BT-Drucksache 14/1214

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drsn. 14/873, 14/1066, 14/1205 - Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Zweites SGB III-Änderungsgesetz - 2. SGB III-ÄndG) - zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs (PDS) - Drs. 14/208, 14/1205 - Entwurf eines Gesetzes zur Wiederherstellung des Interessenausgleichs zwischen Arbeitslosen und Beitragszahlern - Interessenausgleichsgesetz (IAG) -

Vom 23. Juni 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1214
14. Wahlperiode

23. 06. 99

Änderungsantrag
der Abgeordneten Dr. Heidi Knake-Werner, Dr. Klaus Grehn, Petra Bläss,
Dr. Ruth Fuchs, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 14/873, 14/1066, 14/1205 –

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
und anderer Gesetze (Zweites SGB III-Änderungsgesetz – 2. SGB III-ÄndG)

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Abgeordneten Dr. Heidi Knake-
Werner, Dr. Klaus Grehn, Monika Balt, Dr. Ruth Fuchs und der Fraktion der PDS
– Drucksachen 14/208, 14/1205 –

Entwurf eines Gesetzes zur Wiederherstellung des Interessenausgleichs zwischen
Arbeitslosen und Beitragszahlern – Interessenausgleichsgesetz (IAG) –

Der Bundestag wolle beschließen:
Nummer 11 erhält folgende Fassung:
„11 a § 121 wird wie folgt gefaßt:

,§ 121
Zumutbarkeit

( 1 ) Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sind die Interessen des Arbeits-
losen und die der Gesamtheit der Beitragszahler gegeneinander abzuwägen.
(2) Zu den Interessen des Arbeitslosen zählt insbesondere der Schutz vor

Einbußen bei Einkommen, Qualifikation und familiären Bindungen. Zu den
Interessen der Gesamtheit der Beitragszahler zählt insbesondere die Been-
digung des Versicherungsfalls und die Erhöhung der Zahl der Versiche-
rungspflichtigen.
(3) Eine Beschäftigung ist einem Arbeitslosen insbesondere nicht zu-

mutbar, wenn sie gegen gesetzliche, tarifliche oder in Betriebsvereinbarun-
gen festgelegte Bestimmungen über Arbeitsbedingungen oder gegen Be-
stimmungen des Arbeitsschutzes verstößt oder nicht versicherungspflichtig
im Sinne dieses Gesetzes ist.

(4) Die Bundesanstalt für Arbeit bestimmt Näheres zu den Absätzen 1
bis 3 durch Anordnung.“‘

Bonn, den 23. Juni 1999
Dr. Heidi Knake-Werner
Dr. Klaus Grehn
Petra Bläss
Dr. Ruth Fuchs
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung
Absatz 1 stellt den rechtlichen Regelungsrahmen des Arbeitsförderungs-
gesetzes (AFG) wieder her. Im AFG war die materielle Regelung dessen,
was einem Arbeitslosen zumutbar bzw. unzumutbar ist, einer Anordnung
der Bundesanstalt für Arbeit und damit den Selbstverwaltungsorganen vor-
behalten. Das Gesetz gab lediglich die abzuwägenden Interessen als solche
vor. Dadurch wurde es möglich, die Interessenabwägung jeweils veränder-
ten Arbeitsmarktlagen, aber auch spezifischen sozialen Lebenssituationen
von Arbeitslosen anzupassen. Die gegenwärtige gesetzliche Regelung z.B.
der zulässigen Pendelzeiten diskriminiert insbesondere Frauen mit Kindern.
Die Anordnung hat bei der Ausgestaltung der einzelnen Aspekte der Zu-
mutbarkeit (Qualifikation, Einkommen, Pendelzeiten, Wohnungswechsel
usw.) dem Grundsatz zu folgen, daß einem Arbeitslosen nicht mehr, aber
auch nicht weniger an Einschränkungen der persönlichen Wahl- und Ent-
scheidungsfreiheit zugemutet werden kann als das, was für vergleichbare
Arbeitnehmergruppen im normalen Arbeitsleben üblich ist.
In einem neuen Absatz 2 werden die abzuwägenden Interessen näher spe-
zifiziert. Dabei wird davon ausgegangen, daß auf seiten des Arbeitslosen
insbesondere der Einkommens- und Qualifikationsschutz ein zu wahrendes
Interesse bildet. Dies deckt sich mit der Aufgabe der Arbeitslosenversiche-
rung, die Gesamtheit der Beitragszahler vor einem übermäßigen Konkur-
renzdruck Arbeitsloser zu schützen. Zu den Interessen der Gesamtheit der
Beitragszahler zählt vor allem die Beendigung des Versicherungsfalles und
damit der Leistungszahlung durch Aufnahme einer versicherungspflichti-
gen Beschäftigung, so daß die Belastung der Beitragszahler mit Beiträgen
tendenziell sinken kann. In Abhängigkeit von der Entwicklung des Ar-
beitsmarktes insgesamt und in seinen einzelnen Sektoren sind beide
schutzwürdigen Belange gegeneinander abzuwägen, also z. B. Regelungen
zu vereinbaren, unter welchen Bedingungen Qualifikationen, die auf dem
Arbeitsmarkt nicht mehr nachgefragt werden, nicht mehr schutzwürdig sind.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß an die Arbeitsbereitschaft, Mobi-
lität und Flexibilität eines Arbeitslosen die gleichen Anforderungen zu stel-
len sind wie an einen beschäftigten Arbeitnehmer.
Absatz 3 stellt im Gesetz klar, daß die näheren Bestimmungen zur Zumut-
barkeit und damit zur Verfügbarkeit eines Arbeitslosen ihre absolute Gren-
ze an bestehenden gesetzlichen Regelungen, an dem verfassungsrechtlichen
Gut der Tarifautonomie sowie am Schutz des sozialen Sicherungssystems
vor Aushöhlung haben. Die Vorschrift entspricht weitgehend der bestehen-
den Gesetzeslage, ergänzt um die Vorschrift, daß auch eine nicht im Sinne
dieses Gesetzes versicherungspflichtige Beschäftigung einem Arbeitslosen

Drucksache 14/1214 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

nicht zumutbar ist. Ob damit ein ausreichender Schutz vor der Ausweitung
versicherungsfreier Beschäftigungen gegeben ist, muß dahingestellt blei-
ben. Denn es kann im Rahmen dieses Gesetzes nur geregelt werden, was ei-
nem Arbeitslosen im Rahmen der leistungsrechtlich erforderlichen Verfüg-
barkeit nicht zugemutet werden kann. Für diese Vorschrift gilt, was für
Verfügbarkeit und Zumutbarkeit insgesamt gilt: Geregelt wird, was von sei-
ten des Gesetzes und des Leistungsträgers vom Leistungsempfänger billi-
gerweise erwartet werden kann und muß; daß ein Arbeitsloser seine Ar-
beitslosigkeit durch Ausweichen in versicherungsfreie Beschäftigung oder
solche, die mit Einkommens- und Qualifikationsverlusten verbunden ist, be-
endet, wird nicht ausgeschlossen, bleibt aber seiner Entscheidung vorbe-
halten.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1214

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