BT-Drucksache 14/1573

Hilfsmaßnahmen für die Erdbebenopfer in der Türkei

Vom 8. September 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1573
14. Wahlperiode 08. 09. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Hilfsmaßnahmen für die Erdbebenopfer in der Türkei

Bei dem Erdbeben in der Türkei haben nach türkischen staatlichen Angaben
weit über 10 000 Menschen ihr Leben verloren, bis zu 600 000 sollen obdachlos
geworden sein. Die wirtschaftlichen Schäden werden auf bis zu 30 Mrd. DM
(so der Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien) geschätzt. Die in den
letzten Tagen aufgetretenen Nachbeben haben die Schäden noch weiter erhöht.
Seuchen und der nahende Winter drohen, die Zahl der direkten und indirekten
Opfer noch weiter zu erhöhen; zudem drohen im Erdbebengebiet weitere Seu-
chen.

Verglichen mit diesem Ausmaß der Schäden hat die Bundesregierung bisher nur
äußerst geringe Mittel bewilligt. So waren am 25. August 1999 nach Angaben
eines Sprechers des Auswärtigen Amts gerade 5 Mio. DM Soforthilfe zur Finan-
zierung der Kosten für 200 deutsche Helfer, Bergungsteams, Brandbekämp-
fungsexperten sowie Lieferungen von Blutplasma, Medikamenten und Groß-
zelten geleistet worden. Alle weitergehenden Hilfsmaßnahmen sollen, so
Äußerungen aus der Bundesregierung, auf EU, EIB (Europäische Investitions-
bank), Weltbank und andere internationale Einrichtungen abgewälzt werden, an-
statt sofort, großzügig und direkt zu helfen.

Auch die Reaktionen der Innensenatoren und -minister von Bund und Ländern
auf die Forderung, für türkische Erdbebenopfer, die Angehörige in der Bundes-
republik Deutschland haben, großzügige Einreisemöglichkeiten zu schaffen,
sind mehrfach als unzureichend kritisiert worden, darunter auch von der Auslän-
derbeauftragten der Bundesregierung.

Nach Presseberichten gelten diese Erleichterungen nur für Eltern und Kinder bis
16 Jahre, die in der Bundesrepublik Deutschland lebende direkte Angehörige
haben. Ihre Einreise ist zudem nach diesen Berichten auf maximal 90 Tage be-
fristet, was zur Folge hat, dass türkische Erdbebenopfer, die Ende August in die
Bundesrepublik Deutschland einreisten, spätestens Ende November, d.h. im
Winter, wieder in die Türkei zurückkehren müssten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erleichterungen gelten derzeit bei der Visa-Erteilung für welche
Erdbebenopfer?

2. Beabsichtigt die Bundesregierung, ggf. im Benehmen mit den Bundeslän-
dern, die Visaerleichterungen auszudehnen auf Kinder über 16 Jahre, auf

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entferntere Verwandte sowie auf Personen, die von hier lebenden befreun-
deten, aber nicht verwandten Familien aufgenommen werden sollen?

Wenn ja, wann sollen diese Erleichterungen in Kraft treten?

Wenn nein, warum nicht?

3. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Befristung der Einreiseerlaubnis zu
verlängern?

Wenn ja, auf welchen Zeitraum?

Wenn nein, warum nicht?

4. Wie viele Mittel hat die Bundesregierung bisher für unmittelbare Erdbeben-
hilfe ausgegeben?

a) Welche Mittel davon wurden an welche deutschen Stellen bzw. Verbände
gezahlt, die im Erdbebengebiet direkte Hilfe leisten?

b) Welche Mittel wurden direkt an türkische Stellen und Verbände im Erd-
bebengebiet gezahlt (bitte nach den genauen Empfängern der Zahlungen
aufschlüsseln)?

c) Welche Zahlungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung bisher von
der EU bzw. von anderen Staaten innerhalb wie außerhalb der EU an die
Türkei geleistet worden?

d) Welche Hilfen haben frühere Bundesregierungen bei zurückliegenden
Erdbeben in der Türkei geleistet (bitte Angaben bis zurück zum Jahr
1950)?

5. Welche Unterstützung leistet die Bundesregierung derzeit für Selbsthilfe-
einrichtungen der Erdbebenopfer und für kommunale Einrichtungen im un-
mittelbaren Erdbebengebiet?

Welche Unterstützung leisten nach Kenntnis der Bundesregierung darüber
hinaus hiesige Kommunen und Bundesländer?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung den Geld- und Zeitbedarf, um den durch
das Erdbeben obdachlos gewordenen Menschen wieder feste und erdbeben-
sichere Wohnungen zu verschaffen?

Mit Mitteln in welcher Höhe will sich die Bundesregierung daran beteili-
gen?

7. a) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über das Ausmaß an Schäden
bei Schulen, Krankenhäusern, Kindergärten und anderen sozialen Ein-
richtungen im Erdbebengebiet?

b) Welchen Zeit- und Geldbedarf sieht die Bundesregierung, um den Betrieb
dieser Einrichtungen im Erdbebengebiet wieder herzustellen?

c) Mit welchen Mitteln will sich die Bundesregierung daran beteiligen?

d) Erwägt die Bundesregierung darüber hinaus andere Formen der Sofort-
hilfe für Kinder und Kranke, z. B. psychologische Betreuung von Kin-
dern vor Ort, direkte Seuchenbekämpfungsmaßnahmen usw.?

8. Beabsichtigt die Bundesregierung, Mittel aus der Polizei- und Militärhilfe
für die Türkei bzw. Hermes-Bürgschaften zur Absicherung deutscher Waf-
fenexporte in die Türkei zu unterbrechen, um stattdessen die direkte Erd-
bebenhilfe zu verstärken?

Wenn ja, welche direkten Zahlungen, Kredite und Hermes-Bürgschaften
sind davon betroffen?

Wenn nein, warum nicht?

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9. Will die Bundesregierung sich bei der EU für die Freigabe von bisher ge-
sperrten EU-Zahlungen und -Krediten an die Türkei einsetzen?

Wenn ja, wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass diese Mittel wirk-
lich den Erdbebenopfern zugute kommen und nicht z. B. für den Bau neuer
Gefängnisse verwendet werden oder für den Krieg des türkischen Militärs
in den kurdischen Gebieten?

10. Ist der Bundesregierung bekannt, dass bei früheren Erdbeben in der Türkei
wiederholt Vorwürfe auftauchten, dass die Hilfsgüter und -zahlungen nicht
bei den Erdbebenopfern ankamen, sondern z. T. weiterverkauft oder für an-
dere Zwecke benutzt wurden?

Wenn ja, wie will die Bundesregierung eine Wiederholung solchen Miss-
brauchs internationaler Hilfe verhindern?

11. Liegen der Bundesregierung verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse über
Sammlungen von Verbänden, die der islamischen „Tugendpartei“ und der
Partei MHP der faschistischen grauen Wölfe zuzurechnen sind, vor?

Wenn ja, welches Ausmaß haben diese Sammlungen nach Kenntnis der
Bundesregierung und wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr des
Missbrauchs dieser Mittel?

12. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von Warnungen internationaler
Experten über ein bevorstehendes Erdbeben kurz vor dem jetzigen Beben?

13. Gibt es Überlegungen, die türkische Regierung zu unterstützen, die Sicher-
heitsvorkehrungen gegen Erdbeben künftig generell zu verbessern, ggf.
auch durch internationale Hilfe?

Wenn ja, welche Überlegungen bestehen derzeit?

Wenn nein, warum nicht?

14. Ist der Bundesregierung bekannt, dass trotz des Erdbebens an Plänen für den
Bau eines Atomkraftwerkes in Akkuyu festgehalten wird?

Wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung dieses Vorhaben vor dem Hin-
tergrund von Erdbebengefahren?

Liegen für den Fall einer Beauftragung einer deutschen Firma mit dem Bau
bereits Anfragen wegen Hermes-Bürgschaften oder anderer öffentlicher
Hilfen vor?

Berlin, den 3. September 1999

Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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