BT-Drucksache 14/1471

Entschließung des Europäischen Parlaments zu endokrine Störungen verursachenden chemischen Stoffen

Vom 4. August 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1471
14. Wahlperiode

04. 08. 99

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/309 Nr. 1.11 –

Entschließung des Europäischen Parlaments zu endokrine Störungen
verursachenden chemischen Stoffen
EuB-EP 442

A. Problem
Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung eine Vielzahl
von Empfehlungen ausgesprochen, durch welche endokrine Störun-
gen verursachende chemische Stoffe besser kontrolliert und gegebe-
nenfalls deren Verwendung eingedämmt werden soll.

B. Lösung
Annahme einer Entschließung, in der die Entschließung des Europäi-
schen Parlaments begrüßt und die Bundesregierung u.a. aufgefordert
wird, darauf hinzuwirken, dass der Eintrag von Chemikalien, die
nachweislich auf das endokrine System wirken, in Gewässern stu-
fenweise drastisch verringert wird.
Mehrheitsentscheidung

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Drucksache 14/1471 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. die Entschließung des Europäischen Parlaments zu endokrine

Störungen verursachenden chemischen Stoffen (Anlage) zur
Kenntnis zu nehmen,

2. folgende Entschließung anzunehmen:
I.

Der Deutsche Bundestag bekräftigt den von der Bundesregierung
1986 in den „Leitlinien Umweltvorsorge“ formulierten Vorsor-
gegedanken, wonach eine verantwortliche Umweltpolitik sich
nicht nur auf die Gefahrenabwehr von Mensch und Umwelt be-
schränkt, sondern vorsorgend bereits im Vorfeld handelt.

II.
Dies berücksichtigend begrüßt der Deutsche Bundestag die Ent-
schließung des Europäischen Parlaments, wonach die Mitglied-
staaten zur allgemeinen Verbreitung von Informationen über die
Störfaktoren des endokrinen Systems aufgefordert werden. Er
begrüßt auch die Aufforderung an die Industrie, Chemikalien
vorzugsweise in geschlossenen Kreisläufen zu verwenden und
Forschungsanstrengungen zur endokrinen Wirksamkeit von Stof-
fen sowie ihren gesundheitlichen Auswirkungen zu erhöhen.

III.
Der Deutsche Bundestag teilt die Meinung des Europäischen
Parlaments, dass neben den eigentlichen Wirkstoffen von Pro-
dukten auch Zusatzstoffe (z.B. die als Weichmacher verwendete
Phthalate sowie als Emulgatoren eingesetzte Alkylphenole-
thoxylate) eine endokrine Wirksamkeit zeigen können und dass
daher auch diese Stoffe und ihre Abbauprodukte einer Regulie-
rung unterliegen müssen.

IV.
Der Deutsche Bundestag sieht eine Umweltgefährdung vor allem
durch den Eintrag von hormonartig wirkenden Umweltchemika-
lien in Gewässer und bittet daher die Bundesregierung,
– Chemikalien, die nachweislich auf das endokrine System wir-

ken und dadurch beim intakten Organismus oder seinen
Nachkommen Schäden hervorrufen können, hinsichtlich ihres
Eintrags in Gewässer stufenweise drastisch zu verringern,

– die Verwendung dieser Chemikalien, wenn sie zudem in das
Grund- oder Trinkwasser gelangen und bei Beprobung regel-
mäßig nachweisbar sind, zu verbieten,

– darüber hinaus – unter Berücksichtigung des Vorsorgeprin-
zips – Grenzwerte für diese Chemikalien im Trinkwasser
festzulegen,

– im Rahmen der Risikovorsorge für Mensch und Umwelt auch
den Einsatz von Umweltchemikalien, bei denen es begründete

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1471

Verdachtsmomente auf endokrine Wirksamkeit gibt, zu redu-
zieren sowie

– dem Deutschen Bundestag nach spätestens 18 Monaten über
die eingeleiteten Maßnahmen und deren Wirkungen zu be-
richten.

V.
Der Deutsche Bundestag bittet die Bundesregierung in diesem
Zusammenhang, die Wirksamkeit der seit 1992 bestehenden
Selbstverpflichtung der Wasch- und Reinigungsmittelindustrie
betreffs des Einsatzes von Alkylphenolethoxylaten zu überprüfen
und gegebenenfalls Beschränkungen des Inverkehrbringens die-
ser Stoffe zu treffen. Hierbei sind auch die Erfahrungen, die in
anderen europäischen Ländern wie z.B. der Schweiz mit ord-
nungsrechtlichen Beschränkungen dieser Stoffgruppe gemacht
wurden, zu berücksichtigen.

VI.
Die Bundesregierung wird gebeten, eine Gesamtlösung für die
Stoffgruppe der Alkylphenolethoxylate und der Alkylphenole
anzustreben, da Einzelstoffregelungen in diesem Falle den
Schutz von Umwelt und Gesundheit nicht gewährleisten können.

VII.
Die Bundesregierung wird gebeten, die als erforderlich erachte-
ten Beschränkungsmaßnahmen und Verbote – vordringlich für
Phthalate, Tributylzinn-Verbindungen (TBT) und Alkylphenol-
ethoxylate – unverzüglich zu erlassen, die Verbotsverordnungen
zu notifizieren und somit ein EU-weites Handeln zu beschleuni-
gen.

Bonn, den 3. August 1999

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Christoph Matschie Jutta Müller (Völklingen) Bernward Müller (Jena) Winfried Hermann
Vorsitzender Berichterstatterin Berichterstatter Berichterstatter

Ulrike Flach Eva-Maria Bulling-Schröter
Berichterstatterin Berichterstatterin

Drucksache 14/1471 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Jutta Müller (Völklingen),
Bernward Müller (Jena), Winfried Hermann, Ulrike Flach und
Eva-Maria Bulling-Schröter

I.
Die Entschließung des Europäischen Parlaments zu en-
dokrine Störungen verursachenden chemischen Stoffen
(Anlage) mit der Überweisungsdrucksache 14/309
Nr.1.11 vom 26. Januar 1999 zur federführenden Bera-
tung an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Re-
aktorsicherheit und zur Mitberatung an den Ausschuss
für Gesundheit überwiesen.
Der mitberatende Ausschuss für Gesundheit hat die Vor-
lage einstimmig zustimmend zur Kenntnis genommen.

II.
Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung
(Anlage) eine Vielzahl von Empfehlungen ausgespro-
chen, durch welche endokrine Störungen verursachende
chemische Stoffe besser kontrolliert und die mit ihrer
Verwendung zusammenhängenden Risiken eingedämmt
werden sollen. In den Vordergrund der Risikobetrach-
tung werden dabei Krebserkrankungen, genverändernde
Wirkungen und Störungen der menschlichen Fruchtbar-
keit gestellt. Die Europäische Kommission wird u.a. auf-
gefordert, eine umfassende Liste von Stoffen mit hormon-
ähnlicher Wirkung zu erarbeiten. Weiter werden ver-
stärkte Forschungsanstrengungen angemahnt, um den
Erkenntnisstand über die Wirkung hormonartiger Stoffe
sowie die entsprechenden Prüf- und Bewertungsmetho-
den zu verbessern. Im Hinblick auf die Bewertung sieht
das Europäische Parlament die Notwendigkeit, von der
zeitraubenden Einzelbeurteilung von Chemikalien weg
zu einer Gruppenklassifizierung zu kommen. Produkte,
die organische Lösungsmittel, Pestizide, Metalle oder
krebserregende Stoffe enthalten, seien grundsätzlich als
reproduktionsschädigend einzustufen. Schwer abbauba-
re, bioakkumulierende Stoffe mit besonderen Auswir-
kungen auf Gesundheit oder Umwelt seien schrittweise
aus dem Verkehr zu ziehen. Das Europäische Parlament
fordert darüber hinaus eine stärkere Berücksichtigung
hormonähnlich wirksamer Stoffe in der Pflanzenschutz-
mittelzulassungsrichtlinie und der Wasserrahmenrichtli-
nie. Auch weitere Richtlinien seien daraufhin zu über-
prüfen, ob sie die Auswirkungen von Hormonen bzw.
hormonartig wirkenden Stoffen angemessen berücksich-
tigten.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit hat die Vorlage in seiner Sitzung am
23. Juni 1999 beraten.

Von Seiten der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN wurde der in der Beschlussempfehlung wie-
dergegebene Entschließungsantrag vorgelegt und auf die
dort enthaltene Argumentation verwiesen.
Von Seiten der Fraktion der F.D.P. wurde ausgeführt, im
Ausschuß für Gesundheit werde im Herbst dieses Jahres
eine Anhörung zu dieser Thematik durchgeführt. Ange-
sichts der Komplexität des Themas beantrage man, die
abschließende Beratung dieser Vorlage erst im An-
schluss an diese Anhörung durchzuführen. Gegen die
Entschließung des Europäischen Parlaments habe man
nichts einzuwenden. Den vorliegenden Entschließungs-
antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN könne man aber nach jetzigem Kenntnisstand
nicht mittragen.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde darauf hingewiesen, es gebe zu diesem Thema be-
reits eine Fülle von Informationen, da es sich um eines
der ältesten Umweltthemen überhaupt handele. Man ha-
be sich bei der Entschließung sowohl vom Bundesmini-
sterium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
wie vom Umweltbundesamt sachkundig beraten lassen.
Insofern sehe man keine Notwendigkeit, die Beratungen
zu verschieben.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde die Auf-
fassung vertreten, dass in diesem Problemfeld noch eine
Reihe von Fragen nicht wissenschaftlich einwandfrei ge-
klärt seien. Dies werde auch vom Umweltbundesamt be-
stätigt. Von daher spreche man sich dafür aus, nach der
Anhörung unter Federführung des Ausschusses für Ge-
sundheit mit Beteiligung des Ausschusses für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit eine ausführliche
Diskussion zu diesen Fragen zu führen und dann erst zu
einer Empfehlung zu kommen.
Von Seiten der Fraktion der SPD wird argumentiert, man
habe sich lange genug mit diesem Thema auseinanderge-
setzt und auch die Fachwelt in den Entschließungsantrag
einbezogen. Wenn man heute einen Beschluss fasse, hei-
ße dies auch nicht, dass man sich mit diesem Thema
nicht weiter befassen wolle.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. bei
Stimmenthaltung der Fraktion der PDS, den Antrag auf
Vertagung der Abstimmung zur Entschließung abzuleh-
nen.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen
die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/1471

dem Deutschen Bundestag zu empfehlen, die Entschlie-
ßung des Europäischen Parlaments zu endokrine Störun-
gen verursachenden chemischen Stoffen zur Kenntnis zu
nehmen und die in der Beschlußempfehlung wiederge-
gebene Entschließung anzunehmen.

Bonn, den 3. August 1999

Jutta Müller (Völklingen) Bernward Müller (Jena) Winfried Hermann
Berichterstatterin Berichterstatter Berichterstatter
Ulrike Flach Eva-Maria Bulling-Schröter
Berichterstatterin Berichterstatterin

Drucksache 14/1471 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Anlage

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/1471

Drucksache 14/1471 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/1471

Drucksache 14/1471 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/1471

Drucksache 14/1471 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

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