dieses Programms entscheidet der EBWE-Aufsichtsrat über die
Vergabe eines Kredites zur Fertigstellung der Atomkraftwerksblöcke Rowno
4 und Khmelnitsky 2 (K2/R4) im Nordwesten der Ukraine. Die Kreditent-
scheidung der Bank gilt als Schlüsselkredit, mit dem weitere Finanziers für
das rund mehrere Milliarden Mark teure Projekt animiert werden sollen.

Laut Greenpeace sollen, inklusive des Aktionsprogramms Tschernobyl, 810
Mio. Mark aus Deutschland in die Projekte K2/R4 fließen. In dieser Summe
verstecken sich auch andere Mittel des Bundes, die als Beiträge an EURA-
TOM abgeführt werden.

Der Deutsche Bundestag hat sich aber bereits mehrheitlich gegen die Fertig-
stellung der Projekte K2/R4 ausgesprochen. Deshalb ist der Titel 686 04 - 330
überflüssig.

5. In Kapitel 16 07 wird der Titel 712 32 - 330 – Projekt Konrad – in den neu
zu schaffenden Titel „Aufgabe und Rückführung des Projektes Konrad“ um-
gewidmet und mit 245 000 TDM bis zum Jahr 2001, davon 120 000 TDM in
2000, ausgestattet.

Die Bundesregierung führt aus, dass abweichend von der Haushaltsplanung
bei einer Aufgabe des Projektes bis 2001 noch ca. 245 Mio. DM notwendig
werden. Sie erklärt weiter, dass die „weiteren Ausgaben von der Entschei-
dung über das zukünftige Vorgehen abhängen“.

Mit ihrer Grundsatzentscheidung für ein Endlager für alle Abfälle ist die
Entscheidung gegen das Projekt Konrad gefallen, da in Konrad keine wär-
meentwickelnden Abfälle endgelagert werden können. Eine zügige Rück-
führung des Projektes Konrad ist deshalb geboten.

6. In Kapitel 16 07 wird der Titel 712 33 - 330 – Projekt Gorleben – auf „Auf-
gabe und Rückführung des Projektes Gorleben“ umgewidmet.

Die Mehrkosten, die die Mittel zum derzeitigen „Offenhaltungsbetrieb“
übersteigen, werden für das Haushaltsjahr 2000 als Verpflichtungsermächti-
gung gewährt.
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Die Eignung des Salzstockes Gorleben als Endlager für wärmeentwickelnde
und langlebige radioaktive Abfälle wurde schon oft und wiederholt in Zwei-
fel gezogen. Die Bevölkerung in der Region wehrt sich seit nun schon mehr
als 20 Jahren gegen das Endlager. Das Verfahren zur Auswahl des Standor-
tes Gorleben wird seitdem von wissenschaftlicher und politischer Seite hef-
tig kritisiert. Deshalb ist es an der Zeit, das Projekt Endlager Gorleben für
gescheitert und beendet zu erklären.

7. In Kapitel 16 07 werden die Mittel des Titels 712 41 - 330 in Höhe von
9,849 Mio. DM – Neubau eines Behälterlagers, einschließlich Grunder-
werb – gesperrt.

Das staatliche Verwahrlager soll als Transportbehälterlager realisiert und als
solches wohl auch genehmigt werden. Im Haushalts-Querschnitt zu Epl. 16
auf Seite 225 wird aber ausgeführt, dass über den Standort eines neuen staat-
lichen Verwahrlagers für die Kernbrennstoffe noch keine Entscheidung ge-
fallen ist. Gleichwohl werden in der Kostenschätzung als „Ecktermine“ der
Baubeginn auf das 4. Quartal 1999 und das Bauende auf das 4. Quartal 2000
terminiert (vgl. Haushalts-Querschnitt zu Epl. 16 auf Seite 225).

Bei einer derart atemberaubend beschleunigten Genehmigung mit Ad-hoc-
Baubeginn werden Rechte Dritter eklatant verletzt. Es ist dringend vor sol-
chen „Nacht-und-Nebel-Aktionen“ abzuraten, da sie geeignet sind, das Ver-
trauen der Bürger in die Sorgfalt der Bundesregierung zu verletzen.

Berlin, den 23. November 1999

Eva-Maria Bulling-Schröter
Rosel Neuhäuser
Heidemarie Ehlert
Dr. Christa Luft
Dr. Winfried Wolf
Carsten Hübner
Christine Ostrowski
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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