BT-Drucksache 14/1883

Eigenständiges Aufenthaltsrecht für Frauen und Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe

Vom 26. Oktober 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1883
14. Wahlperiode 26. 10. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Bläss und der Fraktion der PDS

Eigenständiges Aufenthaltsrecht für Frauen und Anerkennung
geschlechtsspezifischer Fluchtgründe

In der Koalitionsvereinbarung wurde Folgendes vereinbart: „Wir werden die
im ausländerrechtlichen Vermittlungsverfahren nur unzureichend umgesetzte
Reform des eigenständigen Ehegatten-Aufenthaltsrechtes zu Ende führen.
Dazu werden wir die allgemeine Wartefrist von vier auf zwei Jahre herabsetzen
und die Härteklausel so gestalten, dass unerträgliche Lebenssituationen der Be-
troffenen angemessen berücksichtigt werden können.“ Weiter heißt es in der
Koalitionsvereinbarung: „Wir werden die Verwaltungsvorschriften mit dem
Ziel der Beachtung geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe überarbeiten.“
Dies bedeutet, dass geschlechtsspezifische Fluchtgründe als Asylgrund oder
zumindest als Abschiebehindernis Anerkennung finden. Es ist bis zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt nicht bekannt, ob die Bundesregierung diese Ankündigung
vollzogen hat.

Gegenwärtig erhalten Frauen, die geschlechtsspezifische Verfolgung als
Fluchtgrund geltend machen, hier kein Asyl mit der Begründung, es handele
sich nicht um eine vom Staat ausgehende oder dem Staat zuzurechnende Ver-
folgung. Als geschlechtsspezifische Fluchtgründe gelten unter anderen sexuali-
sierte Gewalt gegen Frauen, Genitalverstümmelungen, Zwangsabtreibungen,
Zwangssterilisationen, Zwangsverheiratungen.

Auch die §§ 51 und 53 AuslG sind bislang nicht dergestalt geändert worden,
dass geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe als Abschiebehindernis gelten,
wenn kein Asyl gewährt wird (vgl. Drucksache 14/1058).

Auch das Aufenthaltsrecht für Ehegattinnen und Ehegatten sollte laut Koali-
tionsvertrag verbessert werden. Nach wie vor ist das Aufenthaltsrecht in der
Regel der Ehefrauen von dem ihrer Ehemänner abgeleitet (§ 19 AuslG). Ein ei-
genständiges Aufenthaltsrecht erhalten Ehegattinnen und -gatten erst, wenn die
eheliche Lebensgemeinschaft mindestens vier Jahre oder in besonderen Härte-
fällen drei Jahre besteht. Wird die eheliche Gemeinschaft vor dieser Frist aufge-
löst, muss die Ehegattin oder der Ehegatte ohne eigenständiges Aufenthalts-
recht die Bundesrepublik Deutschland verlassen. Von dieser Bestimmung sind
Frauen am stärksten betroffen.

Viele Frauen sind deshalb jahrelangen Schikanen und Torturen durch ihre Ehe-
männer ausgesetzt, weil sie nicht ins Herkunftsland zurückkehren können.

Selbst wenn die Abschiebung einer Betroffenen nicht sofort erfolgt und sie für
einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt wird, bedeutet dies für die Frauen, dass

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sie einer ungewissen Zukunft entgegensehen und in der permanenten Angst
leben müssen, eines Tages abgeschoben zu werden. Die Härtefallklausel wird
in den Bundesländern unterschiedlich ausgelegt. Das führt dazu, dass Frauen in
einigen Bundesländern nachweisen müssen, dass ihre Ehemänner ihnen
schwerste Körperverletzungen im juristischen Sinne beigebracht haben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist eine Überarbeitung der o.g. Verwaltungsvorschriften im Hinblick auf ein
eigenständiges Aufenthaltsrecht für Frauen und auf geschlechtsspezifische
Verfolgungsgründe gemäß der Koalitionsvereinbarung erfolgt?

Wenn ja:

– Was beinhaltet diese Überarbeitung im Einzelnen?

– Welche Verbesserungen erfolgen demnach für verfolgte Frauen hinsicht-
lich eines sicheren Aufenthaltes?

– Sind die betroffenen Frauen durch die Überarbeitung lediglich für kurze
Zeit in der Bundesrepublik Deutschland geduldet oder ist der Aufenthalt
der Frauen langfristig gesichert?

Wenn nein:

– Weshalb ist diese Überarbeitung noch nicht erfolgt?

– Ist die Bundesregierung willens, Änderungen der Verwaltungsvorschrif-
ten einzuleiten?

– Wann ist mit einer Überarbeitung zu rechnen?

2. Ist eine Änderung der §§ 51 und 53 AuslG geplant, um geschlechtsspezifi-
sche Verfolgungsgründe als Abschiebungshindernis aufzunehmen?

3. Plant die Bundesregierung auch eine Änderung des Asylverfahrensgesetzes
und des Artikels 16a GG, um geschlechtsspezifische Fluchtgründe als asyl-
relevant festzuschreiben?

4. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Änderung des § 19 AuslG, um Frauen
ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu sichern?

Wenn ja, wann ist mit einer Änderung zu rechnen und welche Fristen strebt
die Bundesregierung an?

Wenn nein, warum nicht?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung, auf eine Änderung der Härtefallklausel
dergestalt hinzuwirken, dass im Gesetz festgelegt wird, dass Gewalt gegen
die abhängige Ehepartnerin oder den abhängigen Ehepartner als Grund für
die Auflösung einer ehelichen Lebensgemeinschaft ausreicht, ohne dass das
Aufenthaltsrecht verwirkt wird?

Berlin, den 20. Oktober 1999

Ulla Jelpke
Petra Bläss
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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