BT-Drucksache 14/1819

B zu der U durch die BReg -14/1579- über die Zusammensetzung und Arbeitsverfahren des mit der Ausarbeitung des Entwurfs einer EU - Charta der Grundrechte zu beauftragenden Gremiums und einschlägige praktische Vorkehrungen

Vom 19. Oktober 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1819
14. Wahlperiode

19. 10. 99

Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(22. Ausschuss) gemäß § 93a Abs. 4 der Geschäftsordnung

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/1579 Nr. 3.1 –

Zusammensetzung und Arbeitsverfahren des mit der Ausarbeitung
des Entwurfs einer EU-Charta der Grundrechte zu beauftragenden Gremiums
und einschlägige praktische Vorkehrungen
Ratsdok. 10539/99

A. Problem
Der Europäische Rat in Köln vom 3./4. Juni 1999 hat sich in seinen
Schlussfolgerungen für die Kodifizierung der auf Ebene der Europäi-
schen Union geltenden Grundrechte in einer Charta der Grundrechte
der Europäischen Union ausgesprochen, um so Identität und Legiti-
mität der Union zu stärken, die Grundrechte für die Unionsbürger in
ihrer Tragweite und Bedeutung sichtbarer zu machen sowie Transpa-
renz und Rechtssicherheit in bezug auf den Umfang des Grund-
rechtsschutzes zu verbessern. Der Europäische Rat in Köln hat daher
die finnische Ratspräsidentschaft gebeten, bis zur Sondertagung des
Europäischen Rates in Tampere am 15./16. Oktober 1999 die Vor-
aussetzungen für die Umsetzung seines Beschlusses zur Ausarbei-
tung der Grundrechtscharta zu schaffen. Hierfür muss der Rat mit
dem Europäischen Parlament die Zusammensetzung des Gremiums,
die Frage des Vorsitzes und die Modalitäten des Verfahrens verein-
baren.

B. Lösung
Abgabe eines Votums gegenüber der Bundesregierung, in dem be-
sonders auf die Bedeutung des Europäischen Parlaments und der na-
tionalen Gesetzgebungsorgane bei der Ausarbeitung der EU-Charta
der Grundrechte hingewiesen wird. Die nationalen Gesetzgebungs-
organe sollen 30 Mitglieder (2 je Mitgliedstaat) und das Europäische
Parlament 15 Mitglieder, entsprechend der Anzahl der Beauftragten
der Staats- und Regierungschefs, entsenden. Die Entscheidung von
Verfahrensfragen soll möglichst dem Gremium selbst überlassen, der
Entwurf der Grundrechtscharta durch das Gremium selbst im Wege
der Mehrheitsentscheidung angenommen und anschließend durch
das Europäische Parlament und den Europäischen Rat im gegenseiti-

Drucksache 14/1819 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

gen Einvernehmen in Kraft gesetzt werden. Während des Ausarbei-
tungsprozesses sollte der Dialog mit den Beitrittskandidaten im
Rahmen der bestehenden Foren gewährleistet und auch international
tätigen Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen die Begleitung
der Beratungen des Gremiums ermöglicht werden.
Einstimmigkeit im Ausschuss

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1819

Bericht der Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Peter Altmaier,
Claudia Roth, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Manfred Müller (Berlin)

1. Zum Verfahren
Der Bericht wird gemäß Artikel 45 GG in Verbindung
mit § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO BT abgegeben. Danach
kann der Ausschuss für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union gegenüber der Bundesregierung eine
Stellungnahme abgeben, sofern nicht einer der beteilig-
ten Fachausschüsse widerspricht. Die beteiligten Aus-
schüsse haben das Verfahren gewählt, um dem Deut-
schen Bundestag – der Europäische Rat von Köln hat die
finnische Präsidentschaft gebeten, bis zur Sondertagung
des Europäischen Rates in Tampere am 15./16. Oktober
1999 die Voraussetzungen für die Umsetzung seines Be-
schlusses zur Ausarbeitung der Grundrechtscharta zu
schaffen – die Möglichkeit einer effektiven Einfluss-
nahme des Parlaments auf die Verhandlungsführer der
Regierung zu gewährleisten. Damit konnte auch dem
Wunsch der Bundesregierung nach einer frühzeitigen
Stellungnahme des Deutschen Bundestages bis Ende
September 1999, der mit Blick auf die im Vorfeld des
Sondergipfels von Tampere stattfindenden Beratungen
im Allgemeinen Rat geäußert wurde, entsprochen wer-
den.
Auf dieser Grundlage hat der Ausschuss für die Angele-
genheiten der Europäischen Union gegenüber der Bun-
desregierung folgendes Votum abgegeben:
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union ist der Auffassung, dass dem Europäischen
Parlament und den nationalen Gesetzgebungsorganen
eine hervorgehobene Bedeutung bei der Ausarbeitung
der EU-Charta der Grundrechte zukommt, weil es sich
hierbei um eine Aufgabe der Volksvertretungen handelt.
Bei der Zusammensetzung und den Arbeitsverfahren des
Gremiums, das die Charta ausarbeiten soll, muss dies
berücksichtigt werden.
Zu den von der finnischen Präsidentschaft vorgelegten
Fragestellungen vertritt der Ausschuss folgende Auffas-
sung:
Die Anzahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments
in dem Gremium, das die Charta der Grundrechte aus-
arbeiten wird, sollte der Anzahl der Beauftragten der
Staats- und Regierungschefs (15 Beauftragte) entspre-
chen. Von den nationalen Gesetzgebungsorganen sollten
insgesamt 30 Mitglieder, d. h. zwei pro Mitgliedstaat, in
das Gremium entsandt werden, um bei Mitgliedstaaten
mit einem Zweikammersystem die Entsendung eines
Vertreters pro Gesetzgebungskammer zu ermöglichen.
Die Mitglieder des Gremiums sollten persönliche Stell-
vertreter erhalten, die so in die Ausarbeitung der Charta
einzubeziehen sind, dass sie jederzeit die Vertretung
eines ordentlichen Mitglieds wahrnehmen können. Mit
den Beitrittskandidaten sollte im Rahmen der bestehen-
den Foren ein Meinungsaustausch über die Ausgestal-
tung der Grundrechtscharta stattfinden.

Der Ausschuss empfiehlt, grundsätzlich möglichst viele
Verfahrensfragen von dem Gremium selbst entscheiden
zu lassen. So sollte der Vorsitz des Gremiums aus seiner
Mitte heraus bestimmt werden, die Wahl des Vorsitzes
dem Gremium selbst überlassen und der Vorsitz wäh-
rend der Ausarbeitung der Grundrechtscharta in einer
Hand bleiben.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union lehnt hinsichtlich des Arbeitsverfahrens des
Gremiums den sog. großen Redaktionsausschuss ab. Er
hält es für sachgerechter, dass die Einrichtung des Re-
daktionsausschusses und anderer Unterausschüsse dem
Gremium selbst überlassen werden.
Der Ausschuss regt an, international tätigen Menschen-
und Bürgerrechtsorganisationen zu ermöglichen, den
Prozess der Ausarbeitung der Grundrechtscharta konti-
nuierlich zu begleiten. Auch auf diese Weise könnte eine
größtmögliche Öffentlichkeit und Transparenz der Arbeit
des Gremiums gewährleistet werden.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union unterstreicht, dass das zu beauftragende
Gremium auch für die Ausarbeitung der Grundrechts-
charta zuständig ist. Daraus folgt, dass dieses Gremium
auch für die Annahme der Charta zuständig ist. Hin-
sichtlich des Verfahrens sollte im Normalfall die Mehr-
heitsentscheidung zur Anwendung kommen. Für die An-
nahme könnte eine qualifizierte Mehrheit vorgesehen
werden. Das Europäische Parlament und der Europäi-
sche Rat setzen anschließend gemeinsam im gegenseiti-
gen Einvernehmen die Charta in Kraft.

2. Beratungsverfahren – Plenum und
mitberatende Ausschüsse

Die Vorlage (Anlage 1) wurde gemäß § 93 Abs. 2 GO
BT mit Drucksache 14/1579 Nr. 3.1 vom 13. September
1999 dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union zur federführenden Beratung und dem
Innenausschuss, dem Rechtsausschuss und dem Aus-
schuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zur
Mitberatung überwiesen.
Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe hat in seiner 21. Sitzung am 8. September 1999
den folgenden Beschluss gefasst:
„Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe des Deutschen Bundestages
– begrüßt die Einsetzung eines Gremiums zur Ausar-

beitung einer Grundrechtscharta der EU;
– empfiehlt, Fragen wie den Gremiumsvorsitz, den Re-

daktionsausschuss sowie das Verfahren zur Annahme
der Charta möglichst vom Gremium selber entschei-
den zu lassen;

Drucksache 14/1819 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– regt an, es international tätigen Menschenrechts- und
Bürgerrechtsorganisationen zu ermöglichen, den Pro-
zess der Ausarbeitung der Grundrechtscharta konti-
nuierlich kommentierend zu begleiten;

– empfiehlt, insgesamt 30 Mitglieder von den natio-
nalen Gesetzgebungsorganen zu entsenden, um den
Zweikammer-Systemen Rechnung zu tragen.“

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 29. Sep-
tember 1999 einstimmig beschlossen, sich die Empfeh-
lung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union zu eigen zu machen.
Der Rechtsausschuss hat der Stellungnahme des Aus-
schusses für die Angelegenheiten der Europäischen Uni-
on in seiner Sitzung am 29. September 1999 einstimmig
zugestimmt.

3. Zum Gegenstand der Vorlage
Gegenstand der Vorlage ist ein Entwurf zum Verfahren
der Zusammensetzung und des Arbeitsverfahren des
mit der Ausarbeitung des Entwurfs einer EU-Charta der
Grundrechte zu beauftragenden Gremiums und einschlä-
gigen praktischen Vorkehrungen. Ziel ist die Ausarbei-
tung des Entwurfs einer Charta der Grundrechte der
Europäischen Union durch ein Gremium, das aus Be-
auftragten der Staats- und Regierungschefs und des Prä-
sidenten der Kommission sowie Mitgliedern des Euro-
päischen Parlaments und der nationalen Parlamente ge-
bildet wird.
Die Vorlage sieht hinsichtlich der Mitglieder des Gremi-
ums 15 Beauftrage der Staats- und Regierungschefs der
Mitgliedstaaten, einen Beauftragten des Präsidenten der
Europäischen Kommission, maximal 7 oder 8 Vertreter
des Europäischen Parlaments und 30 Mitglieder der
nationalen Parlamente (zwei aus jedem Mitgliedstaat)
vor. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments und
der nationalen Parlamente können sich im Verhinde-
rungsfall bei den Sitzungen des Gremiums durch Stell-
vertreter vertreten lassen.
Das Gremium soll durch einen aus dem Vorsitzenden
und dem stellvertretenden Vorsitzenden bestehenden
„Präsidium“ geleitet werden. Hinsichtlich des Vorsitzes
liegen 3 Optionen vor:
– Vorsitzender ist der jeweilige Vertreter des Ratsvor-

sitzes.

– Den Vorsitz führt ein ständiger Vertreter, der vom
Europäischen Rat aus dem Kreis der Staats- und Re-
gierungschefs ausgewählt wird.

– Die Wahl des Vorsitzes bleibt dem Gremium über-
lassen.

Nach der Vorlage sollen zwei Vertreter des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften, die von diesem be-
nannt werden und zwei Vertreter des Europarates, dar-
unter einer des Europäischen Gerichtshofs für Men-
schenrechte den Beobachterstatus erhalten.
Der Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Ausschuss der
Regionen und der Europäische Bürgerbeauftragte sollen
gehört werden.
Außerdem wird zwischen dem Gremium und den Bei-
trittsländern ein angemessener Gedankenaustausch ange-
strebt.
Darüber hinaus kann das Gremium sonstige Gremien,
gesellschaftliche Gruppen oder Sachverständige hören.
Für die Ausarbeitung der EU-Grundrechtscharta enthält
die Vorlage folgende Wege:
– Ausarbeitung der Charta durch den Vorsitzenden und

stellvertretenden Vorsitzenden des Gremiums, die
vom Ratssekretariat (sog. „kleiner Redaktionsaus-
schuss“) unterstützt werden.

– Alle Beauftragten der Staats- und Regierungschefs
sind Mitglieder des Redaktionsausschusses, um auf
diese Weise den Einfluss der Regierungen zu stärken.
(sog. „großer Redaktionsausschuss“)

– Die Einrichtung eines Redaktionsausschusses bleibt
dem Gremium überlassen.

Laut Vorlage gilt der Entwurf der Charta als angenom-
men, wenn der Vorsitz der Auffassung ist, dass der Ent-
wurf konsensfähig ist.
4. Beratungen im federführenden Ausschuss
Der federführende Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union hat in seiner 23. Sitzung am
29. September 1999 einstimmig bei Abwesenheit der
Fraktion der PDS auf der Grundlage eines überfrak-
tionellen Antrages der Fraktionen SPD, CDU/CSU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP die Annahme
der unter Nummer 1 wiedergegebenen Stellungnahme be-
schlossen.

Berlin, den 5. Oktober 1999

Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Peter Altmaier Claudia Roth
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatterin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Manfred Müller (Berlin)
Berichterstatterin Berichterstatter

Anlage 1

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/1819

Drucksache 14 /1819 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14 /1819

Drucksache 14 /1819 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14 /1819

Drucksache 14 /1819 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14 /1819

Drucksache 14 /1819 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14 /1819

Drucksache 14 /1819 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14 /1819

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