BT-Drucksache 14/214

Haltung der Bundesregierung zu einem Demonstrationsaufruf des türkischen Generalkonsuls in München

Vom 3. Dezember 1998


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/214 vom 03.12.1998

Kleine Anfrage der Fraktion der PDS Haltung der Bundesregierung zu
einem Demonstrationsaufruf des türkischen Generalkonsuls in München =

03.12.1998 - 214

14/214

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidi Lippmann-Kasten und der Fraktion
der PDS
Haltung der Bundesregierung zu einem Demonstrationsaufruf des
türkischen Generalkonsuls in München

Seit der Festnahme des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan am 12. November
1998 in Rom kam es in der Türkei zu einer Repressionswelle gegen
oppositionelle Politiker und Medienvertreter. Insgesamt wurden 3 064
HADEP-Angehörige (HADEP: Partei der Demokratie des Volkes) verhaftet.
Hungerstreikende Kurdinnen und Kurden wurden angegriffen. Bei diesen
Angriffen, an denen Angehörige der "Grauen Wölfe" beteiligt waren,
wurden in Diyarbakir und in Koceli zwei Kurden ermordet. Der
feindseligen Stimmung gegen die kurdische Bevölkerung und
Demonstrationen gegen Italien sind Drohungen der türkischen Regierung
und der faschistischen "Grauen Wölfe" vorausgegangen, als die Weigerung
der italienischen Regierung, Abdullah Öcalan an die Türkei
auszuliefern, bekannt wurde. Dazu der türkische Ministerpräsident Mesut
Yilmaz: "Wir werden uns dies nicht bieten lassen" (Sabah, 22. November
1998). "Alles hat seine Opfer. Wir haben selbst den Krieg ins Auge
gefaßt" (Özgür Politika, 22. November 1993). Auch in Deutschland
lebende türkische Staatsangehörige werden durch Medienvertreter
aufgerufen zu protestieren, um das Feld nicht den Kurden zu überlassen
(Hürriyet vom 23. November 1998).
In diesem Zusammenhang hat die "Plattform der türkischen Gesellschaft
in Europa" (sie setzt sich zusammen aus: Islamische Gemeinschaft Milli
Görüs (IGMG), Türkische Islam-Union in Europa u. a.) zu Demonstrationen
am 28. November 1998 in Bonn, Nürnberg, München und Berlin aufgerufen
(Evrensel, 28. November 1998). Fahnen der MHP (Partei der nationalen
Bewegung, bekannt als Graue Wölfe), nationalistische Märsche und
Parolen bestimmten den Verlauf dieser Demonstrationen (Evrensel und
Özgür Politika 29. November 1998).
Der Generalkonsul in München forderte in einem Rundschreiben türkische
Vereine auf, ihre Mitglieder zur Demonstration nach München zu
mobilisieren. "Diese von Vereinen aus unterschiedlichen Bereichen in
Vertretung unserer Bürger organisierte Demonstration wird am Samstag,
dem 28. November 1998, um 12.30 Uhr auf der Theresienwiese (. . .)
beginnen (. . .) Dabei werden sich unsere Bürger jeden Alters unter
einer einzigen Fahne treffen (. . .) Ich bitte Sie mit Hochachtung
dieses Anliegen an alle Mitglieder Ihres Vereines und an alle unsere
Bürger weiterzuleiten" (Schreiben des Generalkonsuls am 24. November
1998).
Nach Artikel 5 des Wiener Abkommens zur Regelung konsularischer
Beziehungen ist das Verhalten des Generalkonsuls eine Einmischung in
interne politische Ereignisse und ist völkerrechtswidrig.
Dadurch wird das friedliche Zusammenleben von türkischen und kurdischen
Migranten und Flüchtlingen gestört und eine Auseinandersetzung
ausgelöst.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist der Bundesregierung der Aufruf des Generalkonsuls in München
bekannt, und wie bewertet sie solche Aufrufe unter dem Gesichtspunkt
der inneren Sicherheit?
2. Sieht die Bundesregierung im Verhalten des Generalkonsuls eine
Verletzung des Artikels 5 des Wiener Abkommens?
Wenn nein, warum nicht?
3. Wie bewertet die Bundesregierung das Verhalten des Generalkonsuls
unter völkerrechtlichen Aspekten?
4. Gibt es seitens der Bundesregierung auf das Verhalten des
Generalkonsuls Reaktionen?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?
5. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung in der Vergangenheit
andere türkische Generalkonsulate oder hat die türkische Botschaft zu
ähnlichen Aktionen aufgerufen?
Wenn ja, in welchen und in wie vielen Fällen?
6. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welche Symbole von
Demonstrationsteilnehmern auf den o. g. Demonstrationen gezeigt worden
sind?
Wenn ja, welche Symbole und Inhalte wurden dort präsentiert?
7. Sind der Bundesregierung anläßlich der oben genannten
Demonstrationen Ausschreitungen oder Angriffe auf Personen oder
Einrichtungen bekanntgeworden?
Wenn ja, welche Einrichtungen und Personen waren davon betroffen?
Hat es Ermittlungsverfahren oder Klagen diesbezüglich gegeben?
Wenn ja, wie viele?
Werden weitere noch eingeleitet?
8. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob weitere
Demonstrationen und Veranstaltungen von den o. g. türkischen
Organisationen geplant sind?
Wenn ja, von welchen Organisationen, wann, wo und zu welchem Anlaß?
Bonn, den 3. Dezember 1998
Ulla Jelpke
Heidi Lippmann-Kasten
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

03.12.1998 nnnn

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