BT-Drucksache 14/1702

Forschungspolitische Auswirkungen der Gesundheitsreform

Vom 28. September 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1702
14. Wahlperiode 28. 09. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Sothmann, Thomas Rachel, Ilse Aigner, Dr. Wolf Bauer,
Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Dr. Hans Georg Faust, Ulf Fink, Axel Fischer
(Karlsruhe-Land), Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Norbert Hauser (Bonn),
Hubert Hüppe, Dr.-Ing. Rainer Jork, Dr. Harald Kahl, Eva-Maria Kors,
Werner Lensing, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), Erich Maaß (Wilhelmshaven),
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Katherina Reiche, Hans-Peter Repnik,
Heinz Schemken, Gerhard Scheu, Dr. Joachim Schmidt (Halsbrücke),
Dr. Erika Schuchardt, Angelika Volquartz, Annette Widmann-Mauz,
Heinz Wiese (Ehingen), Wolfgang Zöller und der Fraktion der CDU/CSU

Forschungspolitische Auswirkungen der Gesundheitsreform

Mit dem Gesetzentwurf zur GKV-Gesundheitsreform 2000 verfolgt die Bun-
desregierung unter anderem das Ziel, Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) zu sichern.

Offensichtlich mit dem Ziel der Kosteneinsparung ist im Gesetzentwurf vorge-
sehen, dass Arzneimittelinnovationen nach ihrer Zulassung zukünftig nicht
mehr automatisch zu Lasten der GKV verordnungsfähig sind. Im Rahmen der
Erstellung einer Positivliste sollen diese Arzneimittel bei ihrem Zugang zum
GKV-Markt nochmals geprüft werden. Damit entsteht eine weitere Hürde für
Innovationen, die die Dynamik des Innovationswettbewerbs bremst. Der
Marktzugang wird verzögert, wodurch der forschungsintensiven pharmazeuti-
schen Industrie hohe Verluste entstehen. Zudem müssen GKV-Patienten länger
auf neue Arzneimittel warten. Insgesamt wird die Attraktivität des Standorts für
innovative Produkte geschwächt mit möglichen negativen Folgen für For-
schung und Entwicklung, Produktion und Arbeitsplätze in Deutschland.

Die aufstrebende Biotechnologie-Szene in Deutschland könnte daher durch die
Maßnahmen der Bundesregierung gefährdet werden. Mit Blick auf die Zukunft
der Biotechnologie in Deutschland zeigt die Erfahrung, dass sich eine florieren-
den Biotechnologie-Szene mit vielen kleinen und mittleren Unternehmen vor
allem dort entwickelt, wo eine unmittelbare Nähe zu großen, forschenden phar-
mazeutischen Unternehmen besteht.

Ferner ist im Gesetzentwurf neben anderen Maßnahmen die Förderung von
Reimporten im Arzneimittelbereich vorgesehen. Dabei sollen die Apotheken
zur Abgabe von importierten Arzneimitteln verpflichtet werden.

Drucksache 14/1702 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deshalb fragen wir die Bundesregierung:

1. Welche Auswirkungen bei den FuE-Aktivitäten der Unternehmen sind
durch das Erfordernis einer Prüfung von Arzneimitteln bei ihrem Zugang
zum GKV-Markt im Rahmen der Positivliste sowie durch die Reimport-
regelung, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, kurz-, mittel- und langfristig
am Standort Deutschland zu erwarten und welche Folgen auf den Arbeits-
markt resultieren daraus?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der deutschen Biotech-
nologie-Branche, wenn infolge der Regelungen des Gesetzentwurfs FuE-
Aktivitäten der großen und global tätigen Unternehmen stärker im Ausland
angesiedelt werden und hat dies Auswirkungen auf die neu geschaffenen
Arbeitsplätze in den Start-Up-Unternehmen?

3. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung gegen einen unmittelbaren Zu-
gang von Arzneimittelinnovationen auf die Positivliste, wie es im Arbeits-
entwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vorgesehen war?

4. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Patienten im Rahmen der
Arzneimittelversorgung Innovationen unverzüglich zur Verfügung stehen,
wenn das Institut zur Erstellung der Vorschlagsliste verordnungsfähiger
Arzneimittel innerhalb von drei Monaten nach der Bekanntmachung der
Zulassung über eine Aufnahme entscheiden soll, zwischen Zulassung und
ihrer Bekanntmachung bis zum Erlass der Fertigarzneimittelliste per
Rechtsverordnung jedoch noch deutlich längere Zeiträume vergehen?

5. Wie lange wird es demnach nach Auffassung der Bundesregierung voraus-
sichtlich dauern, bis neue Arzneimittel nach ihrer Zulassung für GKV-Pati-
enten verfügbar sind?

6. Ist die Bundesregierung der Auffassung, sie sei nach europäischem Recht
gehalten, eine Reimportförderklausel einzuführen und wie hat sie entspre-
chende Anfragen der Kommission beantwortet?

7. Räumt die Bundesregierung ein, dass, wie auch vom Europäischen Ge-
richtshof festgestellt, Reimporte zu Wettbewerbsverzerrungen führen, da in
Europa keine freie Marktpreisbildung für pharmazeutische Produkte be-
steht, und beabsichtigt sie diese Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der in
Deutschland Forschung, Entwicklung und Produktion betreibenden Unter-
nehmen voranzutreiben?

8. Welches Ziel verfolgt die Bundesregierung mit der Streichung des Wortes
„auch“ im Gesetzentwurf gegenüber der früheren Reimportförderklausel
des § 129 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, die im Jahr 1996 mit den Stim-
men von Deutschem Bundestag und Bundesrat abgeschafft wurde, und soll
die Abgabe von Reimporten der Regelfall sein?

9. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass über Reimporte eine vollständige
Marktabdeckung erfolgen kann und wie soll im Fall einer unvollständigen
Marktabdeckung eine umfassende Arzneimittelversorgung sichergestellt
werden?

10. Beabsichtigt die Bundesregierung mit der vorgesehenen Neuregelung die
Festbetragsfreiheit patentgeschützter Arzneimittel zu konterkarieren ange-
sichts der Tatsache, dass die Reimportförderklausel und die Begründung
des Gesetzentwurfs auf das Segment der patentgestützten Arzneimittel zie-
len?

11. Wie bringt die Bundesregierung den Schutz des geistigen Eigentums ge-
rade für hochinnovative Produkte in Einklang mit ihrer Absicht, Reimport
zu fördern?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1702

12. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Regelung zu Reimporten in Ein-
klang mit ihrem Ziel, Innovationen bzw. innovative Branchen am Standort
Deutschland zu fördern?

13. Kann die Bundesregierung die Einsparmöglichkeiten quantifizieren, die für
die GKV bzw. für die Patienten/Versicherten durch die Förderung von
Reimporten entstehen könnten?

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass von einer Reimportförder-
klausel ein negatives standortpolitisches Signal ausgeht und dass das Ein-
sparvolumen dieses negative Signal nicht rechtfertigt?

Berlin, den 21. September 1999

Bärbel Sothmann
Thomas Rachel
Ilse Aigner
Dr. Wolf Bauer
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Axel Fischer (Karlsruhe-Land)
Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen)
Norbert Hauser (Bonn)
Hubert Hüppe
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Eva-Maria Kors
Werner Lensing
Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)
Erich Maaß (Wilhelmshaven)
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Heinz Schemken
Gerhard Scheu
Dr. Joachim Schmidt (Halsbrücke)
Dr. Erika Schuchardt
Angelika Volquartz
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)
Wolfgang Zöller
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.