BT-Drucksache 14/1792

Haltung der Bundesregierung zu Forderungen nach einem "Veto" gegen den EU- Beitritt Polens und der Tschechischen Republik

Vom 13. Oktober 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1792
14. Wahlperiode 13. 10. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Haltung der Bundesregierung zu Forderungen nach einem „Veto“
gegen den EU-Beitritt Polens und der Tschechischen Republik

In einem ganzseitigen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 26. August
1999 hat die Präsidentin des Bundesverbands der Vertriebenen (BdV), Erika
Steinbach, Forderungen ihres Verbandes nach einem deutschen „Veto“ gegen-
über dem EU-Beitritt Polens und der Tschechischen Republik bekräftigt, falls
die Regierungen dieser Länder nicht in eine nicht näher beschriebene „Hei-
lung“ der „bis heute ungelöste(n) offene(n) Menschenrechtsfrage“ der „Vertrei-
bung der Deutschen“ nach 1945 einwilligen.

Wörtlich heißt es in dem Artikel über die nach 1945 auf Beschluss der Anti-
Hitler-Koalition vorgenommenen Umsiedlungen von Deutschen aus dem Ge-
biet der Tschechoslowakischen Republik und Polens u. a.: „Die Vertreibung der
Deutschen aus ihren historischen Siedlungsgebieten ist eine bis heute ungelöste
offene Menschnrechtsfrage. … Das Recht, nicht aus der Heimat vertrieben zu
werden, ist ein universales Menschenrecht. Es durfte auch nicht durch eine Ver-
einbarung wie das Potsdamer Abkommen 1945 außer Kraft gesetzt werden.“

Dabei vergleicht sie prinzipiell nationalistische Positionen in Polen und der
Tschechischen Republik mit dem NS-Regime, wenn sie schreibt: „Mit Ende
des Krieges wurde das Grauen der Konzentrationslager ein tragfähiges Argu-
ment, um die auch ohne Hitler nach wie vor existierenden nationalistischen
Strömungen in Europa zu befriedigen: insbesondere in Polen und in der Tsche-
choslowakei.“

Die BdV-Präsidentin fordert von dem künftigen EU-Kommissar Günter Ver-
heugen, diese beiden Staaten „abzuklopfen“ auf ihren „Umgang mit den Men-
schenrechten, und zwar im umfassenden Sinne“. Sie fordert am Ende „ein
schlichtes Veto“, falls ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Wörtlich erklärt
sie: „Es bedarf keiner Kampfflugzeuge. Ein schlichtes „Veto“ zur Aufnahme
uneinsichtiger Kandidaten ist ausreichend. … Der deutsche EU-Kommissar
und die Bundesregierung haben alle Möglichkeiten, die EU vor dem Import
von schwersten Menschenrechtsverletzungen zu bewahren.“

Drucksache 14/1792 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, die „Vertreibung der Deutschen
aus ihren historischen Siedlungsgebieten“ sei eine „bis heute ungelöste of-
fene Menschenrechtsfrage“?

Wenn ja, welche „historischen Siedlungsgebiete“ sind damit genau gemeint
und wie soll diese angeblich offene Frage gelöst werden?

Wenn nicht, welche Konsequenzen hinsichtlich der finanziellen Unterstüt-
zung des BdV erwägt die Bundesregierung, falls dieser weiterhin an solchen
Positionen festhält?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, das Potsdamer Abkommen von
1945 sei ein Verstoß gegen ein angeblich universales Menschenrecht auf
Heimat gewesen?

Wenn ja, wo ist nach Ansicht der Bundesregierung ein solch universales
Menschenrecht, das im Gegensatz zum Potsdamer Abkommen stehen soll,
im Völkerrecht kodifiziert?

Wenn nein, welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die weitere finan-
zielle Unterstützung des BdV durch die Bundesregierung?

3. Teilt die Bundesregierung die Position, die Aussiedlung von Deutschen aus
Polen und der Tschechoslowakei sei eine Folge von „auch ohne Hitler nach
wie vor existierenden nationalistischen Strömungen“ in diesen beiden Län-
dern?

4. Teilt die Bundesregierung die Position, bei einer Aufnahme Polens und der
Tschechischen Republik in die EU ohne Erfüllung der BdV-Forderungen
drohe ein „Import von schwersten Menschenrechtsdelikten“?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die oben dargestellten Äuße-
rungen mit einer Politik des Friedens und der guten Nachbarschaft gegen-
über unseren Nachbarstaaten in Osteuropa unvereinbar sind, und wie be-
gründet sie ihre Auffassung?

6. Erwägt die Bundesregierung, aufgrund dieser Äußerungen die Gewährung
von Bundesmitteln an den BdV zu überprüfen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 12. Oktober 1999

Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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