BT-Drucksache 14/1375

Schadensersatzforderungen und -prozesse des Bundes gegen das Bundesland Niedersachsen im Zusammenhang mit Baustops für das Endlager Gorleben in den Jahren 1990 bis 1994

Vom 29. Juni 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1375
14. Wahlperiode
29. 06. 99
Große Anfrage
derAbgeordneten Kurt-DieterGrill, Reinhard Freiherrvon Schorlemer, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Sylvia Bonitz, Manfred Carstens (Emstek), Cajus Caesar, Marie-Luise Dött, Dr. Hans Georg Faust, Jochen-Konrad Fromme, Georg Girisch, Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Karl-Heinz Hornhues, Eckart von Klaeden, Eva-Maria Kors, Thomas Kossendey, Dr. Martina Krogmann, Dr. Hermann Kues, Dr. Paul Laufs, Vera Lengsfeld, Walter Link (Diepholz), Erich Maaß (Wilhelmshaven), Bernward Müller (Jena), Bernd Neumann (Bremen), Franz Obermeier, Dr. Peter Paziorek, Dr. Friedbert Pflüger, Marlies Pretzlaff, Christa Reichard (Dresden), Hans-Peter Repnik, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Dr. Christian Ruck, Hans Peter Schmitz (Baesweiler), Dr.Erika Schuchardt, RudolfSeiters, WernerSiemann, Dr. RitaSüssmuth, WernerWittlich und der Fraktion der CDU/CSU
Schadensersatzforderungen und -prozesse des Bundes gegen das Bundesland Niedersachsen im Zusammenhang mit Baustopps für das Endlager Gorleben in den Jahren 1990 bis 1994
Das Land Niedersachsen verletzte in den Jahren 1990 bis 1994 durch mehrere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Erkundung des geplanten atomaren Endlagers Gorleben Interessen des Bundes. Es gab und gibt deshalb Schadensersatzforderungen des Bundes gegen das Land Niedersachsen. Die Maßnahmen der damaligen Umweltministerin Monika Griefahn wurden von der damaligen Regierung des Ministerpräsidenten Gerhard Schröder gebilligt. Dem Kabinett von Ministerpräsident Gerhard Schröder gehörte als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Zeit von 1990 bis 1994 auch der jetzige Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, an. Es besteht somit jetzt die Situation, daß die weitere Durchsetzung der Schadensersatzforderungen des Bundes gegen das Land Niedersachsen unter der Verantwortung von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, als Vertreter des Bundes zu geschehen hat. Nach einem Pressebericht könnte es um einen dreistelligen Millionenbetrag gehen, den der Bund vom Land Niedersachsen zu erhalten hat, wenn das Land Niedersachsen alle Prozesse gegen den Bund verliert (vgl. Tagesspiegel vom 8. August 1997).
Es geht um folgende Verfahren:
1. Die damalige niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn verfügte von Oktober 1990 bis Februar 1991 einen Baustopp für das geplante Endlager Gorleben. Sie begründete die Unterbrechung der Arbeiten mit Bedenken der Nachbarn des Endlagers. In dem daraufhin vom Bund geführten Schadensersatzprozeß wurde das Land Niedersachsen
in einem Urteil des Landgerichts Hannover dem Grunde nach zu Schadensersatz verpflichtet, weil es „rechtswidrig einen viereinhalb Monate dauernden Stillstand auf der Baustelle des Erkundungsbergwerks für ein Atommüllendlager in Gorleben verursacht hatte" (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. März 1996). In der Berufungsinstanz bestätigte das Oberlandesgericht Celle dieses Urteil. „Das Land hat schuldhaft seine Amtspflichten gegenüber dem Bund verletzt und damit den geltend gemachten Schaden von 10,1 Millionen Mark verursacht", urteilten die Richter. Die Widersprüche von Anwohnern gegen den Fortgang der Arbeiten hätten nach Auffassung des Gerichts keine aufschiebende Wirkung auf die Bauarbeiten haben dürfen, weil sie „offensichtlich unzulässig" gewesen seien (Kölner Stadt-Anzeiger vom 27. März 1996). Die gegen das Urteil vom Land Niedersachsen eingelegte Revision war erfolglos.
2. Auf eine weitere Klage des Bundes hin verurteilte das Landgericht Hannover im Dezember 1994 das Land Niedersachsen wegen eines zweiten in der Zeit vom 13. Mai 1991 bis 25. Juli 1991 von der damaligen Umweltministerin Monika Griefahn verfügten Baustopps betreffend das atomare Endlager Gorleben grundsätzlich zu Schadensersatz. Das Oberlandesgericht Celle wies die dagegen eingelegte Berufung zurück. „Die Richter sahen es als erwiesen an, daß das niedersächsische Umweltministerium seine Amtspflichten verletzt habe. Die Überprüfung eines Gutachtens zur Standsicherheit eines Erkundungsschachtes habe unnötig lange gedauert" (DIE WELT vom 30. Oktober 1996). Die Revision des Landes Niedersachsens gegen dieses Urteil wurde zwischenzeitlich zurückgenommen. Über die genaue Höhe des Schadensersatzes muß in einem gesonderten Gerichtsverfahren entschieden werden. Der Bund fordert rd. 5,8 Mio. DM.
3. Wegen eines weiteren von der damaligen Umweltministerin Monika Griefahn verhängten Baustopps betreffend das atomare Endlager Gorleben vom 15. September 1993 bis zum 18. April 1994 erhob der Bund wiederum Klage beim Landgericht Hannover. Es geht um Schadensersatzforderungen des Bundes in Höhe von ca. 9,6 Mio. DM.
4. Das Verwaltungsgericht Lüneburg gab in einem weiteren Schadensersatzprozeß wiederum einer Klage des Bundes gegen das Land Niedersachsen statt. Der Bund machte geltend, daß ihm durch ein 1991 ausgesprochenes bis 1994 wirksames Aufhaldungsverbot in Gorleben zusätzliche Kosten in Höhe von rd. 6 Mio. DM entstanden seien. Das Land Niedersachsen hatte den Bund zu Unrecht gezwungen, 47 000 Kubikmeter salzhaltigen Gesteins aus der Abteufung des Endlagerbergwerks Gorleben mehr als 120 km weit nach Morsleben (Sachsen-Anhalt) transportieren zu lassen. Das Verwaltungsgericht Lüneburg kam zu dem Schluß, daß das zuständige niedersächsische Bergamt schon aufgrund eines bestehenden Sonderbetriebsplanes „Salzhalde" verpflichtet gewesen sei, die Deponierung an Ort und Stelle zu genehmigen (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. Mai 1996).
5. In einem weiteren Prozeß des Bundes gegen das Land Niedersachsen entschied das Bundesverwaltungsgericht erneut zugunsten des Bundes. Die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn hatte für die Verlängerung des Betriebsplanes für das Erkundungsbergwerk zur Errichtung eines Endlagers für radioaktive Abfälle eine zusätzliche Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt, die vom Bundesverwaltungsgericht als entbehrlich betrachtet wurde.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welchen Fällen gab und gibt es zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen ab 1990 Rechtsstreitigkeiten wegen Entscheidungen der niedersächsischen Umweltministerin Monika Griefahn bzw. der von dem damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder geführten Landesregierung, mit denen der Bund vom Land Niedersachsen Schadensersatz und sonstiges wegen schuldhafter Amtspflichtverletzungen und anderer Rechtsverstöße fordert?
2. Auf welche Rechtsgrundlagen werden die Schadensersatzansprüche des Bundes jeweils gestützt?
3. In welchen Fällen liegen Gerichtsentscheidungen (aufgeschlüsselt nach Instanzen unter Angabe der Aktenzeichen) vor, die dem Bund Schadensersatzansprüche dem Grunde und/oder der Höhe nach zuerkennen?
4. Welche Fälle sind rechtskräftig entschieden, und wie ist der Verfahrensstand in den übrigen Fällen?
5. Was sind jeweils die tragenden Gründe der Gerichtsentscheidungen (nach Instanzen) in den einzelnen Verfahren, mit denen die Ansprüche des Bundes, insbesondere wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung, als begründet anerkannt wurden?
6. In welcher Höhe sind Schadensersatzforderungen des Bundes in den jeweiligen Verfahren durch Gerichtsentscheidungen bestätigt worden (bitte aufschlüsseln)?
7. Wie hoch ist der von den Gerichten jeweils festgesetzte Streitwert in den einzelnen Verfahren, und wie hoch sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen)?
8. Inwieweit wurde das Land Niedersachsen verurteilt, die Kosten der Verfahren zu tragen, und inwieweit der Bund?
9. Wie hoch sind die Kosten für Bevollmächtigte des Bundes in den Verfahren, aufgeschlüsselt nach Instanzen und insgesamt, und wer trägt sie?
10. Hat es Vergleiche gegeben, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
11. Hat es Vergleichsverhandlungen gegeben, die nicht zum Erfolg führten, und wenn ja, mit welcher Begründung hat das Land Niedersachsen es abgelehnt, einem Vergleich zuzustimmen?
12. Wie hoch sind die Sach- und Personalkosten des Bundes für diese Verfahren im einzelnen und insgesamt anzusetzen?
13. Ist oder war der Bundesrechnungshof mit den diesen Verfahren zugrundeliegenden hier erwähnten Vorgängen befaßt, und wenn ja, welche Feststellungen hat er getroffen?
14. In welcher Höhe sind die Schadensersatzforderungen des Bundes und ihm darüber hinaus zu erstattende Kosten bisher vom Land Niedersachsen beglichen worden (bitte aufschlüsseln nach Verfahren sowie Schadensersatz einerseits und Kosten andererseits)?
15. Wie lange war in denjeweiligen Verfahren der Zeitraum zwischen rechtskräftigem Urteil und Zahlung durch das Land Niedersachsen?
16. In welcher Höhe sind dem Bund dadurch (titulierte und nichttitulierte) Zinsansprüche entstanden?
17. Erfolgten Zahlungen später als 6 Wochen nach rechtskräftigem Urteil, und was sind die Gründe dafür (aufgeschlüsselt nach Verfahren)?
18. Wie hoch sind die noch ausstehenden Forderungen des Bundes gegenüber dem Land Niedersachsen in den verschiedenen Verfahren, und sind diese Bundeskanzler Gerhard Schröder bekannt?
19. Inwieweit war Bundeskanzler Gerhard Schröder seit seiner Ernennung zum Bundeskanzler mit diesen Verfahren befaßt, und was hat er bisher gegebenenfalls veranlaßt?
20. Inwieweit war Bundesminister Jürgen Trittin seit seiner Ernennung zum Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mit diesen Verfahren befaßt, und was hat er bisher ggf. veranlaßt?
Bonn, den 25. Juni 1999
Kurt-Dieter Grill Dr. Paul Laufs
Reinhard Freiherr Vera Lengsfeld
Dr. Klaus W. Lippold (Offen- Erich Maaß (Wilhelmshaven)
von Schorlemer
Walter Link (Diepholz)
Manfred Carstens (Emstek)
bach)
Sylvia Bonitz
Dr. Christian Ruck Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Dr. Erika Schuchardt Rudolf Seiters Werner Siemann Dr. Rita Süssmuth Werner Wittlich
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion
Eckart von Klaeden Eva-Maria Kors Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues

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