BT-Drucksache 14/1745

Kriegsbilanz (V) - Gräueltaten im Kosovo

Vom 5. Oktober 1999


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

1745

14. Wahlperiode

05. 10. 99

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Heidi Lippmann-Kasten, Fred Gebhardt, Wolfgang
Gehrcke-Reymann, Carsten Hübner, Manfred Müller (Berlin), Dr. Winfried Wolf,
Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS

Kriegsbilanz (V)
Gräueltaten im Kosovo

Nachrichten über die Existenz von Konzentrationslagern, über Morde und an-
dere Gräueltaten an der albanischen Bevölkerung des Kosovo waren wesent-
licher Bestandteil der medialen Berichterstattung und der Informationspolitik
der Bundesregierung im Vorfeld und im Verlauf des Krieges der NATO gegen
die Bundesrepublik Jugoslawien. So berichtete in der ARD-Sendung „Christi-
ansen“ vom 28. März 1999 der Bundesminister der V erteidigung, Rudolf
Scharping, darüber, „dass im Norden von Pristina ein Konzentrationslager ein-
gerichtet wird“. Die dpa berichtete am 27. März 1999, dass lt. Angaben des
UCK-Führers Thaci Serben in einer Munitionsfabrik in der Region Drenica
„eine Art Konzentrationslager“ eingerichtet und dort „mehrere tausend Män-
ner“ interniert wären. Am 31. März 1999 meldete dpa: „Die jugoslawischen
Sicherheitskräfte haben nach Angaben von Bundesverteidigungsminister
Scharping ,offenbar Konzentrationslager‘ eingerichtet.“ Am 1. April 1999 be-
richtete die „B.Z.“, dass der Bundesminister der V erteidigung, Rudolf Schar -
ping „enthüllt“ habe, dass Milosevic im Kosovo Konzentrationslager baue und
dass er weiterhin „enthüllt“ habe, dass sich „Männer , Väter , Brüder“ in den
„Konzentrationslagern von Milosevic“ befänden. In einer Meldung der Nach-
richtenagentur AFP vom 31. März 1999 heißt es: „Scharping verglich die ,sys-
tematische Ausrottung der geistigen Elite der Kosovo-Albaner‘ mit dem, was
deutsche Einheiten ,zu Beginn und während des Zweiten W eltkriegs‘, in den
besetzten Ländern taten, ,zum Beispiel in Polen‘“. Die „Frankfurter Rund-
schau“ meldete am 22. April 1999, dass der Bundesminister der V erteidigung,
Rudolf Scharping, „von den Gräueln der Serben berichtet, die mit abgeschlage-
nen Kinderköpfen Fußball spielten oder Schwangeren den Fötus aus dem Leibe
rissen, diesen grillten und wieder in den Leib zurückstopften.“ Die Zeitschrift
„Der Spiegel“ zitiert den Bundesminister der V erteidigung, Rudolf Scharping,
in seiner Ausgabe vom 25. April 1999 mit den W orten: „Die Gastfamilien der
OSZE-Beobachter wurden umgebracht, weil sie die Beobachter beherbergt hat-
ten. Aus einer Schule trieb man die Lehrer und die Kinder heraus, hängte die
Lehrer vor den Augen der Kinder auf und vertrieb die Kinder dann mit Ge-
wehrkolben und Schüssen. Schwangeren Frauen wurden nach ihrer Ermordung
die Bäuche aufgeschlitzt und die Föten gegrillt.“ Meldungen dieser und ähnli-
cher Art bildeten ein wesentliches Moment zur Legitimation des Angriffskrie-
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
ges der NATO gegen Jugoslawien. Nicht immer war zum Zeitpunkt der Mel-
dungen ihr Wahrheitsgehalt überprüfbar.

Deshalb fragen wir die Bundesregierung heute:

1. Welche Anzahl von ehemaligen „Konzentrationslagern“ konnten inzwi-
schen nachgewiesen werden und wo befanden sich diese?

2. Welche Erkenntnisse liegen über Anzahl, Zusammensetzung und Schicksal
der in diesen „Konzentrationslagern“ Gefangenen vor?

3. Wie viele weitere ehemalige „Konzentrationslager“ werden vermutet und
worauf stützen sich diese Vermutungen?

4. Wann und durch welche Quellen wurden die Berichte über Serben, die „mit
abgeschlagenen Kinderköpfen Fußball“ gespielt haben, verif ziert?

5. Wann und durch welche Quellen wurden die Berichte über Serben, die
„Schwangeren den Fötus aus dem Leibe“ gerissen, diesen gegrillt und
„wieder in den Leib zurückgestopft haben“, verif ziert?

6. Wie viele Gastfamilien von OSZE-Beobachtern wurden zu welchem Zeit-
punkt ermordet und welche Erkenntnisse liegen über die Täter vor?

7. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung heute über die „systema-
tische Ausrottung der geistigen Elite der Kosovo-Albaner“ vor?

8. Auf welche Quellen stützte sich die Bundesregierung zum Zeitpunkt der
Aussage und auf welche stützt sie sich heute?

9. Welche Tatsachen erlauben nach Ansicht der Bundesregierung den V er-
gleich mit dem Vorgehen Deutscher in Polen während des Zweiten W elt-
krieges?

10. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung heute über Zeit, Ort, An-
zahl aus dem Unterricht geholter und durch Aufhängen ermordeter Lehrer
und die Begleitumstände solcher Taten vor?

11. Wann und in welcher Form beabsichtigt die Bundesregierung, den Deut-
schen Bundestag umfassend über ihren Kenntnisstand bezüglich der tat-
sächlichen und der vermeintlichen Gräueltaten vor und während des Ko-
sovo-Krieges zu unterrichten?

Berlin, den 1. Oktober 1999

Heidi Lippmann-Kasten
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Carsten Hübner
Manfred Müller (Berlin)
Dr. Winfried Wolf
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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