BT-Drucksache 14/1714

Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Strafverfahren (Strafverfahrensbeschleunigungsgesetz)

Vom 5. Oktober 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1714
14. Wahlperiode

05. 10. 99

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, Dr. Jürgen Rüttgers,
Wolfgang Bosbach, Dr. Wolfgang Götzer, Manfred Kanther, Volker Kauder,
Eckart von Klaeden, Erwin Marschewski, Hans-Peter Repnik, Norbert Röttgen,
Dr. Rupert Scholz, Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Dr. Susanne Tiemann,
Andrea Astrid Voßhoff und der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Strafverfahren
(Strafverfahrensbeschleunigungsgesetz)

A. Problem
Die Belastung der Rechtspflegeorgane ist hoch. Für eine zügige und
fundierte Entscheidungsfindung durch das Gericht in jedem Einzel-
fall ist es erforderlich, Gerichtsverfahren ohne Beeinträchtigung der
Wahrheitsfindung und der berechtigten rechtsstaatlichen Interessen
der Bürger zu beschleunigen und zu straffen. Mit dem Gesetz zur
Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 ist der Versuch
unternommen worden, vornehmlich im Interesse des Aufbaus einer
funktionierenden rechtsstaatlichen Justiz in den neuen Ländern die
am Rande der Belastbarkeit arbeitende Justiz nachhaltig zu entlasten,
zusätzliche Ressourcen zu gewinnen und hierdurch die Auswirkun-
gen der deutschen Vereinigung im prozessualen Bereich sachgerecht
aufzufangen. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass ein
durchschlagender Erfolg – zumindest hinsichtlich der Entlastung der
Strafjustiz von besonders umfangreichen Verfahren – noch nicht er-
reicht werden konnte. Vor allem bei einem längerfristigen Vergleich
lässt sich eine Tendenz zu einer längeren Dauer der Verfahren, ins-
besondere zu einer längeren Dauer der erstinstanzlichen Hauptver-
handlungen vor der landgerichtlichen Strafkammer, feststellen.
Diese Entwicklung kann nicht auf einzelne Ursachen allein zurück-
geführt werden, sondern ist komplexer Natur. Ihr kann unter den ge-
gebenen Umständen durch Personalvermehrung nicht begegnet wer-
den. Daher ist es im Interesse der Effektivität der Strafjustiz geboten,
weitere Gesetzesänderungen in die Wege zu leiten, die zu einer
Straffung des Prozessablaufs unter Wahrung rechtsstaatlicher Erfor-
dernisse führen sollen.

B. Lösung
Der Entwurf enthält insbesondere Änderungen in den Bereichen der
Strafprozessordnung, des Jugendgerichtsgesetzes, des Gerichtsverfas-

Drucksache 14/1714 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

sungsgesetzes und bezieht auch die Erkenntnisse aus den Erfah-
rungsberichten der Praxis zu dem Gesetz zur Entlastung der Rechts-
pflege vom 11. Januar 1993, die zur Vorbereitung weiterer Maß-
nahmen eingeholten Stellungnahmen der Praxis, zahlreiche weitere
Vorschläge – z. B. des Deutschen Richterbundes –, die Beschlüsse
des 60. Deutschen Juristentages vom 20. bis 23. September 1994 in
Münster sowie die Äußerungen der beteiligten Verbände und Orga-
nisationen ein.
Auf dieser Grundlage sieht der Entwurf im Wesentlichen folgendes
vor:
– Änderungen im Recht der Richterablehnung
– Reform der Vereidigungsregelungen
– Vereinfachungen im Ermittlungsverfahren
– weitere Ausnahmen vom Legalitätsprinzip
– Änderung der Vorschriften über die Ablehnung von Beweis-

anträgen
– Änderungen im Rechtsmittelrecht
– Änderungen hinsichtlich besonderer Verfahrensarten
– Änderungen im Gerichtsverfassungsrecht
– Änderungen im Ordnungswidrigkeitenrecht

C. Alternativen
Keine, insbesondere sind Personalmehrungen nicht möglich.

D. Kosten
Die auf Verfahrensvereinfachungen und Eindämmung von Rechts-
mittelverfahren gerichteten Maßnahmen werden sich kostenmin-
dernd auswirken. Allerdings ist eine Bezifferung der zu erwartenden
Einsparungen nicht möglich, weil das für eine Schätzung erforder-
liche Zahlenmaterial sich nur durch Untersuchungen gewinnen ließe,
die mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand an Kosten und Zeit
verbunden wären.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1714

Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Strafverfahren
(Strafverfahrensbeschleunigungsgesetz)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

In § 7 Abs. 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung der
Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I
S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, werden
in Nummer 2 nach dem Wort „Auslieferungsersuchen“
die Worte „innerhalb angemessener Frist“ eingefügt.

Artikel 2
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekannt-
machung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319),
zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
1. § 25 wird wie folgt gefasst:

㤠25
(1) Die Ablehnung eines Richters wegen Besorg-
nis der Befangenheit ist unverzüglich geltend zu ma-
chen.
(2) Nach dem letzten Wort des Angeklagten ist
die Ablehnung nicht mehr zulässig.“

2. In § 26 Abs. 2 werden die Wörter „in den Fällen des
§ 25 Abs. 2“ gestrichen.

3. § 26 a wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Nummer 2 am Ende wird das Wort „oder“
durch einen Beistrich ersetzt.

bb) In Nummer 3 wird der Punkt am Ende durch
das Wort „oder“ ersetzt.

cc) Nach Nummer 3 wird folgende Nummer 4
angefügt:
„4. wenn es die Ablehnung für offensichtlich

unbegründet erachtet.“
b) In Absatz 2 Satz 2 werden die Wörter „Im Falle

des Absatzes 1 Nr. 3“ durch die Worte „In den
Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4“ ersetzt.

4. § 57 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Vor der Vernehmung wird der Zeuge zur Wahrheit
ermahnt und darauf hingewiesen, dass er in den vom
Gesetz vorgesehenen Fällen unter Umständen seine
Aussage zu beeidigen habe.“

5. § 59 wird wie folgt gefasst:
㤠59

(1) Zeugen können nach dem Ermessen des Ge-
richts wegen der Bedeutung der Aussage oder zur
Herbeiführung einer wahren Aussage vereidigt wer-
den.
(2) Im Falle der Vereidigung werden die Zeugen
einzeln und nach ihrer Vernehmung vereidigt. Die
Vereidigung erfolgt, soweit nichts anderes bestimmt
ist, in der Hauptverhandlung.“

6. Die §§ 61 und 62 werden aufgehoben.
7. § 64 wird wie folgt gefasst:

㤠64
Der Grund dafür, dass der Zeuge vereidigt oder
nicht vereidigt wird, braucht im Protokoll nicht an-
gegeben zu werden.“

8. § 65 wird wie folgt gefasst:
㤠65

Im vorbereitenden Verfahren ist die Vereidigung
auch zulässig, wenn
1. Gefahr im Verzug ist oder
2. der Zeuge voraussichtlich am Erscheinen in der

Hauptverhandlung verhindert sein wird.“
9. § 66 b wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Wird ein Zeuge durch einen beauftragten
oder ersuchten Richter vernommen, muss die
Vereidigung, soweit sie zulässig ist, erfolgen,
wenn es in dem Auftrag oder in dem Ersuchen
des Gerichts verlangt wird.“

b) Absatz 2 wird aufgehoben.
c) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 2.

10. In § 68 a Abs. 2 werden die Wörter „oder des § 61
Nr. 4“ gestrichen.

11. § 79 Abs. 1 Satz 2 wird aufgehoben.
12. In § 110 Abs. 1 werden nach dem Wort „Staats-

anwaltschaft“ die Wörter „und auf deren Weisung
ihren Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungs-
gesetzes)“ eingefügt.

13. § 141 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 3 Satz 3 wird wie folgt gefasst:

„Das Gericht ist an den Antrag der Staatsanwalt-
schaft gebunden.“

Drucksache 14/1714 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

b) In Absatz 4 wird folgender Satz angefügt:
„Bis zur Erhebung der öffentlichen Klage kann
der Staatsanwalt einen vom Beschuldigten be-
zeichneten Verteidiger selbst bestellen.“

14. § 153c Abs. 1 wird wie folgt geändert:
a) Nummer 3 wird wie folgt gefasst:

„3. wenn wegen der Tat im Ausland schon eine
rechtskräftige Aburteilung erfolgt ist.“

b) Folgender Satz wird angefügt:
„Nach Erhebung der Klage gilt § 153 Abs. 2 ent-
sprechend.“

15. § 154 wird wie folgt geändert:
a) In den Absätzen 1, 3 und 4 werden jeweils die

Wörter „Maßregel der Besserung und Sicherung“
durch die Wörter „strafrechtliche Folge“ ersetzt.

b) Nach Absatz 5 wird folgender Absatz angefügt:
„(6) Strafrechtliche Folgen im Sinne dieser
Vorschrift sind auch von der Staatsanwaltschaft
oder vom Gericht erteilte Auflagen nach § 153a
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3. Im Ausland verhängte
oder zu erwartende Strafen oder sonstige straf-
rechtliche Folgen stehen inländischen gleich; da-
bei gilt Absatz 4 mit der Maßgabe, dass die Frist
ein Jahr beträgt.“

16. § 154 a wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 Satz 1 werden jeweils die Wörter

„Maßregel der Besserung und Sicherung“ durch
die Wörter „strafrechtliche Folge“ ersetzt.

b) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz angefügt:
„(4) § 154 Abs. 6 findet Anwendung.“

17. § 154 b wird wie folgt geändert:
a) Absatz 2 wird aufgehoben.
b) Die Absätze 3 und 4 werden die Absätze 2 und 3.

18. § 223 Abs. 3 wird aufgehoben.
19. § 229 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 2 Satz 3 werden jeweils die Wörter
„zwölf Monaten“ durch die Wörter „sechs Mo-
naten“ ersetzt.

b) In Absatz 3 Satz 1 werden nach den Wörten
„Kann ein Angeklagter“ die Wörter „oder eine
zur Urteilsfindung berufene Person“ eingefügt.

20. In § 234 a wird der zweite Halbsatz nach dem Semi-
kolon wie folgt gefasst:
„das Einverständnis des Angeklagten nach § 245
Abs. 1 Satz 2 und nach § 251 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ist
nicht erforderlich, wenn ein Verteidiger an der
Hauptverhandlung teilnimmt.“

21. In § 244 Abs. 3 Satz 2 werden vor den Wörtern
„zum Zwecke der Prozessverschleppung“ die Wörter
„nach der freien Würdigung des Gerichts“ eingefügt.

22. § 251 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 Nr. 4 wird der Punkt am Ende durch

ein Semikolon ersetzt und folgende Nummer an-
gefügt:
„5. die Niederschrift das Vorliegen oder die

Höhe eines Vermögensschadens betrifft.“
b) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Satz 1 gilt für die Verlesung der Niederschrift
über eine staatsanwaltschaftliche Vernehmung
entsprechend, wenn ein Protokoll nach den
§§ 168, 168 a aufgenommen worden ist und der
Verteidiger anwesend war.“

c) In Absatz 2 Satz 2 werden nach dem Wort
„kann“ folgende Wörter angefügt:
„oder soweit die Niederschrift oder Urkunde im
Sinne von Satz 1 das Vorliegen oder die Höhe
eines Vermögensschadens betrifft“.

d) In Absatz 4 Satz 1 werden die Wörter „der Ab-
sätze 1 und 2“ durch die Wörter „des Absatzes 1
Nr. 1 bis 3 und des Absatzes 2 Satz 2“ ersetzt.

23. § 256 Abs. 1 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 werden nach dem Wort „Behörden“ die

Wörter „, der Sachverständigen, die für die Er-
stellung von Gutachten der betreffenden Art all-
gemein vereidigt sind,“ eingefügt.

b) In Satz 2 werden das Wort „sowie“ durch ein
Komma ersetzt und nach dem Wort „Blutproben“
die Wörter „und für Protokolle sowie in einer
Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfol-
gungsbehörden über Ermittlungshandlungen, so-
weit diese nicht eine Vernehmung zum Gegen-
stand haben“ eingefügt.

24. § 286 StPO wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 wird die Absatzbezeichnung „(1)“

gestrichen.
b) Absatz 2 wird aufgehoben.

25. § 313 Abs. 1 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 wird jeweils die Angabe „fünfzehn“

durch die Angabe „dreißig“ ersetzt.
b) Nach Satz 2 wird folgender Satz angefügt:

„Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn neben den
dort genannten Rechtsfolgen ein Fahrverbot, die
Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre
nicht mehr als neun Monate beträgt, oder eine
Sperre von nicht mehr als neun Monaten ange-
ordnet oder beantragt worden ist.“

26. In § 314 Abs. 2 werden nach dem Wort „Zustellung“
die Wörter „, sofern nicht in den Fällen der §§ 234,
387 Abs. 1, § 411 Abs. 2 und § 434 Abs. 1 Satz 1
die Verkündung in Anwesenheit des mit schriftlicher
Vollmacht versehenen Verteidigers stattgefunden
hat“ eingefügt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/1714

27. § 317 wird wie folgt geändert:
a) Das Wort „kann“ wird durch das Wort „ist“ er-

setzt und die Wörter „gerechtfertigt werden“
werden durch die Wörter „zu rechtfertigen“ er-
setzt.

b) Folgender Satz wird angefügt:
„Der Beschwerdeführer hat das mit der Berufung
erstrebte Ziel anzugeben; vorhandene Beweis-
mittel soll er angeben.“

28. In § 318 Satz 2 werden die Worte „oder eine Recht-
fertigung überhaupt nicht erfolgt“ gestrichen.

29. In § 319 Abs. 1 werden nach dem Wort „eingelegt“
die Wörter „oder nicht gerechtfertigt“ eingefügt.

30. § 320 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Ist die Berufung rechtzeitig eingelegt und gerecht-
fertigt, so hat die Geschäftsstelle die Akten der
Staatsanwaltschaft vorzulegen.“

31. § 333 wird wie folgt geändert:
a) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1.
b) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz angefügt:

„(2) Wer eine zulässige Berufung eingelegt hat,
kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revi-
sion einlegen. Hat der Angeklagte oder der gesetz-
liche Vertreter eine zulässige Berufung eingelegt,
so steht gegen das Berufungsurteil keinem von
ihnen das Rechtsmittel der Revision zu.“

32. § 335 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Gegen Urteile, gegen die Berufung nur
zulässig ist, wenn sie angenommen wird (§ 313),
ist Revision nicht zulässig.“

b) Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3.
c) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4 mit der

Maßgabe, dass Satz 3 gestrichen wird.
33. In § 341 Abs. 2 werden nach dem Wort „Zustellung“

die Wörter „, sofern nicht in den Fällen der §§ 234,
387 Abs. 1, § 411 Abs. 2 und § 434 Abs. 1 Satz 1
die Verkündung in Anwesenheit des mit schriftlicher
Vollmacht versehenen Verteidigers stattgefunden
hat“ eingefügt.

34. § 354 wird wie folgt geändert:
a) Die Absätze 2 und 3 werden wie folgt gefasst:

„(2) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei
Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revi-
sionsgericht, auch wenn ein Fall des Absatzes 1
nicht vorliegt, auf Antrag der Staatsanwaltschaft
von der Aufhebung des angefochtenen Urteils
absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge ange-
messen ist, oder die Rechtsfolgen angemessen
herabsetzen.

(3) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur
wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Ge-
samtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches)
auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass
eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung
über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu
treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach
Absatz 1 oder 2 hinsichtlich einer Einzelstrafe
selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Absatz 1 und 2
bleiben im Übrigen unberührt.“

b) Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden die Ab-
sätze 4 und 5.

35. § 400 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nur dann
anfechten, wenn der Angeklagte wegen der zum An-
schluss als Nebenkläger berechtigten Tat nicht ver-
urteilt wurde.“

36. § 407 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Bei Vergehen können auf schriftlichen Antrag der
Staatsanwaltschaft die Rechtsfolgen der Tat durch
schriftlichen Strafbefehl ohne Hauptverhandlung
festgesetzt werden.“

37. § 408 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Hält das Gericht die Zuständigkeit eines Ge-
richts niederer Ordnung in seinem Bezirk für be-
gründet, so gibt es die Sache durch Vermittlung der
Staatsanwaltschaft an dieses ab; der Beschluss ist für
das Gericht niederer Ordnung bindend, der Staats-
anwaltschaft steht sofortige Beschwerde zu. Hält das
Gericht die Zuständigkeit eines Gerichts höherer
Ordnung, zu dessen Bezirk es gehört, für begründet,
so legt es die Akten durch Vermittlung der Staats-
anwaltschaft diesem zur Entscheidung vor. § 209a
gilt entsprechend.“

38. § 408 a Abs. 1 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 werden die Wörter „in Verfahren vor

dem Strafrichter und dem Schöffengericht“ ge-
strichen und nach den Worten „die Staatsanwalt-
schaft“ die Wörter „bis zum Ende der Hauptver-
handlung, in der die tatsächlichen Feststellungen
letztmals geprüft werden können“ eingefügt.

b) Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:
„In der Hauptverhandlung kann der Staatsanwalt
den Antrag mündlich stellen.“

39. In § 418 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:
„Zwischen dem Eingang des Antrags bei Gericht
und dem Beginn der Hauptverhandlung sollen nicht
mehr als sechs Wochen liegen.“

40. In § 462 a Abs. 6 wird die Angabe „§ 354 Abs. 2“
durch die Angabe „§ 354 Abs. 4“ ersetzt.

41. In § 473 Abs. 4 wird folgender Satz angefügt:
„Die Sätze 1 und 2 gelten auch in Fällen des § 354
Abs. 2 oder 3.“

Drucksache 14/1714 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Artikel 3
Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Das Jugendgerichtsgesetz in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I
S. 3427), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt ge-
ändert:
1. § 33 b wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:
„Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückver-
wiesen worden, kann die nunmehr zuständige
Jugendkammer erneut nach Satz 1 über ihre Be-
setzung beschließen.“

b) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
„(3) Im Verfahren über die Berufung gegen ein
Urteil des Jugendschöffengerichts beschließt die
große Jugendkammer, dass sie in der Hauptver-
handlung mit zwei Richtern einschließlich des
Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen besetzt ist,
wenn die Mitwirkung eines dritten Richters auf-
grund geringen Umfangs und geringer Schwierig-
keit der Sache nicht notwendig erscheint.“

c) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4.
2. § 49 JGG wird aufgehoben.
3. In § 78 Abs. 3 wird nach Satz 2 folgender Satz ange-

fügt:
㤠230 Abs. 2 der Strafprozessordnung findet ent-
sprechend Anwendung.“

4. § 109 Abs. 2 Satz 1 wird nach der Angabe „74“ die
Angabe „,76 bis 78“ eingefügt.

Artikel 4
Änderung des Gesetzes über

Ordnungswidrigkeiten
Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung
der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I
S. 602), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt ge-
ändert:
§ 80 a wird wie folgt gefasst:

„§ 80 a Besetzung der Bußgeldsenate der
Oberlandesgerichte

(1) Die Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte sind
mit einem Richter besetzt
1. in Verfahren über Rechtsbeschwerden in den in § 79

Abs. 1 bezeichneten Fällen, wenn
a) eine Geldbuße von nicht mehr als zehntausend

Deutsche Mark festgesetzt oder beantragt worden
ist oder

b) eine Nebenfolge angeordnet oder beantragt wor-
den ist, es sei denn, dass es sich um eine Neben-
folge vermögensrechtlicher Art handelt, deren

Wert mehr als zehntausend Deutsche Mark be-
trägt, und

2. in Verfahren über die Zulassung der Rechtsbe-
schwerde.
In den Fällen der Nummer 1 ist der Wert von Neben-
folgen vermögensrechtlicher Art dem Wert der Geld-
buße zuzurechnen.

(2) In den übrigen Fällen sind die Bußgeldsenate mit
drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt.
(3) In den in Absatz 1 Nr. 1 bezeichneten Fällen ent-
scheidet der Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei
Richtern einschließlich des Vorsitzenden, wenn der in
Absatz 1 bezeichnete Richter ihm die Sache zur Fortbil-
dung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtssprechung vorlegt.“

Artikel 5
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zu-
letzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
1. In § 76 Abs. 2 wird folgender Satz 2 angefügt:

„Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwie-
sen worden, kann die nunmehr zuständige Strafkam-
mer erneut nach Satz 1 über ihre Besetzung beschlie-
ßen.“

2. In § 122 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:
„Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwie-
sen worden, kann der nunmehr zuständige Strafsenat
erneut nach Satz 2 über seine Besetzung beschlie-
ßen.“

Artikel 6
Änderung der Bundesdisziplinarordnung

In § 74 Abs. 3 Satz 3 der Bundesdisziplinarordnung in
der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juli 1967
(BGBl. I S. 750, 984), die zuletzt durch ... geändert
worden ist, wird nach der Angabe „§ 223“ die Angabe
„Abs. 1 und 2“ gestrichen.

Artikel 7
Änderung der Bundesgebührenordnung

für Rechtsanwälte
Die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom
in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnum-
mer 368-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt
geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
1. Die Überschrift vor § 97 wird wie folgt gefasst:

„2. Vergütung des bestellten und des beigeordneten
Rechtsanwalts“

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/1714

2. Nach § 103 wird folgende Vorschrift eingefügt:
㤠104

Bestellung durch die Staatsanwaltschaft
(1) Die Vorschriften der §§ 97, 98 bis 101, 103
gelten sinngemäß für den Rechtsanwalt, der durch die
Staatsanwaltschaft bestellt worden ist (§ 141 Abs. 4
Satz 2 der Strafprozessordnung).
(2) Ist das Verfahren nicht gerichtlich anhängig
geworden, so ist für die Festsetzung der Vergütung
(§ 98) und für die Entschädigung nach § 100 Abs. 2
das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk die
Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat. Über die Bewilli-
gung einer Pauschalvergütung (§ 99) entscheidet im
Falle des Satzes 1 das Oberlandesgericht, zu dessen
Bezirk das Landgericht gehört.“

Artikel 8
Folgeänderungen anderer Gesetze

(1) In § 146 Abs. 3 Satz 2 der Bundesrechtsanwalts-
ordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III., Glie-
derungsnummer 303-8, veröffentlichten bereinigten Fas-

sung, die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird
die Angabe „§ 354 Abs. 2“ durch die Angabe „§ 354
Abs. 4“ ersetzt.
(2) In § 128 Abs. 3 Satz 2 der Patentanwaltsordnung
vom 7. September 1966 (BGBl. I S. 557), die zuletzt
durch ... geändert worden ist, wird die Angabe „§ 354
Abs. 2“ durch die Angabe „§ 354 Abs. 4“ ersetzt.
(3) In § 130 Abs. 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes
in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November
1975 (BGBl. I S. 2735), das zuletzt durch ... geändert
worden ist, wird die Angabe „§ 354 Abs. 2“ durch die
Angabe „§ 354 Abs. 4“ ersetzt.
(4) In § 107 a Abs. 3 Satz 2 der Wirtschaftsprüferord-
nung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. No-
vember 1975 (BGBl. I S. 2803), die zuletzt durch ...
geändert worden ist, wird jeweils die Angabe „§ 354
Abs. 2“ durch die Angabe „§ 354 Abs. 4“ ersetzt.

Artikel 9
In-Kraft-Treten

Dieses Gesetz tritt am ... in Kraft.

Berlin, den 5. Oktober 1999

Norbert Geis
Ronald Pofalla
Dr. Jürgen Rüttgers
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Götzer
Manfred Kanther

Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Erwin Marschewski
Hans-Peter Repnik
Norbert Röttgen
Dr. Rupert Scholz

Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Susanne Tiemann
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

Drucksache 14/1714 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung

I. Allgemeines
Grundzüge der vorgeschlagenen Maßnahmen
a) Änderungen im Recht der Richterablehnung
Die Ausgestaltung des im Dritten Abschnitt des Ersten
Buches der StPO geregelten Rechts der Ablehnung von
Richtern kann trotz der schon bisher in §§ 25, 26 a StPO
getroffenen materiellen und verfahrensrechtlichen Re-
gelungen zur Zulässigkeit sowie der verfahrenstechni-
schen Vorgaben des § 29 StPO zu einer nicht unerheb-
lichen Verzögerung der Hauptverhandlung führen. Im
Vordergrund stehen hierbei die Möglichkeiten des pro-
zessualen Missbrauchs jenseits einer offensichtlichen
Verfahrensverschleppung oder Verfolgung verfahrens-
fremder Zwecke i.S.d. § 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO.
In Fällen, in denen die Ablehnung offensichtlich das
Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde
Zwecke verfolgt werden sollen, sieht zwar das geltende
Recht in § 26 a StPO eine Zurückweisung des insoweit
unzulässigen Gesuches durch einstimmigen Beschluss
des Gerichtes vor, wobei der abgelehnte Richter bei der
Entscheidung nicht ausgeschlossen ist (§ 26 a Abs. 1
Nr. 3, Abs. 2 StPO). Angesichts der an der Missbräuch-
lichkeit ausgerichteten Offensichtlichkeitsklausel kommt
die Vorschrift jedoch nur zur Anwendung, wenn an der
ausschließlich zweckfremden Motivation des Ableh-
nungsgesuches keinerlei Zweifel bestehen.
Die Rechtsprechung hat daher von dem ihr nach § 26 a
Abs. 1 Nr. 3 StPO zur Seite stehenden Instrumentarium
bisher nur in einem sehr begrenzten Rahmen Gebrauch
gemacht, so dass die insoweit eröffnete Verfahrenser-
leichterung kaum praktische Bedeutung hat.
Der Entwurf führt als neues Kriterium der Unzulässigkeit
die offensichtliche Unbegründetheit des Ablehnungs-
gesuches ein. Unter der Bedingung eines einstimmigen
Beschlusses wird hierdurch – unabhängig von der Be-
wertung einer Verfolgung verfahrensfremder Zwecke – in
Fällen evident aussichtsloser Befangenheitsanträge die
Möglichkeit einer Entscheidung in unveränderter Beset-
zung des Spruchkörpers geschaffen und damit eine nicht
unwesentliche Verfahrenserleichterung und -beschleuni-
gung bewirkt.
Im Übrigen gibt der Entwurf die bisher für den erken-
nenden und den außerhalb der Hauptverhandlung tätigen
Richter unterschiedliche Regelung über den Zeitpunkt
zulässiger Ablehnungsgesuche auf und verlangt eine ge-
nerell unverzügliche Geltendmachung von Ablehnungs-
gründen. Die hierdurch bewirkte Präklusion „aufgespar-
ter“ Ablehnungsgründe wird sich insbesondere im Hin-
blick auf die in Großverfahren häufig zu beobachtenden
Dilationen zu Beginn der Hauptverhandlung beschleuni-
gend auswirken, ohne dass damit das Recht zur Anbrin-
gung von Befangenheitsanträgen als solches beeinträch-
tigt wird.

Gemäß § 31 Abs. 1 StPO gelten die mit dem Entwurf
vorgeschlagenen Änderungen auch für die Ablehnung
von Schöffen, Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und
anderen Protokollführern.

b) Reform der Vereidigungsregelungen
Die geltende Rechtslage (§ 59 StPO) sieht als Regelfall
die in der Rechtswissenschaft umstrittene Vereidigung
vor.
In der Praxis ist seit Inkrafttreten des § 61 Nr. 5 StPO
zunehmend eine tatsächliche Änderung des gesetzlichen
Regel-Ausnahme-Verhältnisses zu beobachten. Der
Grundsatz der Vereidigung eines Zeugen gemäß § 59
StPO wird immer mehr zur Ausnahme, die ausnahms-
weise Nichtvereidigung gemäß § 61 Nr. 5 StPO im Ge-
richtsalltag zum Regelfall.
Der Entwurf stellt in Anpassung an die gerichtliche Pra-
xis die Vereidigung im Strafverfahren in das Ermessen
des Gerichts (§ 59 StPO) und gleicht damit die strafpro-
zessualen Vereidigungsregelungen denjenigen anderer
Gerichtsbarkeiten an (§ 58 Abs. 2 Satz 1; § 106 Abs. 1
ArbGG; § 391 ZPO, § 173 VwGO). Durch die Neu-
regelung ist eine Straffung und Vereinfachung der Straf-
verfahren zu erwarten.
Das Ziel, ein gerechtes Urteil auf der Grundlage der ob-
jektiven Wahrheit zu erhalten, bleibt dennoch erhalten.
Den Gerichten bleibt weiterhin die Möglichkeit erhalten,
in geeigneten Fällen eine Vereidigung in Aussicht zu
stellen und gegebenenfalls anzuordnen. Der Anspruch
des Angeklagten auf ein justizförmiges Strafverfahren, in
dem ihm der Eid unter Umständen auch seine Freiheit
sichert, bleibt gewahrt.
Die Nichtvereidigung als Regelfall gefährdet die Rechts-
ordnung nicht, da die Möglichkeit einer Eidesleistung
erhalten bleibt. Das Strafverfahren wird somit nicht des
Ernstes und des sittlichen Grundcharakters entkleidet.
Die Neufassung des § 57 Satz 1 StPO stellt eine durch
die Einführung der Regel-Nichtvereidigung notwendige
Folgeänderung dar. Gleichzeitig wird diese Norm an
§ 395 ZPO – auf den in anderen Verfahrensordnungen
verwiesen wird – angepasst und damit zur Rechtsverein-
heitlichung beigetragen.
Bei Eidesunmündigkeit, Eidesunfähigkeit und Tat- oder
Teilnahmeverdacht wird an den zwingenden Vereidi-
gungsverboten des geltenden § 60 StPO festgehalten.
Dagegen bedarf es der in § 61 StPO vorgesehenen Mög-
lichkeiten des Absehens von Vereidigung nach der Neu-
regelung des § 59 StPO nicht mehr.
Die bisher geltende besondere gesetzliche Regelung über
die Vereidigung im Privatklageverfahren (§ 62 StPO)
verliert durch die Einführung der Regel-Nichtvereidi-
gung ihre eigenständige Bedeutung und ist daher aufzu-
heben.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/1714

Ein Protokollvermerk über die Gründe der unterbliebe-
nen Vereidigung gemäß § 64 StPO kann künftig unter-
bleiben; bei der Vereidigung außerhalb der Hauptver-
handlung bleibt es dagegen sinnvoll, den Grund der Ver-
eidigung im Protokoll anzugeben. § 66 a StPO wird des-
halb beibehalten.
Für das vorbereitende Verfahren werden in § 65 StPO
zusätzliche Gründe für die Vereidigung vorgesehen.
Damit können künftig Zeugen im vorbereitenden Ver-
fahren häufiger vereidigt werden als in der Hauptver-
handlung. Dies ist jedoch vielfach im Interesse der Ver-
fahrenssicherung geboten und gewährleistet, zudem eine
zügige und straffe Durchführung der Hauptverhandlung.
Die Regelungen zur Vereidigung bei kommissarischer
Vernehmung (§ 66 b StPO) werden der Neuregelung an-
gepasst; dabei wird der Entscheidung des erkennenden
Gerichtes über die Vereidigung von Zeugen der Vorrang
gegenüber einer entsprechenden Beurteilung des beauf-
tragten oder ersuchten Richters eingeräumt.
Der bisher im § 79 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgesehenen
Vereidigung auf Antrag der dort genannten Beteiligten
bedarf es nach der Abschaffung der Regelvereidigung
nicht mehr.
Die gemäß § 223 Abs. 3 StPO zwingende Verpflichtung
des beauftragten oder ersuchten Richters zur eidlichen
Vernehmung von Zeugen entfällt.
Im Verfahren gegen Abwesende ist eine eidliche Ver-
nehmung nach § 286 Abs. 2 StPO nicht mehr geboten.
Die Ermessensvorschrift über die Vereidigung von Zeu-
gen im Wiederaufnahmeverfahren (§ 369 Abs. 2 StPO)
bleibt bestehen. Sie dient der Verfahrensökonomie und
ist auf die Besonderheiten des Wiederaufnahmeverfah-
rens zugeschnitten.
Das zwingende Vereidigungsgebot für Dolmetscher ge-
mäß § 189 GVG bleibt aufrechterhalten. Dies ist darauf
zurückzuführen, dass seine (übersetzende) Tätigkeit in
der Hauptverhandlung – anders als bei Zeugen und
Sachverständigen – vom erkennenden Gericht kaum
nachvollzogen werden kann, und unterstreicht die be-
sondere Verantwortung des Dolmetschers.
§ 49 JGG wird zur Angleichung an die Neufassung des
§ 59 Abs. 1 StPO – der über die Generalverweisung der
§ 2 JGG und § 46 Abs. 1 OWiG künftig auch im Jugend-
strafverfahren und Bußgeldverfahren zur Anwendung
gelangt – aufgehoben.

c) Vereinfachungen im Ermittlungsverfahren
Der Entwurf geht davon aus, dass auch zunächst gering
erscheinende Änderungen, die einer Erleichterung des
prozessual Erstrebten dienen oder eine Reduzierung von
Verfahrensgängen bewirken, in einem allgemeinen Ent-
lastungsgesetz angezeigt sein können, insbesondere
wenn sie auf Anregungen der Strafjustiz beruhen.
1. Zur Durchsicht von Papieren eines von einer Unter-

suchung Betroffenen sollen, unter Leitung der Staats-
anwaltschaft, auch deren Hilfsbeamte befugt sein.

2. Der Entwurf lässt die materiellen Vorschriften zur
Pflichtverteidigung unangetastet. Er folgt damit we-
der Äußerungen der gerichtlichen und staatsanwalt-

schaftlichen Praxis, die im Interesse der Verfahrens-
beschleunigung eine Zurückdrängung der notwendi-
gen Verteidigung verlangt hatten, noch solchen, die
mit gleicher Begründung für deren Ausdehnung ein-
treten. Vielmehr sieht er im Interesse der Verfahrens-
vereinfachung lediglich eine prozessuale Erleichte-
rung vor: Im Ermittlungsverfahren soll die Staatsan-
waltschaft bei Einigkeit mit dem Beschuldigten den
Verteidiger selbst bestellen können, ohne das Gericht
einschalten zu müssen.

d) Weitere Ausnahmen vom Legalitätsprinzip
Beginnend mit der sog. Emminger-Reform aus dem
Jahre 1924 hat der Gesetzgeber mehrfach Ausnahmen
vom Legalitätsprinzip geschaffen, um die Strafjustiz zu
entlasten; zuletzt wurde mit dem (ersten) Gesetz zur
Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993
(BGBl. I S. 50) § 153 a StPO erweitert. Der vorliegende
Entwurf geht auf diesem von der juristischen Praxis
weitgehend begrüßten Weg weiter. Dabei bleibt das auf
die Sicherung vor Willkür und die Realisierung des
Gleichheitssatzes gerichtete und damit verfassungsrecht-
lich verwurzelte Legalitätsprinzip als Grundprinzip des
deutschen Strafprozessrechts erhalten.
Die vorgeschlagenen Änderungen haben folgenden Inhalt:
1. Der Kreis der Bezugssanktionen zur Verfahrenseinstel-

lung nach den §§ 154, 154a StPO wird erweitert. Ein-
stellungen nach diesen Vorschriften können bislang er-
folgen nach einem Vergleich mit einer anderen „Strafe
oder Maßregel der Besserung und Sicherung“. Diese
Bezeichnung ist für die Bedürfnisse der Praxis zu eng.
Es wird daher eine Ausdehnung auf alle Rechtsfolgen
der Tat (StGB, Allgemeiner Teil Dritter Abschnitt), auf
solche ausländische Straftaten sowie auf gewisse Auf-
lagen nach § 153a StPO vorgeschlagen.

2. Die zu Ziffer 2 erwähnte Ausdehnung der §§ 154,
154 a StPO auf ausländische Vergleichssanktionen
macht eine Anpassung des § 153 c Abs. 1 Nr. 3 StPO,
der das Opportunitätsprinzip bei einer einzigen Tat mit
Auslandsbezug vorsieht, nötig. Dabei wird diese Vor-
schrift so ausgedehnt, dass der Grundsatz „ne bis in
idem“ auch im Verhältnis zu Auslandstaten (fakultativ)
Anwendung findet.

Auch wird die Möglichkeit zur Verfahrenseinstellung
nach Anklageerhebung erweitert.

e) Änderung der Vorschriften über die Ablehnung
von Beweisanträgen/Einschränkung des formellen
Beweisantragsrechts

Der Entwurf greift die Regelung zur Ablehnung eines
Beweisantrages wegen Prozessverschleppung auf, die
schon im Gesetzentwurf des Bundesrates zum Gesetz
zur Entlastung der Rechtspflege enthalten war (Druck-
sache 12/1217, S. 7, Artikel 3 Nr. 4 Buchstabe a).

f) Änderungen im Rechtsmittelrecht
1. Die Abfassung von abgekürzten Berufungsurteilen

entlastet die Praxis von erheblichem Formulierungs-

Drucksache 14/1714 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

und Schreibaufwand. Die Möglichkeit zu abgekürzten
Urteilen wird in gewissem Umfang erweitert.

2. Im Rechtsmittelbereich muss vor allem der Wider-
spruch beseitigt werden, dass bei Verfahren, die beim
Amtsgericht ihren Ausgang nehmen, drei Instanzen
zur Verfügung stehen, bei Sachen, die erstinstanzlich
vom Landgericht verhandelt werden, aber nur zwei.
Im Einzelnen schlägt der Entwurf vor:
– Der Bereich der Annahmeberufung wird auf Ver-

urteilungen bis zu 30 Tagessätzen (einschließlich
Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis bei
Sperrfrist bis zu 9 Monaten) angehoben.

– In Anlehnung an das Jugendstrafrecht wird ein
Wahlrechtsmittel eingeführt, d.h. dem Beschul-
digten und der Staatsanwaltschaft steht entweder
Berufung oder Revision zu. Dies führt dazu, dass
sie nur noch ein Rechtsmittel zur Wahl haben.

– Im Bereich der Annahmeberufung wird die
Sprungrevision ausgeschlossen.

3. Daneben muss der Versuch unternommen werden,
auch das Verfahren nach Berufung besser zu struktu-
rieren. Voraussetzung dafür ist, dass die Berufung
begründet werden muss und nicht nur – wie bisher –
begründet werden kann.

4. Bedeutsam ist schließlich, dass die Entscheidungs-
möglichkeiten für das Revisionsgericht in vertretba-
rem Umfang erweitert werden und dadurch weitere
Instanzen vermieden werden. Der Entwurf schlägt
dazu vor:
– Betrifft die Gesetzesverletzung nur die Zumessung

der Rechtsfolgen, kann das Revisionsgericht auf
Antrag der Staatsanwaltschaft von der Aufhebung
absehen oder die Rechtsfolgen angemessen herab-
setzen, über die bisherigen Möglichkeiten hinaus.

– Treten nur bei der Gesamtstrafenbildung Geset-
zesverletzungen auf oder entfallen in der Revi-
sionsinstanz Einzelstrafen oder werden Einzelstra-
fen vom Revisionsgericht festgesetzt, kann dieses
für die Gesamtstrafenbildung in das Verfahren
der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach den
§§ 460, 462 StPO überleiten.

g) Änderungen hinsichtlich besonderer Verfahrensarten
Strafbefehlsverfahren
Das in den §§ 407 ff. StPO normierte Verfahren bei
Strafbefehlen hat in der Praxis eine große Bedeutung. Es
ist für die rasche Erledigung einer Vielzahl tatsächlich
und rechtlich einfach gelagerter Fälle bestimmt und im
Rahmen des deutschen Strafprozesssystems nicht zu ent-
behren (vgl. BVerfGE 25, 158, 164).
Von den Staatsanwaltschaften wurden im Jahr 1990 im
gesamten Bundesgebiet 2 879 825 Verfahren erledigt,
darunter befinden sich 473 766 Anträge auf Erlass eines
Strafbefehls. Das sind ca. 16,5 % aller Verfahren. Bei
den Amtsgerichten wurden ca. 386 000 erlassene Strafbe-
fehle rechtskräftig, was einem Anteil von etwa 40 % der
dortigen Erledigungen entspricht. Ungefähr 80 % der

beantragten Strafbefehle werden rechtskräftig, ohne dass
eine Hauptverhandlung stattfindet. Diese Zahlen zeigen,
dass eine Vereinfachung, Flexibilisierung oder Erweite-
rung des Strafbefehlsverfahrens unmittelbar für eine
spürbare Entlastung der Strafjustiz geeignet ist.
Der Entwurf hat zum Ziel, das Strafbefehlsverfahren auf
alle Tatsacheninstanzen zu erstrecken, um in allen ge-
eigneten Fällen die Möglichkeit des Erlasses eines Straf-
befehls zu eröffnen. Außerdem wird es ermöglicht, einen
Strafbefehlsantrag nach Eröffnung des Hauptverfahrens
nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich zu stellen.

Vereinfachtes Jugendverfahren
Das vereinfachte Jugendverfahren bietet die Möglich-
keit, auf jugendliche Verfehlungen umgehend zu reagie-
ren. Der Entwurf erstreckt dieses Verfahren auf Heran-
wachsende.

j) Änderungen im Gerichtsverfassungsrecht
Der Entwurf sieht weitere Möglichkeiten der Beset-
zungsreduktion für die Große Strafkammer, die Große
Jugendkammer sowie die Straf- und Bußgeldsenate bei
den Oberlandesgerichten vor.

k) Änderungen im Ordnungswidrigkeitenrecht
Der Entwurf sieht vor, in Ordnungswidrigkeitenverfah-
ren bei den Bußgeldsenaten der Oberlandesgerichte in
Umkehrung der bisherigen Rechtslage in § 80 a OWiG
die Einzelrichterbesetzung als Regel, die Dreierbeset-
zung hingegen als Ausnahme zu konzipieren. Mit diesem
vom Bundesgerichtshof bereits skizzierten Weg soll er-
reicht werden, dass die Bußgeldsenate der Oberlandesge-
richte nur noch in wirklich bedeutenden Fällen in Dreier-
besetzung zusammentreten, hingegen die Masse der Fahr-
verbotsfälle grundsätzlich vom Einzelrichter entschieden
werden.

II. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (§ 7 Abs. 2 des Strafgesetzbuches)
Mit der vorgeschlagenen Änderung soll das Verfahren
zur Klärung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts in
den Fällen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der in der Praxis
immer mehr Relevanz gewinnt, vereinfacht und gestrafft
werden. Die Änderung zielt darauf ab, dass unökono-
mischer Verfahrensaufwand vermieden und dem Gebot
effektiver Strafverfolgung besser entsprochen werden
kann.
Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist deutsches Strafrecht auf
von Ausländern zum Nachteil von Ausländern im Aus-
land begangene Straftaten bei Vorliegen der weiteren
Voraussetzungen dann anwendbar, wenn der Täter im
Inland betroffen wird und, obwohl die Auslieferung zu-
lässig ist, nicht ausgeliefert wird, weil ein Ausliefe-
rungsersuchen nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die
Auslieferung nicht ausführbar ist. Probleme bereiten in
der Praxis die Fälle, in denen die Auslieferung grund-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/1714

sätzlich in Betracht kommt und die nicht nur theoretische
Möglichkeit besteht, dass die Behörden eines ausländi-
schen Staates um Auslieferung nachsuchen werden.
Dann ist das deutsche Strafrecht – jedenfalls zur Zeit –
nicht anwendbar (BGHSt 18, 283/287; Tröndle/Fischer,
StGB, 49. Auflage 1999, § 7 Rn. 11). Die Problematik
stellt sich insbesondere im Zusammenhang mit interna-
tionalen Kraftfahrzeugverschiebungen. Vermehrt kommt
es vor, dass an der Grenze Kraftfahrzeuge sichergestellt
werden, die als im Ausland gestohlen gemeldet sind.
Von den deutschen Behörden ist dann zu klären, ob der
Tatortstaat bzw. die Tatortstaaten, gegebenenfalls auch
der Heimatstaat des Verfolgten (BGH NStZ 1985, 545),
um Auslieferung ersuchen.
Unter verfahrensökonomischen Aspekten sowie im Hin-
blick auf das Gebot effektiver Strafverfolgung ist es ge-
boten, die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts mög-
lichst rasch zu klären. Dies gilt namentlich auch deswe-
gen, weil sich regelmäßig die Haftfrage stellt. Der Ver-
folgte kann im Geltungsbereich des Europäischen Aus-
lieferungsübereinkommens bis zu vierzig Tage, im Übri-
gen bis zu zwei Monaten in Haft gehalten werden (§ 16
Abs. 2 IRG). Steht die Verfolgbarkeit bis dahin nicht
fest, ist er auf freien Fuß zu setzen. Stellt sich nachträg-
lich heraus, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2
Nr. 2 StGB vorliegen, sind die Strafverfolgungsbehörden
u. U. gehalten, Ermittlungen zur Ergreifung des Täters
durchzuführen. Dies erscheint nicht vertretbar. Vor die-
sem Hintergrund ist die Praxis zum Teil dazu überge-
gangen, die Anfrage an den ersuchten Staat bzw. die
Staaten mit einer Frist zu versehen, nach deren Ablauf
davon ausgegangen wird, dass ein Auslieferungsersu-
chen nicht gestellt wird. Diese Verfahrensweise hat sich
in der Vergangenheit bewährt; zu Schwierigkeiten ist es
nicht gekommen.
Durch die Einfügung des Begriffs der „angemessenen
Frist“ in § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB soll dem geschilderten
Verfahren eine klare Rechtsgrundlage verliehen werden.
Zugleich will der Entwurf der staatsanwaltschaftlichen
Praxis einen Impuls geben, in dieser Weise vorzugehen.
Hinsichtlich der Ausgestaltung hat der Entwurf eine fle-
xible Regelung gewählt. Die Vorgabe einer festen Zeit-
grenze kam nicht in Betracht. Die Frist wird vielmehr
nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich nach
den Gepflogenheiten im Verkehr mit den jeweiligen
Staaten zu bemessen sein. In der Praxis hat sich eine
Fristsetzung von ca. drei Wochen bewährt.
Die vorgeschlagene Ergänzung betrifft nur die Anwend-
barkeit deutschen Strafrechts. Sie lässt die rechtshilfe-
rechtlichen Zulässigkeiten eines Auslieferungsersuchens
unberührt. Auswirkungen hat die Regelung nur insoweit,
als bei Anwendbarkeit deutschen Strafrechts durch die
Strafverfolgungsbehörden der Bundesrepublik Deutsch-
land Strafverfahren eingeleitet werden können bzw. müs-
sen, die Deutschland berechtigen, eine Auslieferung des
Verfolgten abzulehnen (vgl. etwa Artikel 8 EurAusÜbK;
ferner Artikel 9 EurAusÜbK – ne bis in idem). Eine
Verpflichtung zur Ablehnung der Auslieferung ist damit
nicht verbunden. Einem etwaigen Auslieferungsbegeh-
ren kann auch nach Ablauf einer gesetzten Frist unter
Anwendung des § 154 b StPO nachgekommen werden.

Dass es aufgrund der vorgeschlagenen Regelung nicht
zu Mehrbelastungen der deutschen Strafrechtspflege
kommt, ist aufgrund allgemeiner Grundsätze gewährlei-
stet (vgl. etwa § 153 c StPO).

Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung)
Zu Nummer 1 (§ 25 StPO)
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StPO ist die Ablehnung eines
erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
nur bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Ange-
klagten über seine persönlichen Verhältnisse, in der
Hauptverhandlung über die Berufung oder die Revision
bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters zuläs-
sig. Diese Ausschlussfrist erfährt in § 25 Abs. 2 StPO
eine Ausnahme für später eingetretene oder später be-
kannt gewordene und insoweit unverzüglich geltend zu
machende Umstände, auf die die Ablehnung gestützt
wird. Der mögliche Endzeitpunkt eines Ablehnungs-
gesuches in § 25 Abs. 1 StPO ist bereits mehrfach ver-
schoben worden. Die geltende Fassung der Vorschrift,
die auf den Beginn der Vernehmung des ersten Ange-
klagten über seine persönlichen Verhältnisse abstellt,
beruht auf Artikel 1 Nr. 1 StVÄG 1987.
Der Entwurf gibt die in den bisherigen Fassungen der
Vorschrift enthaltene Konzeption einer generellen zeit-
lichen Befristung der Zulässigkeit eines gegen den er-
kennenden Richter gestellten Ablehnungsgesuches und
einer entsprechenden Ausnahmeregelung auf und knüpft
die Zulässigkeit in Absatz 1 der Vorschrift grundsätzlich
an die unverzügliche Geltendmachung der Ablehnungs-
gründe. Zwingende Gründe, die die Beibehaltung eines
„Endzeitpunktes“ in einem bestimmten Verfahrensstadi-
um nahelegen, sind nicht erkennbar. Auch ist es dem
Angeschuldigten oder Angeklagten durchaus zumutbar,
ihm bekannte Umstände, auf die er einen Befangenheits-
antrag stützt, unverzüglich geltend zu machen.
Die Vorschrift wird durch die Neufassung wesentlich
vereinfacht. Neben der Festlegung des Endzeitpunktes
zulässiger Gesuche sowie des Regel-Ausnahme-Verhält-
nisses entfällt auch die Differenzierung zwischen der
Ablehnung des in erster Instanz und im Rechtsmittelver-
fahren erkennenden sowie schließlich des außerhalb der
Hauptverhandlung entscheidenden Richters. Auch das
Gebot des gleichzeitigen Vorbringens aller Ablehnungs-
gründe erübrigt sich angesichts der in jedem Einzelfall
erforderlichen Unverzüglichkeit.
Da ein Ablehnungsgesuch nur gegen den mit dem Ver-
fahren befassten Richter gestellt werden kann, orientiert
sich das Kriterium der Unverzüglichkeit zwar grund-
sätzlich an dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens eines
Ablehnungsgrundes, gegebenenfalls aber auch an dem
Zeitpunkt, in dem dem Ablehnungsberechtigten die Be-
fassung des Richters zur Kenntnis gelangt. Letzteres ist
insoweit denkbar, als dem Ablehnungsberechtigten be-
reits vor einer Befassung des Richters Umstände be-
kanntgeworden sind, die – zu diesem Zeitpunkt noch ab-
strakt – ein Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit
rechtfertigen.

Drucksache 14/1714 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

In Absatz 2 wird die bisherige Bestimmung in § 25
Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Zulässigkeit eines Ableh-
nungsgesuches nach dem letzten Wort des Angeklagten
ausschließt, beibehalten.

Zu Nummer 2 (§ 26 Abs. 2 StPO)
Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der
Neufassung des § 25 StPO.

Zu Nummer 3 (§ 26a Abs. 1 Satz 2 StPO)
§ 26 a StPO eröffnet eine Verfahrenserleichterung für die
Entscheidung über unzulässige Ablehnungsgesuche.
Nach Absatz 2 der Vorschrift entscheidet in diesen Fäl-
len der Spruchkörper in unveränderter Zusammenset-
zung unter Beteiligung des abgelehnten Richters selbst.
Hierdurch entfallen die Notwendigkeit der Hinzuziehung
eines anderen Richters und die damit verbundenen Ver-
fahrensverzögerungen.
Der Entwurf fügt den bisher in Absatz 1 enthaltenen
Kriterien der Unzulässigkeit die offensichtliche Unbe-
gründetheit der Ablehnung hinzu. Der Begriff ist dem
geltenden Strafverfahrensrecht entnommen; so werden
hieran in den Bestimmungen über die Rechtsmittel
vereinfachte Verfahrenserledigungen geknüpft (§ 313
Abs. 2, § 349 Abs. 2 StPO). Offensichtlich unbegründet
ist ein Ablehnungsgesuch dann, wenn für jeden Sach-
kundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar ist, dass
die vorgebrachten Gründe nicht geeignet sind, Miss-
trauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Rich-
ters zu begründen. Dies scheidet jedenfalls dann aus,
wenn zur Entscheidung zunächst tatsächliche Feststel-
lungen zu treffen oder die Bewertung – etwa einer
dienstlichen Äußerung – notwendig sind.
Wie bisher schon in den Fällen des § 26 a Abs. 1 Nr. 3
StPO verlangt der Entwurf in Absatz 2 Satz 2 bei kolle-
gialen Spruchkörpern auch in den Fällen offensichtlich
unbegründeter Ablehnungsgesuche einen einstimmigen
Beschluss des Gerichts als Voraussetzung der Verfah-
renserleichterung. Wird ein solches Abstimmungsergeb-
nis nicht erzielt, ist der abgelehnte Richter im Verfahren
nach § 27 StPO von der Mitwirkung an der Entscheidung
ausgeschlossen.
Unverändert durch den Entwurf bleibt die Anfechtung
der Ablehnungsentscheidung nach § 28 StPO; auch hin-
sichtlich der revisionsrechtlichen Überprüfung ergeben
sich keine Abweichungen gegenüber dem geltenden
Recht. Wird die Ablehnungsentscheidung einen erken-
nenden Richter betreffend angefochten, so erfasst der ab-
solute Revisionsgrund in § 338 Nr. 3 StPO nur die Sach-
entscheidung, nicht aber das Procedere selbst. Allein die
fehlerhafte Annahme der Offensichtlichkeit und die
hierdurch gegebenenfalls falsche Besetzung des über die
Ablehnung entscheidenden Gerichts ist nicht revisibel.

Zu Nummer 4 (§ 57 StPO)
Die Änderung ist wegen der Abschaffung der Regelver-
eidigung erforderlich. Der Wortlaut der Bestimmung
wird an § 395 Abs. 1 ZPO angepasst.

Zu Nummer 5 (§ 59 StPO)
Die Bestimmung schafft die bisherige Regelvereidigung
ab. Zeugen können nach dem Ermessen des Gerichts
wegen der Bedeutung der Aussage oder zur Herbeifüh-
rung einer wahren Aussage vereidigt werden. So wird
dem Gericht ein größerer Entscheidungsspielraum einge-
räumt, ohne dass es zu einer Vereidigung gezwungen ist.

Zu Nummer 6 (§§ 61, 62 StPO)
§§ 61, 62 StPO haben als Ausnahmevorschriften zur bis-
herigen Regelvereidigung mit den Neuregelungen ihre
eigenständige Bedeutung verloren und sind deshalb auf-
zuheben. In den Fallgruppen des bisherigen § 61 StPO
kann das Gericht künftig schon nach § 59 StPO von der
Vereidigung absehen.

Zu Nummer 7 (§ 64 StPO)
Mit der Abschaffung der Regelvereidigung kann ein ent-
sprechender Protokollvermerk unterbleiben. Durch die
Regelung soll verhindert werden, dass sich der Begrün-
dungszwang in der Praxis zu einem Vereidigungszwang
mit der Folge der Verfahrensverzögerung auswirkt. Die-
se Vorschrift übernimmt den Regelungsinhalt des damit
überflüssigen § 48 Abs. 1 Satz 2 OWiG. Im Vorverfah-
ren bleibt ein Protokollvermerk bei der Vereidigung
weiterhin geboten (§ 66 a StPO).

Zu Nummer 8 (§ 65 StPO)
Die in § 65 StPO vorgesehenen zusätzlichen Gründe für
eine Vereidigung im vorbereitenden Verfahren werden
beibehalten. Die bisherige Nummer 2 erscheint nach der
Neufassung des § 59, der auch im vorbereitenden Ver-
fahren gilt, entbehrlich. Die Änderungen sind durch die
Abschaffung der Regelvereidigung bedingt. § 65 StPO
ist auf die Erfordernisse des vorbereitenden Verfahrens
zugeschnitten und in seiner Gesamtheit nicht mit den
Vereidigungsregelungen für die Hauptverhandlung ver-
gleichbar.

Zu Nummer 9 (§ 66 b StPO)
Die Regelungen zur Vereidigung bei kommissarischer
Vernehmung werden den Neuregelungen angepasst;
dabei wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes
über die Vereidigung von Zeugen nach Maßgabe des
§ 59 StPO der Vorrang gegenüber einer entsprechenden
Beurteilung des beauftragten oder ersuchten Richters
eingeräumt. Ist in dem Vernehmungsersuchen nichts be-
stimmt, so entscheidet wie bisher der vernehmende
Richter über die Vereidigung.

Zu Nummer 10 (§ 68 a Abs. 2 StPO)
Redaktionelle Anpassung aufgrund der Streichung des
§ 61 StPO.
Fragen nach einer Verurteilung wegen Meineids bleiben
auch künftig zulässig, wenn die Feststellung einer sol-
chen Vorstrafe zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit
notwendig ist.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/1714

Zu Nummer 11 (§ 79 Abs. 1 Satz 2 StPO)
Die Vereidigung von Sachverständigen wird entspre-
chend der Vereidigung von Zeugen geregelt.

Zu Nummer 12 (§ 110 Abs. 1 StPO)
Die Durchsicht der bei einer Durchsuchung gefundenen
Papiere des Betroffenen dient der Entscheidung, ob ihre
Beschlagnahme i.S.v. § 94 Abs. 2 StPO anzuordnen oder
herbeizuführen ist (§ 98 Abs. 1 StPO). Der geltende
§ 110 Abs. 1 StPO, wonach nur die Staatsanwaltschaft
zur Durchsicht befugt ist, wird insbesondere angesichts
der Entwicklung der modernen Bürotechnik praktischen
Bedürfnissen nicht mehr gerecht, zumal der Begriff
„Papiere“ alle Arten von Unterlagen, auch elektronische,
umfasst (vgl. die Nachweise bei Kleinknecht/Meyer-
Goßner, StPO, 42. Aufl., § 110 Rn. 1). Die Durchsicht,
die ein Teil der Durchsuchung und wie diese anfechtbar
ist, könnte wesentlich beschleunigt werden, wenn auch
Polizeibeamte dazu befugt wären, zumal es sich bei die-
sen oftmals um besonders ausgebildete, spezialisierte
und erfahrene Bedienstete handelt. Mithin erscheint es
geboten, den praktischen Bedürfnissen dadurch zu ent-
sprechen, dass es der Staatsanwaltschaft ermöglicht
wird, ihre Hilfsbeamten zur Durchsicht hinzuzuziehen.
Damit würde das allgemeine Strafverfahrensrecht dem
Rechtszustand angeglichen, der bereits in Verfahren we-
gen Steuerstraftaten im Hinblick auf die in § 404 Satz 2
AO getroffene Regelung bezüglich der Bediensteten der
Zollfahndungsämter und Steuerfahndungsämter besteht.
Die im Entwurf vorgesehene Ergänzung des § 110
Abs. 1 verwendet den an vielen Stellen in der Strafpro-
zessordnung zur Einräumung besonderer Befugnisse
verwendeten und in § 152 GVG umschriebenen Begriff
der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Diese sollen
allerdings nur unter Leitung der Staatsanwaltschaft die
Durchsicht vornehmen dürfen. Dies setzt nicht die physi-
sche Anwesenheit eines Staatsanwalts voraus.

Zu Nummer 13 (§ 141 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4
Satz 2 – neu – StPO)

Die Bestellung eines notwendigen Verteidigers geschieht
nach geltendem Recht stets durch den zuständigen Ge-
richtsvorsitzenden (§ 141 Abs. 4 StPO). Das gilt auch für
die Zeit vor Anklageerhebung. In diesen Fällen müssen
die Ermittlungsakten mit entsprechendem Antrag durch
die Staatsanwaltschaft dem Gericht übermittelt und nach
Abschluss der Entscheidung an die Staatsanwaltschaft
zurückgeleitet werden. Es liegt auf der Hand, dass dieses
Hin- und Herversenden der Akten arbeits- und zeitauf-
wendig ist. Darüber hinaus können während dieser Zeit
ohne Zweitakte die Ermittlungen nicht vorangetrieben
werden. Im Interesse einer Beschleunigung des Ermitt-
lungsverfahrens und einer Entlastung sowohl der Ge-
schäftsstelle als auch des Gerichtsvorsitzenden empfiehlt
es sich daher, dem zuständigen Staatsanwalt die Befug-
nis einzuräumen, einen Verteidiger bis zur Erhebung der
öffentlichen Klage zu bestellen, falls zwischen Staats-
anwaltschaft und Beschuldigtem Einigkeit über die Per-
son des zu Bestellenden besteht.

Wenn die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren
selbst einen Pflichtverteidiger bestellen kann, muss dies
zur Folge haben, dass das Gericht in den Fällen fehlen-
der Einigung zwischen Staatsanwaltschaft und Beschul-
digtem über die Person des zu Bestellenden an die Auf-
fassung der Staatsanwaltschaft, dass überhaupt ein Ver-
teidiger bestellt werden müsse, gebunden ist.
In Buchstabe a wird durch die Neufassung des Absat-
zes 3 Satz 3 das Gericht verpflichtet, im gesamten Er-
mittlungsverfahren, also auch bereits vor dem bisher
maßgeblichen Zeitpunkt des § 169 a StPO, auf Antrag
der Staatsanwaltschaft einen Verteidiger zu bestellen.
Die Bindung des Gerichts bezieht sich nur auf die Be-
stellung als solche und nicht auf eine von der Staats-
anwaltschaft etwa genannte Person; das weitere Verfah-
ren richtet sich vielmehr nach § 142 StPO. Die neu ge-
fasste Vorschrift wird – ebenso wie die Antragspflicht
nach Satz 2 – Bedeutung nur in den Fällen erlangen, in
denen mangels Einigkeit über die Person des zu Bestel-
lenden die Staatsanwaltschaft nicht nach Absatz 4 ver-
fährt.
Mit dem neuen Absatz 4 Satz 2 gemäß Buchstabe b der
Nummer 13 wird der Staatsanwaltschaft das Recht zur
Bestellung des (notwendigen) Verteidigers eingeräumt.
Die Vorschrift ist im Kontext mit Absatz 3 Satz 2 zu
lesen: Dort wird die Staatsanwaltschaft verpflichtet, für
eine Pflichtverteidigerbestellung Sorge zu tragen. Statt
des dort vorgesehenen Antrags an das Gericht handelt
hier, gemäß Absatz 4 Satz 2, die Staatsanwaltschaft
selbst, für die dabei die üblichen Auswahlkriterien des
§ 142 StPO gelten. Die Formulierung „vom Beschuldig-
ten bezeichneten Verteidiger“, die an § 142 Abs. 1 StPO
anschließt, meint auch einen solchen Verteidiger, der,
mangels eigener entsprechender Personenkenntnisse des
Beschuldigten, von der Staatsanwaltschaft an diesen
herangetragen und von ihm akzeptiert wurde. Diese
Formulierung zusammen mit der Ausgestaltung des neu-
en Satzes 2 als Kann-Vorschrift stellt klar, dass die Ver-
teidigerbestellung durch den Staatsanwalt abhängig ist
von der Einigkeit über die Person des zu bestellenden
Verteidigers.

Zu Nummer 14 (§ 153c Abs. 1 StPO)
§ 153 c Abs. 1 Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf eine ein-
zige Tat, die zweimal, im Ausland und im Inland, ver-
folgt wurde oder wird, während § 154 von zwei Taten
ausgeht. Wenn gemäß Nummer 15 Buchstabe b in § 154
eine ausländische Verurteilung ohne Vollstreckung
wegen einer anderen Tat ausreichen kann, um von der
Verfolgung abzusehen, dann darf bei einer ausländischen
Verurteilung wegen derselben Tat die Nichtverfolgung
nicht mehr zusätzlich von der Vollstreckung des auslän-
dischen Urteils abhängen. Noch deutlicher würde der
Widerspruch im Verhältnis zu § 154 a StPO, wo es um
Teile derselben Tat geht. Das Vollstreckungs- und damit,
über § 51 Abs. 3 StGB verbunden, das Anrechnungser-
fordernis haben daher zu entfallen. Bei der Neufassung
der Vorschrift wandelt sich diese zu einer reinen Folge-
rung aus dem „ne bis in idem-Prinzip“ um, das allerdings
– inhaltlich zur Berücksichtigung der unterschiedlichen
Qualität ausländischer Rechtsprechung und formell in

Drucksache 14/1714 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Übereinstimmung mit den anderen Opportunitätsvor-
schriften der Strafprozessordnung und dem bisherigen
§ 153 c Abs. 1 Nr. 3 StPO – nicht zwingend durchgreift;
vielmehr bleibt der Staatsanwaltschaft ein Ermessen er-
halten. Immerhin entspricht die vorgeschlagene Erweite-
rung tendenziell der allgemein größer werdenden strafju-
stitiellen Internationalisierung. Durch das in Brüssel am
4. August 1992 von der Bundesrepublik Deutschland
unterzeichnete Übereinkommen zwischen Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot
der doppelten Strafverfolgung vom 25. Mai 1987, dessen
Übernahme in innerdeutsches Recht zur Zeit vorbereitet
wird, wird § 153 c Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs nicht ent-
behrlich werden, da sich das Abkommen weder auf
sämtliche Staaten noch auf sämtliche Delikte erstreckt.
Es ist angezeigt, die Einstellungsmöglichkeiten des Ab-
satzes 1 auch auf die Zeit nach der Anklageerhebung zu
erstrecken. Die bestehende Regelung des Absatzes 3, die
im Übrigen Absatz 1 Nr. 3 ausschließt, betrifft nur den
Sonderfall der Kollision des Strafverfolgungsinteresses
mit einem konkret entgegenstehenden öffentlichen, ins-
besondere außenpolitischen Interesse. Es sind aber viele
Fallgestaltungen denkbar, in denen, ebenso wie bei ande-
ren Opportunitätsvorschriften, die bei der Anklageerhe-
bung im Hinblick auf § 153 c Abs. 3 vorgenommenen
Ermessenserwägungen sich später als revisionsbedürftig
herausstellen und bei denen alsdann eine Einstellung an-
gezeigt erscheint, ohne dass die speziellen Vorausset-
zungen des Absatzes 3 vorlägen. Bezüglich Absatz 1
Nr. 3 sei beispielsweise der Fall erwähnt, in dem eine
ausländische Verurteilung erst nach Anklageerhebung
bekannt oder sicher wird.
Die in Buchstabe a vorgeschlagene Formulierung
schließt bis zu dem Wort „schon“ an die geltende Fas-
sung des § 153 c Abs. 1 Nr. 3 StPO an. Mit dem Wort
„Aburteilung“ werden, wie im allgemeinen Sprachge-
brauch üblich, sowohl die Verurteilung als auch der
Freispruch erfasst. Diese Aburteilung muss, wie nach
geltendem Recht, rechtskräftig sein, da es sich – unbe-
schadet des fehlenden Verbrauchs der Strafklage – bei
der Einstellung nach dieser Vorschrift um eine endgül-
tige und nicht nur um eine vorläufige handelt. Die
Staatsanwaltschaft ist nicht gehindert, bis zur Rechts-
kraft eines ausländischen Erkenntnisses oder im Hinblick
auf eine bevorstehende ausländische Aburteilung über
eine entsprechende Anwendung des § 205 StPO mit dem
hiesigen Verfahren innezuhalten, um alsdann gemäß
§ 153c Abs. 1 Nr. 3 StPO zu verfahren. (Hierzu wird
eine entsprechende Änderung der Nr. 104 RiStBV zu
prüfen sein. Eine gesetzliche Regelung dieser Fallkon-
stellation wie auch sonstiger bisher über eine analoge
Anwendung des § 205 StPO gehandhabter Fälle wird
einer Gesamtreform der Strafprozessordnung zu überlas-
sen sein.)
Die Ergänzung des Absatzes 1 um einen Satz 2 gemäß
Buchstabe b der Nummer 14 erlaubt die Einstellung nach
Erhebung der Anklage, und zwar auf demselben prozes-
sualen Weg wie bei § 153 Abs. 2 StPO. Die insofern
andersartige Regelung des Absatzes 3, wonach die
Staatsanwaltschaft zur Vorbereitung einer Einstellung in
jeder Lage des Verfahrens die Klage zurücknehmen

kann, ist nur deshalb sachgerecht, weil hierbei besondere
öffentliche Interessen berücksichtigt werden, die ein sol-
ches Vorgehen ohne Zustimmung der übrigen Prozess-
beteiligten rechtfertigen. Beide Vorschriften, der vorge-
schlagene Satz 2 in Absatz 1 und der bestehende Ab-
satz 3, haben somit nebeneinander ihre Berechtigung. –
Die Einstellung des vorgeschlagenen Satzes 2 in Ab-
satz 1 führt zwar insofern zu einer Abweichung von den
anderen Opportunitätsvorschriften, als für diesen Rege-
lungsinhalt kein besonderer Absatz vorgesehen wird.
Diese ist aber deshalb sogar angezeigt, weil auf diese
Weise sehr viel klarer als bisher zum Ausdruck kommt,
dass § 153 c zwei voneinander zu unterscheidende Grup-
pen betrifft: In Absatz 1 generell Taten mit Auslandsbe-
zug, und in Absatz 2 bis 4 Taten, die ausländische oder
vergleichbar schwerwiegende öffentliche Interessen der
Bundesrepublik betreffen.

Zu Nummer 15 (§ 154 Abs. 1, 3, 4 und 6 – neu – StPO)
Die §§ 154, 154 a StPO sind in der Praxis überaus wich-
tige Instrumente zur Verfahrensvereinfachung und Be-
schleunigung. Sie verlangen einen Vergleich des potenti-
ellen Ergebnisses eines Verfahrens oder Verfahrensteils
mit den potentiellen oder bereits eingetretenen Rechts-
folgen eines anderen Verfahrens oder Verfahrensteils
und beruhen auf der Überlegung, dass den Strafzwecken
auch dadurch Genüge getan werden kann, dass von
mehrfachen Unrechtshandlungen eines Beschuldigten
nur ein Teil strafrechtlich geahndet wird. Die zu verglei-
chenden Rechtsfolgen werden im geltenden Recht mit
den Worten „Strafen oder Maßregeln der Besserung und
Sicherung“ umschrieben. Dies ist zu eng.
Es besteht ein praktisches Bedürfnis dafür, auch im
Ausland zu erwartende oder verhängte Strafen pp. einer
Einstellung nach §§ 154, 154 a StPO zugrundelegen zu
können. Dies schließt zwar der Wortlaut der geltenden
Vorschriften nicht aus und wird gelegentlich auch so ge-
handhabt; indes bestehen de lege lata, nicht zuletzt im
Hinblick auf die gegenwärtige Fassung des § 153 c
Abs. 1 Nr. 3 StPO, hiergegen Bedenken (vgl. zu Recht-
sprechung und Literatur Löwe-Rosenberg-Rieß, StPO,
24. Aufl., § 154 Rn. 8). Die nunmehr vorgeschlagene
explizite Erstreckung der §§ 154, 154 a StPO auf auslän-
dische Strafen pp. passt in die zunehmende Tendenz
einer internationalen strafrechtlichen Zusammenarbeit.
Als Kann-Vorschriften lassen die beiden Bestimmungen
der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht die Möglich-
keit, die Seriosität der ausländischen Rechtsprechung im
Einzelfall zu berücksichtigen.
Um dem längeren Informationsweg gerecht zu werden,
soll die in Absatz 4 des § 154 StPO enthaltene dreimo-
natige Widerrufsfrist bei ausländischen Verurteilungen
verlängert werden.
Auflagen nach § 153 a StPO sind nach geltendem Recht
keine Bezugssanktionen für die §§ 154, 154 a StPO. Aus
der Praxis wurde die Forderung nach einer entsprechen-
den Erweiterung insbesondere mit dem Hinweis auf
Fälle begründet, in denen das für eine vorläufige Ein-
stellung nach § 154 StPO herangezogene Bezugsverfah-
ren entgegen ursprünglicher Erwartung nicht mit einer

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/1714

Bestrafung, sondern mit einer fühlbaren Geldauflage
endete, was trotz vielleicht sogar lange zurückliegender
Einstellung alsdann de lege lata eine Wiederaufnahme
verlange.
Angesichts der wegen der Überlastung der Strafjustiz
zunehmenden Bedeutsamkeit des § 153 a StPO ist die
Anregung aus der Praxis berechtigt. Die Ausdehnung der
Bezugssanktionen über den Kreis der Strafen und Maß-
regeln der Besserung und Sicherung hinaus sind solange
mit dem Wesen der §§ 154, 154 a StPO vereinbar, wie es
sich um Sanktionen mit einem strafrechtlichen Bezug im
weiteren Sinne handelt. Der Übelcharakter mancher
Auflagen nach § 153 a StPO ist sowohl subjektiv (für den
Betroffenen) als auch objektiv (als Ersatz für den staat-
lichen Strafanspruch) dem einer Strafe durchaus ver-
gleichbar, wobei dahingestellt bleiben kann, ob solche
Auflagen als „strafrechtliche Sanktionen“ bezeichnet
werden können oder nicht (vgl. hierzu Löwe-Rosenberg-
Rieß, 24. Aufl., § 153 a Rn. 9). Selbstverständlich wird
eine solche Auflage als Bezugssanktion nach den
§§ 154, 154 a StPO weniger schwer wiegen als eine
echte Strafe. Dass sie aber überhaupt als eine solche Be-
zugssanktion in Betracht kommt, wird der Zielsetzung
dieser Vorschriften gerecht.
Dabei ist allerdings zu differenzieren: Bloße Schadens-
wiedergutmachung oder die Leistung von Unterhalts-
zahlungen sind – als Erfüllung ohnehin bestehender
zivilrechtlicher Verpflichtungen – sicherlich ihrer Natur
nach nicht geeignet, einen Straftäter von der Verfolgung
in einem weiteren Verfahren freistellen zu können. Einen
hierfür ausreichenden Übelcharakter haben jedoch Auf-
lagen zur Geldzahlung an eine gemeinnützige Einrich-
tung oder an die Staatskasse sowie zur Leistung gemein-
nütziger Arbeit. Die Ausweitung der §§ 154, 154 a StPO
ist also entsprechend zu beschränken.
Die vorstehend umschriebenen Erweiterungen der Be-
zugssanktionen geben Anlass, den in den §§ 154, 154 a
StPO verwendeten Begriff „Strafe oder Maßregel der
Besserung und Sicherung“ generell auf alle im StGB
vorgesehenen Rechtsfolgen der Tat auszudehnen, und
zwar auch bezüglich der potentiellen Ausgangsfolgen.
In Buchstabe a wird der Begriff „Strafe oder Maßregel
der Besserung und Sicherung“ ersetzt durch den Begriff
„Strafe oder strafrechtliche Folge“. Dieser umfasst sämt-
liche Rechtsfolgen der Tat i. S. des 3. Abschnittes des
Strafgesetzbuches. Von der Verwendung des Ausdruckes
„Rechtsfolgen der Tat“ in § 154 (und § 154 a) StPO wird
deshalb abgesehen, weil mit der Aussparung des Wortes
„Strafe“ die Vorschrift an Klarheit verlöre und es frag-
lich erschiene, ob auch die Jugendstrafe erfasst würde.
Der Terminus „strafrechtliche Folge“ ist bereits in § 57
StPO enthalten.
Schon nach geltendem Recht wurden bewusst über den
Gesetzestext hinaus alle Maßnahmen i.S.d. § 11 Abs. 1
Nr. 8 StGB, also auch der Verfall, die Einziehung und
die Unbrauchbarmachung, als Bezugssanktionen aner-
kannt (vgl. Löwe-Rosenberg-Rieß, a.a.O., § 454 StPO
Rn. 14). Die vorgeschlagene Formulierung trägt dem
Rechnung und schließt auch die Verwarnung mit Straf-
vorbehalt gemäß §§ 59 ff. StGB mit ein. Diese wird als

mildeste Rechtsfolge nach dem StGB zwar nur sehr sel-
ten als Bezugssanktion ins Gewicht fallen können; den-
noch sind geeignete Fälle aus dem Minimalbereich vor-
stellbar. Im übrigen wäre bei einer künftigen Berück-
sichtigung von Auflagen nach § 153 a StPO schon aus
systematischen Gründen die Erstreckung des Kreises der
Bezugssanktionen auf die – demgegenüber objektiv
schwerere – Verwarnung mit Strafvorbehalt geboten.
Mit der gleichzeitigen Erweiterung der Bezeichnung
auch der Ausgangssanktionen wird klargestellt, dass
hierbei auch eine bloß zu erwartende Verwarnung mit
Strafvorbehalt berücksichtigt werden kann – was sicher-
lich schon heute oft praktische Bedeutung hat. Die
Erstreckung auf die übrigen Rechtsfolgen (Verfall, Ein-
ziehung, Unbrauchbarmachung) weist darauf hin, dass
diese zusammen mit der übrigen Sanktion bei der Abwä-
gung nach § 154 ins Gewicht fallen.
Mit der gemäß Buchstabe b vorgesehenen Einfügung
eines neuen Absatzes 6 wird einem wesentlichen Anliegen
der Praxis auf Erweiterung des § 154 StPO Rechnung
getragen. Satz 1 erstreckt § 154 auch auf nach § 153 a
StPO erteilte Auflagen; durch die ausdrückliche Nen-
nung der Nummern 2 und 3 sind andersartige Auflagen
als Vergleichssanktion ausgeschlossen. Durch die Worte
„von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht“ ist
sichergestellt, dass das Verfahren sowohl nach Absatz 1
als auch nach Absatz 2 des § 153 a StPO erledigt werden
kann. Das Wort „erteilte“ zeigt zum einen, dass solche
Auflagen nicht als – notwendigerweise: hypothetische –
Ausgangssanktionen in Betracht kommen. Es zeigt zum
anderen, dass nur „erwartete“ Auflagen nicht ausreichen;
denn Auflagen sind in wesentlich geringerem Maße pro-
gnostizierbar als Rechtsfolgen nach dem StGB, und die
Verkoppelung zweier (vom Grundsatz des § 152 Abs. 2
StPO aus gesehen) prozessualer Ausnahmeerledigungen
sollte nicht als frühzeitiges Verfahrensziel legitimiert
werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflage nicht, so
gilt Absatz 3.
Satz 2 des neuen Absatzes 6 stellt ausländische Strafen
oder strafrechtliche Folgen den inländischen gleich. Da-
bei wird nicht verkannt, dass der Bereich des Strafrechts
in den ausländischen Rechtsordnungen manchmal anders
gezogen wird als in der deutschen und dass die ausländi-
schen Sanktionsarten und deren Handhabung gelegent-
lich nach deutschem Recht schwer nachvollziehbar sind.
Derartige Inkompatibilitäten sind in Kauf zu nehmen, da
es sich bei § 154 StPO nur um eine Kann-Vorschrift
handelt, die Berücksichtigung der Besonderheiten eines
Einzelfalles also jederzeit möglich bleibt. Der zweite
Halbsatz verlängert die sonst nach Absatz 4 des § 154
StPO geltende Frist zur Wiederaufnahme auf ein Jahr.

Zu Nummer 16 (§ 154 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 – neu –
StPO)

Zu Buchstabe a gelten die Ausführungen zu den Ände-
rungen nach Nummer 15 entsprechend.
Auch bezüglich des gemäß Buchstabe b einzufügenden
Absatzes 4 kann auf die Begründung zu Nummer 15
verwiesen werden.

Drucksache 14/1714 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Zu Nummer 17 (§ 154b Abs. 2 bis 4 StPO)
Die Fälle des § 154 b Abs. 2 StPO sind nunmehr in dem
gemäß Nummer 15 Buchstabe b erweiterten § 154 StPO
erfasst. Die Vorschrift ist daher überflüssig.

Zu Nummer 18 (§ 223 Abs. 3 StPO)
Nach der derzeitigen Rechtslage kommt es bei der Ver-
nehmung durch den kommissarischen Richter gemäß
§ 66 b Abs. 2 Satz 1 StPO häufig zu Vereidigungen, weil
das erkennende Gericht dies grundsätzlich verlangt
(§ 223 Abs. 3 StPO) und zur Vermeidung von nachver-
eidigungsbedingten Verfahrensunterbrechungen auch
verlangen muss (§ 59 Satz 1 StPO). Mit Abschaffung der
Regelvereidigung kann auch die Pflicht zur Vereidigung
gemäß § 223 Abs. 3 StPO entfallen.

Zu Nummer 19 (§ 229 StPO)
In Ergänzung der bereits zu § 229 Abs. 1 StPO beschlos-
senen Gesetzesinitiative des Bundesrates (Verlängerung
der Unterbrechungsfrist von 10 Tagen auf 3 Wochen) er-
scheint es, um einer Wiederholung von Hauptverhand-
lungen noch darüber hinaus entgegenzuwirken, ange-
bracht, den Zeitpunkt vorzuverlegen, zu dem Unter-
brechungen von 30 Tagen zulässig sind. Es erscheint
vertretbar und erforderlich, die Möglichkeit einzuräu-
men, schon nach 6 Monaten die Hauptverhandlung für
30 Tage zu unterbrechen. Weiterhin wird die Möglich-
keit eingeräumt, nach weiteren sechs Monaten nochmals
die Hauptverhandlung für 30 Tage zu unterbrechen.
Darüber hinaus erscheint eine Ausdehnung der Hem-
mungsregelung des § 229 Abs. 3 StPO auch auf die Mit-
glieder des Spruchkörpers erforderlich.
Damit könnte vermieden werden, dass Verfahren nach
mehreren Verhandlungstagen wegen der Erkrankung von
Richtern und Schöffen ausgesetzt werden müssen. Insbe-
sondere in Schöffengerichtsverfahren bzw. zwar mehrtä-
gigen, jedoch nicht langwierigen Verfahren vor den
Landgerichten, bei denen in der Regel keine Ergän-
zungsrichter oder -schöffen bestellt werden, führt der
Ausfall einzelner Mitglieder des Gerichts zu dem Erfor-
dernis einer Neuverhandlung des gesamten Prozesses.
In Großverfahren würde die Erweiterung den Entla-
stungseffekt noch erhöhen. Rechtliche Gründe sprechen
ebenfalls nicht gegen eine derartige Änderung.
Die Regelung stellt sicher, dass die von § 192 GVG vor-
gesehene Möglichkeit der Bestellung von Ergänzungs-
richtern und -schöffen auf die vom Gesetz vorgesehenen
Ausnahmefälle beschränkt bleibt. Die Höchstdauer der
Unterbrechung soll sich, ebenso wie bisher im Hinblick
auf die Erkrankung des Angeklagten gemäß § 229 Abs. 3
StPO, auf 6 Wochen insgesamt belaufen, unabhängig
davon, wie viele zur Urteilsfindung berufene Personen
erkranken.

Zu Nummer 20 (§ 234 a StPO)
Redaktionelle Anpassung aufgrund der Streichung des
§ 61 Nr. 5 StPO.

Zu Nummer 21 (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO)
Mit dem Vorschlag zu § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO stellt
der Entwurf klar, dass das Tatgericht gerade den Ableh-
nungsgrund der Verschleppungsabsicht selbst zu würdi-
gen hat, was sich auf die Begründungsanforderungen
auswirkt. Ansatzpunkt ist, dass die revisionsgerichtli-
chen Anforderungen an die Begründung eines tatrichter-
lichen Ablehnungsbeschlusses wegen Verschleppungs-
absicht zu streng erscheinen. Mit der vorgeschlagenen
Fassung wird zum Ausdruck gebracht, dass das Revi-
sionsgericht auf die Prüfung beschränkt sein soll, ob der
Tatrichter rechtlich einwandfrei zu seiner Überzeugung
gekommen ist, dass Verschleppungsabsicht vorliegt.
Diese Beschränkung rechtfertigt sich aus den Besonder-
heiten dieses Ablehnungsgrundes, der in besonderem
Maß die Würdigung von Indizien für ein inneres Faktum
verlangt.

Zu Nummer 22 (§ 251 Abs. 1, 2 Satz 2 StPO)
Nach geltendem Recht sind gemäß § 250 StPO die Opfer
von Straftaten auch bei einem im übrigen aufgeklärten
Sachverhalt über die Auswirkungen der Tat persönlich
zu vernehmen. Zeugen, die bereits für sich den Vorgang
abgeschlossen haben oder sich nur ungern daran erin-
nern, wollen nicht selten mit der Sache nichts mehr zu
tun haben oder haben sonst für Vorladungen mit gewis-
sem Grund wenig Verständnis; dies kann zur Verzöge-
rung der Sitzung oder zu Unterbrechungen führen. Oft
kann ein Geschädigter zum Tathergang und zur Person
des Täters nichts beitragen; er kann lediglich dazu be-
fragt werden, welcher Schaden eingetreten ist. So be-
schränkt sich z. B. bei Pkw-Aufbrüchen, Sachbeschädi-
gungen und Verkehrsstraftaten die Funktion des Zeugen
häufig darauf, eine Rechnung über die Reparatur vorzu-
legen oder den Schaden zu schätzen. Nicht in jedem
Falle ist hierfür eine persönliche Vernehmung erforder-
lich.
Die Regelung des Entwurfs gilt für alle Protokolle, ins-
besondere auch für von der Polizei erstellte Protokolle
(Absatz 2). Sie gilt nach Absatz 2 Satz 2 auch für Ur-
kunden im Sinn von Absatz 2 Satz 1. Durch die Formu-
lierung „soweit“ wird klargestellt, dass Protokolle, die
auch andere Fragen betreffen, teilweise verlesen werden
können. Mit dem Begriff „Vermögensschaden“ wird eine
Abgrenzung zu den Fällen des immateriellen Schadens
bewirkt (vgl. zu den Begriffen Kleinknecht/Meyer-
Goßner, StPO, 42. Aufl., § 153 a Rn. 16 und 17; vgl.
auch § 7 Abs. 1, 2 StrEG, § 110 Abs. 1 OWiG und Die-
ter Meyer, Strafrechtsentschädigung und Auslagener-
stattung, 3. Aufl., 1994, Rn. 10 zu § 7 StrEG). Bei im-
materiellem Schaden etwa im Bereich des Sexualstraf-
rechtes soll durch die Neuregelung der Grundsatz der
persönlichen Vernehmung in § 250 StPO nicht modifi-
ziert werden; die Vorschrift zielt nicht auf Opferschutz,
der in anderem Zusammenhang diskutiert wird, sondern
auf Entlastung und Beschleunigung ab. Dadurch, dass an
den Begriff „Vermögensschaden“ angeknüpft wird, ist
der Kreis der erfassten Fälle weiter als in § 153 Abs. 1
Satz 2 StPO in der Fassung von Artikel 21 Nr. 44
EGStGB 1975; es ist nicht erforderlich, dass es um ein
Vergehen geht, das gegen fremdes Vermögen gerichtet

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/1714

war. So kann etwa auch bei Fällen des unerlaubten Ent-
fernens vom Unfallort (§ 142 StGB) die Beweisaufnah-
me über einen eingetretenen Vermögensschaden erfor-
derlich sein, obgleich keine gegen fremdes Vermögen
gerichtete Straftat vorliegt (Löwe-Rosenberg-Rieß,
StPO, 24. Aufl., § 153 Rn. 48).
Für die Verlesung der Protokolle und Urkunden gilt, oh-
ne dass es einer Änderung im Wortlaut bedürfte, insbe-
sondere auch § 251 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO.
Mit dem neuen Satz 2 in Absatz 1 werden staatsanwalt-
schaftliche Protokolle unter bestimmten Voraussetzun-
gen richterlichen Protokollen gleichgestellt. Ob ein Pro-
tokoll nach den §§ 168, 168 a aufgenommen wird, liegt
in der Entscheidung der Staatsanwaltschaft.
Nach § 251 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1
kann das Gericht in bestimmten Fällen durch Beschluss
die Verlesung von Protokollen anordnen, wenn Staats-
anwalt, Verteidiger und Angeklagter einverstanden sind.
Aus der Praxis wurde vorgeschlagen, in diesen Fällen
eine Verfügung des Vorsitzenden ausreichen zu lassen.
Dadurch wird die Verhandlung vereinfacht und be-
schleunigt. Auch in den Fällen des § 251 Abs. 3 ordnet
der Vorsitzende die Verlesung im Rahmen der Sachlei-
tung an. Die Möglichkeit, einen Gerichtsbeschluss nach
§ 238 Abs. 2 herbeizuführen, der Anknüpfungspunkt für
eine Revision sein kann (§ 338 Nr. 8), bleibt unberührt.
Einer Streichung des Absatzes 1 Nr. 4 und des Absatzes 2
Satz 1 in § 251 Abs. 4 Satz 1 steht nicht entgegen, dass
zwar Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Angeklagter,
nicht aber die beisitzenden Richter und Schöffen förm-
lich in die Entscheidung eingebunden sind, da diese et-
waige Bedenken gegen die Verlesung in einer jederzeit
herbeiführbaren Beratungspause geltend machen können.

Zu Nummer 23 (§ 256 Abs. 1 StPO)
Zu Buchstabe a
Die Anzahl zuverlässiger, allgemein vereidigter Sach-
verständiger – etwa im Kfz-Gewerbe, dem Versiche-
rungswesen und der Schriftkunde – hat zugenommen.
Ihre Ausführungen sind in der Regel von einer Sachauto-
rität geprägt, die es rechtfertigt, sie den Behördengut-
achten im Sinne des § 256 StPO gleichzustellen. Zum
Zeitpunkt der Schaffung dieser Norm war das Sachver-
ständigenwesen in dem heute festzustellenden Ausmaß
noch nicht entwickelt. Nur in Zweifelsfällen ist es daher
notwendig, dass der Sachverständige sein Gutachten per-
sönlich erläutert.

Zu Buchstabe b
Die Strafverfolgungsbehörden erstellen im Rahmen der
Ermittlungen Protokolle und Vermerke über Routine-
vorgänge, wie Beschlagnahme, Spurensicherung, Durch-
führung einer Festnahme, Sicherstellungen, Hausdurch-
suchungen etc. Diese Protokolle und Vermerke sind den
in § 256 Abs. 1 Satz 1 StPO genannten Zeugnissen öf-
fentlicher Behörden vergleichbar. Auch bei derartigen
Protokollen erscheint die Objektivität bei der schriftli-
chen Fixierung der gemachten Wahrnehmungen hinrei-
chend gewährleistet. Bei den meist routinemäßig erstell-

ten Protokollen können der Polizeibeamte oder sonstige
Angehörige einer Strafverfolgungsbehörde in der Haupt-
verhandlung ohnehin in der Regel kaum mehr bekunden
als das, was in dem Protokoll bereits schriftlich festge-
legt ist (vgl. Löwe-Rosenberg-Gollwitzer, StPO, 24.
Aufl., § 256 Rn. 3 in Bezug auf die derzeit von § 256
Abs. 1 StPO erfassten Fälle). Durch die Änderung soll
vermieden werden, dass jeder Angehörige einer Strafver-
folgungsbehörde, insbesondere ein Polizeibeamter, des-
sen Tätigkeit auch nur zu einer Indiztatsache im Prozess
beiträgt, als Zeuge aussagen muss. Hiermit wird in erster
Linie eine Entlastung für die Strafverfolgungsbehörden,
mittelbar auch für die Gerichte erreicht, die die Haupt-
verhandlung mit weniger Vernehmungen und gegebe-
nenfalls auch an weniger Tagen durchführen können.
Nicht verlesen werden können nach der vorgeschlagenen
Vorschrift jedoch Vernehmungsprotokolle; soweit eine
Verlesung derartiger Protokolle nach anderen Vor-
schriften möglich ist, bleibt dies unberührt. Nicht verle-
sen werden können auch sonstige Vermerke oder
Schlussberichte, soweit darin der Inhalt einer Verneh-
mung wiedergegeben wird. Damit soll verhindert wer-
den, dass die differenzierte Regelung der §§ 251 ff. StPO
außer Kraft gesetzt wird.
Wenn sich das Gericht mit einer Verlesung eines Proto-
kolles begnügt, obwohl die Umstände des Einzelfalles es
nahelegen, den Verfasser des Protokolles als Zeugen zu
hören, kann darin eine Verletzung der Aufklärungs-
pflicht liegen (Löwe-Rosenberg-Gollwitzer, a. a. O.,
Rn. 64 zu § 256 StPO, Kleinknecht/Meyer-Goßner,
a.a.O., Rn. 24 zu § 256 StPO). Dies ist sachgerecht und
bleibt unverändert.
Nicht erforderlich ist es, Bankauskünfte in den Kreis der
nach § 256 StPO verlesbaren Urkunden aufzunehmen;
für sie kann schon jetzt § 249 Abs. 1 gelten (Löwe-
Rosenberg-Gollwitzer, a.a.O., Rn. 15 zu § 249 StPO:
„Schriften anderer Personen, ..., Buchungsbelege“).

Zu Nummer 24 (§ 286 StPO)
Im Verfahren gegen Abwesende ist nach der Abschaf-
fung der Regelvereidigung eine eidliche Vernehmung
nach § 286 Abs. 2 StPO nicht mehr geboten.

Zu den Nummern 25, 31 und 32 (§ 313 Abs. 1, §§ 333,
335 StPO)

Der Entwurf sieht vor, dass
– der Bereich der Annahmeberufung von Verurteilun-

gen bis zu 15 Tagessätzen auf Verurteilungen bis zu
30 Tagessätzen (einschließlich Fahrverbot und Ent-
ziehung der Fahrerlaubnis bei Sperrfrist bis zu 9 Mo-
naten) ausgedehnt wird (§ 313 StPO),

– bei amtsgerichtlichen Verurteilungen ein Wahl-
rechtsmittel eingeführt wird, d. h. dem Beschuldigten
und der Staatsanwaltschaft entweder Berufung oder
Revision zustehen, sie mit anderen Worten nur ein
Rechtsmittel zur Wahl haben (§ 333 Abs. 2 StPO),

– im Bereich der Annahmeberufung die Sprungrevision
ausgeschlossen wird (§ 335 Abs. 2).

Drucksache 14/1714 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Das Wahlrechtsmittel ist ein tauglicher Beitrag zur Ver-
fahrensbeschleunigung. Die Regelung greift auf § 55
Abs. 2 JGG zurück; im Jugendstrafrecht hat sich das
Wahlrechtsmittel seit langem bewährt. Auf die Aus-
legung des § 55 Abs. 2 JGG und die Erfahrungen dort
kann deshalb Bezug genommen werden. Die Bundes-
vertreterversammlung des Deutschen Richterbundes hat
im Jahr 1987 die Einführung des Wahlrechtsmittels be-
fürwortet. Wenn jedem grundsätzlich nur ein Rechts-
mittel zur Verfügung steht, wird das Verfahren abge-
kürzt, der Rechtsschutzanspruch aber gleichwohl ge-
währleistet. In der Berufungsinstanz entfällt der Anreiz
zu solchen Anträgen, die lediglich den Boden für eine
Revision bereiten sollen. Die Einführung des Wahl-
rechtsmittels wird rasch wirksam, weil sie nicht mit
Komplikationen organisatorischer und rechtlicher Art
verbunden ist. Der Einwand, dass das Wahlrechtsmittel
zu einer größeren Belastung bei den Amtsgerichten füh-
ren könnte, weil sie sich mehr als bisher gezwungen
sehen könnten, ihr Urteil „revisionssicher“ abzufassen,
greift nach den Erfahrungen im Jugendstrafrecht und
nach den Erfahrungen mit dem früheren Wahlrechtsmit-
tel im Erwachsenenstrafrecht nicht durch. In aller Regel
wird es für den Rechtsmittelführer attraktiver sein, Beru-
fung und nicht Revision einzulegen.
Mit der Änderung in § 313 Abs. 1 StPO (Nummer 25)
wird der Bereich der Annahmeberufung im Wesentlichen
auf Verurteilungen bis zu 30 Tagessätzen ausgeweitet.
Die Erfahrungen mit diesem neuen Institut sind nicht
negativ, jedoch ist der Anwendungsbereich zu eng. Es
erscheint vertretbar, die Annahmeberufung auszuweiten,
zumal das Gesetz die Zulässigkeit nur dann verneint,
wenn Berufungen offensichtlich unbegründet sind. Bei
dieser engen Gesetzesfassung besteht nicht die Gefahr,
dass Belangen des Beschuldigten oder der Staatsanwalt-
schaft nicht in ausreichendem Maß Rechnung getragen
wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es vertretbar,
auch Fahrverbot und – in gewissem Umfang – Fahr-
erlaubnisentzug einzubeziehen, auch wenn die Rechts-
folgen nicht unerheblich sind. Hinzu kommt, dass gerade
bei massenhaft begangenen Verkehrsstraftaten, wo von
gewissen „Taxen“ ausgegangen werden kann, zugleich
ein erheblicher Entlastungseffekt zu erwarten ist. Auch
durch Strafbefehl kann die Fahrerlaubnis entzogen wer-
den, wobei dort Sperren bis zu 2 Jahren einbezogen sind.
Der Grenzwert bei Geldstrafen in Satz 1 und Satz 2 ist
nunmehr identisch: für einen unterschiedlichen Grenz-
wert gibt es letztlich keinen überzeugenden Grund.
Im Aufbau knüpft der Entwurf im Übrigen an die Syste-
matik der §§ 333, 335 StPO an. Dies rechtfertigt sich
daraus, dass bei amtsgerichtlichen Urteilen auch künftig
Berufung die Regel sein wird. Die Ergänzung des § 333
StPO (Nummer 31) um einen Absatz 2 enthält die Ein-
führung des Wahlrechtsmittels. Absatz 2 entspricht § 55
Abs. 2 JGG; auf Rechtsprechung und Literatur zu dieser
Bestimmung kann grundsätzlich zurückgegriffen wer-
den. Der Verteidiger, der im Jugendgerichtsverfahren
nach h. M. dem Angeklagten bzw. dessen gesetzlichem
Vertreter zugerechnet wird, wird wie in § 55 Abs. 2 JGG
nicht gesondert aufgeführt. In § 335 StPO (Nummer 32)
wird mit dem neuen Absatz 2 die (Sprung-)Revision ge-
gen ein amtsgerichtliches Urteil dann ausgeschlossen,

wenn nur Annahmeberufung möglich ist; Absatz 1 wird
insoweit eingeschränkt. Der bisherige Absatz 3 Satz 3
entfällt im Hinblick auf § 333 Abs. 2 – neu – StPO.
Da lediglich die Sprungrevision ausgeschlossen werden
soll, hält die vorgesehene Regelung auch im Bereich der
Annahmeberufung die Möglichkeit der Herbeiführung
obergerichtlicher Grundsatzentscheidungen offen.
Auch ist es etwa dem Angeklagten nicht verwehrt, gegen
eine zweitinstanzliche Verurteilung, die aufgrund der
Berufung der Staatsanwaltschaft gegen einen erstin-
stanzlichen Freispruch erfolgt ist, Revision einzulegen.

Zu den Nummern 26 und 33 (§ 314 Abs. 2, § 341
Abs. 2 StPO)

Es entlastet die Justiz von erheblichem Formulierungs-
und Schreibaufwand, wenn in möglichst großem Um-
fang von der Abfassung von abgekürzten Urteilen gemäß
§ 267 Abs. 4, 5 StPO Gebrauch gemacht werden kann.
Möglich ist dies u. a., wenn „innerhalb der Frist kein
Rechtsmittel eingelegt“ wird (§ 267 Abs. 4 Satz 1,
Abs. 5 Satz 2 StPO). Grundsätzlich läuft die Frist für die
Einlegung von Berufung und Revision ab Urteilsverkün-
dung. Insofern ist recht schnell klar, ob ein abgekürztes
Urteil möglich ist. Ab Urteilszustellung läuft die Frist,
wenn das Urteil in Abwesenheit des Angeklagten ver-
kündet worden ist. Dies ist im Grundsatz sachgerecht. Ist
jedoch ein mit besonderer schriftlicher Vollmacht verse-
hener Verteidiger bei der Urteilsverkündung anwesend,
soll es künftig auf dessen Kenntnis ankommen, mit an-
deren Worten die Rechtsmittelfrist schon ab Verkündung
laufen. Vor allem wenn das Gericht den Angeklagten auf
dessen Wunsch von der Pflicht zum Erscheinen in der
Hauptverhandlung entbunden hat, kann – umgekehrt –
dem Angeklagten angesonnen werden, kurzfristig mit
dem von ihm mit besonderer Vollmacht versehenen
Verteidiger die Rechtsmitteleinlegung abzuklären.
Außergewöhnlichen Fällen kann wie auch sonst durch
das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Rechnung getragen werden.

Zu den Nummern 27, 28, 29 und 30 (§§ 317, 318 Satz 2,
§ 319 Abs. 1, § 320
Satz 1 StPO)

Der Entwurf sieht vor, dass das Ziel der Berufung ange-
geben und die Berufung begründet werden muss, § 317
StPO (Nummer 27).
Die Pflicht zur Berufungsbegründung liegt bis zu einem
gewissen Grad in der Konsequenz der Einführung und
Erweiterung der Annahmeberufung, die die Begründung
einer Berufung nahelegt. Auch davon abgesehen kann es
jedem Angeklagten zugemutet werden, sein Rechtsmittel
zumindest kurz zu begründen und das Ziel, das er damit
verfolgt, anzugeben. Die Staatsanwaltschaft ist schon
jetzt durch Verwaltungsvorschrift zur Begründung der
Berufung verpflichtet, Nummer 156 RiStBV. Zwar er-
scheint es wegen der Funktion und Struktur der Beru-
fung nicht sachgerecht, die Anforderungen an die Be-
gründung einer Revision zu übernehmen. Mit einer Mit-
teilung, was mit der Berufung angestrebt wird, und mit

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/1714

einer Begründung, warum das Ersturteil angegriffen wird,
ist aber kein Angeklagter überfordert, zumal er sein
Rechtsmittel zu Protokoll der Geschäftsstelle einlegen
kann. Auch mit eher allgemeinen Begründungen – etwa:
„Weil mir das Strafmaß zu hoch ist“ – kann das Verfahren
entlastet werden, weil dies die Beschränkung in der Beru-
fungsinstanz auf das Strafmaß ermöglicht. Die Entlastung
gilt vor allem für Verfahren, in denen bislang im Hinblick
auf das Fehlen einer Begründungspflicht von jeder
Begründung Abstand genommen worden ist, das Urteil
jedoch nur zum Teil angegriffen werden soll.
Im Hinblick auf die Prinzipien, auf denen unser Strafver-
fahren aufbaut, vor allem im Hinblick auf den Amtsauf-
klärungsgrundsatz, wird davon abgesehen, auch die Prä-
sentation der Beweismittel in der Berufungsbegründung
verpflichtend vorzugeben. Mit der „Sollvorschrift“ soll
gleichwohl ein Signal gesetzt werden.
Die Änderung der §§ 318, 319 und 320 StPO (Num-
mer 28, 29 und 30) ist Konsequenz der Änderung des
§ 317 StPO.

Zu Nummer 34 (§ 354 StPO)
Zu Buchstabe a
Der Ausschluss einer Strafmaßrevision, etwa in Anleh-
nung an § 363 StPO, ginge entschieden zu weit, weil es
unbestreitbar Grenzen geben muss, bei deren Über-
schreiten die Festlegung der Rechtsfolgen, vor allem des
Strafmaßes, erfolgreich gerügt werden kann. Unbestreit-
bar ist freilich, dass die Anforderungen an die Begrün-
dung von Rechtsfolgen und Strafzumessung in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung hoch sind und vor
allem wegen der sogenannten sachlich-rechtlichen Be-
gründungspflicht, die die Rechtsprechung entwickelt hat,
häufig erheblichen Aufwand verursachen.
Will man die Belastung der Praxis durch Zurückverwei-
sungen in vertretbarem Umfang halten, liegt ein taug-
licher Ansatz darin, die Entscheidungsmöglichkeiten für
das Revisionsgericht bei der Rechtsfolgenentscheidung
auszuweiten. Ist ein Urteil unter Berücksichtigung der
höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Rechtsfolgen-
entscheidung fehlerhaft, gibt es gleichwohl Konstellatio-
nen, in denen das Urteil aufrechterhalten werden kann
(z. B. BGH NJW 1990, 1921, 1923). Dies gilt dann,
wenn das Urteil auf der Gesetzesverletzung im Sinn von
§ 337 StPO nicht beruhen kann. Auch darüber hinausge-
hend sind aber Fallgestaltungen denkbar, in denen es
trotz einer Gesetzesverletzung bei der Rechtsfolgenzu-
messung bei dem angegriffenen Urteil verbleiben kann
oder es genügt, die Rechtsfolgen angemessen herabzu-
setzen. Zum Schutz des Angeklagten, aber auch zur
Wahrung der Gleichbehandlung erscheint es erforder-
lich, dass das Gericht nur so entscheiden kann, wenn die
Staatsanwaltschaft dies beantragt. Der Antrag eröffnet
dem Revisionsgericht die Entscheidungsmöglichkeit; im
Maß der Herabsetzung ist das Revisionsgericht nicht ge-
bunden.
Die Neuregelung erweitert die Möglichkeit der „Durch-
entscheidung“, die die Rechtsprechung auch schon selbst
im Rahmen von § 354 Abs. 1 StPO erweitert hat. Sie trägt

der Erfahrung der Praxis Rechnung, dass es bei unver-
ändertem Schuldspruch und Zurückverweisung wegen der
Strafzumessung häufig zu nicht wesentlich anderen
Rechtsfolgenentscheidungen kommt. Die Regelung er-
gänzt § 354 Abs. 1 StPO, d. h. sie kommt nicht zur An-
wendung, wenn das Revisionsgericht schon nach Absatz 1
entscheiden muss. Dies ergibt sich aus der Systematik,
wird im Gesetzestext gleichwohl ausdrücklich erwähnt.
Soweit die Rechtsprechung Absatz 1 extensiv auslegt,
wird auch dies von der Neuregelung nicht berührt.
Für die Gesamtstrafenbildung gibt es in § 460 StPO ein
bewährtes Verfahren, das auf die Hauptverhandlung ver-
zichtet. Entscheidet das Revisionsgericht nicht nach Ab-
satz 1 oder Absatz 2 selbst, erscheint es zweckmäßig,
ihm die Möglichkeit zu eröffnen, zur Durchführung einer
nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß §§ 460, 462
StPO zurückzuverweisen (Absatz 3). Dies gilt einmal für
den Fall, dass die Gesamtstrafenbildung fehlerhaft ist.
Dies gilt aber auch für den Fall, dass Einzelstrafen durch
Einstellung oder Freisprechung in Wegfall kommen oder
das Revisionsgericht über Einzelstrafen selbst entschei-
det, es mithin nur noch um die Gesamtstrafenbildung
geht. Vor allem im Hinblick auf die Entwicklung der
Rechtsprechung zum Fortsetzungszusammenhang er-
scheint die Regelung praktisch bedeutsam.
Klargestellt wird, dass die Sonderregelung für die Ge-
samtstrafenbildung dann nicht zur Anwendung kommt,
wenn das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 2
umfassend abschließend entscheidet.

Zu Buchstabe b
Folgeänderung

Zu Nummer 35 (§ 400 Abs. 1 StPO)
Nach geltendem Recht ist der Nebenkläger zur Einle-
gung von Rechtsmitteln unabhängig von der Staatsan-
waltschaft befugt, sofern nicht lediglich die Verhängung
einer anderen Rechtsfolge oder die Verurteilung wegen
einer nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigten
Gesetzesverletzung angestrebt wird. Das Opferschutzge-
setz vom 18. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2496) hatte die
bislang bestehende umfassende Rechtsmittelbefugnis des
Nebenklägers, die derjenigen der Staatsanwaltschaft ent-
sprach, auf den heutigen Zustand zurückgeführt. Maß-
geblich hierfür war die Erwägung, dass der Verletzte in
erster Linie ein legitimes Interesse daran habe, dass der
Angeschuldigte wegen der Tat, aus der sich die Befugnis
zum Anschluss ergibt, überhaupt verurteilt werde. Ein
weitergehendes Schutzbedürfnis bestehe deshalb nicht
(Drucksache 10/5305, S. 15). Die konsequente Umset-
zung dieses zutreffenden Denkansatzes verlangt es, dem
Nebenkläger ein Rechtsmittel nur noch in Fällen des
Freispruchs einzuräumen. Wird der Täter wegen der zum
Anschluss berechtigten Tat verurteilt, ist dem persönli-
chen Genugtuungs- und Rehabilitationsinteresse des Ge-
schädigten in ausreichendem Maße Genüge getan. Ein
weitergehendes Interesse des Nebenklägers an einer
Änderung der rechtlichen Qualifikation der Straftat im
Rechtsmittelzug besteht nicht. Es kommt hinzu, dass der
Nebenkläger durch die weitgehenden Befugnisse des

Drucksache 14/1714 – 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

§ 397 StPO in hinreichendem Maße Einfluss auf den
Gang der Hauptverhandlung besitzt und hierdurch insbe-
sondere den Umfang der Beweisaufnahme – unabhängig
von der Aufklärungspflicht des Gerichts – maßgeblich
mitbestimmen kann. Hierdurch wird dem Nebenkläger in
ausreichendem Maße die Möglichkeit eröffnet, den von
ihm für sachgerecht gehaltenen Schuldspruch zu errei-
chen.

Zu Nummer 36 (§ 407 Abs. 1 Satz 1 StPO)
Durch die Neufassung des § 407 Abs. 1 Satz 1 StPO wird
die Beschränkung des Strafbefehlsverfahrens auf Verfah-
ren vor dem Amtsgericht aufgehoben, so dass Strafbe-
fehlsanträge in allen geeigneten strafrechtlichen Verfah-
ren, also auch vor den Landgerichten und Oberlandesge-
richten gestellt werden können. Gerade in Wirtschafts-
strafverfahren oder Korruptionsverfahren kann ein Be-
dürfnis bestehen, Strafbefehle – gegebenenfalls nur hin-
sichtlich einzelner Angeschuldigter in einem Großverfah-
ren – zu erlassen, um mit der Einsparung einer Hauptver-
handlung eine Entlastung zu erreichen. Strafbefehle kön-
nen demnach von den Landgerichten u.a. dann erlassen
werden, wenn die Staatsanwaltschaft wegen der besonde-
ren Bedeutung des Falles die Sache dort anhängig macht
(vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG) oder in den Fällen des §
408 a StPO im Hauptverfahren, wenn eine Hauptver-
handlung nicht für erforderlich erachtet wird. Die
oben angesprochenen Verfahren in Wirtschafts- und Kor-
ruptionssachen können von besonderer Bedeutung sein,
wenn sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen aus
der Masse der durchschnittlichen Strafsachen nach oben
herausragen, was jeweils im Einzelfall zu beurteilen und
entscheiden ist. Unabhängig davon können die Landge-
richte Strafbefehle bei Vorliegen eines Zusammenhangs
auch gegen einzelne Personen erlassen, wenn hinsichtlich
anderer Anklage beim Landgericht erhoben wird.
Das Strafbefehlsverfahren kann auch geeignet sein für
Verfahren, die trotz eines geringen Schuldgehalts zwin-
gend vor der Staatsschutzkammer (vgl. § 74 a GVG) oder
gar vor den Oberlandesgerichten (vgl. § 120 GVG) ver-
handelt werden müssen.

Zu Nummer 37 (§ 408 Abs. 1 StPO)
Die bisher geltende Regelung zur Frage der Zuständig-
keit von Strafrichter und Schöffengericht ist durch das
Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar
1993 obsolet geworden, denn nach der Änderung des
§ 25 GVG ist, da eine höhere Freiheitsstrafe als zwei
Jahre im Strafbefehlsverfahren nicht möglich ist, das
Schöffengericht stets unzuständig.
Die Neufassung des § 408 Abs. 1 StPO erstreckt sich
demgegenüber auf sämtliche Gerichte und lehnt sich
weitgehend an § 209 StPO an, der die Frage der Eröff-
nungszuständigkeit regelt. Angesichts der – jedenfalls
außerhalb des § 408 a StPO – bestehenden generellen
Unzuständigkeit des Schöffengerichts erfasst die Be-
stimmung das Verhältnis zwischen Amtsgericht (Straf-
richter), Landgericht und Oberlandesgericht. Die Vor-
schrift übernimmt die bereits in der bisherigen Fassung

des § 408 Abs. 1 StPO normierte Bindungswirkung so-
wie die Möglichkeit der Anfechtung durch sofortige Be-
schwerde der Staatsanwaltschaft. Sie fügt sich insoweit
nahtlos in das System der Strafprozessordnung ein. Mit
der Bezugnahme auf den jeweiligen Bezirk wird deutlich
gemacht, dass die Frage der örtlichen Zuständigkeit, die
sich nach den allgemeinen Vorschriften beurteilt, nicht
berührt ist.
Die entsprechende Anwendbarkeit des § 209 a StPO ist
notwendig, um die bereits bestehende Rangfolge von
Spruchkörpern auch für das Strafbefehlsverfahren zu er-
schließen.

Zu Nummer 38 (§ 408 a Abs. 1 StPO)
Zu Buchstabe a
Durch die Streichung der Worte „in Verfahren vor dem
Strafrichter und dem Schöffengericht“ in § 408 a Abs. 1
Satz 1 StPO wird sichergestellt, dass das Strafbefehlsver-
fahren auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens vor den
Landgerichten und den Oberlandesgerichten Anwendung
finden kann.
Neben dem Anwendungsbereich im erstinstanzlichen
Verfahren kommt hinzu, dass künftig zusätzlich in der
Berufungsinstanz vor den Landgerichten der Erlass eines
Strafbefehls möglich ist. Auch in diesem Stadium kann
es sinnvoll sein, nach § 408 a StPO zu verfahren, wenn
der Angeklagte etwa freigesprochen wurde und in der
Berufungsverhandlung nicht erscheint, z. B. weil er sich
außer Landes befindet.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafbefehlsverfahrens,
das nach einem Einspruch des Angeschuldigten eine
Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in
öffentlicher Hauptverhandlung vorsieht, kann der Erlass
eines Strafbefehls durch ein Revisionsgericht nicht in
Frage kommen, da eine derartige Verhandlung der Sache
im Revisionsrechtszug ausgeschlossen ist. Demzufolge
ist die Anwendbarkeit des Strafbefehlsverfahrens auf die
Tatsacheninstanzen zu beschränken. Hierzu wurde die
Regelung übernommen, die in § 153 a Abs. 2 Satz 1
StPO bereits existiert. Die Staatsanwaltschaft kann dem-
nach nur bis zum Ende der Hauptverhandlung der letzten
Tatsacheninstanz einen Strafbefehlsantrag stellen.

Zu Buchstabe b
Nach der derzeitig geltenden Rechtslage kann die Staats-
anwaltschaft nach Eröffnung des Hauptverfahrens einen
Strafbefehlsantrag stellen, der allerdings schriftlich ge-
fasst sein muss. Das führt in den Fällen, in denen in der
Hauptverhandlung sofort ein Antrag gestellt werden
kann, zu unnötigen Verzögerungen, da die Akten der
Staatsanwaltschaft zur Fertigung eines schriftlichen
Strafbefehlsantrages zurückgesandt werden müssen, die
ihrerseits sodann die Akten dem Gericht zum Erlass des
Strafbefehls wieder übersendet.
Die Neuregelung vermeidet diesen unnötigen Verwal-
tungsaufwand, führt zu einer Entlastung des nachgeord-
neten Personals und somit zu einer Beschleunigung des
Verfahrens.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21 – Drucksache 14/1714

Der neu eingefügte Satz 2 bestimmt, dass in der Haupt-
verhandlung nunmehr der Staatsanwalt bzw. der Sit-
zungsvertreter der Staatsanwaltschaft einen Antrag
mündlich stellen kann, so dass eine schriftliche Ausfor-
mulierung entfällt. Ein schriftlicher Strafbefehlsantrag ist
in diesem Stadium auch keineswegs mehr notwendig, da
die Anklageschrift und der Eröffnungsbeschluss bereits
vorliegen, so dass die Tat ausreichend bezeichnet ist und
Unklarheiten insoweit nicht auftreten können.
Die Kostenrechnung erfolgt in diesen Fällen nicht mit der
Zustellung des Strafbefehls, sondern erst durch die Staats-
anwaltschaft mit der Zahlungsaufforderung. In dem Straf-
befehl wird nur auf die üblichen Kosten verwiesen.

Zu Nummer 39 (§ 418 StPO)
Durch die Neuregelung in Satz 2 wird eine Frist zwi-
schen dem Eingang des Antrags auf Entscheidung im be-
schleunigten Verfahren und dem Beginn der Hauptver-
handlung bestimmt, um der gerichtlichen Praxis klare
Vorgaben darüber an die Hand zu geben, in welcher
Zeitspanne ein Verfahren als beschleunigtes Verfahren
geführt werden soll. Dadurch wird dem Beschleuni-
gungsziel Rechnung getragen und die Erwartung des Ge-
setzgebers (Drucksache 12/4859 S. 36) bekräftigt, das
praktische Anwendungshemmnisse beseitigt und die per-
sonellen, organisatorischen und technischen Vorausset-
zungen geschaffen werden, die eine kurzfristige Erle-
digung im beschleunigten Verfahren ermöglichen. Die
durchschnittliche Dauer der gerichtlichen Verfahren vor
den Amtsgerichten belief sich 1997 auf 4,4 Monate. Die
Frist von sechs Wochen ist andererseits lang genug
bemessen, um den Verhältnissen gerade bei Großstadt-
gerichten hinreichend Rechnung zu tragen und nicht die
Gefahr zu begründen, dass der Anwendungsbereich des
beschleunigten Verfahrens beträchtliche Einbußen erlei-
det. Als Sollvorschrift ist sie flexibel genug, um das be-
schleunigte Verfahren nicht an einer Fristüberschreitung
aus nicht vorhersehbaren das Verfahren verzögernden
Ereignissen scheitern zu lassen.
Zu Nummer 40 ( § 462 a Abs. 6 StPO)
Folgeänderung zu Nummer 34.
Zu Nummer 41 (§ 473 Abs. 4 Satz 3 StPO)
Diese Ergänzung stellt klar, dass auch ein Fall von § 354
Abs. 2 oder Abs. 3 unter § 473 Abs. 4 Satz 1 und 2 fal-
len kann. Im Übrigen wird der Anwendungsbereich des
§ 473 Abs. 4 StPO nicht geändert; es verbleibt etwa bei
dem Vorrang des § 467 StPO, sofern die Norm einschlä-
gig ist.

Zu Artikel 3 (Änderung des Jugendgerichts-
gesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 33 b Abs. 2 Satz 2 – neu – JGG)
Zu Buchstabe a
In Anlehnung an § 76 Abs. 2, § 122 Abs. 2 GVG entfällt
die Unabänderlichkeit der Besetzungsentscheidung bei

Zurückverweisung einer Sache durch das Revisionsge-
richt. In diesen Fällen soll eine neue Entscheidung über
die Besetzung ermöglicht werden.

Zu Buchstabe b
In Verfahren über Berufungen gegen ein Urteil des Ju-
gendschöffengerichts entscheidet die Große Jugend-
kammer in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und
zwei Schöffen, § 33 b Abs. 1 JGG. Diese Regelung ist
– vor allem bei knappen Personalressourcen – nicht
zwingend geboten. Eine Fülle von Berufungsverfahren
wird in der Besetzung mit dem Vorsitzenden und einem
weiteren Berufsrichter als Berichterstatter angemessen
und sachgerecht geführt werden können, ohne dass die
Interessen der Verfahrensbeteiligten Schaden leiden. In
solchen Fällen wird der dritte Berufsrichter nicht oder
nur wenig gefordert sein, so dass auf seine Mitwirkung
verzichtet und die freigewordene Arbeitskraft sinnvoller
eingesetzt werden kann. Der Entwurf sieht daher eine
den Regelungen des § 76 Abs. 2 GVG, § 33 b Abs. 2
JGG entsprechende Bestimmung vor, wonach es in die
Entscheidung der Kammer gestellt wird, ob sie in der
Besetzung mit zwei oder drei Berufsrichtern die Ver-
handlung führen will. Maßgebend für diese Entschei-
dung soll es sein, ob nach dem Umfang oder der Schwie-
rigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters
notwendig erscheint.

Zu Buchstabe c
Folgeänderung zu Buchstabe b.

Zu Nummer 2 (§ 49 JGG)
Zur Angleichung an die Neufassung der § 59 Abs. 1 und
§ 79 StPO, die über die Generalverweisung des § 2 JGG
künftig auch im Jugendstrafverfahren zur Anwendung
gelangen, wird § 49 JGG aufgehoben.

Zu Nummer 3 (§78 Abs. 3 Satz 3 – neu – JGG)
Durch die Verweisung auf § 230 Abs. 2 StPO eröffnet
diese Vorschrift dem Richter auch im Jugendverfahren
gemäß § 76 JGG die Möglichkeit, die Vorführung anzu-
ordnen oder Haftbefehl zu erlassen, wenn der Jugend-
liche unentschuldigt zur mündlichen Verhandlung nicht
erschienen ist. Nach wohl herrschender Meinung (vgl.
Eisenberg, a.a.O., Rn. 21 zu §§ 76 bis 78) besteht diese
Möglichkeit nach geltender Rechtslage nicht, da die
mündliche Verhandlung im vereinfachten Jugendverfah-
ren keine Hauptverhandlung im Sinne von § 226 StPO
darstellt. Die Einführung dieser Möglichkeit lässt eine
erweiterte Anwendung des vereinfachten Jugendverfah-
rens zu und dient der Verfahrensbeschleunigung.

Zu Nummer 4 (§ 109 Abs. 2 Satz 1 JGG)
Durch die vorgeschlagene Einfügung der §§ 76 bis 78
soll der Anwendungsbereich des vereinfachten Jugend-
verfahrens für den Fall auf Heranwachsende ausgedehnt
werden, dass noch Jugendstrafrecht Anwendung findet.
Die erforderliche Prognoseentscheidung ist dem Jugend-
strafrecht nicht fremd; auch in den anderen in § 109

Drucksache 14/1714 – 22 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Abs. 2 JGG aufgeführten Fällen muss sie getroffen wer-
den. Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des ver-
einfachten Jugendverfahrens auf Heranwachsende hat
den Vorteil, dass bei den oftmals als Mittäter auftreten-
den Jugendlichen und Heranwachsenden die gleiche
Verfahrensart zur Verfügung steht.

Zu Artikel 4 (Änderung des Gesetzes über Ord-
nungswidrigkeiten – § 80 a OWiG)

Die geänderte Vorschrift legt die durch das Gesetz zur
Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und
anderer Gesetze vom 26. Januar 1998 erstmals einge-
führte Einzelrichterbesetzung bei den Bußgeldsenaten
der Oberlandesgerichte in Umkehrung der bisherigen
Rechtslage als Regel, die Dreierbesetzung hingegen als
Ausnahme fest. Damit soll dem bereits mit der genann-
ten Gesetzesänderung angestrebten Ziel einer spürbaren
Entlastung der Oberlandesgerichte im Ordnungswidrig-
keitenbereich zum Erfolg verholfen werden. Denn der
Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 28. Juli 1998
entschieden, dass nach dem bisherigen Gesetzeswortlaut
in Verfahren über Rechtsbeschwerden der Bußgeldsenat
nach wie vor in der Besetzung mit drei Richtern ent-
scheidet, wenn in dem angefochtenen Urteil ein Fahrver-
bot verhängt worden ist. Da die Fahrverbotsfälle aber ge-
rade den Großteil der Rechtsbeschwerden ausmachen, ist
durch diese Rechtssprechung das mit der Gesetzesände-
rung explizit verfolgte Ziel der nennenswerten Entla-
stung der Oberlandesgerichte nicht erreicht worden. Der
Bundesgerichtshof hat allerdings in dem oben genannten
Beschluss ausdrücklich festgestellt, dass der Gesetzge-
ber, sollte er auch die Entscheidung über ein Fahrverbot
dem Einzelrichter zuweisen wollen, dies durch eine ein-
fach vorzunehmende Gesetzesänderung mit einer Um-
drehung des in § 80 a OWiG bislang enthaltenen Regel-
Ausnahme-Verhältnisses zugunsten der Dreierbesetzung
erreichen kann. Zwar wurde in der genannten Novelle
des Ordnungswidrigkeitengesetzes vom 26. Januar 1998
entgegen den ursprünglichen Bestrebungen, bei Fahrver-
boten von maximal einem Monat Dauer das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu streichen, unter Berufung auf
den damit verbundenen, verhältnismäßig schweren Ein-
griff die generelle Rechtsbeschwerdemöglichkeit auf-
recht erhalten. Dies rechtfertigt aber nicht die Schlußfol-
gerung, dass in diesen Fällen zwingend auch der Senat in
Dreierbesetzung zu entscheiden hat. Die Frage des Zu-
gangs zum Gericht ist von der Frage der Besetzung zu
trennen. Auch soll bei den Oberlandesgerichten zeitge-
mäß verhandelt werden. Was ein Amtsrichter kann, muss
auch ein Richter am Oberlandesgericht können, nämlich
eine Entscheidung alleine treffen. Der gesamte Senat soll

nur noch in wirklich bedeutenden Fällen zusammentre-
ten.

Zu Artikel 5 (Änderung des Gerichtsverfassungs-
gesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 76 Abs. 2 Satz 2 GVG)
Die Unabänderlichkeit der Besetzungsentscheidung nach
§ 76 Abs. 2 GVG entfällt bei Zurückverweisung einer
Sache durch das Revisionsgericht. In diesen Fällen soll
eine neue Entscheidung über die Besetzung ermöglicht
werden.

Zu Nummer 2 (§ 122 Abs. 2 Satz 4 GVG)
In Anlehnung an § 76 Abs. 2 GVG entfällt bei Zurück-
verweisung einer Sache durch das Revisionsgericht die
Unabänderlichkeit der Besetzungsentscheidung. In die-
sen Fällen soll eine neue Entscheidung über die Beset-
zung ermöglicht werden.

Zu Artikel 6 (Änderung der Bundesdisziplinar-
ordnung)

Redaktionelle Anpassung an die Änderung des § 223
StPO (Artikel 2 Nr. 18).

Zu Artikel 7 (Änderung der Bundesgebühren-
ordnung für Rechtsanwälte)

Bei der Änderung der Bundesgebührenordnung für
Rechtsanwälte handelt es sich um Folgeänderungen aus
der mit der Neuregelung in § 141 Abs. 4 Satz 2 StPO
gemäß Artikel 2 Nr. 13 erstmals vorgesehenen Möglich-
keit einer Bestellung eines Rechtsanwalts als Verteidiger
durch die Staatsanwaltschaft bzw. den Generalbundes-
anwalt. Wird der Rechtsanwalt nicht durch das Gericht,
sondern durch die Staatsanwaltschaft bestellt, so soll er
ebenso wie wenn er vom Gericht als Verteidiger bestellt
worden wäre die in den §§ 97, 98 bis 101, 103 BRAGO
genannten Gebühren erhalten.

Zu Artikel 8 (Folgeänderungen anderer Gesetze)
Folgeänderung zu Artikel 2 Nr. 34.

Zu Artikel 9 (In-Kraft-Treten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23 – Drucksache 14/1714

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