BT-Drucksache 14/1738

Berichte über ein Massaker in einem türkischen Gefängnis

Vom 5. Oktober 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1738
14. Wahlperiode 05. 10. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Bericht über ein Massaker in einem türkischen Gefängnis

Wieder einmal sind 12 Gefangene in türkischer Haft zu Tode gekommen. Die
Berichte des türkischen Menschenrechtsvereins IHD und die Aussagen von
Angehörigen der Gefangenen, die den grausam zugerichteten Zustand der Er-
mordeten beschreiben, sprechen für sich. Die Gesichter der Gefangenen seien
zum Teil bis zur Unkenntlichkeit zerschnitten worden und ihre Hälse würden
Schnittwunden aufweisen, so dass ihre Identifizierung unmöglich sei. Andere
seien offensichtlich zu Tode geprügelt worden. Anwälte und Angehörige der
Gefangenen wurden zur Autopsie nicht zugelassen, um das Ausmaß des Mas-
sakers zu verbergen.

In einer Erklärung von Gefangenen, die das Massaker im Gefängnis Ulucanlar
in Ankara überlebt haben, weisen die Behauptung, sie hätten einen Ausbruch
geplant, scharf zurück. Sie hätten vielmehr seit längerem eine Verbesserung ih-
rer Haftsituation verlangt. Die Gefängnisleitung habe ihnen schon Tage vor
dem Überfall das Wasser abgedreht und keine Besucher mehr zu ihnen gelas-
sen.

Dieses neuerliche Massaker fällt mit dem 3. Jahrestag ähnlicher Ereignisse im
Gefängnis von Diyarbakir zusammen. Damals waren 11 kurdische Gefangene
von Sicherheitskräften zu Tode geprügelt worden (vgl. Meldung der Nachrich-
tenagentur Reuters vom 27. September 1999).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die genaue Zahl der Toten
und Verletzten und über die Hintergründe der Tötung von Gefangenen durch
türkische Sicherheitskräfte am 26. September 1999 im Gefängnis Ulucanlar
und anderen Gefängnissen?

2. Hat die Bundesregierung zu den o.g. Ereignissen bereits Stellung genom-
men?
Wenn ja, wann und wie lautet der Inhalt der Stellungnahme?
Wenn nein, warum nicht?

3. Hat die Bundesregierung sich in der Angelegenheit an die zuständigen türki-
schen Behörden oder an die türkische Regierung gewandt und Aufklärung
der o.g. Ereignisse gebeten?

Wenn ja,

– wann,

Drucksache 14/1738 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
– an wen ist die Stellungnahme gerichtet,

– wie lautete die Antwort der türkischen Regierung?

4. Wird die Bundesregierung sich für die Entsendung einer Delegation des Eu-
roparates, die die o.g. Ereignisse vor Ort untersuchen soll, einsetzen?
Wenn ja, wann ist mit einer solchen Delegation zu rechnen?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung diesen Bericht über ein Massaker vor
dem Hintergrund der zahlreichen Gefängnisaufstände und der Toten dabei in
diesem Land in den vergangenen Jahren sowie der immer wieder bekannt
werdenden Übergriffe der Gefängnisverwaltungen und -sicherheitsbeamten
auf Gefangene, und welche Schritte will die Bundesregierung gegenüber der
türkischen Regierung ergreifen, damit diese ernsthafte Schritte zur Humani-
sierung und Demokratisierung ihres Strafvollzugs ergreift?

6. Welche Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um eine Freilassung
von politischen Gefangenen in der Türkei zu erreichen?

7. Welche Konsequenzen beabsichtigt die Bundesregierung aus dem neuer-
lichen Vorfall im Hinblick auf die für Dezember geplante Aufnahme der
Türkei in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten zu ziehen?

Berlin, den 1. Oktober 1999

Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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