BT-Drucksache 14/1769

BND-Seminar zu "illegaler Migration" und die Kompetenzen des Bundesnachrichtendienstes

Vom 5. Oktober 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1769
14. Wahlperiode 05. 10. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS

BND-Seminar zu „illegaler Migration“ und die Kompetenzen des Bundes-
nachrichtendienstes

Der Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach lädt in einer an verschiedene
Journalisten verbreiteten Einladung für den 28. Oktober 1999 zu einem ganztä-
tigen Seminar im „Bürgerhaus Pullach“ in Pullach ein. Das Thema ist „Illegale
Migration“. Zur Begründung heißt es in der schriftlichen Einladung des BND:
„Die illegale Migration hat sich zu einem globalen Phänomen entwickelt, das
die innere Stabilität zahlreicher Länder bedroht. Die Perspektiven sind un-
günstiger denn je. Allein in den Herkunftsländern ist mittelfristig mit einem
Migrationspotential von ca. 30 Millionen Menschen zu rechnen. Angesichts
beschränkter legaler Zuwanderungsmöglichkeiten in den bevorzugten Aufnah-
meländern werden zunehmend illegale Einreisewege von kriminellen Organisa-
tionen angeboten.“

Zu den Rednern der Tagung soll auch der Bundesminister des Innern, Otto
Schily, gehören.

Öffentlich angekündigte Seminare zur „Impfung“ ausgewählter Journalisten
über mutmaßliche neue Gefahren für die innere Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland sind mit den gesetzlichen Aufgaben des BND nicht vereinbar. Zu-
dem hat erst vor kurzem das Bundesverfassungsgericht (1. Senat, Urteil vom
14. Juli 1999, Az: 1 BvR 2226/94, 2420/95 und 2437/95) die mit dem Verbre-
chensbekämpfungsgesetz von 1994 vorgenommene Erweiterung der Befug-
nisse des BND kritisiert und teilweise eine Beschränkung verlangt.

In diesem Gesetz waren dem BND neben der Fernmeldeüberwachung zur Ver-
meidung eines bewaffneten Angriffs auf das Territorium der Bundesrepublik
Deutschland auch die Fernmeldeüberwachung bei drohenden „schweren Schä-
den für den äußeren und inneren Frieden und die Rechtsgüter Einzelner“ über-
tragen worden, insbesondere „im Bereich des illegalen Handels mit Kriegswaf-
fen und Rauschgift oder Geldwäsche“ (zit. nach BverfG, a. a. O.).

Das Gericht befand, dass „die Verhältnismäßigkeit … bezüglich der in G 10 § 3
Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 genannten Gefahr der im Ausland begangenen Geldfäl-
schung nicht gewahrt“ sei (a. a. O.). Zur Begründung hieß es in dem Urteil wei-
ter: „Bei der Geldfälschung handelt es sich weder um eine Gefahr, die in ihrer
Schwere einem bewaffneten Angriff nahekommt oder derart gewichtige
Rechtsgüter betrifft wie die übrigen neu eingefügten Gefahrentatbestände.“
(a. a. O.).

Drucksache 14/1769 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung öffentlich angekündigte Seminare des BND mit
ausgewählten Journalisten mit dem gesetzlichen Auftrag des BND zur Ab-
wehr auswärtiger Gefahren wie einem militärischen Angriff auf das Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland für vereinbar?

Wenn ja,

– in welchem Paragrafen des Gesetzes über den BND ist diese Befugnis
nach Auffassung der Bundesregierung geregelt?

– Welche weiteren öffentlichen Seminare des BND haben in 1999 stattge-
funden und sind in nächster Zeit geplant?

– Wie viele Haushaltsmittel sind dafür bereitgestellt bzw. bereits verwendet
worden (bitte einzeln nach Seminar und Kosten auflisten)?

Wenn nein, welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die mit der Ein-
ladung und Vorbereitung des oben genannten Seminars befassten Verant-
wortlichen im BND?

2. Seit wann gehören die Auswertung von Migrationsbewegungen und die
Aufklärung darüber zum Aufgabengebiete des BND?

a) Wie viele Mitarbeiter sind damit beschäftigt?

b) In welchen Ländern sind diese Mitarbeiter tätig?

c) Welche Haushaltsmittel wurden dafür bisher verwendet (bitte jeweils
nach Jahren aufschlüsseln)?

3. Worauf stützt der BND seine Behauptung von einem „Migrationspotential“
von 30 Millionen Menschen“ und worauf stützt er seinen Verdacht, dass
diese Menschen womöglich illegal in die Bundesrepublik Deutschland ein-
reisen wollen?

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine solche These die Gefahr
in sich bergen könnte, dass die Abgrenzung gegenüber rechtsradikalen
Feindbildern und Propagandaszenarien nicht deutlich genug sichtbar wird?

4. Hält die Bundesregierung „illegale Migration“ für eine Beeinträchtigung der
inneren Sicherheit, die „in ihrer Schwere einem bewaffneten Angriff“ nahe
kommt?

Wenn ja, welche weiteren Schritte zur Abwehr einer solchen Gefahr beab-
sichtigt die Bundesregierung?

Gehört dazu auch eine Unterrichtung des Deutschen Bundestags über
diese mutmaßliche Gefahr?

5. Wie vereinbart die Bundesregierung solche Seminare mit dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1999, das für ein Tätigwerden des
BND strenge Kriterien anlegt und deshalb dem Gesetzgeber bereits eine
Korrektur des 1994 beschlossenen Verbrechensbekämpfungsgesetzes und
der darin beschlossenen Ausweitung der BND-Kompetenzen auferlegt hat?

6. Gibt es weitere globale Gefahren, die nach Auffassung der Bundesregierung
zu den aktuellen oder künftigen Aufgabengebieten des BND gehören, und
wenn ja, welche?

Berlin, den 29. September 1999

Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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