BT-Drucksache 14/1790

Privatisierung der Bodenreformflächen in Ostdeutschland

Vom 4. November 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1790
14. Wahlperiode 04. 11. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kersten Naumann und der Fraktion der PDS

Privatisierung der Bodenreformflächen in Ostdeutschland

Zehn Jahre nach der Deutschen Einheit ist der Umgang mit den Bodenreform-
flächen, die durch die Treuhand/BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte
Sonderaufgaben) verwaltet werden, weiterhin ungeklärt. Im Einigungsvertrag
wurden die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Bodenreform in Ost-
deutschland zwar als weiter geltendes Recht anerkannt, durch Beschlüsse des
Deutschen Bundestages wurde allerdings der Versuch unternommen, die mit
der Bodenreform geschaffenen Tatsachen zu beseitigen. Durch die Verknüp-
fung der Bodenprivatisierung mit der Entschädigung der Alteigentümer wurde
für sie ein Weg eröffnet, ihre Forderung nach Liquidation der Bodenreform und
Wiederherstellung der alten Besitzverhältnisse mit Nachdruck zu betreiben. Sie
haben dazu alle rechtlichen, politischen, ökonomischen und propagandistischen
Möglichkeiten mit hohem finanziellen Einsatz genutzt.

Die Entscheidungen des Deutschen Bundestages wurden inzwischen durch EU-
Recht außer Kraft gesetzt, da die Bundesregierung nicht bereit war, die Privati-
sierung des Bodenreformlandes als einen mit der Deutschen Einheit gerechtfer-
tigten besonderen Rechtsakt durch die EU-Kommission bestätigen zu lassen.
Damit wurde ein Vorgang von historischer Tragweite zu einer Angelegenheit
des EU-Wettbewerbsrechts. Das Ziel des Transformationsprozesses in Ost-
deutschland, eine zukunftsfähige Agrarstruktur aufzubauen, droht am Streit
über das Bodeneigentum zu scheitern. Es besteht die Gefahr, dass der Prozess
der Entstehung leistungsfähiger Agrarbetriebe in Ostdeutschland nachhaltig ge-
fährdet wird.

Wir fragen deshalb die Bundesregierung:

1. Wieviel Hektar umfasst die land- und forstwirtschaftliche Fläche, die nach
dem Entschädigungs- und Ausgleichsleitungsgesetz privatisiert werden soll?

2. Wieviel Hektar wurden bereits privatisiert?

3. Welche Punkte der Flächenerwerbsverordnung widersprechen nach Auffas-
sung der EU-Kommission dem EU-Wettbewerbsrecht und anderen EU-Be-
stimmungen und durch welche Regelungen hofft die Bundesregierung, eine
EU-konforme Lösung zu erreichen?

Drucksache 14/1790 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

4. In welchem Maße sind die ursprünglichen Ziele, die mit der Flächener-
werbsverordnung verfolgt wurden, insbesondere der Erhalt und die Ent-
wicklung leistungsstarker Agrarunternehmen und die Erfüllung der An-
sprüche der ehemaligen LPG-Mitglieder noch gesichert?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung die Verknüpfung der Bodenprivatisie-
rung mit der Entschädigung der Alteigentümer weiter aufrecht zu erhalten?

6. Ist beabsichtigt, am bisherigen Kreis der Begünstigten und an den für sie
geltenden Bedingungen für den Bodenkauf Änderungen vorzunehmen?

Wenn ja, welche?

7. Ist vorgesehen, den Bodenkauf an die Vorlage eines Betriebskonzeptes zu
binden?

Wenn ja, nach welchen Gesichtspunkten wird dem Kaufgesuch Vorrang
eingeräumt?

8. In welchem Maße sind die Regierungen der neuen Bundesländer in die
Entscheidungen über den Verkauf von Bodenreformflächen einbezogen
worden und ist beabsichtigt, deren Einflussmöglichkeiten auf die mit dem
Bodenverkauf verbundene Agrarstrukturentwicklung zu erhöhen?

9. Beabsichtigt die Bundesregierung, beim Bodenverkauf Finanzierungsrege-
lungen zu schaffen, durch die es finanzschwachen Unternehmen möglich
wird, ihre Kaufoption tatsächlich wahrzunehmen?

Ist vorgesehen, den Termin für die Entscheidung zum Bodenkauf für die
Kaufberechtigten zu verlängern?

10. Hat die Bundesregierung vor, einen Teil der Bodenreformflächen von der
Privatisierung auszuschließen, um Flächen für den Naturschutz, für die Be-
reitstellung von Ausgleichsflächen für Baumaßnahmen oder für die Förde-
rung von speziellen agrarpolitischen Vorhaben zur Verfügung zu haben?

Erwägt sie die Möglichkeit, Bodenreformflächen für ähnliche Vorhaben
den Landesregierungen zur Verfügung zu stellen?

11. Welche Preise wurden beim bisherigen Verkauf von Bodenreformflächen
in den einzelnen Bundesländern und besonders in benachteiligten Gebieten
realisiert?

12. Welcher Anteil an den Gesamterlösen aus dem Bodenverkauf konnten dem
Bundeshaushalt zugeführt werden?

13. Welchen Betrag hofft die Bundesregierung aus den noch zu verkaufenden
Flächen zu erlösen und welcher Anteil davon wird in den Bundeshaushalt
fließen?

14. Sieht die Bundesregierung noch die Möglichkeit, in der EU-Kommission
die Zustimmung einzuholen, dass die Bodenprivatisierung als ein spezifi-
sches Problem der Deutschen Einheit von den EU-Regelungen freigestellt
wird?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen einer Neuregelung des Ent-
schädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes sowie der Flächenerwerbs-
verordnung, den weiteren rechtlichen, politischen und ökonomischen
Schritten der Alteigentümer standzuhalten?

16. Ist die Bundesregierung bereit, das Entschädigungs- und Ausgleichslei-
tungsgesetz als Ganzes aufzuheben, wenn sich seine Ziele nicht ohne stän-
dige Verschärfung der gesellschaftlichen Konflikte realisieren lassen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1790

17. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen dem Kampf der
Alteigentümer um die Korrektur der Ergebnisse der Bodenreform und den
Forderungen, bei der Osterweiterung der EU die Eigentumsfragen in den
Beitrittsländern analog den Regelungen in Ostdeutschland zu lösen?

Berlin, den 18. Oktober 1999

Kersten Naumann
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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