BT-Drucksache 14/1650

Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen des Staudammprojektes Masheshwar

Vom 22. September 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1650
14. Wahlperiode 22. 09. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Winfried Wolf, Eva-Maria Bulling-Schröter,
Ursula Lötzer, Carsten Hübner und der Fraktion der PDS

Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen des Staudammprojektes Maheshwar

Maheshwar ist Teil des umstrittenen Narmada Valley Development Project, das
den Bau von 30 großen, 135 mittleren und 3000 kleinen Staudämmen im Nar-
mada-Tal vorsieht. Der Maheshwar-Damm ist einer der Großstaudammprojekte
und soll bis zu 400 Megawatt Energieleistung erbringen. Nach vertraglicher
Vereinbarung soll das Projekt die nächsten 35 Jahre Strom an die parastaatliche
Energiegesellschaft MPEB (Madhya Pradesh Electricity Board) liefern. MPEB
soll jedoch nach Angaben der Neuen Züricher Zeitung vom 26. August 1999
(S. 6) bereits mehrere Bürgschaften für private Kraftwerksgesellschaften
widerrufen haben. Die Konzession für das Projekt erhielt 1993 eine indische
Textilfirma. 1998 schloss diese mit zwei deutschen Firmen Verträge über eine
Beteiligung an der Shree Maheshwar Hydro Power Corporation (SMHPC).
Maheshwar soll das erste privat finanzierte Wasserkraftwerk Indiens werden.

66 Prozent des Kapitals für die SMHPC sollen aus Deutschland stammen. Die
beiden deutschen Energieversorgungsunternehmen planen, jeweils 24 % der
Anteile an der Eigner- und Betreibergesellschaft zu erwerben. Darüber hinaus
erhielt eine andere deutsche Firma im Gegenzug für eine zeitlich begrenzte 17-
prozentige Beteiligung an der Eignergesellschaft den Auftrag, Turbinen und
Generatoren für den Damm zu liefern. (Broschüre „Der Maheshwar-Staudamm
in Indien“ vom Februar 1999, S. 1 f. und 17 ff., veröffentlicht von der Nichtre-
gierungsorganisation „urgewald“.)

Für das Staudammprojekt Maheshwar haben deutsche Firmen beim Intermini-
steriellen Ausschuss (IMA) Anträge auf Hermes-Bürgschaft und Kapitalan-
lage-Garantie gestellt.

Wichtige gesellschaftliche Gruppen im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh
stellen die Wirtschaftlichkeit des Maheshwar-Projektes in Frage. Dazu zählen
u. a. die Gewerkschaften, Verbände der Kleingewerbetreibenden sowie die In-
genieursvereinigung des MPEB.

Das Umweltministerium der indischen Zentralregierung hat die Projektgeneh-
migung für Maheshwar an eine Reihe von Auflagen gebunden. In der Geneh-
migung selbst heißt es, dass diese bei Nichteinhaltung der Auflagen jederzeit
wieder zurückgezogen werden kann.

Im Falle eines anderen Energieprojektes in Madhya Pradesh hat das Umweltmi-
nisterium vor kurzem von diesem Recht Gebrauch gemacht. Der Weiterbau des
stromabwärts von Maheshwar gelegenen Sardar-Sarovar-Staudamms war über
vier Jahre hinweg vom Obersten Gerichtshof Indiens gestoppt. Der oberste

Drucksache 14/1650 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

indische Gerichtshof hat dann im Februar 1999 eine geringfügige Erhöhung
(5 Meter) der Dammhöhe für das Sardar-Sarovar-Projekt zugelassen, nachdem
die Regierungen der betroffenen Bundesstaaten (darunter Madhya Pradesh)
versichert hatten, dass sie die etwa 60 Dörfer, die von der neuen Stauhöhe be-
troffen sind, umsiedeln würden. Zahlreiche internationale Journalisten, welche
die Region besucht haben, berichten nun, dass die versprochene Umsiedlung
nicht stattgefunden hat, und die Regierung von Madhya Pradesh hat inzwischen
eingestanden, dass sie nicht genügend Land für eine Umsiedlung bereitstellen
kann.

Im Narmada-Tal mussten bereits vier Staudammvorhaben gestoppt werden, da
sie auf den erbitterten Widerstand der lokalen Bevölkerung gestoßen sind.
Auch im Zusammenhang mit dem Maheshwar-Projekt gibt es seit mehr als ei-
nem Jahr massive Proteste der betroffenen Bevölkerung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält die Bundesregierung das Projekt in sozialer, ökologischer und ökono-
mischer Sicht vertretbar?

Wenn ja, mit welcher Begründung?

2. Hat die Bundesregierung spezielle Kriterien für die Prüfung von Großstau-
dammprojekten im Rahmen der Vergabe von Hermes-Bürgschaften sowie
von Kapitalanlage-Garantien erarbeitet?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, beabsichtigt sie solche zu erarbeiten?

3. a) Welche Rolle spielt die Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens grundsätzlich
im Rahmen der Hermes-Prüfung??

b) Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirtschaftlichkeit des Maheshwar-
Projektes?

c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich des derzeitigen
Strompreisniveaus in der Region und des zu erwartenden Strompreises
pro Kilowattstunde für den von Maheshwar zu liefernden Strom?

4. Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus den möglichen Bonitäts-
problemen des MPEB und im Zusammenhang damit aus der erteilten
Escrow-Garantie für Maheshwar im Hinblick auf Hermes-Bürgschaften und
Kapitalanlage-Garantien?

5. a) Inwieweit wurden nach Kenntnisstand der Bundesregierung die Auflagen
des indischen Umweltministeriums zum Maheshwar-Projekt bisher ein-
gehalten?

b) Sieht die Bundesregierung für Maheshwar das Risiko einer Rücknahme
der Projektgenehmigung durch die indische Zentralregierung?

6. a) Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr von gerichtlichen Schritten
gegen das Maheshwar-Projekt ein?

b) Gesetzt den Fall, dass ausstehende Entscheidungen zu erheblichen Verzö-
gerungen beim Bau des Maheshwar-Projekts führen, welche Auswirkun-
gen hätte dies für die Inanspruchnahme von staatlichen Ausfuhrgewähr-
leistungen?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Probleme am
Sardar-Sarovar-Staudamm die Chancen der 4000 vom Maheshwar-Projekt
betroffenen Familien auf eine menschenwürdige Umsiedlung?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1650

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Vertretbarkeit von Bundesbürgschaf-
ten hinsichtlich der aus dem Widerstand der Bevölkerung resultierenden
politischen Risiken für das Maheshwar-Projekt?

Berlin, den 15. September 1999

Rolf Kutzmutz
Dr. Winfried Wolf
Eva-Maria Bulling-Schröter
Ursula Lötzer
Carsten Hübner
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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