BT-Drucksache 14/1424

Der Tod eines abgelehnten Asylbewerbers bei der Abschiebung und Beschwerden von Ausländern über Beamte des Bundesgrenzschutzes (Nachfrage)

Vom 8. Juli 1999


Deutscher Bundestag
14. Wahlperiode

Drucksache 14/1424
08. 07. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS

Der Tod eines abgelehnten sudanesischen Asylbewerbers bei der Abschiebung
und Beschwerden von Ausländern über Beamte des Bundesgrenzschutzes
(Nachfrage)

Da die Bundesregierung die Kleine Anfrage der Fraktion der PDS zum
Tod eines sudanesischen Asylbewerbers und zu den Vorwürfen gegen Be-
amte des Bundesgrenzschutzes (Drucksache 14/1127) in weiten Teilen
nicht beantwortet hat, stellen wir diese Anfrage ein weiteres Mal. Der
Verweis auf einen Bericht des Bundesministeriums des Innern vom
17. Juni 1999 an den Vorsitzenden des Innenausschusses und der Hinweis
der Bundesregierung, es könnten keine weiteren Antworten gegeben wer-
den, weil diese das laufende Ermittlungsverfahren gegen die drei an der
Abschiebung beteiligten Beamten des Bundesgrenzschutzes betreffen
würde, ist lediglich ein Zeichen dafür, daß sich die Bundesregierung vor
der Antwort drücken will. Bei einem Großteil der Fragen handelt es sich
mitnichten um ermittlungsrelevante Themen. Ebenso unsinnig ist, auf den
BMI-Bericht zu verweisen. Auf die insgesamt 46 Fragen (17 Hauptfragen
mit entsprechend vielen Unterfragen) finden sich in diesem Bericht ledig-
lich Antworten auf 13 Fragen.

Dieser lustlose und unseriöse Umgang mit der Beantwortung der Anfrage
und die Mißachtung des verfassungsmäßig garantierten Rechts der parla-
mentarischen Kontrolle durch die Opposition sind ein ungeheuerlicher
Vorgang. Ein Mensch ist in der Obhut des Bundesgrenzschutzes und so-
mit im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums des Innern gestor-
ben und es gibt in eben diesem Verantwortungsbereich immer wieder Be-
schwerden vonAusländernwegenMißhandlungen durch Beamte des Bun-
desgrenzschutzes. So auch aktuell: Am 25. Juni 1999 berichtet die
Frankfurter Rundschau von Vorwürfen, die sieben Abschiebehäftlinge
aus Guinea gegen Beamte des Bundesgrenzschutzes erheben wegen
schwerer Mißhandlungen, Demütigungen und rassistischer Einschüchte-
rungen während eines 16stündigen Fluges. Wir erwarten deshalb eine
gründliche, sachgemäße und termingerechte Beantwortung der von uns
gestellten Fragen.

Auf die Begründung der ursprünglichenKleinen Anfrage (Drucksache 14/
1127) wird Bezug genommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist die Abschiebung des Sudanesen A. im einzelnen verlaufen?

a) Wie lange dauerte der von BGS-Beamten durchgeführte Transport
von A. zum Flugzeug?

b) Wurde hierbei Gewalt angewendet, und wenn ja, in welcher Weise,
und wurde er hier schon gefesselt?

c) Wie verhielten sich die BGS-Beamten, als sie merkten, daß A. in
Lebensgefahr schwebte?

Was genau taten sie?

d) Wann wurden die im Flugzeug befindlichen Ärzte zu Hilfe geholt?

e) Was genau unternahmen diese Ärzte?

2. Welche Fesselungs- und Knebelungsmethoden werden in welchen
Situationen von wem angewandt, und gibt es außer Motorradhelmen
noch andere Formen, Flüchtlinge am Beißen zu hindern?

Wenn ja, welche und wann bzw. in welcher Situation werden sie ange-
wandt?

3. Sind der Bundesregierung außer den oben genannten weitere Fälle
bekannt, bei denen abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber
im Zuge ihrer Abschiebung ums Leben kamen bzw. schwere körper-
liche Schäden erlitten?

Wenn ja, welche?

4. Wurde A. medikamentös behandelt, und wenn ja, wann wurden ihm
welche Medikamente in welcher Menge zugeführt?

5. Wird es Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten BGS-Beamten
oder gegen andere an der Abschiebung beteiligte Personen geben?

Wenn nein, warum nicht?

6. Werden dienstrechtliche Schritte gegen die beteiligten Beamten ein-
geleitet?

Wenn nein, warum nicht?

Hat dann der Vorfall für die Beamten andere Konsequenzen, und
wenn ja, welche?

7. Warum wurden vom Bundesminister des Innern, Otto Schily, nicht di-
rekt nach dem Tod des Nigerianers M. O. die Abschiebungen ausge-
setzt, bei denen es zu „erwarteten Widerstandshandlungen“ kommt?

8. Zu wie vielen Abschiebungen auf dem Luftweg kam es seit dem Tod
von K. B. 1994 bis 1999 (bitte getrennt nach Jahr, Bundesland und
Geschlecht aufführen)?

9. Bei wie vielen Personen kam es zu Widerstandshandlungen?

a) In wie vielen Fällen wurde die Abschiebung ausgesetzt?

Drucksache 14/1424 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode– 2 –

b) Wie viele Abschiebungen wurden ausgesetzt, weil sich andere Pas-
sagiere beschwert haben?

c) Wie viele Abschiebungen wurden ausgesetzt, weil sich das Flug-
personal geweigert hat, die Flüchtlinge zu transportieren?

d) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, daß die Widerstands-
handlungen besonders heftig sind, wenn die Personen in ein Bür-
gerkriegsland abgeschoben werden sollen?

10. a) In wie vielen Fällen wurde die Abschiebung trotzdem vollzogen?

b) In wie vielen Fällen wurden die Personen geknebelt, gefesselt oder
anderweitig ruhiggestellt, und mit welchen Hilfsmitteln geschah
dies?

c) Zu welchem Zeitpunkt wurden diese Mittel wieder entfernt – direkt
nach dem Start, – während des Fluges (und wenn ja, wann) – oder
erst nach der Landung?

d) Wie viele Personen wurden bei den Abschiebungen verletzt?

e) Welche Verletzungen trugen sie davon (bitte jeweils ab 1994 ge-
trennt nach Jahr, Bundesland und Geschlecht aufführen)?

11. Ist gewährleistet, daß eine Ärztin oder ein Arzt den Flug begleitet,
wenn es bei Abschiebungen zu Verletzungen kommen kann?

Wenn nein, warum nicht?

12. Werden die Flüchtlinge vor dem Abflug ärztlich untersucht, und wenn
nein, warum nicht?

13. Ist der Bundesregierung bekannt, ob in Polizei- oder Bundesgrenz-
schutzkreisen ein härteres Umgehen mit Personen in Kauf genommen
wird, denen kriminelle Handlungen zur Last gelegt werden?

14. a) Wie viele Beschwerden hat es von 1994 bis 1999 wegen Übergriffen
und Mißhandlungen von Ausländern durch Beamte des BGS gege-
ben?

b) Wie wurde diesen Beschwerden nachgegangen?

c) Welche Konsequenzen hatte das für die Beamten?

d) In wie vielen Fällen wurde von dienstrechtlichen Konsequenzen für
die Beamten abgesehen?

e) Werden Beamte während der Überprüfung der Beschwerden zu
einem anderen Arbeitsbereich versetzt, und wenn nein, warum
nicht (bitte jeweils getrennt nach Jahr und Bundesland)?

15. Gibt es für Beamte des Bundesgrenzschutzes, die Abschiebungen
begleiten müssen, besondere Vorbereitungskurse oder andere Aus-
bildungsmaßnahmen, um sie für diese Arbeit zu befähigen?

a) Wenn ja, wie sehen diese aus?

b) Wenn nein, warum nicht?

16. Ist das Bundesministerium des Innern der Forderung der VN-Men-
schenrechtskommission nachgekommen, die Zellen der Abschiebe-
häftlinge für Organisationen und Kirchen zu öffnen?

Wenn nein, warum nicht, und ist eine Änderung vorgesehen?

Drucksache 14/1424Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

17. Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen den europäischen Innenmini-
stern, um die Mindeststandards zur Sicherheit der Flüchtlinge bei der
Abschiebung zu gewährleisten?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, welche?

Bonn, den 30. Juni 1999

Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Drucksache 14/1424 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode– 4 –

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