BT-Drucksache 14/1387

über die 101. Interparlamentarische Konferenz vom 10. bis 16. April 1999 in Brüssel

Vom 9. Juli 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1387
14. Wahlperiode

09. 07. 99

Unterrichtung
durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe
der Bundesrepublik Deutschland

über die 101. Interparlamentarische Konferenz vom 10. bis 16. April 1999
in Brüssel

I n h a l t
Seite

I. Teilnehmer ...................................................... 1
II. Zusammenfassung........................................... 1
III. Reden der deutschen Teilnehmer .................... 2
IV. Sitzungen des Interparlamentarischen Rates... 7
V. Sitzungen der Parlamentarierinnen in der IPU 8
VI. Sitzungen der Parlamentarier der Gruppe der

Zwölf Plus....................................................... 9
VII. Anhang............................................................ 11

I. Teilnehmer
Der Delegation, die der Deutsche Bundestag zur
101. Interparlamentarischen Konferenz nach Brüssel ent-
sandte, gehörten folgende Mitglieder an:
Abg. Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU), Leiterin der
Delegation
Abg. Dieter Schloten (SPD), Stellvertretender Leiter der
Delegation
Abg. Hans-Günter Bruckmann (SPD)
Abg. Uta Zapf (SPD)
Abg. Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU)
Abg. Ulrich Irmer (F.D.P.)
Anläßlich der 101. Interparlamentarischen Konferenz
trafen sich auf Einladung des belgischen Parlaments in
Brüssel 647 Parlamentarier aus 125 der 138 Mitglieds-
länder der Interparlamentarischen Union. Darüber hinaus
nahmen Abgeordnete der Parlamentarischen Versamm-
lung des Europarates teil. Als Beobachter waren Ver-
treter verschiedener internationaler Organisationen und
interparlamentarischer Gremien zugelassen. Das Euro-
päische Parlament, in dessen Gebäudekomplex die Kon-
ferenz veranstaltet wurde, erhielt den Status eines asso-
ziierten Mitgliedes der IPU .

Nach den Vorstellungen ihrer Gründer ist es Aufgabe der
IPU, einen Beitrag zur Sicherung des Friedens in der
Welt zu leisten. Neben diesem auf Völkerverständigung
und Zusammenarbeit angelegten Bestreben sieht die IPU
eine ihrer wesentlichen Aufgaben darin, demokratisch-
repräsentative und rechtsstaatlich verankerte Institutio-
nen in allen Teilen der Welt zu fördern.
Beide Ziele und Aufgaben erhielten während der
101. Interparlamentarischen Konferenz vor dem Hinter-
grund des eskalierenden militärischen Konfliktes auf
dem Balkan und der dort von serbischer Seite begange-
nen massiven Menschenrechtsverletzungen eine be-
sondere Aktualität. Das Thema Kosovo, die brutale Ver-
treibung der Kosovaren aus ihrer angestammten Heimat
und die militärischen Aktionen der NATO gegen Rest-
Jugoslawien beschäftigten die Parlamentarier vom ersten
bis zum letzten Tag des Konferenzgeschehens. Ein Ver-
such der russischen Delegation, eine Resolution zur
Situation auf dem Balkan mit dem Ziel einer förmlichen
Verurteilung der NATO-Angriffe auf Jugoslawien als
Dringlichkeitstagesordnungspunkt auf die Agenda zu
setzen, verfehlte nicht nur die für die Erweiterung der
Tagesordnung erforderliche Vierfünftelmehrheit, son-
dern erhielt nicht einmal die absolute Mehrheit der
Stimmen (438 Stimmen dafür, 625 Stimmen dagegen,
315 Enhaltungen).

II. Zusammenfassung
In ihrer Einschätzung der politischen Lage zeigten sich
die Konferenzteilnehmer uneinig. Eine große Zahl der
Debattenredner kritisierte zwar die von serbischer Seite
begangenen Menschenrechtsverletzungen und die Ver-
treibung der Kosovaren aus ihrer Heimat, übte aber
gleichzeitig Kritik daran, daß die NATO ohne eindeuti-
ges Mandat der Vereinten Nationen in den Konflikt mi-
litärisch eingreife. Die Delegationen aus den NATO-
Staaten vertraten in der Debatte hingegen nahezu ge-
schlossen die Positionen ihrer Regierungen. Sie wiesen
darauf hin, daß die militärische Gewaltanwendung gegen

Drucksache 14/1387 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Rest-Jugoslawien aufgrund der schweren Verbrechen
Slobodan Milosevics notwendig und legitim sei. Einige
Debattenredner aus NATO-Staaten, wie der Vorsitzende
der Gruppe der Zwölf Plus, Abg. Dieter Schloten, riefen
insbesondere die russische Seite zu einem konstruktiven
Beitrag zur Lösung des Kosovo-Konfliktes auf.
Unter den Delegationen aus den NATO-Staaten nahm
Griechenland eine Sonderrolle ein, das zwar die Vertrei-
bungen der Kosovaren verurteilte, es jedoch ablehnte,
sich an einer militärischen Aktion gegen Rest-Jugosla-
wien zu beteiligen. Auf der anderen Seite sprach sich die
Delegation des Nicht-NATO-Landes Estland prononciert
für die NATO-Angriffe aus. Sie interpretierten die Mili-
tärschläge als ein Zeichen dafür, daß die Menschenrechte
in aller Welt mehr Gewicht als bisher erhielten, und als
eine Warnung an alle Diktatoren zu verstehen sei.
Demgegenüber kritisierten neben Rußland, Weißrußland
und Jugoslawien selbst einige Delegationen der Dritten
Welt die Militärschläge der NATO, die darin eine
Völkerrechtswidrigkeit der Angriffe und eine Verletzung
der UN-Charta zu erkennen glaubten.
Eine mittlere Position nahmen Redner der Delegationen
aus Ägypten, Palästina, Brasilien und Mexiko und ande-
rer weiterer Staaten aus der Dritten Welt ein. Sie verur-
teilten zwar scharf die massiven Menschenrechtsverlet-
zungen im Kosovo, äußerten aber ihre Bedenken gegen-
über den Angriffen der NATO, die durch den Beschluß
des UN-Sicherheitsrates nicht gedeckt seien. Deutlich
wurde in diesen Debattenbeiträgen die Befürchtung, daß
die UN als Ganzes geschwächt und dadurch die Konso-
lidierung eines internationalen Rechtsraumes gefährdet
werde.
Von den drei bei der 101. Interparlamentarischen Konfe-
renz verabschiedeten Resolutionen war diejenige zur nu-
klearen Nichtverbreitung, die eine Unterzeichnung und
Ratifizierung der zu diesem Bereich relevanten Verträge
sowie die Respektierung und weitere Einrichtung von
nuklearwaffenfreien Zonen einfordert, die umstrittenste.
Die vom Plenum einmütig verabschiedete Resolution zu
den Ballungsräumen ruft die Mitgliedstaaten zu konkre-
ten Maßnahmen auf, die politischen, sozialen und wirt-
schaftlichen Probleme in diesen Regionen zu beheben.
Die ebenfalls im Konsens verabschiedete Resolu-
tion zum Schuldenerlaß fordert insbesondere die Indu-
striestaaten auf, den ärmsten und hochverschuldeten
Ländern einen Schuldenerlaß zu gewähren.
Am Rande der Brüsseler Veranstaltung fanden außerdem
zahlreiche informelle Gespräche deutscher Abgeordneter
mit Mitgliedern anderer Delegationen statt. So traf die
Leiterin der deutschen Delegation, Abg. Prof. Dr. Rita
Süssmuth, mit Vertretern der argentinischen, uru-
guaischen, burmesischen und vietnamesischen Delega-
tion zusammen. Abg. Dieter Schloten vertrat als Vor-
sitzender der Gruppe der Zwölf Plus diese im Meinungs-
austausch mit Vertretern anderer geopolitischer Grup-
pen.
Trotz der militärischen Auseinandersetzung auf dem
Balkan und der sich daraus entwickelnden scharfen
politischen Kontroversen bei der Konferenz in Brüssel
bewährte sich die IPU an der Schwelle zum dritten

Jahrtausend als stabiler Garant des interparlamentari-
schen Dialoges, als Forum des offenen Meinungsaus-
tausches zwischen Parlamentariern fast aller Länder
dieser Welt.

III. Reden der deutschen Teilnehmer
Die Eröffnungsveranstaltung der 101. Interparlamentari-
schen Konferenz fand am 11. April 1999 im Palais des
Congrès in Anwesenheit ihrer Majestäten, des Königs
und der Königin der Belgier, statt. Anläßlich der Eröff-
nungszeremonie hielten der Präsident der belgischen
IPU-Gruppe, Jacques Lefévre, der Vize-Präsident des
Europäischen Parlaments, A. Gutiérrez Dias, der Direk-
tor des UN-Büros in Genf, V. Petrowsky und der Präsi-
dent des Interparlamentarischen Rates, Miguel Angel
Martínez, Ansprachen. Die Zeremonie endete mit der
offiziellen Eröffnung der Konferenz durch seine Maje-
stät, König Albert II.
Die 101. Interparlamentarischen Konferenz wurde von
dem Präsidenten der belgischen Abgeordnetenkammer,
Raymond Langendries, als Konferenzpräsident gelei-
tet.
In den Ausschußdebatten befaßten sich die Teilnehmer
mit folgenden Themenschwerpunkten:
1. „Parlamentarische Maßnahmen, um alle Länder zu

ermutigen, den umfassenden Teststoppvertrag, der
alle Atomtests verbietet, zu unterzeichnen und zu rati-
fizieren sowie weltweite und nichtdiskriminierende
nukleare Nichtverbreitungsmaßnahmen zu ergreifen
und sich für die endgültige Abschaffung aller Atom-
waffen einzusetzen“

Von der deutschen Delegation sprach Abg. Uta Zapf,
die auch Mitglied des Redaktionsausschusses war, zu
diesem Tagesordnungspunkt. Der vom Ausschuß für
politische Fragen, internationale Sicherheit und Ab-
rüstung vorgelegte Resolutionsentwurf wurde von den
Konferenzteilnehmern am 15. April angenommen (siehe
Anhang, S. 11). Der von der deutschen Delegation
eingebrachte Resolutionsentwurf, von dem zahlreiche
Elemente in der von der Konferenz verabschiedeten Re-
solution übernommen wurden, ist im Anhang (S. 11)
abgedruckt.
2. „Das Problem Ballungsräume: eine weltweite Aufga-

be für die Parlamentarier im Hinblick auf urbane
Zivilisation und Demokratie“

Von der deutschen Delegation sprach Abg. Hans-
Günter Bruckmann zu diesem Tagesordnungspunkt.
Der vom Ausschuß für Erziehung, Wissenschaft, Kultur
und Umwelt vorgelegte Resolutionsentwurf wurde von
der Konferenz am 15. April im Konsenswege angenom-
men (siehe Anhang, S. 13). Der von der deutschen Dele-
gation eingebrachte Resolutionsentwurf hat zu einem
nicht unerheblichen Teil in die verabschiedete Resoluti-
on Eingang gefunden (siehe Anhang, S. 13).
3. Als zusätzlicher Tagesordnungspunkt wurde das von

der südafrikanischen Delegation eingebrachte Thema
„Erlaß der öffentlichen Schulden stark verschuldeter

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1387

armer Länder“ auf der Konferenz behandelt. Der vom
Ausschuß für wirtschaftliche und soziale Fragen vor-
gelegte Resolutionsentwurf wurde von der Konferenz
am 15. April angenommen (siehe Anhang, S. 16)

4. „Generaldebatte über die politische, wirtschaftliche
und soziale Lage in der Welt“

Als Vertreter der deutschen Delegation sprachen im Ple-
num der IPU Abg. Prof. Dr. Rita Süssmuth und Abg.
Dieter Schloten in der Generaldebatte.
Abg. Hans-Günter Bruckmann (Originalsprache: Eng-
lisch) sprach zum Tagesordnungspunkt:
„Das Problem Ballungsräume: eine weltweite Auf-
gabe für die Parlamentarier im Hinblick auf urbane
Zivilisation und Demokratie.“
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen,
die Entwicklung von Ballungsräumen der Zivilisation ist
weltweit schon sehr weit fortgeschritten. Bereits heute
leben 2,3 Milliarden Menschen in städtischen Ballungs-
gebieten. Nach Schätzungen der UNO wird sich diese
Zahl bis 2025 verdoppeln, so daß dann mehr als zwei
Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben wird. Die
Zahl der Megastädte mit über 8 Millionen Einwohnern
wird auf 33 gestiegen sein, davon allein 27 Städte in
Entwicklungsländern. Es hat lange gedauert, bis das
Bewußtsein für die Lösung der daraus entstehenden
Probleme wie z.B. :
− die zunehmende Bündelung sozialer Konflikte,
− die ausreichende Versorgung der Menschen mit Trink-

wasser, Nahrung und Wohnraum,
− die wirtschaftlichen, verkehrstechnischen und ökolo-

gischen Aspekte,
− die soziale Verarmung, die Auflösung der Familien

und die wachsende Radikalisierung der Gesellschaft
entstanden ist.
Unsere Debatte auf dieser 101. IPU-Konferenz kann nur
der Anfang eines langen Weges sein, um der Sensibilität
für eine Wende in der Siedlungspolitik eine Basis zu ge-
ben. Uns ist klar, die Lösung der Probleme kann nicht
global umgesetzt werden, sondern muß zum wichtigsten
Bestandteil der Entscheidungen auf nationaler wie loka-
ler Ebene werden.
Die Förderung dezentraler Siedlungs- und Wirtschafts-
inseln ist eine Möglichkeit, der sich verschärfenden Pro-
blematik der Ballungsräume / Megastädte mit allen ihren
negativen sozialen, ökonomischen und ökologischen
Folgen entgegenzuwirken. Das bedeutet, daß sowohl in
den Industrienationen als auch in den Entwicklungslän-
dern die Notwendigkeit der Stärkung der kommunalen
Selbstverwaltung, der konsequenten Anwendung des
Prinzips der Subsidiarität, der verstärkten Dezentralisie-
rung mit der entsprechenden finanziellen und personel-
len Ausstattung der Gemeinden anzustreben ist.
Dieser dezentrale Ansatz wurde in Deutschland bei der
Siedlungsentwicklung im globalen Vergleich im we-

sentlichen beachtet. Selbst unsere Hauptstadt Berlin
– Tagungsort der 102. IPU-Konferenz – liegt mit 4 Mil-
lionen Einwohnern weit hinter der Größenordnung ande-
rer Megastädte auf dieser Welt.
Ohne verstärkte Einbeziehung aller gesellschaftlichen
Kräfte in die politischen Entscheidungsprozesse auf
kommunaler Ebene können die Probleme der Ballungs-
räume nicht gelöst werden. Innenstadtverdichtung hat
Vorrang vor der Zersiedlung im Außenbereich und der
weiteren Vernichtung landwirtschaftlicher Nutzflächen.
Neue Lebens- und Wohnformen für Familien sind stär-
ker als bisher zu fördern. Neue dezentrale Siedlungs-
und Wirtschaftsstrukturen sind im Interesse von umwelt-
freundlichen Technologien besonders in den problem-
behafteten, ständig wachsenden Ballungsgebieten zu
schaffen.
Von dieser Konferenz muß ein Signal für Demokratie,
Transparenz, Bewußtsein zur Lösung der Probleme und
von Bürgernähe ausgehen.
Abg. Uta Zapf sprach zum Tagesordnungspunkt:
„Parlamentarische Maßnahmen, um alle Länder zu
ermutigen, den umfassenden Teststoppvertrag, der
alle Atomtests verbietet, zu unterzeichnen und zu ra-
tifizieren sowie weltweite und nichtdiskriminierende
nukleare Nichtverbreitungsmaßnahmen zu ergreifen
und sich für die endgültige Abschaffung aller Atom-
waffen einzusetzen.“
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
der Entschließungsentwurf, den Deutschland zum Thema
Abrüstung vorgelegt hat, ist ein umfassendes Dokument,
welches auf dem Konzept einer schrittweisen Vorge-
hensweise basiert. Wir sind der Meinung, daß der Ent-
wurf einer Konvention über die Abschaffung von Kern-
waffen, ein Ansatz, der zumindest in Deutschland zur
Zeit bei Nichtregierungsorganisationen wie IPPNW (In-
ternationale Ärzte zur Verhinderung eines Atomkrieges)
diskutiert wird, nicht so realistisch ist, wie ein Vorgehen
auf der Grundlage bereits unterzeichneter und ratifizier-
ter bzw. in Ratifizierung befindlicher Abkommen und
eine Ausweitung dieses Prozesses.
Leider scheint der Abrüstungsprozeß derzeit zu stagnie-
ren. Es ist bedauerlich, daß die russische Duma den
START II-Vertrag nicht ratifiziert hat und in diesem
Prozeß Fortschritte auch nicht möglich zu sein scheinen
– um so mehr, als die gemeinsame Gipfelerklärung von
Helsinki der Präsidenten Bill Clinton und Boris Jelzin
zum START III-Prozeß und zur weiteren Abschaffung
taktischer Kernwaffen nicht nur sehr vielversprechend
schien, sondern vernünftige Lösungsansätze für einige
Probleme bot, die sich für Rußland aus dem START II-
Vertrag ergeben könnten. Wir bedauern es ebenfalls, daß
der ABM-Vertrag aufgrund der Ankündigung der Verei-
nigten Staaten, ein nationales Flugkörperabwehrsystem
zu installieren, aufs Spiel gesetzt wird. Dies könnte sich
negativ auf den ganzen Prozeß zur Abschaffung von
Kernwaffen auswirken. Nach der bedingungslosen und
unbegrenzten Verlängerung des Nichtverbreitungsver-

Drucksache 14/1387 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

trages (NVV) sind nun über lange Zeit hinweg auf der
Genfer Abrüstungskonferenz im Bereich der allgemei-
nen nuklearen Abrüstung gemäß der Verpflichtung nach
Artikel VI der NVV keine Fortschritte mehr zu ver-
zeichnen gewesen. Der Grund dafür ist, daß die fünf
Kernwaffenstaaten nicht bereit sind, dieses Thema mit
den Nicht-Kernwaffenstaaten zu diskutieren. Wir fordern
die Abrüstungskonferenz auf, die Verhandlungen über
das Verbot zur Herstellung von spaltbarem Material
abzuschließen und ernsthafte Verhandlungen über die
nukleare Abrüstung zu beginnen. Wir bedauern es, daß
nicht alle Staaten den umfassenden Teststoppvertrag
(CTBT) unterzeichnet und ratifiziert haben und zwei
Staaten, die sich geweigert haben, sowohl den CTBT
als auch den NVV zu unterzeichnen, Kernwaffentests
durchgeführt haben: Pakistan und Indien. Wir fordern
diese beiden Staaten nachdrücklich auf, diese Verträge
sobald wie möglich zu unterzeichnen und zu ratifizieren
und bis dahin ein Testmoratorium zu erklären und ein-
zuhalten. Ebenfalls fordern wir sie auf, die von ihnen
entwickelten Gefechtsköpfe nicht waffentauglich zu ma-
chen. Dies würde zu einem neuen nuklearen Wettrüsten
führen und die Spannungen in diesem Teil der Welt
weiter verschärfen.
Wir fordern Israel als nichterklärtem Kernwaffenstaat
auf, dem CTBT und dem NVV beizutreten und davon
abzusehen, eine nukleare Strategie zu verfolgen. Wir
würden es begrüßen, wenn sich alle Staaten den umfas-
senden Sicherungsvorkehrungen der IAEO unterwerfen
würden und eine kernwaffenfreie Zone im Nahen Osten
geschaffen würde. Dadurch würde sich die Gefahr der
Weiterverbreitung in dieser Region, deren Stabilität
ohnehin immer gefährdet ist aufgrund der Tatsache, daß
dort Massenvernichtungswaffen entwickelt und herge-
stellt werden, verringern. Es ist dringend erforderlich,
vertrauensbildende Maßnahmen und Transparenz in
dieser Region sowie auch in anderen Regionen herbeizu-
führen.
Ich möchte nun auf einige Punkte des von der Gruppe
der Bundesrepublik Deutschland vorgelegten Entschlie-
ßungsentwurfes eingehen. Wir haben im Verlauf der
Ausschußsitzung ausführlich über den Teststoppvertrag
diskutiert und unseren Wunsch zum Ausdruck gebracht,
daß er in Kraft trete. Alle Staaten, deren Vertreter hier
das Wort ergriffen haben, sprachen sich für die Abschaf-
fung von Kernwaffen aus. Ich möchte unterstreichen,
daß es jedoch nicht nur um das Inkrafttreten des CTBT
geht, es sind weitergehende Schritte erforderlich, um uns
dem Ziel einer Abschaffung von Kernwaffen näherzu-
bringen. Es müssen Fortschritte erzielt werden in bezug
auf einen Vertrag über das Verbot der Herstellung von
spaltbarem Material. Dieser Prozeß ist in der Genfer Ab-
rüstungskonferenz schon vor langer Zeit zum Stillstand
gekommen. Wir fordern alle Staaten auf, alles in ihrer
Macht Stehende zu tun, um ein Abkommen über das
Verbot von Spaltmaterial voranzutreiben. Bereits heute
verfügen wir über große Mengen an Plutonium und an-
derem waffenfähigen Material und wissen nicht, wie wir
es entsorgen sollen. Die Vertreterin Rußlands verwies
darauf, wie schwierig eine sichere Entsorgung dieses
Materials ist, und ich stimme ihr zu, daß wir bei der Lö-
sung dieses Problems Unterstützung leisten sollten.

Mit großer Besorgnis erfüllt mich auch die Entwicklung,
die sich in den letzten Monaten in der Debatte zwischen
Rußland und den Vereinigten Staaten bzw. der NATO
über nukleare Strategien abgezeichnet hat. Die De-
programmierung des Kernwaffenarsenals war ein guter
und nützlicher Schritt auf dem Weg zur Sicherheit. Wir
hätten es gerne gesehen, wenn die Kernwaffenstaaten
ihre Waffen nicht nur deprogrammiert, sondern auch den
Bereitschaftsgrad bei den strategischen Nuklearverbän-
den verringert und die Kernsprengköpfe getrennt von
den Trägersystemen gelagert hätten.
Ich hoffe, daß wir nicht zu der Situation zurückkehren,
in der wir uns während des Kalten Krieges befanden,
d.h. einer Situation, in der wir uns gegenseitig mit
Kernwaffen bedrohten, sondern eine Lösung finden, die
solange einen Verzicht auf den Ersteinsatz umfaßt, bis
die Menschheit jegliche Bedrohung durch Kernwaffen
vollständig ausgeräumt hat.

Abg. Dieter Schloten (Originalsprache: Englisch)
sprach in der
Generaldebatte über die politische, wirtschaftliche
und soziale Lage in der Welt
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
im Kosovo führt der jugoslawische Präsident einen un-
erbittlichen Krieg gegen das eigene Volk. Trotz aller in-
ternationaler Anstrengungen und Warnungen setzen die
jugoslawischen militärischen und paramilitärischen
Kräfte sowie die Einheiten der Sonderpolizei den Terrror
gegen die Mehrheit der Menschen im Kosovo seit Januar
1999 fort. Seit damals ist dort Krieg die Realität. Der
Grund hierfür ist die serbische Aggression und nicht der
Beginn der militärischen Operationen der NATO mit
dem Ziel, den Opfern zu helfen. Ethnische Säuberung
war und ist noch immer die brutale Antwort des jugo-
slawischen Regimes auf ethnische Konflikte in diesem
Land. Dem müssen wir mit allergrößtem Nachdruck ent-
gegentreten.
Ausschließliches Ziel der NATO-Intervention ist es, den
humanitären Grundsätzen in der Region wieder zur
Geltung zu verhelfen und zu gewährleisten, daß dieser
massiven Verletzung der Menschenrechte Einhalt ge-
boten wird. Ebenso wie der Generalsekretär der Ver-
einten Nationen, Kofi Annan, und gemeinsam mit unse-
ren Partnern in der EU und der NATO fordern wir die
jugoslawische Regierung mit den Worten Kofi Annans
auf,
– die Einschüchterungs- und Vertreibungskampagne der

Zivilbevölkerung unverzüglich zu beenden,
– alle Aktivitäten von militärischen und paramilitäri-

schen Streitkräften im Kosovo einzustellen und diese
Kräfte zurückzuziehen,

– bedingungslos die Rückkehr aller Flüchtlinge und
Vertriebenen in ihre Heimat zu akzeptieren,

– die Entsendung einer internationalen Militärstreitkraft
zu akzeptieren, um ein sicheres Umfeld für die Rück-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/1387

kehr der Flüchtlinge und die ungehinderte Versorgung
mit humanitärer Hilfe sicherzustellen, und

– es der internationalen Staatengemeinschaft zu ermög-
lichen, die Einhaltung der oben genannten Verpflich-
tungen zu überwachen.

Wir fordern Slobodan Milosevic ferner auf, zum Ab-
schluß eines Rahmenabkommens für das Kosovo auf der
Grundlage des Abkommens von Rambouillet beizutra-
gen. Sobald Belgrad diese Bedingungen akzeptiert und
sie erfüllt und einer internationalen Truppe gestattet, die
Umsetzung dieser Bedingungen in der Kosovo Region
sicherzustellen, können wir die militärischen Maßnah-
men aussetzen.
Slobodan Milosevic hat damit den Schlüssel zur Beendi-
gung der Luftangriffe in der Hand. Er kann einen Waf-
fenstillstand herbeiführen, indem er ganz einfach das tut,
was er seit Monaten und Jahren hätte tun müssen: sich
wie ein verantwortungsbewußter Führer zu verhalten und
im Einklang mit den Grundsätzen des Völkerrechtes zu
handeln.
Natürlich kann die Einstellung der direkten Feindselig-
keiten nicht das Ende der internationalen Stabilisierungs-
bemühungen bedeuten. Wir brauchen, wie von der Bun-
desregierung vorgeschlagen, einen Stabilitätspakt für den
Balkan. Die Grundprinzipien der europäischen Integra-
tion und der Schlußakte von Helsinki müssen in der Re-
gion Anwendung finden. Die Menschen dort müssen
eine Perspektive haben. Die, die dort leiden, Serben,
Albaner, Kroaten, Bosnier und Makedonier, sie alle sind
Teil Europas. Eine politische Konferenz ist notwendig,
um Verhandlungen über einen solchen Stabilitätspakt
einzuleiten, und wir als Parlamentarier sollten unsere
Regierungen dringend ersuchen, darauf vorbereitet zu
sein, eine solche Konferenz unmittelbar nach Ende der
Kampfhandlungen in die Wege zu leiten. Die OSZE
könnte der angemessene Rahmen für diesen Prozeß sein.
Die grundlegenden Elemente eines Stabilisierungspro-
zesses sind folgende:
– Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen und ande-

rer Opfer von Vertreibung und Greueltaten;
– Förderung von demokratischen Strukturen und Pro-

zessen der Zivilgesellschaft;
– Rüstungsabbau und -kontrolle;
– politische und wirtschaftliche regionale Zusammen-

arbeit.
Heute morgen haben wir die Forderung der russischen
Delegation nach einer internationalen parlamentarischen
Diplomatie als Beitrag zur Beendigung des Krieges ge-
hört, und wir haben auch gehört, daß die Russen ihre
Unterstützung angeboten haben. Wie in der Vergangen-
heit werden wir dankbar alle weiteren Bemühungen un-
serer russischen Kollegen akzeptieren, mit denen wir
weiterhin gute und substantielle Diskussionen führen
möchten, um den serbischen Führer zur Vernunft zu
bringen. Wir wissen auch die Worte des Präsidenten des
russischen Föderationsrates, Igor Strojew, von heute
morgen sehr zu schätzen, nämlich daß Rußland weiter-

hin seine internationalen Anstrengungen fortsetzen und
sich nicht auf den Irrweg einer Isolation oder Kon-
frontation begeben wird. Rußlands Beteiligung an
einer friedlichen Lösung des Konfliktes auf dem Balkan
ist unerläßlich, und Rußland bleibt von entscheiden-
der Bedeutung für die Sicherheitsstrukturen in ganz
Europa.
Ich rufe alle Kolleginnen und Kollegen dazu auf, die hier
von mir dargelegten Überlegungen zu unterstützen und
die Wirksamkeit der internationalen Friedensschaffung
unter Beweis zu stellen.
Abg. Prof. Dr. Rita Süssmuth (Originalsprache: Eng-
lisch) sprach in der
Generaldebatte über die politische, wirtschaftliche
und soziale Lage in der Welt
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn diese Generaldebatte zu Ende geht, haben wir viele
Reden gehört, die sich eindringlich mit der Situation im
Kosovo und dem beklagenswerten menschlichen Leid
auseinandersetzen, das wir alle in diesen Tagen mitanse-
hen müssen.
Ich denke, es war richtig, daß diese IPU-Konferenz als
Forum zur Erörterung dieser äußerst wichtigen Frage
genutzt wurde, und wir alle sind uns grundsätzlich dar-
über einig, daß das unmenschliche Vorgehen der jugo-
slawischen Führung gegenüber der Bevölkerungsmin-
derheit auf das Schärfste verurteilt werden muß.
Wir dürfen es am Ende dieses Jahrhunderts keinesfalls
hinnehmen, daß derartige Greueltaten, Massaker und
Morde weiter fortgesetzt werden.
Darüber hinaus möchte ich jedoch als Parlamentarierin
auf die besonders schwierige Lage hinweisen, unter der
die Frauen dort zu leiden haben.
Nicht nur die Frauen leiden, sondern auch ihre Kinder
und die älteren Familienangehörigen. Sei es in den Wäl-
dern, sei es auf den Fluchtmärschen, um den Greueltaten
zu entkommen, sei es in den Flüchtlingslagern – es sind
noch immer die Frauen, die dafür sorgen, daß die Fami-
lien zusammenbleiben. Sie sorgen auch dafür, daß die
Familienbande verhindern, daß sich diese von großem
Leid getroffenen Menschen körperlich und geistig auf-
geben. Frauen müssen dies in einer Situation tun, in der
ihre Männer brutal ermordet werden, ihre jungen Töchter
in Gegenwart der Mütter vergewaltigt und Mütter in Ge-
genwart von Kindern und Großeltern vergewaltigt und
geschlagen werden.
Ich frage Sie, meine Kolleginnen und Kollegen, die das
Privileg genießen, in Freiheit zu leben, genug zu essen
und zu trinken zu haben und mit ihren Freunden zusam-
mensein zu können: Was können wir tun, um dieses
harte Schicksal zu lindern und zu erleichtern? Ich frage,
was wir tun können, damit diese Frauen und Kinder ver-
schont bleiben?
Ich muß eingestehen, daß ich keine Lösung parat habe
für diese fortdauernde Katastrophe, für diesen anhalten-
den Mord, für diese anhaltende menschliche Erniedri-

Drucksache 14/1387 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

gung unserer bedauernswerten Schwestern. Schwestern
in einem Krieg, in dem sie allein gelassen werden.
Schwestern in einem Krieg, auf deren Hilferuf wir nicht
reagieren.
Kinder, die uns mit Augen ansehen, in denen es keine
Hoffnung gibt und auf deren Tränen wir keine Antwort
wissen.
Ich beschwöre Sie als Parlamentarierinnen und Parla-
mentarier, bei Ihren Beratungen hier und in Ihren natio-
nalen Parlamenten daran zu denken, daß Ihre Frauen die-
jenigen sein könnten, die gequält und vergewaltigt wer-
den, und daß Ihre Kinder vor Hunger sterben könnten.
Ich bin mir der Zwänge bewußt, die es bei der Hilfe für
diese Menschen gibt.
Ich bin mir jedoch auch bewußt, daß, wenn man der
Welt vermitteln könnten, wie es wäre, wenn die eigenen
Familienangehörigen betroffen wären, dann wäre es uns
möglich, das Gewissen der Menschen wachzurütteln.
Hiermit beende ich meine Ausführungen, und obwohl es
ein Zeichen der Höflichkeit ist, am Ende zu applaudie-
ren, möchte ich Sie auffordern, dies nicht zu tun, sondern
statt dessen einige Minuten des Schweigens den bedau-
ernswerten Frauen, den verzweifelten Kindern und den
gefolterten alten Menschen in Albanien, Makedonien
und im Kosovo zu widmen.

Abg. Dieter Schloten (Originalsprache: Englisch) hielt
in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Gruppe der
Zwölf Plus am Konferenzende folgende Ansprache:
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
als Vorsitzender der Gruppe der Zwölf Plus ist es mir
eine große Freude und eine besondere Ehre, zum Ab-
schluß dieser wichtigen 101. Konferenz hier das Wort
ergreifen zu dürfen.
Die Mitglieder der Gruppe der Zwölf Plus – unsere
Gruppe besteht nunmehr aus 42 IPU-Mitgliedstaaten,
denn während dieser Tagung hat unsere Gruppe zwei
weitere IPU-Mitglieder hinzugewonnen, nämlich die
ehemalige jugoslawische Republik Makedonien und die
Republik Georgien – waren sehr erfreut zu hören, daß in
dieser Generaldebatte hier so viele unterschiedliche und
konstruktive Meinungen geäußert wurden, die in dieser
schlimmen Zeit des nichtendenden Leidens in Südost-
europa zum Ausdruck gebracht werden mußten.
Diese Konferenz hat erneut die dringende Notwendigkeit
unterstrichen, daß man miteinander reden muß, bereit
sein muß, aufeinander zuzugehen, und offen zu sein für
Argumente, ganz gleich welchen Inhalts sie sind. Ich
kann hier mit großer Befriedigung erklären, daß viele
Mitglieder der Gruppe der Zwölf Plus die Möglichkeit
gesucht haben, Kontakte zu Mitgliedstaaten anderer
regionaler Gruppen herzustellen und zu verstärken. Ich
selbst als Vorsitzender der Gruppe der Zwölf Plus habe
das Privileg zahlreicher Kontakte mit Delegationsleitern
und unterschiedlichen Gruppen gehabt. Es ist der große
Vorteil unserer Arbeit hier als Parlamentarier, daß wir
die Möglichkeit haben, freier und offener sprechen zu
können, als Diplomaten und Regierungsvertreter dies tun

können. Nicht vergessen werden sollte auch, daß wir
durch dieses Aufeinanderzugehen neue Freundschaften
entwickeln und ein besseres Verständnis für unter-
schiedliche Ansichten schaffen können. Es ist immer
besser bereit zu sein, miteinander zu sprechen, selbst
wenn die Meinungen total kontrovers sind. Das verleiht
unserer IPU so große Bedeutung, das macht unsere IPU
so unerläßlich, und dies ist der Grund, warum wir unse-
ren Präsidenten bei allen seinen Anstrengungen, die
Union als das parlamentarische Gremium innerhalb der
Familie der Vereinten Nationen zu verankern, unter-
stützen müssen. Ich fordere Sie alle auf, der IPU nach-
drücklich auf ihrem Weg in diese Richtung zur Seite zu
stehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stadt Brüssel ist
nicht nur die belgische Hauptstadt, sondern auch
die europäische Hauptstadt, die uns einen herzlichen
Empfang bereitet hat. Unsere Treffen hier im Euro-
päischen Parlament zeigen klar die Bedeutung Brüssels
für die Europäische Union und für die internationalen
Kontakte.
Ich darf daher diese Gelegenheit in dieser großen euro-
päischen Stadt und Hauptstadt das Königreichs Belgien
ergreifen, unserem Gastland für alle zur Verfügung ge-
stellten Dienste, für die enorme, herzliche und großzügi-
ge Gastfreundschaft zu danken, die wir genießen durften.
Ich denke, ich spreche im Namen aller, wenn ich sage,
wie tief beeindruckt wir von dem waren, was hier bei der
Verwirklichung einer IPU-Konferenz an Außergewöhn-
lichem und Bemerkenswertem geleistet wurde.
Ich möchte unseren belgischen Freund, den Präsidenten
der Gruppe, Jaques Lefèvre, bitten, unseren Dank an sei-
ne mit vollem Einsatz arbeitende Mitarbeiter weiterzu-
geben, und ich fordere Sie alle auf, mit Ihrem Applaus
unserem Gastland zu danken. Ich möchte Ihnen, Herr
Präsident, noch einmal dafür danken, daß ich hier das
Wort ergreifen durfte. Wir werden unsere Anstrengun-
gen mit dem Ziel, eine gute Arbeitsatmosphäre für die
102. Konferenz in Berlin zu schaffen, fortsetzen und den
von der IPU eingeschlagenen Kurs mit aller Kraft unter-
stützen.
Ich danke Ihnen.

Als Gastgeberin der nächsten IPU-Konferenz und letzte
Rednerin bekräftigte Abg. Prof. Dr. Rita Süssmuth die
Einladung zur 102. Interparlamentarischen Konferenz
vom 10 bis 16. Oktober 1999 nach Berlin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte Sie an dieser Stelle ganz herzlich zur näch-
sten 102. IPU-Konferenz in Berlin einladen.
Die Bundesrepublik Deutschland betrachtet es als eine
hohe Auszeichnung, erneut Gastgeber einer Konferenz
unserer Interparlamentarischen Union sein zu dürfen.
Diejenigen, die mit der Geschichte der IPU vertraut sind,
werden sich daran erinnern, daß wir immer sehr aktiv in
der Union waren. Dies wird auch in Zukunft so sein, und
wir werden alles in unseren Kräften Stehende tun, um Ih-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/1387

ren Aufenthalt in Berlin so angenehm wie nur möglich
zu gestalten.
Ich kann Ihnen versichern, daß unsere Zusammenarbeit
mit dem Präsidenten der IPU und dem Generalsekretär
der IPU und seinen Mitarbeitern sehr effizient und har-
monisch verläuft, und ich bin überzeugt, daß wir das ge-
setzte Ziel ganz gewiß erreichen werden.
Ich weiß, daß das nach dem, was wir hier in Brüssel an
außergewöhnlichen Leistungen erfahren und in An-
spruch nehmen durften, sehr schwierig sein mag.
Wir werden versuchen, von den hier gemachten Erfah-
rungen der Superlative für Berlin zu profitieren. Wenn
uns dies gelingt und wenn uns unsere belgischen Freun-
de gestatten, ihre Erfahrungen zu nutzen, bin ich voll
und ganz überzeugt, daß Sie einen angenehmen Aufent-
halt in Berlin haben werden und daß die IPU sehr gute
Arbeitsbedingungen vorfinden wird.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die
Bundesrepublik Deutschland und die Stadt Berlin freuen
sich darauf, Sie alle recht herzlich willkommen zu
heißen. Ich persönlich freue mich ebenfalls darauf, Sie
alle in Berlin wiederzusehen und lade Sie noch einmal
recht herzlich ein mit den Worten: „Herzlich Willkom-
men und Aufwiedersehen in Berlin“.

IV. Sitzungen des Interparlamentarischen Rates
Der Interparlamentarische Rat tagte am 11. und 16. April
1999 unter Vorsitz seines Präsidenten Miguel Angel
Martínez.
Zu Beginn seiner Sitzung nahm der Interparlamenta-
rische Rat die Tagesordnung sowie das Protokoll der
163. Sitzung des Rates an. Langjähriger Tradition fol-
gend schlug der Präsident des Interparlamentarischen
Rates im Namen des Rates den Präsidenten der belgi-
schen Abgeordnetenkammer, Raymond Langendries,
als Präsidenten der Konferenz vor. Dieser Vorschlag
wurde per Akklamation bestätigt.
Im Anschluß daran standen die Aufnahmeanträge der
Parlamente von Burundi und Liberia auf der Tages-
ordnung. Der Interparlamentarische Rat entschied, den
Empfehlungen des Exekutivausschusses zu folgen und
den Aufnahmeanträgen der beiden Parlamente stattzuge-
ben. Daneben wurde das Europäische Parlament als as-
soziiertes Mitglied aufgenommen. Damit stieg die Zahl
der IPU-Mitgliederparlamente auf 138 und die der asso-
ziierten Mitglieder auf fünf an. Im Hinblick auf den
jüngsten Staatsstreich in Niger kam der Interparlamenta-
rische Rat nach ausführlicher Diskussion zu der Ent-
scheidung, die dortige Entwicklung genau zu beobachten
und bei der nächsten Sitzung des Interparlamentarischen
Rates in Berlin die Frage einer möglichen Ausssetzung
der Mitgliedschaft zu erörtern.
Anschließend nahm der Interparlamentarische Rat den
Bericht seines Präsidenten Miguel Angel Martínez über
seine Arbeit in den zurückliegenden sechs Monaten zur
Kenntnis. Der Präsident des Rates verwies dazu im we-
sentlichen auf seinen schriftlichen Bericht und gab im
Anschluß daran einen detallierten mündlichen Bericht

über die Arbeit des Exekutivausschusses. Der Präsident
führte aus, der Exekutivausschuß habe sich bei seinen
Sitzungen u.a. mit dem Thema einer Verlebendigung der
Debatten und aktiveren Diskussionen in den Studienaus-
schüssen beschäftigt. Aufbauend auf den Diskussionen
zu diesem Thema in Moskau habe sich der Exekutivaus-
schuß darauf verständigt, dieses Ziel innerhalb der be-
stehenden Statuten umzusetzen. Unter Berücksichtigung
der Tatsache, daß § 23 der Regeln der Studienausschüsse
dem präsidierenden Leiter das Recht einräume, Debat-
tenredner auch außerhalb der Reihenfolge ihrer Meldung
aufzurufen, habe der Exekutivausschuß dem Steuerungs-
ausschuß dringend empfohlen, die Vorsitzenden der Stu-
dienausschüsse zur vollen Ausschöpfung ihrer in § 23
Abs. 1 fixierten Möglichkeiten zu ermutigen, um leb-
haftere Debatten zu ermöglichen.
Daran schloß sich der Tätigkeitsbericht des General-
sekretärs der Interparlamentarischen Union, Anders
B. Johnsson, über die Aktivitäten der Interparlamenta-
rischen Union in den zurückliegenden Monaten an.
Hinsichtlich des Bauplatzes für das geplante neue IPU-
Hauptquartier führte der Generalsekretär aus, daß eine
Reihe von unvorhersehbaren Schwierigkeiten den Bau
um mehrere Monate verzögere.
Beim Bericht über die Finanzen der IPU für das Jahr
1998 und dem Bericht eines externen Rechnungsprüfers
führte der Generalsekretär aus, daß eine große Mehrheit
der Mitglieder ihre Beiträge rechtzeitig und in voller
Höhe überwiesen hätten. Er äußerte aber auch seine
Sorge über den Zahlungsverzug einiger weniger Mitglie-
der. 73% der Verzugzahlungen würden durch ein einzel-
nes Mitgliedsland verursacht. Der Rat billigte schließlich
die Finanzverwaltung des Generalsekretärs für das zu-
rückliegende Jahr.
Anschließend beschäftigte sich der Interparlamentarische
Rat mit zwei Änderungsanträgen zu den Statuten der
IPU. Ein Vorschlag des Exekutivausschusses zur Ände-
rung des Artikels 22 (h), der die Teilnahme von Beob-
achtern bei IPU-Konferenzen regelt, wurde vom Rat der
Interparlamentarischen Konferenz zur Annahme emp-
fohlen. Ebenfalls billigte der Rat die ihm vorgelegten
Regeln des Parlamentarierinnentreffens unter Artikel 23
der IPU-Statuten.
Auf seiner zweiten Sitzung nahm der Interparlamenta-
rische Rat den Bericht des Generalsekretärs über den
Stand der Zusammenarbeit zwischen der Interparlamen-
tarischen Union und den Vereinten Nationen zur Kennt-
nis. Bei dieser Gelegenheit wiederholte der Direktor des
UN-Büros in Genf, V. Petrwosky, den Wunsch des UN-
Generalsekretärs nach einer engeren und intensiveren
Kooperation zwischen beiden Organisationen. Der Inter-
parlamentarische Rat begrüßte zudem das von der UN-
Konferenz über Handel und Entwicklung, der Weltbank
und der Welthandelsorganisation bekundete Interesse
nach einer Vertiefung der Arbeitsbeziehungen zur IPU.
Der Interparlamentarische Rat bewilligte zudem den Text
des Kooperationsabkommens zwischen der Internationa-
len Arbeitsorganisation (ILO) und der Interparlamenta-
rischen Union, wodurch die Arbeit der ILO eine par-
lamentarische Dimension erhält. Außerdem genehmigte

Drucksache 14/1387 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

der Rat den Text eines Memorandum of Understanding
hinsichtlich der Kooperation zwischen dem Büro des
Menschenrechtsbeauftragten der UN und der IPU.
Im Hinblick auf die Parlamentspräsidentenkonferenz im
Jahr 2000 am Sitz der VN nahm der Interparlamentari-
sche Rat auf seiner zweiten Sitzung einen Bericht des
1. Vorbereitungsausschusses der Konferenz zur Kenntnis
und setzte eine Arbeitsgruppe ein.
Aus Anlaß der Kandidatur des Präsidenten des Interpar-
lamentarischen Rates, Miguel Angel Martínez, für das
Europa-Parlament und der Unvereinbarkeit von EP-
Mandat und nationalem Mandat in seinen Herkunftsland
Spanien interpretierte der Rat Artikel 20 Abs. 4 der Sta-
tuten wie folgt: „Im Fall, daß der Präsident des Interpar-
lamentarischen Rates sein nationales Abgeordnetenman-
dat verliert, tritt der erste Vizepräsident unmittelbar in
seine Funktion ein. Auf der nächsten Sitzung des Inter-
parlamentarischen Rates hat der bisherige Präsident dem
Rat über seine Amtszeit Bericht zu erstatten.“
Nach Billigung der Berichte legte der Interparlamenta-
rische Rat auf seiner zweiten Sitzung die Tagesord-
nung für die 102. Interparlamentarische Konferenz vom
10. bis 16. Oktober 1999 in Berlin fest. Die thematischen
Schwerpunkte lauten:
1. Der Beitrag der Parlamente anläßlich des 50. Jahres-

tages der Genfer Übereinkommen zur Gewährleistung
der Beachtung und Förderung des humanitären Völ-
kerrechts

2. Die Notwendigkeit einer Überprüfung des derzeitigen
globalen Finanz- und Wirtschaftsmodells

V. Sitzungen der Parlamentarierinnen in der IPU
Das Treffen der Parlamentarierinnen fand am 10. April
1999 unter dem Vorsitz der belgischen Abg. An
Hermans statt. Auf der Tagesordnung standen der Be-
richt der Vorsitzenden des Koordinierungsausschusses
des Parlamentarierinnentreffens, die Verabschiedung der
vorläufigen Entwürfe der Geschäftsordnungen des Ko-
ordinierungsausschusses und des Parlamentarierinnen-
treffens sowie eine Debatte über spezifische Probleme
von Frauen in Großstädten. Darüber hinaus wurden die
Parlamentarierinnen über den Stand zweier Umfragen
des IPU-Sekretariats zu den Themen Erfahrung von
Frauen und ihr Beitrag zum Prozeß der Demokratie so-
wie zu den von den nationalen Parlamenten getroffenen
Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen der Platt-
form von Beijing und des Aktionsplans zur Berichtigung
gegenwärtiger Ungleichgewichte bei der Beteiligung von
Männern und Frauen am politischen Leben unterrichtet.
Das Treffen befaßte sich weiterhin mit den Vorbereitun-
gen für das gemeinsame Treffen zwischen UNESCO und
IPU über ”Perspektiven der Demokratie: Machen Frauen
einen Unterschied?”.
Die Vorsitzende, Abg. An Hermans, wies einleitend
darauf hin, daß die 101. IPU-Konferenz mit 22 % den
bislang höchsten Anteil an Parlamentarierinnen ver-
zeichne. Im Jahr 1975 habe der Anteil bei lediglich
7,8 % gelegen. Mit dieser Sitzung sei das Treffen der
Parlamentarierinnen nun erstmals ein offizieller und

in der Satzung der IPU verankerter Teil der IPU-
Konferenz.
Die tunesische Abg. Faiza Kéfi, Vorsitzende des Koor-
dinierungsausschusses des Parlamentarierinnentreffens,
ergänzte, daß neben der Ex-officio-Mitgliedschaft der
Vorsitzenden des Koordinierungsausschusses des Parla-
mentarierinnentreffens nur wenige Frauen im Interpar-
lamentarischen Rat vertreten seien. Hier bestände
Handlungsbedarf.
Der Präsident des Interparlamentarischen Rates, Miguel
Angel Martínez, führte in seiner Ansprache aus, daß die
Gleichstellung der Geschlechter einen wesentlichen
Aspekt der Demokratie ausmache. Er würdigte in einem
Rückblick auf die Anfänge des Treffens die Entschluß-
kraft und Effizienz der Parlamentarierinnen, die diese
Institution mit einem spontanen Zusammentreffen im
Jahre 1978 anläßlich der IPU-Konferenz in Bonn ins
Lebens gerufen hatten und stellte die führende Rolle
heraus, die die kanadische Abg. Sheila Finestone und
die tunesische Abgeordnete und derzeitige Vorsitzende
Faiza Kéfi bei dieser Entwicklung gespielt hätten.
Im Hinblick auf die gegenwärtigen Konfliktsituationen
hob der Präsident hervor, daß auch im Kosovo wieder
die Frauen diejenigen sein, die am stärksten unter dem
Konflikt litten. Zur Zeit würde das Völkerrecht durch
Völkermord und ethnische Säuberung ausgeschaltet.
Souveränität dürfe weder bedeuten, daß Minderheiten
vertrieben werden noch daß man sich angesichts der
Handlungsunfähigkeit der UN in einem rechtsfreien
Raum bewege.
Als nächster Redner gab der Generalsekretär der IPU ei-
nen Überblick über die Maßnahmen, die das Internatio-
nale Sekretariat seit der Konferenz in Moskau zur Förde-
rung des Frauenanteils in der IPU ergriffen habe. Er er-
klärte, daß Rekrutierungspläne mit dem Ziel ausgear-
beitet seien, das gegenwärtige Ungleichgewicht zwi-
schen Frauen und Männern zu beseitigen, und daß das
Sekretariat bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
nicht nur eine ausgeglichene Vertretung der geographi-
schen Regionen, sondern auch ein Gleichgewicht zwi-
schen Frauen und Männern sicherstellen müsse. Der
Anteil der Mitarbeiterinnen im Sekretariat läge inzwi-
schen bei 40%.
Wie in der Vergangenheit debattierte das Treffen der
Parlamentarierinnen einen der Tagesordnungspunkte der
IPU-Konferenz unter frauenpolitischen Gesichtspunkten,
nämlich das Konferenzthema ,,Das Problem der Bal-
lungsräume: eine weltweite Aufgabe für die Parlamenta-
rier im Hinblick auf urbane Zivilisation und Demokra-
tie“. In der sich anschließenden Debatte wurden städte-
planerische, soziale und politische Aspekte des Lebens
in Ballungsräumen behandelt. Senatorin Laura Pavón
Jaramillo aus Mexiko unterstrich, daß besonders Frauen
in Entwicklungsländern von der Armut in den Städten
betroffen seien, Armut vor allem Randgruppen betreffe
und zu dem Teufelskreis führe, der von mangelnder
Bildung über schlecht bezahlte Arbeitsplätze zu einer
Fortsetzung der Armut führe. Die Sozialgesetze müßten
dahin gehend überarbeitet werden, daß für Frauen eine
größere soziale Sicherheit gewährleistet würde. Die

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/1387

Delegierte hob die Notwendigkeit der Ausbildung und
Fortbildung von Frauen hervor, die wesentliche Voraus-
setzungen seien für die uneingeschränkte Mitwirkung
von Frauen am politischen und sozialen Leben.
Das Thema Kosovo war ebenfalls Debattengegenstand.
Insbesondere die Lage der Frauen in diesem Konflikt rief
bei den Parlamentarierinnen große Besorgnis hervor.
Abg. Francesca Scopolleti aus Italien schlug vor, un-
verzüglich eine Delegation des „Parlamentarierinnentref-
fens“ in das Kosovo zu entsenden, um mit den Frauen,
denen man Gewalt angetan hätte, zusammenzutreffen.
Diese Frauen sollten dazu bewegt werden, über das, was
man ihnen im Kosovo angetan hätte, zu berichten.
Wichtig sei vor allem, daß die erhaltene Information den
serbischen Frauen zugänglich gemacht würde, weil es
keine konkreten diesbezüglichen Informationen in Ser-
bien gebe und dort niemand etwas von den Millionen
Flüchtlingen wisse. Diese Informationen müsse man zu-
gänglich machen und damit Slobodan Milosevic die
Unterstützung entziehen, die er ungerechterweise erhal-
te. Sie schlug vor, Flugblätter über Belgrad abzuwerfen
und so die Bevölkerung über Fakten zu informieren; man
könne ein neues „Radio London“ einrichten, das über die
serbischen Frequenzen zum Beispiel aus Tirana sende.
Die NATO, so schloß die italienische Senatorin, würde
wahrscheinlich den Krieg, aber nicht den Kampf für
die Menschenrechte gewinnen. Abg. Fatma-Zohra
Mansouri aus Algerien sprach sich ebenfalls dafür aus,
eine Delegation von Parlamentarierinnen zu entsenden.
Abg. Agnés Mukabaranga aus Ruanda forderte die
Parlamentarierinnen auf, auch die sozialen Folgen eines
Konfliktes zu berücksichtigen. In Ruanda habe ein ent-
setzlicher Völkermord stattgefunden, und immer noch
gebe es sehr viele alleinstehende Frauen, Waisen und
Obdachlose. Die Staatengemeinschaft und die Nichtre-
gierungsorganisationen müßten diese Menschen weiter-
hin unterstützen. Die britische Abg. Ann Clwyd nannte
es daraufhin eine Schande für die Vereinten Nationen,
daß diese in Ruanda keine Maßnahmen ergriffen hätten.
Der Internationale Strafgerichtshof habe eine abschrek-
kende Wirkung, aber man müsse Menschenrechtsverlet-
zern deutlich machen, daß es auf der Welt keinen Platz
gebe, an dem sie sich verstecken könnten.
Abg. Radmila Sekerinska aus Makedonien erläuterte
die Flüchtlingssituation in den angrenzenden Staaten des
Kosovo mit konkreten Zahlen. Ihr Land habe zwei Mil-
lionen Einwohner und zur Zeit 130 000 Flüchtlinge. Die
Abgeordnete vertrat die Auffassung, daß Bodentruppen
nur noch mehr Flüchtlinge verursachen würden.
Nach dem Abschluß der Debatte über die Lage im Ko-
sovo berieten die weiblichen Delegierten über den vor-
läufigen Entwurf einer Geschäftsordnung für das Treffen
der Parlamentarierinnen und für den Koordinierungsaus-
schuß dieses Treffens. Die stellvertretende IPU-Gene-
ralsekretärin Christine Pintat stellte den Abgeordneten
die vom Internationalen Sekretariat ausgearbeiteten Ent-
würfe vor. Auf Vorschlag der guatemaltekischen Abg.
Zury Maité Rios-Montt sprachen sich die Parlamenta-
rierinnen dafür aus, daß die 1. und 2. Vizepräsidentin des
Koordinierungsausschusses aus unterschiedlichen geo-
graphischen Gruppen zur Wahl kommen sollten.

Christine Pintat berichtete von Überlegungen in der
IPU, sich mit der oftmals unzureichenden Vorbereitung
von Frauen auf das politische und parlamentarische Le-
ben zu beschäftigen. Darüber hinaus wolle man sich mit
dem Thema Führungspositionen von Frauen in Entschei-
dungsfindungsgremien befassen. Die Delegierten sollten
Vorbehalte, die ihre Regierungen beim internationalen
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Dis-
krimierung der Frau vorgebracht hätten, sehr sorgfältig
prüfen. Abg. Najah Elmahdi Eljaji aus Libyen entgeg-
nete, daß sich die Staatengemeinschaft aus verschiede-
nen Gesellschaften mit unterschiedlichen Kulturen zu-
sammensetze. Manchmal stehe die Konvention diesen
kulturellen Merkmalen entgegen; dies erfordere Vorbe-
halte.
Abschließend forderte die ägyptische Abg. Yousriya
Loza mit Hinblick auf den Ablauf des Parlamentarierin-
nentreffens in Berlin, daß die Vorsitzende des Treffens
solche Rednerinnen unterbrechen solle, die nur über die
Lage in ihren Ländern referierten. Man solle schriftliche
Stellungnahmen zur nationalen Situation einreichen, die
auch an andere Parlamentarierinnen gesandt werden
könnten. Ferner verwies sie darauf, daß man Konferen-
zen, die sich mit dem Thema Frauen befaßten, besser
koordinieren solle. Gegenwärtig fänden Konferenzen an
verschiedenen Orten zur selben Zeit und zu ähnlichen
Themen statt.

VI. Sitzungen der Parlamentarier der Gruppe
der Zwölf Plus

Die Sitzungen der Parlamentarier der Gruppe der Zwölf
Plus fanden unter Vorsitz des Abg. Dieter Schloten am
10., 12., 13., 14. und 15. April statt. Wie in der Vergan-
genheit dienten diese Treffen vor allem der Koordi-
nierung, Vorbereitung und Begleitung der politischen
Arbeit der Zwölf Plus bei Interparlamentarischen Konfe-
renzen.
Bei ihrem ersten Treffen am 10. April 1999 würdigte der
Vorsitzende die Verdienste des verstorbenen früheren
kanadischen Zwölf Plus Vorsitzenden Peter Bosa. Die
Tagesordnung und das Protokoll der letzten Zwölf Plus
Sitzung in Moskau wurden, um das Thema Kosovo er-
gänzt, akzeptiert. Delegierte aus zahlreichen Ländern er-
griffen in der sich anschließenden Kosovo-Debatte das
Wort. Die schwedische Abg. Viola Furubjelke infor-
mierte die Anwesenden über einen Besuch in der Krisen-
region, bei dem sie auf die katastrophale und menschen-
unwürdige Situation der Flüchtlinge hinwies und einen
Marshall-Plan für das Kosovo nach dem Ende des Kon-
fliktes forderte. Der Vorsitzende der Zwölf Plus unter-
strich die Notwendigkeit der Fortsetzung des Dialoges
mit Rußland zur Eindämmung des Konfliktes. Die Dele-
gierten kamen überein, den von der russischen Delega-
tion vorgelegten Antrag auf Aufnahme eines kurzfristi-
gen Zusatztagesordnungspunktes zurückzuweisen. Nur
Zypern stimmte gegen diese Entscheidung; Rumänien
und Bulgarien enthielten sich der Stimme.
Die Delegierten der Zwölf Plus einigten sich ferner dar-
auf, den norwegischen Vorschlag auf Aufnahme eines
Zusatztagesordnungspunktes zum Thema 50. Jahrestag

Drucksache 14/1387 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

der Genfer Konvention und die Änderungsvorschläge
bezüglich Artikel 22h (dabei geht es um die Beteiligung
von Beobachtern an IPU-Treffen) und Artikel 24 (darin
wird die Ex-officio-Mitgliedschaft der Vorsitzenden des
Koordinierungsausschusses der Parlamentarierinnen im
Exekutivausschuß festgelegt) der IPU-Statuten zu unter-
stützen.
Für den Ausschuß für Menschenrechtsfragen schlug die
Gruppe vor, Abg. Leni Fischer (Deutschland), die nicht
länger Parlamentsmitglied ist, durch Abg. Ann Clwyd
(Vereinigtes Königreich) und den Abg. Gian Franco
Terenzi (San Marino) durch Senatorin Daniele Galdi
(Italien) zu ersetzen. Des weiteren fand die Nachfolge
der nicht wieder ins Parlament gewählten Krista Kilvet
(Estland) im Exekutivausschuß durch Abg. Ignar Fjuk
(ebenfalls Estland) die Zustimmung der Gruppe; der Brite
Tony Colman wurde als stellvertretendes Mitglied im
Ausschuß für nachhaltige Entwicklung vorgeschlagen.
Außerdem verständigte sich die Gruppe der Zwölf Plus
darauf, daß die Abgeordneten Pernille Hansen (Däne-
mark), Jerzy Jaskiernia (Polen) und Uta Zapf
(Deutschland) für den ersten Redaktionsausschuß
(Atomteststopp), Gert Versnick (Belgien), Alexandru
Badea (Rumänien), Roberto Visentin (Italien) und
Joan Fraser (Kanada) für den vierten Redaktionsaus-
schuß (Ballungsräume) und Ann Clwyd (Vereinigtes
Königreich), Ioan Coraci (Rumänien) Kari Okland
(Norwegen) und Georg Stucky (Schweiz) im Redak-
tionsausschuß für den Zusatztagesordnungspunkt
(Schuldenerlaß) zu nominieren.
Mit Hinblick auf die bei der 102. Interparlamentarischen
Konferenz eintretenden Vakanzen wurde die Frage der
Nominierungen für das Exekutivkomitee und die Frage
des Vorsitzes der Gruppe der Zwölf Plus erörtert. Abg.
Sheila Finestone (Kanada) wurde einstimmig als Kan-
didatin der Zwölf Plus für den Exekutivausschuß vorge-
schlagen. Auf Vorschlag von Abg. David Marshall
(Vereinigtes Königreich) wurde einstimmig Abg. Dieter
Schloten wieder als Vorsitzender der Gruppe der Zwölf
Plus vorgeschlagen.
Das Mitglied des Exekutivausschusses Gert Versnick
(Belgien) referierte über den Stand der geplanten Mille-

niumskonferenz der Parlamentspräsidenten im Jahr 2000
bei der UN in New York und sprach dann die Frage der
einseitig reduzierten US-amerikanischen Beitragszah-
lungen für die IPU an, die 15 % des IPU-Haushaltes
ausmachten. Trotz der reduzierten Beitragszahlungen be-
fänden sich die IPU-Finanzen aber auf einer gesunden
Basis. Der Präsident des Interparlamentarischen Rates,
Miguel Angel Matínez, äußerte die Hoffnung, daß die
USA in die Gemeinschaft der IPU zurückkehren, ihren
Beitragsverpflichtungen voll nachkommen und an der
Arbeit der IPU teilnehmen würden.
Der Vorsitzende Abg. Dieter Schloten berichtete über
den Stand der Vorbereitungen für die 102. Interparla-
mentarische Konferenz vom 10. bis 16. Oktober 1999 in
Berlin, deren Eröffnungszeremonie im Reichstagsgebäu-
de, die eigentliche Konferenzdurchführung hingegen im
Internationalen Congress Centrum (ICC) stattfinden
werde. Außerdem informierte der Vorsitzende über ein
Treffen des Steuerungsausschusses am 1. März in Bonn,
bei dem die Anwesenden den makedonischen Antrag auf
Mitgliedschaft in der Gruppe der Zwölf Plus unterstützt
hätten.
Der Generalsekretär der Interparlamentarischen Union,
Anders B. Johnsson, gab einen Bericht über den
Baufortgang des neuen IPU-Generalsekretariates in
Genf. Er setzte die Teilnehmer davon in Kenntnis, daß
aufgrund unvorhersehbarer Entwicklungen sich der Zeit-
plan für die Errichtung des neuen IPU-Hauptquatiers um
etwa neun Monate verzögern würde.
Der Vorsitzende der Zwölf Plus informierte zudem über
die Anträge der früheren Jugoslawischen Republik
Makedonien und Georgiens auf Mitgliedschaft in der
Zwölf Plus. Beide Anträge wurden angenommen, so daß
die Gruppe der Zwölf Plus nunmehr aus 42 Mitgliedern
besteht.
Schließlich erläuterte der Vorsitzende, daß, anders als
ursprünglich geplant, die Feier des 25. Geburtstages der
Gruppe der Zwölf Plus nun während der 102. Interpar-
lamentarischen Konferenz am 9. Oktober in Berlin statt-
finden solle. Für diesen Abend sei ein festliches Essen
geplant.

Prof. Dr. Rita Süssmuth; MdB Dieter Schloten; MdB
Leiterin der deutschen IPU-Delegation Stellvertretender Leiter der deutschen IPU-Delegation

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/1387

VII. Anhang

1. Parlamentarische Maßnahmen, um alle Länder zu
ermutigen, den umfassenden Teststoppvertrag,
der alle Atomtests verbietet, zu unterzeichnen und
zu ratifizieren sowie weltweite und nichtdiskrimi-
nierende nukleare Nichtverbreitungsmaßnahmen
zu ergreifen und sich für die endgültige Abschaf-
fung aller Atomwaffen einzusetzen
(Von der 101. Interparlamentarischen Konferenz am
15. April 1999 in Brüssel ohne Abstimmung ange-
nommene Resolution)

2. Das Problem Ballungsräume: eine weltweite Auf-
gabe für die Parlamentarier im Hinblick auf ur-
bane Zivilisation und Demokratie
(Von der 101. Interparlamentarischen Konferenz am
15. April 1999 in Brüssel ohne Abstimmung ange-
nommene Resolution)

3. Abschreibung der Staatsverschuldung stark ver-
schuldeter Armer Länder (HIPC)
(Von der 101. Interparlamentarischen Konferenz am
15. April 1999 in Brüssel ohne Abstimmung ange-
nommene Resolution)

4. Parlamentarische Maßnahmen, um alle Länder zu
ermutigen, den umfassenden Teststoppvertrag,
der alle Atomtests verbietet, zu unterzeichnen und
zu ratifizieren sowie weltweite und nichtdiskrimi-
nierende nukleare Nichtverbreitungsmaßnahmen
zu ergreifen und sich für die endgültige Abschaf-
fung aller Atomwaffen einzusetzen
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland
vorgelegter Resolutionsentwurf)

5. Das Problem Ballungsräume: eine weltweite Auf-
gabe für die Parlamentarier im Hinblick auf ur-
bane Zivilisation und Demokratie
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland
vorgelegter Resolutionsentwurf)

6. Übersicht über die neugewählten bzw. neuen Ex-
officio-Mitglieder des Exekutivausschusses
– Ignar Fjuk (Estland)
– Faiza Kéfi (Tunesien) als Vorsitzende des Ko-

ordinierungsausschusses des Parlamentarierinnen-
treffens

7. Übersicht über die neuen Ausschußvorsitzenden
und ihre Stellvertreter
Zum Vorsitzenden des Ausschusses für Politische
Fragen, Internationale Sicherheit und Abrüstung wur-
de erneut A. R. Zamharir (Indonesien) gewählt.
Stellvertreter wurden erneut Jaques Lefèvre (Bel-
gien) und Margaret Clarke Kwesie (Ghana)

Zum Vorsitzenden des Ausschusses für Erziehung,
Wissenschaft, Kultur und Umwelt wurde erneut
Jaime Trobo (Uruguay) gewählt. Zu seinem Stell-
vertreter wurden erneut Mavies Chidzonga (Zim-
babwe) sowie Sheila Finestone (Kanada) gewählt.

Anhang 1
Parlamentarische Maßnahmen, um alle Länder zu
ermutigen, den umfassenden Teststoppvertrag, der
alle Atomtests verbietet, zu unterzeichnen und zu ra-
tifizieren sowie weltweite und nichtdiskriminierende
nukleare Nichtverbreitungsmaßnahmen zu ergreifen
und sich für die endgültige Abschaffung aller Atom-
waffen einzusetzen
(Von der 101. Interparlamentarischen Konferenz am
15. April 1999 in Brüssel ohne Abstimmung angenom-
mene Resolution)
Die 101. Interparlamentarische Konferenz,
in dem festen Willen, zur Verhütung der Ausbreitung
von Kernwaffen in all ihren Aspekten und dem Prozeß
der allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter
strenger und wirksamer internationaler Kontrolle bei-
zutragen, um den Weltfrieden und die internationale
Sicherheit in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen
und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zu
festigen,
in Anerkennung der Schlüsselrolle des Vertrags über
die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) für die Er-
reichung der obigen Ziele und mit Genugtuung über die
1995 erfolgte Verlängerung des Vertrags für unbe-
stimmte Zeit,
unter Hervorhebung des schwerwiegenden Charakters
von Atomtests und ihrer schädlichen Auswirkungen auf
die Umwelt,
unter Betonung der Bedeutung des von den Vereinten
Nationen am 24. September 1996 verabschiedeten und
zur Unterzeichnung ausgelegten umfassenden Test-
stoppvertrags (CTBT),
die Notwendigkeit unterstreichend, eine Vereinbarung
über das Verbot der Herstellung von Spaltstoffen für
Kernwaffen oder andere nukleare Sprengkörper zu errei-
chen,
in Erinnerung an die jüngsten Resolutionen der IPU
über Abrüstung und Nichtverbreitung von Kernwaffen,
insbesondere die von der 94. (1995 in Bukarest),
91. (1994 in Paris) und der 89. Interparlamentarischen
Konferenz (1993 in Neu-Delhi) verabschiedeten Resolu-
tionen,
überzeugt von der unbedingten Notwendigkeit, alle
Massenvernichtungswaffen zu beseitigen,
geleitet von dem Gefühl der Verantwortung für das
Geschick der Menschheit,

Drucksache 14/1387 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

A. Nukleare Nichtverbreitung
1. fordert alle Staaten, die dies noch nicht getan haben,

nachdrücklich auf, den Vertrag über die Nichtver-
breitung von Kernwaffen (NVV) zu unterzeichnen
und ihm beizutreten;

2. appelliert an die dem NVV beigetretenen Staaten,
den Beschluß der NVV-Überprüfungs- und Verlän-
gerungskonferenz zu den Grundsätzen und Ziel-
setzungen der nuklearen Nichtverbreitung und Ab-
rüstung voll umzusetzen;

3. fordert mit Nachdruck die universelle Anwendung
der von der Internationalen Atomenergiebehörde
(IAEA) verwalteten umfassenden nuklearen Safe-
guards und die Befolgung des Zusatzprotokolls von
1997 zum Ausbau der bestehenden Safeguards;

4. fordert den Ausbau der Kontrollen, um die Weiter-
gabe kernwaffenfähiger Materialien und Ausrüstun-
gen zu verhindern, während gleichzeitig die interna-
tionale Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung
der Kernenergie durch die dem NVV beigetretenen
Staaten zu fördern ist;

B. Der umfassende Teststoppvertrag
5. fordert die Einstellung aller Kernwaffenversuche

sowie die Unterzeichnung und Ratifizierung des
umfassenden Teststoppvertrags (CTBT) durch alle
Staaten;

6. fordert die Regierungen der ratifizierenden Staaten
auf, den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu
ersuchen, vor der NVV-Überprüfungskonferenz im
Jahre 2000 gemäß Artikel XIV (2) des CTBT eine
Tagung einzuberufen, um „... das frühzeitige In-
krafttreten des Vertrages (zu erleichtern)“;

7. ist der Auffassung, daß es wichtig ist, ein Abkom-
men über die Schließung und Aufhebung aller
Kernwaffentestgelände zu erreichen;

C. Der „Cut-Off“-Vertrag
8. fordert die Aufnahme und den baldigen Abschluß

von Verhandlungen über einen nichtdiskriminie-
renden, multilateralen und international und effektiv
verifizierbaren Vertrag über das Verbot der Pro-
duktion von Spaltmaterial für Kernwaffen oder an-
dere Kernsprengkörper („Cut-Off“-Vertrag) auf der
Grundlage des Berichts des Sonderkoordinators der
Abrüstungskonferenz und des darin enthaltenen
Mandats;

D. Kernwaffenfreie Zonen
9. begrüßt die Errichtung kernwaffenfreier Zonen in

verschiedenen Teilen der Welt als wichtigen Schritt
zur Verwirklichung des Ziels einer kernwaffenfreien
Welt;

10. unterstützt die bestehenden kernwaffenfreien Zonen
in Lateinamerika, dem Südpazifik, Afrika und Süd-
ostasien;

11. fordert den Abschluß der Verhandlungen über die
Errichtung einer kernwaffenfreien Zone in Zentral-
asien;

12. fordert außerdem die Beseitigung von Kernwaffen
und Verhandlungen über die Errichtung einer kern-
waffenfreien Zone im Nahen Osten;

13. fordert darüber hinaus Verhandlungen im Hinblick
auf die Errichtung einer kernwaffenfreien Zone in
Mittel- und Osteuropa;

14. fordert schließlich Verhandlungen über die Errich-
tung kernwaffenfreier Zonen in anderen Teilen der
Welt, wo es solche Zonen nicht gibt;

15. fordert alle Kernwaffen besitzenden Staaten auf, den
Status kernwaffenfreier Zonen zu achten;

E. Nichtverbreitung von Raketen
16. fordert den Ausbau des Raketentechnologie-Kon-

trollregimes (MTCR) auf dem Wege über einen in-
ternationalen nichtdiskriminierenden und transpa-
renten Rahmen, um die Gefahr einer Verbreitung
von Raketen zu verringern, die als Träger von Mas-
senvernichtungswaffen dienen können;

F. Nukleare Abrüstung
17. fordert mit Nachdruck die Beschleunigung des nu-

klearen Abrüstungsprozesses, wie er in Artikel VI
NVV, den Beschlüssen der NVV-Überprüfungs- und
Verlängerungskonferenz und dem Rechtsgutachten
des Internationalen Gerichtshofs von 1996 verlangt
wird;

18. nimmt die Bemühungen zur Kenntnis, die die Rus-
sische Föderation und die Vereinigten Staaten von
Amerika im Rahmen des START I- und des
START II-Vertrages unternommen haben, um eine
einschneidende Verringerung ihrer Kernwaffen-
arsenale zu erreichen; appelliert an die russische
Seite, den START II-Vertrag zu ratifizieren und
appelliert außerdem an beide Seiten, demnächst
Verhandlungen über einen START III-Vertrag auf-
zunehmen;

19. fordert Verhandlungen über die Verminderung und
schließliche Beseitigung taktischer Kernwaffen;

20. begrüßt die laufende Unbrauchbarmachung von
Kernwaffen und stellt die Bedeutung des sicheren
und effektiven Umgangs mit den dabei gewonnenen
Spaltstoffen fest;

21. unterstützt die Bemühungen um die Errichtung eines
Forums im Rahmen der Abrüstungskonferenz zur
Ermittlung und Prüfung nuklearer Abrüstungsmaß-
nahmen für multilaterale Verhandlungen;

22. fordert den Verzicht auf den Einsatz oder die An-
drohung des Einsatzes von Kernwaffen.

*) Die Delegation Indiens sprach sich gegen die Reso-
lution aus.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/1387

Anhang 2
Das Problem Ballungsräume: eine weltweite Aufgabe
für die Parlamentarier im Hinblick auf urbane Zivili-
sation und Demokratie
(Von der 101. Interparlamentarischen Konferenz am
15. April 1999 in Brüssel ohne Abstimmung angenom-
mene Resolution)
Die 101. Interparlamentarische Konferenz,
in Kenntnis dessen, daß die Hälfte der Weltbevöl-
kerung wegen des explosiven Wachstums der Städte
und der stetigen Bevölkerungszunahme zu Anfang des
dritten Jahrtausends in städtischen Ballungsgebieten
leben wird,
in Anbetracht der Tatsache, daß Städte eine der trei-
benden Kräfte des generellen wirtschaftlichen und so-
zialen Fortschritts der Nationen sind und die Verstädte-
rung im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung einem
großen Teil der Bevölkerung eine Verbesserung der
Lebensqualität gebracht hat, indem sie allen Bürgern,
insbesondere den Kindern, einen leichteren Zugang zu
Bildung, Sozialeinrichtungen und gesundheitlicher Ver-
sorgung sowie die Teilnahme am kulturellen, politischen
und religiösen Leben ermöglicht hat,
in der Überzeugung, daß das Fortschrittspotential im
städtischen Raum nur voll ausgeschöpft werden kann,
wenn dauerhafte Lösungen für die schwerwiegenden
Probleme gefunden werden, die durch die Konzentration
der Bevölkerung und großstadtspezifischer Aktivitäten
verursacht werden, wie z.B.:
• Mangel an Wohnraum und Unzulänglichkeit der vor-

handenen Wohnungen;
• Umweltbelastungen in Stadtgebieten und im Umland;
• Mangel an oder Knappheit von Wasserressourcen

oder Kläranlagen;
• Verfall der Bausubstanz und der Baudenkmäler;
• unzulängliche Infrastruktur;
• hohe Arbeitslosenquote;
• unzureichende soziale Grundversorgung, insbeson-

dere bei der Kinderbetreuung und der Versorgung der
alten Menschen sowie ungenügender Zugang aller
Bürger, vor allem der Kinder, zu Bildung und Ge-
sundheitsversorgung;

• Überlastung der Verkehrsinfrastruktur;
• mit der Überalterung der Bevölkerung zusammenhän-

gende Probleme;
• unsichere Lebensmittelversorgung;
• für die Erfüllung der Aufgaben unzureichende Finanz-

mittel der Kommunen;
• Anstieg der Kriminalität;
• Prostitution, sexuelle Ausbeutung von Kindern und

Drogenmißbrauch;
• erhöhte Gefährdung durch Naturkatastrophen und von

Menschen verursachte Notsituationen;

beunruhigt über:
• die unzureichende Teilnahme der Frauen an der

politischen Entscheidungsfindung, gerade auch auf
kommunaler Ebene, so daß die getroffenen Entschei-
dungen nicht die Bedürfnisse der Frauen berücksich-
tigen;

• die Tatsache, daß berufstätigen Frauen immer noch
oft nur untergeordnete Arbeiten zugewiesen werden
und sie nicht angemessen bezahlt werden, daß viele
Frauen am Arbeitsplatz Belästigungen ausgesetzt sind
und die wirtschaftliche Umstrukturierung sich in vie-
len Ländern nachhaltig auf die Beschäftigungslage
der Frauen ausgewirkt hat;

• die Erkenntnis, daß die Frauen nach wie vor die Last
der Haushaltsführung und der Versorgung der Familie
zu tragen haben, wohingegen die Sozialprogramme
nicht auf die Doppelrolle der Frauen als Erwerbstätige
und Hausfrauen abgestellt sind;

• die für arbeitslose Frauen bestehenden Schranken,
darunter mangelnde Schul- und Berufsbildung,
Diskriminierung bei der Einstellung und unzurei-
chende Kreditvergabe für den Aufbau eigener Unter-
nehmen;

zutiefst besorgt, daß alle diese Probleme in erster Linie
die armen und anfälligen Schichten der Gesellschaft (alte
Menschen, Frauen, Kinder, Behinderte) betreffen und
gleichzeitig eine ständige Bedrohung des Lebens aller
Großstadtbewohner unabhängig von ihrer gesellschaft-
lichen Schicht darstellen,
in Kenntnis dessen, daß die Entwicklungsländer, in
denen sich die meisten Großstädte unseres Planeten be-
finden, als erste unter den negativen Wirkungen der Ver-
städterung zu leiden haben, die eher auf die Landflucht
als auf die Wachstumsraten der Bevölkerung zurückzu-
führen sind, aber auch in Anbetracht der Tatsache, daß
die entwickelten Staaten ebenfalls in Verbindung mit
den Megastädten vor größeren, wenn auch anderen Pro-
blemen stehen,
besorgt darüber, daß die schnellere „Verstädterung“
der Armut und die immer tiefere Kluft zwischen arm und
reich in den großen Städten die Solidarität gefährden und
die Gefahr verstärken, daß ein Teil der städtischen Be-
völkerung ausgesondert und an den Rand gedrängt wird,
so daß es zu einer sozialen Entmischung kommt,
in Besorgnis über die in den letzten Jahren erfolgte
Zunahme der Konflikte und Kriege, die nach wie vor auf
der ganzen Welt zur Zerstörung von Wohnungen und
Heimstätten von Millionen von Menschen führen,
unter Hinweis auf die Unterstützung, die die IPU der
weiteren Umsetzung der Entscheidungen der Konferenz
der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung
(Rio de Janeiro, Juni 1992), der Internationalen Konfe-
renz über Bevölkerung und Entwicklung (Kairo,
September 1994), des Weltgipfels für Soziale Ent-
wicklung (Kopenhagen, März 1995), der Vierten Welt-
frauenkonferenz (Peking, September 1995) und des
Welternährungsgipfels (Rom, November 1996) gewährt
hat,

Drucksache 14/1387 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

unter besonderem Hinweis auf den Beitrag der IPU zu
der Vorbereitung der Zweiten Konferenz der Vereinten
Nationen über menschliche Siedlungen (Istanbul, Juni
1996), bei der es um die Probleme menschlicher Sied-
lungen im allgemeinen und großer Städte im besonderen
ging sowie die Maßnahmen der Union zur Förderung der
Umsetzung der auf dieser Konferenz beschlossenen Ver-
pflichtungen und Entscheidungen auf nationaler und in-
ternationaler Ebene,
außerdem daran erinnernd, daß die Resolution mit
dem Titel „Parlamentarische Unterstützung der Zweiten
Konferenz der Vereinten Nationen über menschliche
Siedlungen (Habitat II) (Istanbul, Juni 1996), die von
dem Interparlamentarischen Rat auf seiner 158. Sitzung
(Istanbul, 20. April 1996) verabschiedet wurde, insbe-
sondere der operative Absatz 4, darauf hinweist, daß
viele Probleme menschlicher Siedlungen gesetzgeberi-
sche Maßnahmen erfordern werden und der Beteiligung
der nationalen Parlamente und ihrer Mitglieder an der
Umsetzung der Verpflichtungen von Habitat II darum
entscheidende Bedeutung zukommen wird;
mit dem Ausdruck ihrer Anerkennung für die Tätigkeit
des Zentrums der Vereinten Nationen für menschliche
Siedlungen, die dieses in Zusammenarbeit mit seinen
Partnern im System der VN durchführt, um im Geiste
der Habitat-Agenda städtische Räume zu fördern, die
produktive, gerechter und nachhaltiger sind,
1. fordert die nationalen Parlamente nachdrücklich auf:

(a) die volle Bewußtwerdung über die positive Rolle,
die die Städte in der Welt als Quelle sozialer,
wirtschaftlicher, kultureller und politische Ent-
wicklung spielen und damit über ihre Bedeutung
für eine nachhaltige Gesamtentwicklung der
menschlichen Gesellschaft zu fördern;

(b) durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen
zur Stärkung der institutionellen und finanziellen
Fähigkeit der Regierungen beizutragen, die Ver-
pflichtungen der zweiten Konferenz der Ver-
einten Nationen über menschliche Siedlungen
(Habitat II) praktisch umzusetzen und zu über-
wachen, wie diese Verpflichtungen auf einzel-
staatlicher Ebene angewandt werden;

(c) in der Frage der ungesicherten Nahrungsmittel-
versorgung das Sonderprogramm der FAO für
Nahrungsmittelsicherheit zu unterstützen, das
sich unter anderem auf Probleme der Nahrungs-
mittelerzeugung in Städten und in deren Umland
konzentriert und sich mit den Engpässen
der Nahrungsmittel-Versorgungs- und -Vertriebs-
Systeme auseinandersetzt;

(d) einzelstaatliche Gesetze zu verabschieden, zu
verbessern und zu ergänzen, um für eine nach-
haltige Stadtentwicklung förderliche Bedingun-
gen zu schaffen, insbesondere durch die Ver-
pflichtung:
– in den Industriestaaten wie in den Entwick-

lungsländern der Notwendigkeit zu entspre-
chen, die örtliche Selbstverwaltung, die sy-
stematische Anwendung des Subsidiaritäts-

prinzips und die Dezentralisierung der Ver-
antwortung sowie die entsprechenden finan-
ziellen und personellen Mittel der örtlichen
Stellen zu stärken und eine größere Beteili-
gung der Bevölkerung zu fördern;

– die Privatwirtschaft ihrer Länder dazu anzu-
halten zu investieren und sich an der Lösung
der Probleme der großen Städte zu beteiligen
sowie vorrangig an dringlichen Aufgaben teil-
zunehmen, wie dem Bau und der Sanierung
von Wohnungen und der Infrastruktur, dem
Management von Haushalts- und Industrieab-
fällen, der Bereitstellung einer angemessenen
Versorgung mit Wasser guter Qualität, der
Schaffung von Arbeitsplätzen, der Erbringung
grundlegender Dienstleistungen usw.;

– insbesondere in den Entwicklungsländern ein
für Auslandsinvestitionen günstiges und sta-
biles Klima zu schaffen, das auf einer ausge-
wogenen Komplementarität zwischen dem
ländlichen Raum und den Städten beruht;

– die gesetzgeberischen Maßnahmen zu verschär-
fen, um die im städtischen Raum auftretenden
Probleme Kriminalität, Prostitution, sexuelle
Ausbeutung von Kindern und Drogenmiß-
brauch zu verhüten und zurückzudrängen;

– durch Verhinderung umweltschädlicher Akti-
vitäten, Unterstützung im Umweltschutz täti-
ger öffentlicher Einrichtungen und Vereini-
gungen und Aufstockung der finanziellen und
technischen Mittel für die Erhaltung der Um-
welt für eine gesunde Umwelt in den großen
Städten und in ihrem Umland zu sorgen;

– Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederher-
stellung des baulichen Erbes der Städte zu för-
dern, um ihre Identität zu bewahren und die
geistige und kulturelle Besonderheit eines je-
den Volkes zu sichern;

– die städtischen sozialen Einrichtungen – ins-
besondere das Gesundheitswesen und den Bil-
dungssektor – mit neuem Leben zu erfüllen;

(e) staatlichen Stellen aller Ebenen, auch den kom-
munalen Behörden, die für eine nachhaltige
Stadtentwicklung benötigten Haushaltsmittel zu-
zuteilen;

(f) die für den wirtschaftlichen, sozialen und kultu-
rellen Fortschritt des ländlichen Raums erforder-
lichen gesetzgeberischen Maßnahmen zu verab-
schieden und die dafür benötigten Haushaltsmit-
tel zuzuteilen, um so zu einer Verringerung der
Kluft zwischen Städten und Dörfern, dem Aus-
gleich der Wanderbewegungen zwischen Land
und Stadt und einer Verhütung der Übervölke-
rung der Großstädte beizutragen;

(g) in der Gesetzgebung der Rolle der Frauen und ih-
rem Beitrag zum Leben in den großen Städten
sowie der Notwendigkeit Rechnung zu tragen,
eine wirkliche Partnerschaft zwischen Mann und

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/1387

Frau bei der Gestaltung und Umsetzung der
Stadtentwicklungspolitik zu fördern und darum
darauf zu achten, daß der Grundsatz der Chan-
cengleichheit angewandt wird; ferner die beson-
deren Bedürfnisse der städtischen Frauen durch
folgende Maßnahmen anzuerkennen:
– Ergreifung von Maßnahmen zur Erhöhung der

Zahl der insbesondere auf kommunaler Ebene
an der politischen Entscheidungsfindung be-
teiligten Frauen, ob nun in Beobachterfunktion
oder in Wahlämtern;

– Verabschiedung besonderer Gesetze zur För-
derung der Gleichheit, Beendigung der Diskri-
minierung von Frauen und vor allem zur
Sicherstellung gleichen Lohns für gleiche
Arbeit;

– Änderung von Gesetzen und Geschäftsprakti-
ken, die Frauen diskriminieren, darunter das
Erbrecht, das Recht auf Grundbesitz und auf
Zuteilung von Wohnraum;

– Sicherstellung von Krediten für Frauen, ob
über spezielle Fonds oder aus der Privat-
wirtschaft;

– Berücksichtigung der Sicherheitsbedürfnisse
städtischer Frauen, und zwar sowohl bei der
Stadtplanung als auch durch Einrichtung von
Frauenhäusern für weibliche Gewaltopfer;

(h) den gesetzlichen Rahmen für den Schutz aller in
großen Städten lebenden unterprivilegierten und
verletzlichen sozialen Gruppen zu schaffen oder
zu verbessern und dabei unter anderem
– zu verhindern, daß sie Opfer einer Diskrimi-

nierung oder Marginalisierung werden;
– ihnen den Zugang zu angemessenem Wohn-

raum, Beschäftigung, Erziehung, Gesundheits-
versorgung, grundlegenden Sozialeinrichtun-
gen, Infrastrukturen usw. zu erleichtern;

– sie zur aktiven Teilnahme an der Gestaltung
der Stadtentwicklungspolitik anzuregen;

(i) zur Schaffung eines Umfeld beizutragen, daß
dem Aufbau einer Zusammenarbeit zwischen den
Staaten, ihren städtischen Akteuren und den zu-
ständigen regionalen und weltweiten Gremien
förderlich ist, um so die Ziele der Habitat-
Agenda möglichst bald zu erreichen;

(j) den Ausbau der technischen und finanziellen
Unterstützung von Großstädten in Entwick-
lungsländern zu fördern;

2. fordert die Parlamentarier auf,
(a) für die systematische Anwendung der Grundsätze

guter Regierungsführung zu sorgen, um die Trans-
parenz, Rechenschaftspflicht, Effektivität und
partizipative Ausrichtung der Lenkung und Ver-
waltung großer Städte als Grundvoraussetzungen
für ihre nachhaltige Entwicklung sicherzu-
stellen;

(b) Kontakte und den Dialog zwischen Bürgern,
kommunalen Behörden und zuständigen natio-
nalen Gremien zu fördern, um die Schwierigkei-
ten zu lösen, denen sich die städtischen Gemein-
schaften gegenübersehen;

(c) Partnerschaften zu fördern, die alle engagierten
und betroffenen Akteure – die Privatwirtschaft,
die Kommunalbehörden, die Bürgergesellschaft
unter Einschluß der Nichtregierungsorganisa-
tionen, des Staates sowie regionaler und interna-
tionaler Organisationen – in die Ausgestaltung
und Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsstrate-
gien für Großstädte einbeziehen;

(d) den Austausch von Informationen, Erfahrungen
und Know-how zwischen kommunalen Behörden
auf nationaler und internationaler Ebene zu för-
dern;

(e) sich für die Einführung nationaler und örtlicher
Systeme zur Erfassung, Verarbeitung und Nut-
zung von Daten über Lebensbedingungen und
Trends in den Städten als Grundlage für kohä-
rente Strategien und Programme zur nachhaltigen
Entwicklung von Großstädten einzusetzen;

(f) sich zur nachhaltigen Entwicklung in Stadtge-
bieten zu verpflichten und dazu nachhaltige For-
men der Produktion, des Konsums, des Verkehrs
und der Siedlungsstrukturen, außerdem den vor-
beugenden Umweltschutz, die Beachtung der
Belastbarkeit von Ökosystemen und die Erhal-
tung der Chancen künftiger Generationen zu för-
dern;

3. richtet die dringende Aufforderung an die Industrie-
staaten, den Versuch zu unternehmen, 0,7 % ihres
BSP für die Entwicklungshilfe aufzuwenden, wie
dies von den Vereinten Nationen empfohlen und
in dem von der IPU angenommenen Aktionsplan von
Brasilia unterstützt wurde und bittet die internationa-
len Finanzinstitutionen, die Privatwirtschaft und
bilaterale wie auch multilaterale Hilfsorganisationen,
zusätzliche Mittel für die Konsolidierung der natio-
nalen Anstrengungen zur Lösung der Probleme der
Großstädte bereitzustellen;

4. richtet die dringende Aufforderung an die nationalen
Parlamente und Parlamentarier, alle Mechanismen
der parlamentarischen Diplomatie einzusetzen, um
Frieden und Stabilität zu fördern, Konfliktherde zu
beseitigen und aktuelle Konflikte schnell zu beenden,
um so die Gefahr des Verlusts von Menschenleben,
der Auslöschung historischer und kultureller Werte
und des Verfalls der Umwelt und des baulichen Erbes
in städtischen Zentren zu verringern;

5. empfiehlt der IPU und den nationalen Parlamenten,
die Tätigkeiten des Zentrums der Vereinten Natio-
nen für menschliche Siedlungen zu unterstützen und
einen größeren Beitrag zu den Aktivitäten und Pro-
grammen der Vereinten Nationen und ihrer auf dem
Gebiet der nachhaltigen Entwicklung tätigen Gremi-
en zu leisten.

Drucksache 14/1387 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Anhang 3
Abschreibung der Staatsverschuldung stark ver-
schuldeter Armer Länder (HIPC)
(Von der 101. Interparlamentarischen Konferenz am
15. April 1999 in Brüssel ohne Abstimmung angenom-
mene Resolution)
Die 101. Interparlamentarische Konferenz,
in Anerkennung und Würdigung der von großen Ge-
berländern über den Internationalen Währungsfonds und
der Weltbank ergriffenen HIPC-Initiative über den
Schuldenerlaß für hochverschuldete arme Staaten,
besorgt über die langsame und begrenzte Umsetzung
der Initiative,
in großer Sorge darüber, daß mehrere arme Staaten
ihre Auslandsschulden nicht bedienen können,
außerdem zutiefst besorgt darüber, daß die Schulden-
last das Wirtschaftswachstum und die Erbringung
lebenswichtiger sozioökonomischer Leistungen in diesen
Staaten hemmt und in einigen Fällen ganz verhindert,
in dem Bewußtsein, daß der Würgegriff der Armut in-
nerhalb der Staaten und Regionen eine Quelle von Insta-
bilität und Konflikten bedeutet, wodurch das Ziel des
Weltfriedens schwer erreichbar wird,
zutiefst betrübt über die entsetzliche Armut und Ent-
behrung in vielen Gemeinschaften und über deren Folgen
für das Leben ihrer Mitglieder, insbesondere der schwäch-
sten unter ihnen (Frauen, Kinder und alte Menschen),
in dem Bewußtsein, daß die Schuldenlast der armen
Staaten vielfach ein Erbe der geschichtlichen Bedingun-
gen des Kolonialismus und fremder Oberherrschaft dar-
stellt und ferner in dem Wissen um das in einigen
Schuldner- und Gläubigerstaaten bestehende Problem
der Korruption,
in der Erkenntnis der Dringlichkeit dieser Frage, wie
sie aus dem hohen Maß an Aufmerksamkeit deutlich
wird, die von Regierungen von Geberstaaten, Parlamen-
ten, multilateralen Einrichtungen und Bürgerinitiativen
auf der ganzen Welt dem Problem der HIPC gegenwärtig
entgegengebracht wird,
mit Genugtuung über die Bemühungen von Schuld-
nerländern, ungeachtet der oft damit verbundenen kurz-
fristigen sozialen Auswirkungen ihre Wirtschaftsrefor-
men sowie Stabilisierungs- und Strukturanpassungs-
programme fortzuführen,
in Erinnerung an die einschlägigen Passagen früherer
Resolutionen der IPU, insbesondere der im September
1992 in Stockholm angenommenen Resolution über die
„Notwendigkeit einer radikalen Lösung des Schulden-
problems in den Entwicklungsländern“ und der im April
1998 in Windhoek verabschiedeten Resolution über
„Auslandschulden als die Integration der Staaten der
Dritten Welt in den Globalisierungsprozeß begrenzender
Faktor“,
1. fordert die Gläubigerländer nachdrücklich auf, sich

grundsätzlich dazu zu verpflichten, die Staatsschulden
von HIPC möglichst bald abzuschreiben;

2. fordert die Gläubiger- und die Schuldnerstaaten auf,
zur Beschleunigung des Schuldenerlasses ein Treffen
der Regierungschefs einzuberufen;

3. empfiehlt eine Erweiterung der Auswahlkriterien für
einen Schuldenerlaß im Rahmen der HIPC-Initiative,
um andere arme oder anfällige Länder einzubeziehen,
die unter einer unerträglichen Schuldenbelastung zu
leiden haben;

4. fordert die Schuldnerländer nachdrücklich auf, nach
den Grundsätzen einer guten Regierungsführung
zu wirtschaften und transparente, nachvollziehbare
Kontrollmechanismen einzuführen, um sicherzu-
stellen, daß die Vorteile des Schuldenerlasses zur
sozioökonomischen Entwicklung ihrer Völker bei-
tragen;

5. empfiehlt, den Schuldenerlaß durchzuführen, ohne die
Volkswirtschaften anderer Staaten oder die Stabilität
der Weltfinanzmärkte zu gefährden;

6. ersucht den Generalsekretär der IPU, die Resolution
an die Weltbank und den Internationalen Währungs-
fonds weiterzuleiten und mit ihnen Möglichkeiten
einer künftigen Zusammenarbeit zu erkunden;

7. fordert den IPU-Ausschuß für nachhaltige Entwick-
lung nachdrücklich auf, die Entwicklungen im An-
schluß an diese Resolution zu verfolgen und dem In-
terparlamentarischen Rat jährlich zu berichten.

Anhang 4
Parlamentarische Maßnahmen, um alle Länder zu
ermutigen, den umfassenden Teststoppvertrag, der
alle Atomtests verbietet, zu unterzeichnen und zu ra-
tifizieren sowie weltweite und nichtdiskriminierende
nukleare Nichtverbreitungsmaßnahmen zu ergreifen
und sich für die endgültige Abschaffung aller Atom-
waffen einzusetzen
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland vor-
gelegter Resolutionsentwurf)
Die 101. Interparlamentarische Konferenz,
(1) in dem Bewußtsein, daß Atomwaffen zum

Schrecklichsten gehören, was der Mensch an Ver-
nichtungspotential je hervorgebracht hat;

(2) im Gedenken an die Opfer der Atombomben von
Hiroshima und Nagasaki;

(3) zutiefst beunruhigt über die letztjährigen atomaren
Versuche Indiens und Pakistans, die deutlich ma-
chen, daß die „Pandorabüchse nuklearer Weiterver-
breitung“ nach wie vor offen ist;

(4) in der Gewißheit, daß alles Menschenmögliche ge-
tan werden muß, damit diese Waffen nie mehr ein-
gesetzt werden;

(5) daran erinnernd, daß der Eckpfeiler des nuklearen
Nichtverbreitungsregimes, der Nichtverbreitungs-
vertrag (NVV), seit dem 5. April 1970 in Kraft ist;

(6) die Tatsache begrüßend, daß diesem Vertrag bisher
187 Staaten beigetreten sind;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/1387

(7) aber beklagend, daß Abrüstung und Rüstungskon-
trolle seit dem Ende des Kalten Krieges, trotz er-
folgreichem Abschluß so wichtiger Verträge wie
KSE, CTBT, CWÜ, APM und NVV-Verlängerung,
nicht mehr prioritär auf der internationaler Politik-
Agenda stehen und wichtige Abrüstungsabkommen
und -verhandlungen stagnieren;

(8) in der Überzeugung, daß deutliche Perspektiven für
einen graduellen Prozeß der nuklearen Abrüstung
bestehen und daß Fortschritte bei der atomaren
Rüstungskontrolle erforderlich und erreichbar sind;

(9) mit Nachdruck erinnernd an die Resolution der
91. Interparlamentarischen Konferenz zur Bedeu-
tung der Beachtung der im Nichtverbreitungsvertrag
festgelegten Verpflichtungen (Paris, März 1994);

(10) in dem Bewußtsein, daß das Schicksal der Mensch-
heit im kommenden Jahrhundert davon abhängt,
daß es gelingt, zu einer globalen kooperativen Ord-
nung zu kommen, die auf der Grundlage der
Gleichberechtigung und nicht der militärischen
Stärke fußt;
1. richtet an die Parlamentarier aller Länder den

Appell, die in dieser Resolution genannten
Forderungen, Initiativen, Vorschläge und An-
regungen bestmöglich aufzugreifen und auf
vielfache Weise – bei Gesetzgebungstätigkeit,
Regierungskontrolle, internationalen Kontak-
ten – und in ihrer gesamten Tätigkeit zu unter-
stützen;

2. appelliert an die noch abseits zum NVV ste-
henden Staaten, diesem Vertrag baldmöglichst
beizutreten und die Verpflichtungen aus dem
NVV vollständig zu implementieren;

3. weist die fünf Kernwaffenstaaten nachdrück-
lich auf ihre Verantwortung nach Artikel VI
NVV für die nukleare Abrüstung hin;

4. moniert, daß die fünf Kernwaffenstaaten USA,
Rußland, Frankreich, Großbritannien und
China seit Jahren den NVV nicht in der erwar-
teten Weise umsetzen;

5. würdigt den Verzicht Weißrußlands, Kasach-
stans und der Ukraine auf ihre Atomwaffen als
vorbildlichen Beitrag auf dem Weg zu einer
kernwaffenfreien Welt;

6. hebt das Beispiel Südafrika hervor, das frei-
willig auf seine Kernwaffen verzichtet hat;

7. würdigt die Bemühungen von Rußland und den
USA im Rahmen der Abrüstungsabkommen
START I und START II zur drastischen Redu-
zierung ihrer Atomwaffenarsenale;

8. appelliert aber gleichzeitig auch an die russi-
sche Seite, den START II-Vertrag rasch zu ra-
tifizieren;

9. fordert die USA und Rußland auf, bald die
Verhandlungen über ein START III-Abkom-
men aufzunehmen und, wie in der gemein-
samen Gipfelerklärung von Helsinki vom
21. März 1997 vereinbart, Gespräche über die

Reduzierung von seegestützten Marschflug-
körpern und taktischen Nuklearwaffen zu be-
ginnen;

10. begrüßt, daß die NATO seit 1990 ca. 80 % des
atomaren Potentials abgerüstet hat;

11. führt aber auch nachdrücklich vor Augen, daß
allein Rußland und die USA über rund 40 000
nukleare Sprengköpfe verfügen;

12. fordert die vorbehaltslose Durchsetzung aller
Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge;

13. bringt ihre Hoffnung zum Ausdruck, daß die
Überprüfungskonferenz zum NVV im Jahr
2000 zur Verwirklichung der Ziele der nuklea-
ren Abrüstung und Nichtverbreitung beiträgt,
wie sie im NVV und der Entscheidung über
„Grundsätze und Ziele der nuklearen Nichtver-
breitung und Abrüstung“ von 1995 niederge-
legt sind und so das auf dem NVV basierende
nukleare Nichtverbreitungsregime stärkt;

14. unterstützt die Forderung, eine etappenweise,
effektiv nachprüfbare Abschaffung aller Atom-
waffen anzustreben;

15. fordert alle Staaten dazu auf, den umfassenden
Teststoppvertrag von 1996 zu unterzeichnen
und die Ratifikationsurkunden zu hinterlegen;

16. erinnert an das Rechtsgutachten des Internatio-
nalen Gerichtshofs von 1996, das eine Pflicht
der Kernwaffenstaaten bestätigt, Verhandlun-
gen nach Artikel VI NVV fortzusetzen, die zur
atomaren Abrüstung in allen Aspekten unter
strikter und effektiver internationaler Kontrolle
führen;

17. begrüßt die Schaffung atomwaffenfreier Zonen
in verschiedenen Regionen der Welt als Vor-
stufen und Wegbereiter des Ziels einer kern-
waffenfreien Welt;

18. hält folgende Maßnahmen zur nuklearen Risi-
koreduzierung und Vertrauensbildung für sinn-
voll und notwendig:
– wissend um die zur Zeit bestehenden diver-

gierenden politischen Meinungen, auf den
Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaf-
fen bei allen Kernwaffenstaaten (no-first-
use) hinzuwirken;

– Verringerung des Bereitschaftsgrades bei
den strategischen Nuklearverbänden der
Kernwaffenstaaten (dealerting);

– Abkommen über die Entfernung der Kern-
sprengköpfe von den Trägersystemen und
ihre getrennte, sichere Lagerung;

– Weiterentwicklung der 1997 vereinbarten
„Richtlinien für den Umgang mit Pluto-
nium“ unter anderem im Hinblick auf grö-
ßere Transparenz und Kontrollmöglichkei-
ten bei den aus der Abrüstung frei werden-
den Plutoniumbeständen;

– Schaffung eines Kernwaffenregisters bei
den Vereinten Nationen;

Drucksache 14/1387 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– Offenlegung der nationalen und bündnisin-
ternen Verteidigungshaushalte einschließ-
lich der Ausgaben für Nukleartechnik;

– Vertrag über ein Verbot zur Entwicklung
und Produktion qualitativ neuer Kern-
sprengköpfe;

– Vertrag zur verifizierten Zerlegung von nu-
klearen Sprengköpfen;

– Abkommen über die Schließung aller
Atomtestgelände nach dem Vorbild Frank-
reichs;

– Vertrag über ein Verbot der Produktion von
Spaltmaterial für Kernwaffen oder anderen
Kernsprengkörper (Cut-Off);

19. bittet die Staaten eindringlich, bis zum Zustan-
dekommen eines Cut-Off-Vertrages ein Mora-
torium über die Produktion von spaltbarem
Material für Kernwaffen oder andere Kernwaf-
fenkörper einzuhalten;

20. ruft diejenigen Staaten, die entsprechende Ver-
einbarungen noch nicht getroffen haben, dazu
auf, sich für „full-scope safeguards“ der IAEO
zu unterwerfen und den ergänzenden Proto-
kollen auf der Basis des Modellprotokolls des
IAEO Board of Governors vom 15. Mai 1997
beizutreten;

21. sieht mit großer Sorge die Rüstungsbemühun-
gen zur Fortentwicklung der Trägertechnologi-
en für Massenvernichtungswaffen;

22. fordert angesichts der letztjährigen Atom-
waffenversuche Pakistans und Indiens diese
Staaten auf, ihre Anstrengungen zur Herstel-
lungen atomarer Waffensysteme aufzugeben;

23. fordert den Aufbau regionaler Sicherheits-
systeme, um Proliferationsgefahren einzudäm-
men;

24. schlägt vor, an die nuklearen Katastrophen von
Hiroshima und Nagasaki durch jährliche welt-
weite Gedenktage zu erinnern;

25. regt ferner an, daß Vertreter aller Staaten sich
in einem bestimmten Turnus in Hiroshima und
Nagasaki zu einer Konferenz für Frieden und
Abrüstung versammeln;

26. fordert alle Staaten auf, durch landesweite
Ausstellungen und Veranstaltungen das Ge-
denken an die Opfer von Hiroshima und
Nagasaki wachzuhalten und die atomare Ge-
fahr bewußtzumachen;

27. erinnert an die Folgen des Kernreaktorunfalls
von Tschernobyl und weist mit größtem Ernst
darauf hin, daß im Falle eines Atomwaffenein-
satzes die Erdatmosphäre verseucht würde und
Leben und Lebensraum für Hunderte von Mil-
lionen von Menschen ausgelöscht würden;

28. führt nachdrücklich die Ergebnisse einer US-
Studie von Ende 1998 vor Augen, die belegt,

daß die medizinischen Folgen der bisherigen
weltweiten Atomtests noch weit schwerwie-
gender sind als angenommen wurde;

29. unterstützt die Ziesetzung der Gemeinsamen
Erklärung der Außenminister Brasiliens,
Ägyptens, Irlands, Mexikos, Neuseelands,
Sloweniens, Südafrikas und Schwedens vom
9. Juni 1998 zur Erreichung einer von Nukle-
arwaffen freien Welt;

30. erinnert ebenfalls daran, daß bereits im Januar
1946 die Generalversammlung der Vereinten
Nationen eine Kommission forderte, die Vor-
schläge für „eine Beseitigung der Atomwaffen
und aller anderen bisherigen“ Massenvernich-
tungswaffen „aus den nationalen Rüstungen“
erarbeiten sollte;

31. zollt hohen Respekt der Begründung Brasiliens
bei Unterzeichnung des Nichtverbreitungs- und
des Teststoppabkommmens im Jahr 1998, daß
es nicht Geld in unheilvolle Waffenprojekte
stecken, sondern in die Armutsbekämpfung
und in die Stabilität, Entwicklung sowie Ver-
minderung der sozialen und regionalen Un-
gleichheiten investieren wolle.

Anhang 5
Das Problem Ballungsräume: eine weltweite Aufgabe
für die Parlamentarier im Hinblick auf urbane Zivili-
sation und Demokratie
(Von der Gruppe der Bundesrepublik Deutschland vor-
gelegter Resolutionsentwurf)
Die 101. Interparlamentarische Konferenz der IPU vom
10. bis 16. April 1999 in Brüssel:
– in dem Wissen, daß bereits heute weltweit 2,3 Mil-

liarden Menschen in städtischen Ballungsgebieten le-
ben und sich diese Zahl nach Schätzung der UNO im
Jahre 2025 verdoppelt haben wird, so daß dann mehr
als zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben
wird, die Zahl der Millionenstädte auf 516 und die
Zahl der sog. Megastädte mit über 8 Millionen Ein-
wohnern auf 33 – allein 27 Städte in den Entwick-
lungsländern – gestiegen sein werden,

– in der Erkenntnis, daß der städtische Ballungsraum
der wichtigste Lebensraum des Menschen in der Zu-
kunft sein und daß sich dort maßgeblich entscheiden
wird, wie wir diese Welt den nachfolgenden Genera-
tionen überlassen werden,

– in tiefer Besorgnis über die zunehmende Bündelung
sozialer Konflikte sowie wirtschaftlicher und ökologi-
scher Aspekte in den schnell wachsenden Städten un-
serer Zeit,

– aus der Erkenntnis heraus, daß die ausreichende Ver-
sorgung der Menschen mit Trinkwasser, Nahrung und
angemessenem Wohnraum eine entscheidende Vor-
aussetzung für das friedliche Zusammenleben auf der
Welt – insbesondere in den Ballungsgebieten – dar-
stellt,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/1387

– in Erkenntnis der Notwendigkeit, die wachsende psy-
chische und soziale Verarmung in den Städten zu be-
kämpfen, um eine Radikalisierung zu bekämpfen,

– in dem Bewußtsein, daß auch in den Industrienationen
mit ihrem hohen Rohstoff-, Energie- und Verkehrs-
aufwand die Siedlungsentwicklung in den Ballungs-
gebieten nicht problemfrei verläuft, weltweit be-
trachtet aber die größten Verstädterungsprobleme in
den Entwicklungsländern bestehen, wobei dort vor
allem Sicherheiten für eine menschenwürdige Unter-
kunft, Mindeststandards infrastruktureller Versor-
gung, ausreichende Erwerbsmöglichkeiten und ge-
sunde städtische Lebensbedingungen fehlen,

– vor dem Hintergrund der wachsenden Verelendung
städtischer Randgebiete in der Dritten Welt – schon
heute leben in den Entwicklungsländern mehr als
600 Millionen Menschen in den Slums der Groß-
städte,

– in der Erwägung, daß die soziale Integrationskraft
städtischer Ballungsgebiete bislang zu sehr vernach-
lässigt worden ist und daß Städte ihren Bewohnerin-
nen und Bewohnern lokale Identität und das Gefühl
von Heimat geben können,

– in dem Bewußtsein, daß der städtische Lebensraum
als ein Ort der Begegnung, der Kommunikation, der
Kreativität, der Vielfalt und der Toleranz den Men-
schen die Chance bietet, ihr Leben nach ihren Vor-
stellungen zu gestalten und dadurch die gesellschaftli-
che Integration sowie die persönliche Freiheit und
Entwicklung fördert,

– die Chancen betonend, die eine umweltgerechte, res-
sourcenerhaltende Stadtentwicklung den Menschen
bietet,

– in der Erkenntnis, daß den enormen Herausforderun-
gen einer weltweiten nachhaltigen Siedlungsent-
wicklung nur durch abgestimmtes politisches und le-
gislatives Handeln zwischen Regierungen, Städten
und Gemeinden, privaten und freiwilligen Initiativen
sowie internationalen Organisationen begegnet wer-
den kann, wobei den speziellen regionalen und kultu-
rellen Bedürfnissen nur dann angemessen entsprochen
wird, wenn die notwendigen Entscheidungen auf star-
ken demokratischen Strukturen in der jeweiligen Ge-
meinde beruhen und deren Durchsetzung ausreichend
finanziell und institutionell abgesichert ist,
1. fordert die Mitglieder der IPU dazu auf, in inter-

nationaler Zusammenarbeit darauf hinzuwirken,
eine globale Bewußtseinsbildung von sozialen,
wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten auf
nationaler und lokaler Ebene zu fördern,

2. appelliert an die internationale Staatengemein-
schaft, in ihrem Bemühen nicht nachzulassen, den
Teufelskreis von Armut, Hunger, Wohnungsnot,
mangelnder Bildung, Arbeitslosigkeit, Gewalt
und Gleichgültigkeit gegenüber den Mitmen-
schen, der Kreatur und der Umwelt, der sich aus
einem unkontrollierten Verstädterungsprozeß er-
geben kann, zu durchbrechen,

3. regt an, daß die Parlamente
(1) sich weltweit für eine nachhaltige Siedlungs-

entwicklung einsetzen und dafür Sorge tra-
gen, die Lebensverhältnisse in den Ballungs-
räumen langfristig und dauerhaft zu stabili-
sieren und zu verbessern, um den Menschen
dort die Grundlage für ein menschenwürdiges
Dasein zu bieten,

(2) für die Bereitstellung einer Grundversorgung
mit Wohnraum und Nahrungsmitteln, für die
Schaffung einer modernen städtischen Infra-
struktur insbesondere in den Bereichen Was-
ser, Strom, Schulwesen und Gesundheitsfür-
sorge, für eine Verbesserung des Umwelt-
schutzes, für den Ausbau ökologisch vertret-
barer Verkehrsstrukturen und Verkehrsmittel
sowie für Müllvermeidung und umweltscho-
nende Müllbeseitigung eintreten,

4. appelliert insbesondere an die Parlamente der In-
dustrienationen und ihre Mitglieder, sich für eine
Unterstützung der Entwicklungsländer durch die
internationale Gemeinschaft bei ihren Anstren-
gungen einer nachhaltigen Siedlungspolitik stark
zu machen,

5. fordert im Interesse nachhaltiger Produktions-
und Konsummuster vor allem in den Ballungs-
zentren der Industrienationen zur Entwicklung
und Förderung umweltschonender Technologien
und Konzepte auf, die auch für die besonders
problembehafteten, ständig wachsenden Bal-
lungsgebiete in der Dritten Welt nutzbar gemacht
werden und dort eine nachhaltige Stadtentwick-
lung ermöglichen können,

6. ruft die Parlamentarier dazu auf, sich für den Vor-
rang der Innenstadtverdichtung vor der Neuer-
schließung und Zersiedelung im Außenbereich
von Ballungszentren einsetzen, um die weitere
Vernichtung von landwirtschaftlichen Nutzflä-
chen für die Nahrungsmittelproduktion sowie von
ökologisch und sozial wertvollen Naherholungs-
gebieten zu verhindern,

7. regt die Schaffung lebendiger Stadtviertel an, in
denen die Menschen angstfrei und sicher wohnen,
arbeiten, einkaufen und ihre Freizeit gestalten
können,

8. tritt für eine Unterstützung regional angepaßter
Bauformen, welche auch neue gesellschaftliche
Lebens- und Wohnformen – z.B. Single-Haus-
halte und Wohngemeinschaften – berücksich-
tigen, sowie für die Schaffung von Siedlungs-
und Wirtschaftsstrukturen ein, die ein regional
orientiertes Gewerbe aus Klein- und Mittelbetrie-
ben zum Ziel haben und Arbeitsplätze vor Ort
sichern,

9. fordert alle Parlamentarier dazu auf,
(1) bei anstehenden nationalen Gesetzesvorhaben

aus dem Bereich der Siedlungs- und Um-
weltpolitik darauf hinzuwirken, daß staatliche

Drucksache 14/1387 – 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Rahmenbedingungen für eine nachhaltige
ressourcensparende und soziale Siedlungs-
entwicklung geschaffen oder gefördert wer-
den,

(2) die mit der wachsenden Verstädterung ver-
bundenen Probleme vermehrt in die öffentli-
che Diskussion zu tragen und dadurch zum
einen zu einer Bewußtseinsschärfung der Be-
völkerung in diesem Themenbereich beizu-
tragen und zum anderen das Entstehen und
die Arbeit privater Initiativen der Bewohne-
rinnen und Bewohner zur Verbesserung der
regionalen Siedlungsstruktur zu fördern,

10. unterstreicht sowohl in den Industrienationen als
auch in den Entwicklungsländern die Notwendig-
keit der Stärkung der kommunalen Selbstverwal-
tung, der konsequenten Anwendung des Prinzips
der Subsidiarität, der verstärkten Dezentralisie-
rung von Verantwortung und der entsprechenden
finanziellen und personellen Ausstattung der Ge-
meinden und regt schließlich eine verstärkte Par-
tizipation der Bevölkerung, d.h. Einbeziehung
aller gesellschaftlichen Kräfte in die politischen
Entscheidungsprozesse auf kommunaler Ebene,
an, um dadurch insbesondere in den Ballungsge-
bieten ein Signal für Demokratie, Transparenz
und bürgernahe Verwaltung zu setzen.

Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn
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