BT-Drucksache 14/1960

Eine internationale Soziale Marktwirtschaft als Grundmodell für eine globale Struktur- und Ordnungspolitik- Chancen und Risiken der Globalisierung der Weltwirtschaft für die Entwicklungsländer

Vom 2. November 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1960
14. Wahlperiode 02. 11. 99

Große Anfrage
der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Norbert Blüm, Siegfried Helias,
Rudolf Kraus, Dr. Manfred Lischewski, Marlies Pretzlaff, Erika Reinhardt,
Hans-Peter Repnik, Dr. Christian Ruck, Peter Weiß (Emmendingen)
und der Fraktion der CDU/CSU

Eine internationale Soziale Marktwirtschaft als Grundmodell für eine globale
Struktur- und Ordnungspolitik – Chancen und Risiken der Globalisierung
der Weltwirtschaft für die Entwicklungsländer

Im Zuge der Globalisierung verlieren nationale Grenzen, räumliche und zeitbe-
dingte Distanzen zunehmend an Bedeutung. Weltweite Handels-, Finanz- und
Informationsströme gelangen in immer kürzeren Zeiten zu ihren Empfängern.
Die Globalisierung berührt heute allerdings mehr als nur die internationale
Wirtschafts- und Finanzwelt. Sie greift in andere Bereiche wie z. B. Arbeits-
standards, Beschäftigung, soziale Bevölkerungsstruktur und Bewahrung der
kulturellen Identitäten über. Die Grenzen zwischen nationalen und internatio-
nalen Problemen verwischen sich. Die globale Zusammenarbeit hat immer tie-
fergehende Folgen für die inneren Angelegenheiten der Nationen.

Bei diesen Folgen handelt es sich in erster Linie um strukturelle Änderungen.
Die industrielle Produktion erlebt einen Strukturwandel, denn transnationale
Unternehmen teilen die Güterproduktion in immer mehr Komponenten auf, die
dann an den vorteilhaftesten Standorten hergestellt werden können. Der Welt-
handel erlebt einen Strukturwandel, denn die immer komplexere und flexiblere
internationale Arbeitsteilung ändert Richtung und Stärke der Handelsströme.
Die Globalisierung verstärkt auch den durch technischen Fortschritt, insbeson-
dere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, hervorge-
rufenen Strukturwandel auf den Arbeitsmärkten. Während dieser technische
Fortschritt in den Industrieländern verstärkt Arbeitsplätze mit höheren Qualifi-
kationsvoraussetzungen entstehen lässt, ermöglicht die Globalisierung tenden-
ziell eine Verlagerung niedrig qualifizierter Arbeitsplätze an kostengünstigere
Standorte, vornehmlich in die Entwicklungsländer. Dadurch entsteht auch eine
Tendenz zu einer stärkeren Spreizung der Lohnrelationen und damit möglicher-
weise auch eine Veränderung der Einkommensverteilung innerhalb wie zwi-
schen den Ländern.

Viele Beobachter befürchten negative Konsequenzen z. B. im Umweltsektor.
Gerade in einem Großteil der Entwicklungsländer, in dem bislang nur Ansätze
für eine ausgeprägte umweltschützende Gesetzgebung bzw. eine effektive
Durchsetzung derselben bestehen, lässt sich ein mit fortschreitender Industriali-
sierung einhergehendes Anwachsen des Raubbaus an der Natur beobachten.

Drucksache 14/1960 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Dabei beunruhigten das fehlende Bewusstsein einer beträchtlichen Zahl von
Regierungen gerade auch in Entwicklungsländern hierfür, ihre Furcht vor dem
drohenden Verlust von vermeintlichen Wettbewerbs- und Kostenvorteilen aus
niedrigen Sozial- und Umweltstandards und ihr darauf gründender Widerstand
gegen eine stärkere Betonung sozial- und umweltpolitischer Belange im Zu-
sammenhang mit Welthandel und Globalisierung.

Eines der hervorstechendsten Merkmale für die Einbeziehung der Entwick-
lungsländer in die Globalisierung ist die Tatsache, dass die privaten langfristi-
gen Nettokapitalzuflüsse in die Entwicklungsländer seit Beginn der 90er Jahre
sprunghaft gestiegen sind. 1997 erreichten sie die Rekordhöhe von 299 Mrd.
US-Dollar, während es 1990 erst 44 Mrd. US-Dollar waren. Konsequenz aus
dieser Tendenz war aber auch, dass die jüngste internationale Finanzkrise am
härtesten eine Reihe von Entwicklungsländern vornehmlich in Ost- und Süd-
Ostasien in Mitleidenschaft gezogen hat.

Mit den Auswirkungen der Globalisierung auf die Entwicklungsländer be-
schäftigt sich ebenfalls der jüngste Bericht über die menschliche Entwicklung,
herausgegeben vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP. Er
zieht insofern ein negatives Fazit, als er behauptet, die Globalisierung habe
einen tiefen Keil zwischen die reicheren und ärmeren Länder getrieben. UNDP
beklagt, dass der Einkommensunterschied zwischen dem reichsten und dem
ärmsten Fünftel der Weltbevölkerung von dreißig zu eins im Jahre 1960 auf
vierundsiebzig zu eins im Jahre 1997 angewachsen sei. 85 Ländern gehe es in
mehrfacher Hinsicht schlechter als noch vor zehn Jahren.

Es mehren sich die Anzeichen, dass viele Entwicklungsländer bei der Bewälti-
gung der aus der Globalisierung resultierenden Probleme große Schwierigkei-
ten haben. Sie als die schwächeren Mitglieder der Staatengemeinschaft verfü-
gen in der Regel nicht über die notwendigen materiellen und immateriellen
Ressourcen zur Nutzung bzw. Bewältigung der sich aus der Globalisierung er-
gebenden Chancen und Probleme.

Die Globalisierung der Weltwirtschaft legt auch der deutschen und europäi-
schen Politik die Verantwortung auf, die Situation der Entwicklungsländer
rechtzeitig und umfassend zu analysieren sowie an der Erarbeitung und Umset-
zung geeigneter Problemlösungen mitzuwirken.

Dabei stellen die mit dem Begriff der Globalisierung erfassten weltweiten In-
terdependenzen politischer, sozialer und wirtschaftlicher Prozesse zahlreiche
Politikbereiche vor die Herausforderung, ihre Konzepte vor dem Hintergrund
zunehmender Globalisierung zu überprüfen.

Um zu erreichen, dass im Zuge der Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen,
der zunehmenden Verflechtung der Volkswirtschaften, auch im internationalen
Zusammenhang aus einzelwirtschaftlichem Handeln gesamtwirtschaftlich und
gesellschaftspolitisch vernünftige Ergebnisse entstehen können, bedarf es in
bestimmten Politikfeldern der Ausdehnung des ordnungspolitischen Rahmens
über die nationalstaatliche bzw. europäische Ebene hinaus. Dies betrifft bei-
spielsweise Fragen der internationalen Wettbewerbsordnung, des Verbraucher-
schutzes, der Sicherung von Urheberrechten oder des globalen Umweltschutzes.

Die Ausgestaltung des ordnungspolitischen Rahmens auf nationaler bzw. euro-
päischer Ebene liefert eine Reihe von Ansatzpunkten für eine Ausdehnung des
ordnungspolitischen Rahmens über die nationalstaatliche Ebene hinaus.

Der erfolgreiche Wiederaufbau des kriegszerstörten Westdeutschland, die Inte-
gration von vielen Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen sowie der Aufstieg
Deutschlands zu einem wichtigen wirtschaftlichen und politischen Akteur auf
europäischer und internationaler Ebene ist der konsequenten Verwirklichung
des Konzepts der Sozialen Marktwirtschaft auf nationaler deutscher Ebene zu

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1960

verdanken. Dessen Elemente wie z. B. die Förderung des privaten Eigentums,
ein fairer und freier Leistungswettbewerb, marktgerechte Preise sowie ein leis-
tungsgerechtes, die Lebensrisiken und materiellen Notlagen absicherndes Sozi-
alsystem müssen immer wieder in einem dynamischen Prozess in eine wachs-
tumsfördernde und sozial ausgeglichene Balance gebracht werden. Angepasst
an die jeweiligen nationalen Besonderheiten stellen sie heute die Grundlage für
den wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand auch in vielen anderen Industrie-
staaten dar.

Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass sich die Soziale Marktwirt-
schaft als geeignetes Grundmodell auf nationaler Ebene auch in den sich der
Globalisierung stellenden Entwicklungsländer anbietet.

Dabei ist selbstverständlich, dass diese Staaten dieses Grundmodell nicht ein-
fach kopieren können, sondern es im Lichte unterschiedlicher Ausgangsbedin-
gungen, verschiedener Mentalitäten sowie andersartiger soziokultureller Tradi-
tionen und Strukturen individuell anpassen müssen.

Geht man von der nationalen Ebene der einzelnen Industrie- und Entwick-
lungsländer einen Schritt höher und widmet sich dem Bereich des zwischen-
staatlichen bzw. internationalen Miteinanders dieser Staaten, stellt sich sofort
die Frage nach der Beschaffenheit einer dieses Miteinander regelnden globalen
Struktur- und Ordnungspolitik.

Auch hier kann das Modell der Sozialen Marktwirtschaft das Grundgerüst für
ein System internationaler Kooperation zur Nutzung von Globalisierungschan-
cen und Bewältigung von Globalisierungsproblemen liefern. Dabei kann mit
Recht darauf verwiesen werden, dass mit der Schaffung der Europäischen
Union bereits erfolgreich das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft über die
nationalstaatliche Ebene hinaus ausgedehnt wurde.

Die Übertragung des Prinzips der Sozialen Marktwirtschaft auf die zwischen-
staatliche Ebene impliziert zunächst die Schaffung eines internationalen Rah-
mens von Regeln und Prinzipien, der es auch den schwächeren Mitgliedern der
internationalen Staatenfamilie, also in erster Linie den Entwicklungsländern, er-
möglicht, an der Globalisierung mit den gleichen Chancen und Rechten wie die
wirtschaftlich potenteren Länder partizipieren zu können. Ein Teil dieser Regel-
werke kann zusätzlich auf internationaler Ebene dazu beitragen, die Verwirk-
lichung wesentlicher Bestandteile der Sozialen Marktwirtschaft auf nationaler
Ebene in den an der Globalisierung partizipierenden Ländern zu verankern.

Ein erstes Beispiel für den beginnenden Aufbau einer globalen Struktur- und
Ordnungspolitik nach diesem Prinzip sind die Welthandelsorganisation WTO
sowie die unter ihrem Dach geschlossenen Abkommen, die sowohl auf eine Li-
beralisierung des weltweiten Handels als auch auf eine stärkere Normierung der
internationalen Handelsregeln abzielen. Aus dem Blickwinkel der Sozialen
Marktwirtschaft ist dies als positiver Schritt in Richtung auf eine wirksame
Rechtsordnung zur Gewährleistung des internationalen Wettbewerbs zu werten.

Die Welthandelsorganisation tritt neben andere globale Institutionen wie vor al-
lem die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds IWF sowie andere
multilaterale Sonderorganisationen wie z. B. die Internationale Arbeitsorgani-
sation IAO, die Normen und Konzepte für die weltweite wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit festgelegt haben.

Auch eine Reihe bedeutender Konferenzen dieses Jahrzehnts wie z. B. die UN-
Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio oder der Weltsozialgipfel in
Kopenhagen haben ihren Beitrag zur Schaffung internationaler Grundsätze und
Regeln im Umgang mit dem Phänomen der Globalisierung geleistet.

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Diese Bemühungen stellen jedoch nur erste Ansätze zur Bewältigung der Her-
ausforderungen der Globalisierung dar. Es ist daher wichtig, auch weiterhin auf
allen Ebenen die Bedeutung einer globalen Struktur- und Ordnungspolitik auf
der Grundlage einer internationalen Sozialen Marktwirtschaft für Wachstum
und Stabilität in den Entwicklungsländern zu betonen und sich mit allen Kräf-
ten für deren Verwirklichung einzusetzen.

Dieser Forderung liegt unser Modell einer partnerschaftlichen Weltordnung zu-
grunde, die den Mensch in den Mittelpunkt ihres Wertgefüges stellt und gerade
auch den armen Bevölkerungen in den Entwicklungsländern bessere Chancen
zum Einsatz ihrer produktiven Kräfte und zur Teilnahme an Entwicklung und
Wohlstandsmehrung einräumt.

Wir fragen die Bundesregierung:

A. Internationale Regeln und Prinzipien zum Auf- und Ausbau einer glo-
balen Struktur- und Ordnungspolitik:

1. Wie ist nach Ansicht der Bundesregierung eine Kompatibilität des im Jahre
2000 zwischen EU und AKP-Staaten zu schließenden LOME-V-Vertrages
mit WTO-Regeln sicherzustellen?

2. Kann eine Prioritätensetzung zugunsten einer Intensivierung des Handels
zwischen Entwicklungsländern (Süd-Süd-Handel) und einer Schaffung
regionaler Wirtschaftsblöcke zwischen Entwicklungsländern nach Ansicht
der Bundesregierung deren Integration in die Weltwirtschaft fördern?

3. Welche Chancen und Risiken können sich nach Auffassung der Bundes-
regierung aus einem unter dem Dach der WTO abgeschlossenen multilate-
ralen Investitionsabkommen (MAI) für die Entwicklungsländer ergeben?
Worin liegt nach Meinung der Bundesregierung der Widerstand einer
Reihe von Entwicklungsländern (z. B. Indien) hiergegen begründet?

4. Ist die Bundesregierung noch immer zu einer finanziellen Beteiligung an
der auf Initiative Kolumbiens geplanten Errichtung eines „Legal Advisory
Center on WTO Law“ bereit?

5. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung den Prinzipien der Sozialen
Marktwirtschaft für die Erarbeitung einer internationalen Struktur- und
Ordnungspolitik im Verhältnis zu den Entwicklungsländern bei?

6. Welche Maßnahmen müssen nach Ansicht der Bundesregierung zur Ver-
besserung des Marktzugangs für Entwicklungsländer in die Industrielän-
der, insbesondere die EU, getroffen werden?

7. Plant die Bundesregierung bzw. die EU in diesem Zusammenhang weiter-
führende Marktöffnungsmaßnahmen zugunsten von Entwicklungsländern?

8. Plant die Bundesregierung bzw. die EU in diesem Zusammenhang die Kür-
zung oder Abschaffung von in bestimmten Wirtschaftssektoren gewährten
Subventionen?

9. Wie lässt sich eine weitere Bevorzugung der AKP-Entwicklungsländer im
Rahmen eines LOME-V-Vertrages gegenüber anderen Nicht-AKP-Ent-
wicklungsländern wie z. B. Nepal, einem der ärmsten LDC (least devello-
ped country), zukünftig rechtfertigen?

10. Inwieweit können nach Auffassung der Bundesregierung Marktöffnungs-
maßnahmen vonseiten vieler Entwicklungsländer, die ihre Märkte durch
Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse gegen Importe aus Industrie-
und anderen Entwicklungsländern abschotten, zu dortigem Wirtschafts-
und Wohlstandswachstum beitragen?

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11. Inwieweit könnten nach Ansicht der Bundesregierung derartige Marktöff-
nungsentscheidungen von Entwicklungsländern und die daraus resultieren-
den Ausfälle von Zolleinnahmen zu einer bedrohlichen Situation der dorti-
gen öffentlichen Haushalte führen?

12. Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung für den Fall des Beginns von
WTO-Verhandlungen zu Themen wie globale Regeln für Wettbewerb,
Handel und Umwelt, Arbeits- und Sozialnormen sichergestellt werden,
dass Entwicklungsländerinteressen im Wirtschafts-, Sozial- und Umwelt-
bereich sowie im Bereich der Erhaltung ihrer nationalen Identität genü-
gende Berücksichtigung finden?

13. Ist die Bundesregierung im Hinblick auf die für Ende 1999 vorgesehene
dritte WTO-Ministerkonferenz in Seattle der Auffassung, dass weitere Li-
beralisierungen im Agrarbereich zu einem Entgegenkommen vieler Ent-
wicklungsländer beim Thema Handel und Umwelt führen können? Inwie-
weit war das in Genf durchgeführte hochrangige Symposium zum Thema
Handel und Umwelt nützlich?

14. In welchem Verhältnis stünden nach Ansicht der Bundesregierung beste-
hende internationale Umweltabkommen zu den Grundregeln der WTO
bzw. zu einem möglichen WTO-Abkommen zu Handel und Umwelt?

15. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung in diesem Zusammenhang
der Forderung nach einer Formalisierung der Zusammenarbeit zwischen
der WTO und UNEP bei?

16. Müssten, und wenn ja, wie, die bestehenden IAO-Abkommen nach Auffas-
sung der Bundesregierung erneuert bzw. erweitert werden, um Arbeits- und
Sozialstandards z. B. im Bereich der Bekämpfung der Kinderarbeit in den
Entwicklungsländern so weitgehend zu verbessern, dass sie den Prinzipien
einer Sozialen Marktwirtschaft zumindest nahekommen?

17. In welchem Verhältnis stünden nach Ansicht der Bundesregierung beste-
hende IAO-Abkommen zu einem möglichen WTO-Abkommen zu Arbeits-
und Sozialnormen?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Ableh-
nung einer Behandlung dieses Themas in der WTO seitens vieler Entwick-
lungsländer mit der Argumentation, die Industriestaaten wollten derartige
Standards protektionistisch missbrauchen?

19. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, inwieweit die Forderung
höherer Sozial- und Umweltstandards in Entwicklungsländern generell
oder in ausgewählten Beispielen durch gesellschaftliche Gruppen oder po-
litische Parteien in diesen Ländern vertreten und durchgesetzt werden
konnten?

20. Wie schätzt die Bundesregierung die Chance ein, dass im Zuge von Demo-
kratisierungsprozessen zukünftig verbesserte Sozial- und Umweltnormen
in den am Welthandel teilnehmenden Entwicklungsländern erreicht werden
können? Welchen Beitrag können dabei internationale Organisationen leis-
ten?

21. Kann die anstehende Überprüfung des WTO-Streitschlichtungsverfahrens
zu einer besseren Berücksichtigung der Interessen der Entwicklungsländer
führen?

22. Welche Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundesregierung insbesondere
auf multilateraler Ebene zur Eindämmung der destabilisierenden Wirkun-
gen von Finanzkrisen wie zuletzt der fernöstlichen auf die Finanzmärkte
sowie die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in Entwicklungsländern
zu treffen?

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23. Sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit
einer Neudefinition von Rolle und Mandat des Internationalen Währungs-
fonds und der Weltbank?

24. Wie steht die Bundesregierung zur im Zusammenhang mit der fernöstli-
chen Finanzkrise abgegebenen Empfehlung an Entwicklungsländer, gerade
zur Absicherung langfristiger Investitionsprojekte Wechselkursbindungen
einzugehen?

25. Teilt die Bundesregierung die Auffassung führender Ökonomen wie z. B.
dem Senior Vice President und Chief Economist der Weltbank, Joseph
Stieglitz, die gerade in internationalen Finanzströmen aus kurzfristigem
Kapital eine Quelle der Instabilität in Finanzmärkten der Entwicklungslän-
der und anderen aufstrebenden Volkswirtschaften sehen, und, wenn ja, wel-
che Maßnahmen sollten nach ihrer Auffassung zur Beseitigung dieser Pro-
blematik ergriffen werden?

26. Vertritt die Bundesregierung hierbei die Meinung, dass auch der Privatsek-
tor, also insbesondere private Banken, in die Bewältigung zukünftiger Kri-
sen miteingebunden werden sollte?

27. Wenn ja, in welcher Form sollte dies nach Meinung der Bundesregierung
geschehen und welche Nachteile könnte dies für die Kapitalmärkte in Ent-
wicklungsländern mit sich bringen?

28. Welchen Stellenwert räumt die Bundesregierung dem Bildungs- und Aus-
bildungssektor, insbesondere für Mädchen und Frauen, sowie dem Hand-
werk und Mittelstand ein im Hinblick auf die Stärkung der Konkurrenz-
fähigkeit der Entwicklungsländer im Globalisierungsprozess?

29. Wie gewichtet die Bundesregierung die Bereiche Technik und Technologie
im Hinblick auf die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der Entwicklungs-
länder im globalen Prozess?

30. Welche Priorität gibt die Bundesregierung der Weiterentwicklung des länd-
lichen Raumes und hier besonders der Fortbildung von Frauen durch mut-
tersprachlichen Unterricht?

31. Welche Position bezieht die Bundesregierung zur Forderung nach neuen
Finanzquellen zur Stärkung technologischer Kapazitäten in Entwicklungs-
ländern, z. B. mittels einer „Bit-Steuer“ auf Internet-Mitteilungen, und
nach einem internationalen Technologieprogramm zugunsten der Entwick-
lungsländer?

32. Welche Position bezieht die Bundesregierung zur Forderung nach einer
Besteuerung aller internationaler Kapitalmarkttransaktionen („Tobin-
Steuer“) und der Verwendung des Ertrags hieraus für die Förderung von
Stabilität und Wachstum in Entwicklungsländern?

33. Welche Position bezieht die Bundesregierung zur Forderung nach einer
Sonderkommission zur Überprüfung der Weltordnungspolitik, in der neben
Regierungen auch Vertreter des privaten Sektors sowie von Nichtregie-
rungsorganisationen sitzen sollen?

34. Wie groß ist nach Meinung der Bundesregierung das Risiko, dass Ent-
schuldungsmaßnahmen der Geber zugunsten von Entwicklungsländern,
wie zuletzt auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank beschlossen,
durch das gleichzeitige massive Herunterfahren der Entwicklungshilfebud-
gets einiger Geberstaaten ins Leere laufen?

35. Wie bewertet die Bundesregierung Befürchtungen, dass die Entschul-
dungsbeschlüsse der Jahrestagung von IWF und Weltbank zu einer erheb-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/1960

lichen Aufweichung der Rückzahlungsdisziplin unter den Entwicklungs-
ländern führen könnte?

36. Mit welchen Bedingungen und nach welchen Verfahren sind nach Meinung
der Bundesregierung Entschuldungsmaßnahmen zugunsten von Entwick-
lungsländern durchzuführen, die sicherstellen, dass die begünstigten
Schuldnerstaaten zukünftig freiwerdende Ressourcen verstärkt in den Auf-
bau einer sozial orientierten marktwirtschaftlichen Ordnung, der Gewähr-
leistung der Menschenrechte, der Demokratisierung, der Rechtstaatlichkeit
und –sicherheit, der Armutsbekämpfung, der Friedenssicherung sowie dem
Umweltschutz investieren?

37. Wie ist die Position der Bundesregierung zur Schaffung eines Internationa-
len Insolvenzrechts als rechtlichem Rahmen für die Entschuldung von
überschuldeten bzw. zahlungsunfähigen Entwicklungsländern?

38. Welchen Schluss zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass zwar
die meisten asiatischen und lateinamerikanischen Länder im Lichte der
Globalisierung deutliche Anzeichen für eine stärkere weltwirtschaftliche
Integration erkennen lassen, im Gegensatz dazu aber viele afrikanische
Staaten bislang keinen Nutzen aus der Globalisierung ziehen konnten?

B. Fördermaßnahmen der Bundesregierung auf multilateraler Ebene
und bilateral zugunsten bestimmter Entwicklungsländer:

39. Wie erklärt die Bundesregierung, dass einerseits nach ihrer eigenen Aus-
sage die multilaterale Zusammenarbeit zur Gestaltung der globalen Rah-
menbedingungen gestärkt werden sollte, andererseits von ihr massive Kür-
zungen in den finanziellen Zuwendungen an multilaterale Institutionen
geplant werden?

40. Wird das sich immer weiter verstärkende Phänomen der Globalisierung
nach Planung der Bundesregierung dazu führen, Prioritäten in der deut-
schen Entwicklungspolitik auf bi- wie multilateraler Ebene zu ändern?

41. Sollten Erfolgskriterien der entwicklungspolitischen Globalisierungsstrate-
gie wie z. B. außenwirtschaftliche Öffnung der Güter- und Kapitalmärkte,
Makrostabilität und staatliche Haushaltsdisziplin in den Entwicklungslän-
dern nach Auffassung der Bundesregierung stärker Bestandteil der Kondi-
tionalität bilateraler Entwicklungszusammenarbeit sein?

42. Welche bi- und multilateralen Maßnahmen ergreift die Bundesregierung
zur Förderung der marktwirtschaftlicher Strukturen sowie des Privatwirt-
schaftssektors in den Entwicklungsländern?

43. Welche Rolle spielt hierbei das Prinzip der sogenannten „Public Private
Partnership“ (PPP)?

44. Welche Bedeutung kann nach Auffassung der Bundesregierung das Vor-
handensein eines umfangreichen informellen Sektors in vielen Entwick-
lungsländern für deren Integration in die Weltwirtschaft haben?

45. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung auf bi- und multila-
teraler Ebene zur Förderung von Rahmenbedingungen z. B. im Verkehrsin-
frastruktur- oder Telekommunikationssektor in den Entwicklungsländern,
um dortige Standortnachteile auszugleichen?

46. Welche Fördermaßnahmen plant die Bundesregierung zur Unterstützung
der Entwicklungsländer bei der Bewältigung des sich nach Expertenmei-
nung wegen der fortschreitenden Globalisierung beschleunigenden Ver-
städterungsprozesses gerade in Entwicklungsländern und der daraus resul-
tierenden zusätzlichen Problemen in den Bereichen Umwelt, Trinkwasser,
Transport und Gesundheit?

Drucksache 14/1960 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
47. Welche bilateralen Maßnahmen ergreift die Bundesregierung zur Förde-
rung von Arbeits- und Sozialstandards in Entwicklungsländern?

48. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung zur Unterstützung der
Entwicklungsländer bei der Umsetzung von deren Verpflichtungen aus den
multilateralen Vertragswerken der IAO zur Durchsetzung weltweiter sozia-
ler Arbeitnehmerrechte und der von diesen Abkommen gesetzten Mindest-
standards für Arbeit einschließlich der jüngst verabschiedeten Konvention
gegen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit? Wie ist in diesem Zu-
sammenhang angesichts erheblicher Kürzungsplanungen im Entwick-
lungsbudget die von der Bundesregierung mit den anderen G7 Partnern auf
dem Weltwirtschaftsgipfel in Köln im Juni 1999 gegebene Zusage zu ver-
stehen, dass „wir beabsichtigen, die Arbeit mit den Entwicklungsländern
zu intensivieren, um ihre Fähigkeit zu verbessern, ihren Verpflichtungen
(aus Übereinkommen der IAO, Anm. d. Verf.) nachzukommen“?

49. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung zur Förderung von Aus-
landsinvestitionen in Entwicklungsländer?

50. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass von ihr vergebene staatliche
Bürgschaften für Handels- und Investitionskredite nur privatwirtschaftli-
chen Empfängern zugute kommen, die sich den Grundsätzen einer auf so-
ziale Gerechtigkeit ausgerichteten Marktwirtschaft verpflichtet fühlen?

51. Welche bi- und multilateralen Maßnahmen ergreift die Bundesregierung
zur Intensivierung des Handels und der Investitionstätigkeit zwischen Ent-
wicklungsländern?

52. Welche Unterstützungsmaßnahmen ergreift die Bundesregierung auf bi-
und multilateraler Ebene zur Unterstützung der Entwicklungsländer, die
darüber klagen, daß sie mit der Umsetzung der Regeln der Uruguay-Runde
und der WTO-Abkommen überfordert seien.

53. Plant die Bundesregierung angesichts der jüngsten internationalen Finanz-
krise bilaterale Unterstützungsmaßnahmen für Entwicklungsländer in den
Bereichen Stärkung des Banken- und Finanzsystems bzw. der Banken- und
Börsenaufsicht und des Aktionärsschutzes? Wird dies flankiert durch die
Förderung der Sicherstellung eines unabhängigen Justizapparats?

54. Wie stellt die Bundesregierung auf deutscher sowie auf EU-Ebene die Ko-
härenz der Außen-, Rechts-, Wirtschafts-, Finanz- und Entwicklungspolitik
im Verhältnis zu den Entwicklungsländern sicher, um die Duplikation oder
gar Konterkarierung der im Lichte der Globalisierung in einem Politiksek-
tor getroffenen Maßnahmen durch Beschlüsse in einem anderen Politikbe-
reich zu vermeiden?

Berlin, den 28. Oktober 1999

Klaus-Jürgen Hedrich
Dr. Norbert Blüm
Siegfried Helias
Rudolf Kraus
Dr. Manfred Lischewski
Marlies Pretzlaff

Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Christian Ruck
Peter Weiß (Emmendingen)
Dr. Wolfgang Schäuble
Michael Glos und Fraktion

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