BT-Drucksache 14/1989

Nutzung von Urheberrechten in der deutschen Tourismuswirtschaft

Vom 3. November 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1989
14. Wahlperiode 03. 11. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Brähmig, Hannelore Rönsch (Wiesbaden),
Ernst Hinsken, Anita Schäfer, Ilse Aigner, Wolfgang Börnsen (Bönstrup),
Thomas Dörflinger, Dr. Hans Georg Faust, Dr. Harald Kahl, Dr.-Ing. Paul Krüger,
Dr. Peter Ramsauer, Edeltraut Töpfer und der Fraktion der CDU/CSU

Nutzung von Urheberrechten in der deutschen Tourismuswirtschaft

Nach dem Urheberrechtsgesetz steht Urhebern künstlerischer Werke wie z. B.
Komponisten, Textdichtern oder Schriftstellern das alleinige Verwertungsrecht
für die von ihnen geschaffenen Werke zu. Eine gewerbliche Nutzung solcher
Werke bedarf daher der vorherigen Einwilligung des Urhebers oder dessen
Rechtsnachfolgers. Da es sowohl den Urhebern als auch den Nutzern, insbe-
sondere den Veranstaltern öffentlicher Musikdarbietungen, praktisch kaum
möglich ist, mit allen Interessenten und Betroffenen die erforderlichen Ver-
handlungen zu führen, haben einerseits die meisten Urheber ihre Rechte auf
Verwertungsgesellschaften übertragen und andererseits gewerbliche Musiknut-
zer sich zur Bundesvereinigung der Musikveranstalter zusammengeschlossen.

Die alleinige Verwertungsgesellschaft auf dem Gebiet der Musikrechte ist in
Deutschland die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische
Vervielfältigungsrechte (GEMA), die die Nutzungsrechte an Veranstalter gegen
die Bezahlung einer entsprechenden Vergütung überträgt. Die GEMA hat ver-
tragliche Bindungen mit der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutz-
rechten (GVL), die sich mit den Leistungsschutzrechten der ausübenden Künst-
ler und Tonträgerhersteller befasst und den Einzug ihrer Tantiemen auf die
GEMA übertragen hat, sowie mit der Verwertungsgesellschaft Wort (VG-
Wort), die die Rechte für persönliche Darbietungen eines Sprachwerks wahr-
nimmt und das Inkasso für die öffentliche Wiedergabe von Hörfunk- bzw. Fern-
sehsendungen und vertonter Sprachwerke auf die GEMA übertragen hat. Auf
der anderen Seite nimmt die Bundesvereinigung der Musikveranstalter die In-
teressen von Betrieben und Organisationen als gewerbliche Nutzer wahr. Zu
ihren Mitgliedern gehören u.a. der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband
(DEHOGA), der Internationale Fachverband Show- und Unterhaltungskunst
(IFSU) und der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE).

Die deutsche Tourismuswirtschaft sowie von in- und ausländischen Gästen ge-
nutzte Einrichtungen gehören zu wichtigen Nutzern von Musikrechten. Dies
gilt nicht nur für Unterhaltungskonzerte und Tanzmusikveranstaltungen mit
Musikern, sondern auch für die Tonträgerwiedergabe bzw. Hintergrundmusik
in Hotels, in Gaststätten, in Eisdielen, bei Volksfesten, bei Messen und Ausstel-
lungen, bei Versammlungen, bei Sportveranstaltungen, in Kabarett- und Zirkus-
betrieben, in Freizeiteinrichtungen wie Rollschuhbahnen und Schwimmbädern,

Drucksache 14/1989 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

in Kaufhäusern und Einkaufspassagen, in Kurhäusern und Kurgärten, bei Mo-
deschauen, in Wartehallen von Flughäfen, in Schalterhallen von Banken, in
Verkaufsräumen von Tankstellen und sogar in Personenaufzügen und Toiletten.

Die Geschäftspraktiken und die Tarifgestaltung der GEMA sind Gegenstand
wachsender Kritik von Unternehmen und Verbandsvertretern des Gastgewerbes
und anderer betroffener Wirtschaftsbereiche. Dabei werden vor allem ständige
und überhöhte Steigerungen der Vergütungssätze für die Musiknutzung, eine
komplizierte und unübersichtliche Tarifstruktur sowie eine zunehmende und
unangemessene Ausweitung des kostenpflichtigen Geltungsbereichs genannt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Welche Vergütungen nach dem Urheberrechtsgesetz haben nach Kenntnis
der Bundesregierung die GEMA, GVL und VG-Wort von Hotels, Pensio-
nen, Gaststätten und vergleichbaren Betrieben in den letzten drei Jahren pro
Jahr erhalten?

In welchem Verhältnis stehen Veränderungen bei den erhaltenen Vergütun-
gen in den genannten Jahren zu den allgemeinen Ertragsveränderungen der
GEMA, GVL und VG-Wort in anderen Bereichen im selben Zeitraum?

2. In welcher Höhe liegen die vergleichbaren Einnahmen der entsprechenden
Verwertungsgesellschaften in den anderen EU-Mitgliedstaaten sowie in der
Schweiz?

3. Billigt die Bundesregierung, dass die GEMA von deutschen Unternehmen
der Gastronomie und des Einzelhandels für die öffentliche Wiedergabe US-
amerikanischer Repertoires Vergütungen fordert, für die vergleichbare Be-
triebe in den USA nach dem „Aikens Act“ freigestellt sind?

Welche Beträge wurden von der GEMA, GVL und VG-Wort in den letzten
drei Jahren pro Jahr für die Vergütung von Hintergrundmusik an Urheber
und Leistungsberechtigte in die USA abgeführt?

4. Sind die GEMA-Mitarbeiter aus der faktischen Monopolstellung der GEMA
heraus verpflichtet, dem Musiknutzer die jeweils günstigste Tarifgestaltung
von sich aus anzubieten?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die GEMA-Mitarbeiter ver-
pflichtet sind, von sich aus die Musiknutzer zu fragen, ob sie Mitglied in der
Bundesvereinigung der Musikveranstalter sind, damit sie ggf. in den Genuss
des für dessen Mitglieder geltenden Gesamtvertrags-Nachlasses von 20 %
des Tarifs kommen?

6. Hält die Bundesregierung den so genannten Kontrollzuschlag der GEMA
bei Urheberrechtsverletzungen, d. h. bei nichtangemeldeten Musikdarbie-
tungen, von pauschal 100 % des Tarifs für angemessen?

Inwieweit kommt die GEMA ihrer Aufsichtspflicht nach, Musiknutzer über
die Notwendigkeit der Anmeldung und Vergütung von Musikdarbietungen
zu informieren, angesichts der Tatsache, dass sich z. B. Gaststätteninhaber,
Vereine und Gemeinden oftmals nicht über ihre Rolle als anmeldepflichtiger
Veranstalter im Sinne des Urheberrechts bewusst sind?

7. Welche Einnahmen hat die GEMA in den letzten drei Jahren pro Jahr durch
solche Kontrollzuschläge erhalten?

Wie verteilen sich die Einnahmen aus diesen Kontrollzuschlägen auf die Be-
reiche

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1989

a) Gastronomie, Hotels und ähnliche Betriebe,

b) Tonträgerindustrie,

c) Vereine,

d) Sonstige?

8. Wie viele Kontrolleure hat die GEMA in den letzten drei Jahren, pro Jahr
aufgeschlüsselt, nach ihren Bezirksdirektionen beschäftigt?

Welche Kosten sind der GEMA für ihre Kontrolltätigkeiten in den letzten drei
Jahren, pro Jahr aufgeschlüsselt nach Personal- und Sachkosten, entstanden?

9. Gibt es eine Überwachung der Kontrollmitteilungen der GEMA-Außen-
dienstmitarbeiter und deren Arbeitsweise?

Wenn ja, in welcher Form geschieht dies?

Inwieweit ist sichergestellt, dass von den GEMA-Außendienstmitarbeitern
bei der nachträglichen Berechnung die jeweils richtigen Tarife zur Anwen-
dung gebracht werden?

10. Welche Daten über gegenwärtige und frühere Musiknutzer bzw. Veranstal-
tungsräume werden von der GEMA elektronisch gespeichert?

Inwieweit ist sichergestellt, dass dabei das Bundesdatenschutzgesetz be-
achtet wird?

Wer hat Zugriff auf diese Daten?

11. Welche Rechtsverfolgungskosten sind der GEMA in den letzten drei Jah-
ren pro Jahr entstanden

a) gegen Musiknutzer mit abgeschlossenem Vertrag,

b) gegen Urheberrechtsverletzer?

12. Hält die Bundesregierung die Unterteilung der Berechtigungsverträge der
GEMA in angeschlossene, außerordentliche und ordentliche Mitglieder im
Hinblick auf die faktische Monopolstellung mit den geltenden Gesetzen für
vereinbar?

Sieht es die Bundesregierung als zulässig an, dass weniger als 5 % der
ordentlichen GEMA-Mitglieder über die Tarife, Verteilungspläne und Ge-
schäftsbedingungen der GEMA beschließen?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Tarifgestaltung der
GEMA im Bereich der Unterhaltungsmusik, insbesondere durch die seit
1998 eingeschränkte Anwendung des Tarifs U für regelmäßige Musikauf-
führungen mit Musikern, junge und noch unbekannte Urheber bzw. aus-
übende Künstler erheblich benachteiligt und die Beschäftigung von Musi-
kern in weiten Bereichen der Gastronomie wirtschaftlich praktisch
unmöglich macht?

Verletzt die GEMA nach Ansicht der Bundesregierung durch diese Tarifge-
staltung die ihr nach § 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Wahrnehmung von Ur-
heberrechten und verwandten Schutzrechten obliegende Verpflichtung, auf
die kulturellen und sozialen Belange Rücksicht zu nehmen?

14. Trifft es zu, dass die Beantwortung von Beschwerden urheberrechtlicher
Verwerter durch das Deutsche Patent- und Markenamt zz. bei mehr als drei
bis sechs Monaten liegt?

Wenn ja, sieht die Bundesregierung diese Beantwortungsfristen als zeitnah,
verbraucherfreundlich und angemessen an?

Drucksache 14/1989 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
15. Welche Dauer eines Verfahrens vor der Schiedsstelle nach §§ 14 ff. des Ge-
setzes zur Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrech-
ten, die bei Streitigkeiten zwischen Musiknutzern und Verwertungsgesell-
schaften vor einem gerichtlichen Verfahren obligatorisch eingeschaltet
werden muss, sieht die Bundesregierung als angemessen an?

16. Wie viele Verfahren gab es nach Kenntnis der Bundesregierung bei der
Schiedsstelle nach dem Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten
und verwandten Schutzrechten in den letzten drei Jahren pro Jahr?

Wie viele dieser Verfahren wurden von der Schiedsstelle abgeschlossen

a) im Jahr der Antragstellung,

b) ein Jahr nach Antragstellung,

c) mehr als ein Jahr nach Antragstellung?

17. Wie viele Einigungsvorschläge der Schiedsstelle wurden in den letzten drei
Jahren pro Jahr als endgültige Lösung von den Parteien angenommen?

Gegen wie viele Einigungsvorschläge der Schiedsstelle legten beide Par-
teien Widerspruch gemäß § 14a Abs. 3 des Gesetzes zur Wahrnehmung
von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten ein?

18. Hält die Bundesregierung die Abtretung von Forderungen der GEMA an In-
kassounternehmen angesichts der damit verbundenen Kosten für zulässig?

19. Billigt die Bundesregierung, dass die Verwertungsgesellschaft Bild/Kunst,
die die Rechte der bildenden Künstler sowie der Fotografen und Grafikde-
signer vertritt, Hotels in Deutschland, die in ihrer Lobby bzw. Lounge ein
Fernsehgerät für ihre Gäste bereitstellen, zum Abschluss eines Vertrages
nach ihrem Tarif für die Wiedergabe von Fernsehsendungen (Bundesanzei-
ger vom 8. Januar 1997, Nr. 4, S. 127) auffordert, der zwischen dem 8,5-fa-
chen und 16,85-fachen des einschlägigen GEMA-Tarifs FS beträgt?

Hält die Bundesregierung diesen Tarif für angemessen bzw. wie beurteilt sie
die Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamtes über die Verwertungs-
gesellschaften gemäß §§ 18 ff. des Gesetzes zur Wahrnehmung von Urhe-
berrechten und verwandten Schutzrechten bei der Prüfung dieses Tarifs?

20. Hält die Bundesregierung die außertarifliche Ersetzung des Begriffs „Ka-
baretteinlagen“ durch „Showeinlagen“ durch die GEMA-Bezirksdirektion
Dresden zur Erlangung eines 50 %igen Zuschlags auf den Tarif M-U III 1c
(Diskotheken) für einen von der Aufsichtsbehörde über die Verwertungsge-
sellschaften zu ahndenden Missbrauch?

Wenn ja, ist eine GEMA-Bezirksdirektion bei Anwendung solcher Ge-
schäftspraktiken noch zuverlässig im Sinne des Gesetzes zur Wahrneh-
mung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten?

Berlin, den 2. November 1999

Klaus Brähmig Thomas Dörflinger
Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Dr. Hans Georg Faust
Ernst Hinsken Dr. Harald Kahl
Anita Schäfer Dr.-Ing. Paul Krüger
Ilse Aigner Dr. Peter Ramsauer
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Edeltraut Töpfer
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.