BT-Drucksache 14/1195

Neue Initiativen zur Frauenbeschäftigung

Vom 18. Juni 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1195
14. Wahlperiode
18. 06. 99
Antrag
derAbgeordneten Christel Hümme, Dr. Hans-Peter Bartels, Anni Brandt-Elsweier, Dieter Dzewas, Hans Forster, Arne Fuhrmann, Renate Gradistanac, Christel Hanewinckel, Helga Kühn-Mengel, Christine Lehder, Christa Lörcher, Günter Oesinghaus, Holger Ortel, Marlene Rupprecht, Ulla Schmidt (Aachen), Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Antje-Marie Steen, Rolf Stockei, Hildegard Wester, Hanna Wolf (München), Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD, sowie der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Ekin Deligöz, Kristin Heyne, Ulrike Höfken, Irmingard Schewe-Gerigk, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Neue Initiativen zur Frauenbeschäftigung
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag begrüßt den Bericht und die zugehörige Entschließung des Europäischen Parlaments zu den besonderen Auswirkungen der Frauenarbeitslosigkeit in Europa (EuB-EP 429). Der Bericht bestätigt erneut, daß in der EU die Arbeitslosenquote von Frauen mit
12.3 % im Februar 1998 deutlich höher liegt als die entsprechende Quote der Männer mit 8,9 %. Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist im Jahr 1998 die Arbeitslosenquote von Frauen mit 12,8 % höher als die von Männern mit 11,9 %. Dies ist im wesentlichen auf die neuen Bundesländer zurückzuführen, wo die Arbeitslosenquoten von Männern mit
17.4 % und von Frauen mit 21,8 % deutlich auseinanderklaffen.
Der Bericht des Europäischen Parlaments macht außerdem darauf aufmerksam, daß immer mehr Frauen den Umfang ihrer Erwerbstätigkeit erweitern wollen. Dies hat bislang nicht zu einer Chancengleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt geführt. Immer noch gibt es deutliche Unterschiede im Hinblick auf die Art der ausgeübten Tätigkeiten, der Karrierechancen, der Entlohnung und des Anspruchs auf Sozialleistungen. Dabei haben Frauen und Mädchen in den meisten Mitgliedstaaten inzwischen ein besseres Ausbildungsniveau als Männer und Jungen. Geschlechtsspezifische Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind also nicht auf ein geringeres Qualifikationsniveau von Frauen zurückzuführen. Abgesehen von geringen Anteilen von Frauen in technischnaturwissenschaftlichen Berufsausbildungen hat das Bildungssystem vielmehr weitgehend die entsprechenden Voraussetzungen für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt geschaffen. Handlungsbedarf besteht nunmehr verstärkt in anderen Politikbereichen. Zu verbessern sind beispielsweise
• die Bedingungen, unter denen Teilzeitarbeit geleistet wird,
• das Angebot an bedarfsgerechten Betreuungseinrichtungen für Kinder unterschiedlicher Altersstufen,
• die Förderung von Unternehmensgründungen von Frauen, insbesondere die Bedingungen für die Beschaffung von Start- und Fremdkapital.
Darüber hinaus weist der Bericht auf Versäumnisse der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Beschlüsse des Essener Gipfeltreffens hin. In Essen wurde verabredet, daß die einzelnen Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von besonders betroffenen Gruppen ergreifen. Hierzu gehört ausdrücklich auch die Gruppe der arbeitslosen Frauen. Entsprechende Schritte sind allerdings in den Mitgliedstaaten nur vereinzelt und ungenügend unternommen worden. Um hier Abhilfe zu schaffen, empfiehlt der Bericht
• die geschlechtsspezifische Aufschlüsselung aller Arbeitsmarktstatistiken,
• die Berücksichtigung der Chancengleichheit in den nationalen Aktionsplänen und Beschäftigungsleitlinien,
• insbesondere die Aufnahme zusätzlicher geschlechtsspezifischer Referenzziele für die Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben, für den Zugang von Frauen zur beruflichen Bildung, für Kinderbetreuungseinrichtungen, für die Teilhabe von Männern an Teilzeitarbeit und für gleiche Entlohnung in künftigen Leitlinien.
Außerdem wird bemängelt, daß die Mitgliedstaaten nur ungenügend über die Verwendung der Strukturfondsmittel zur Überwindung der Frauenarbeitslosigkeit Rechenschaft ablegen.
II. Das Europäische Parlament hat zu diesem Bericht eine Entschließung verabschiedet, in der die Mitgliedstaaten sowie die Kommission aufgefordert werden, eine Reihe von konkret aufgeführten Maßnahmen durchzuführen. Der Deutsche Bundestag unterstützt diese Entschließung und die darin geforderten Maßnahmen. Er begrüßt das von der Bundesregierung aufgelegte Programm „Frau und Beruf", mit dem die vom Europäischen Parlament erhobenen Forderungen nach einer nachhaltigen Bekämpfung der Frauenarbeitslosigkeit und der Verbesserung der Stellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt umgesetzt werden sollen.
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, bei der Umsetzung des Programms „Frau und Beruf" vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen:
1. Behandlung der Gleichstellung von Frauen und Männern als Querschnittsaufgabe und demzufolge Berücksichtigung des Ziels der Gleichstellung in allen Politikfeldern;
2. Verbesserung der gesetzlichen Regelungen zur Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben;
3. Im Rahmen des sehr erfolgreich angelaufenen Programms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit weitere Berücksichtigung von Mädchen und jungen Frauen entsprechend ihres Anteils an den unvermittelten Ausbildungsplatzsuchenden bzw. an der Arbeitslosigkeit und weitere Unterstützung der Vermittlung von Frauen in frauenuntypische sowie in zukunfts- und technikorientierte Ausbildungen und Berufe;
4. Förderung von Frauen im Handwerk sowie Verbesserung der Chancen von Frauen in technischen Berufen und im Dienstleistungsbereich;
5. neue Initiativen zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Wissenschaft und Forschung;
6. Verbesserung der Chancen von Existenzgründerinnen und insbesondere Ausgleich der Benachteiligung bei der Beschaffung von Start- und Fremdkapital;
7. Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit für Mütter und Väter sowie Förderung der partnerschaftlichen Teilhabe von Männern an Erziehungs- und Familienarbeit: Dies bedeutet u. a.,
• die Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs sowohl für Mütter als auch für Väter attraktiv zu gestalten und
• an Sicherung und Ausbau eines preiswerten, bedarfsdeckenden und differenzierten Angebots von Betreuungseinrichtungen für Kinder mitzuwirken.
8. Initiativen mit dem Ziel der Verbesserung der Bedingungen für Teilzeitarbeit;
9. Korrektur frauendiskriminierender Regelungen vor allem im Ar-beitsförderungsrecht;
10. in enger Zusammenarbeit mit den Tarifvertragsparteien Überwindung der Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere der Lohndiskriminierung von Frauen.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert,
11. gemeinsam mit den Bundesländern darauf hinzuwirken, in der Bildung die Chancengleichheit für Frauen und Männer und die Gleichstellung der Frau in Beruf und Gesellschaft als Leitbild stärker als bisher zu verankern,
12. bei der Durchführung der Strukturfondsprogramme sicherzustellen, daß spezifische Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs von Frauen zum und ihrer Beteiligung am Arbeitsmarkt, einschließlich ihres beruflichen Aufstiegs, ihres Zugangs zu neuen Beschäftigungsmöglichkeiten und zum Unternehmertum sowie Verringerung der geschlechtsspezifischen Aufgliederung des Arbeitsmarktes vorgesehen werden,
13. im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hinzuwirken, daß Kommission, Rat und Mitgliedstaaten in die nächsten Beschäftigungsleitlinien folgende Referenzziele sowie Zeitpläne und Haushaltsmittel zu deren Durchführung aufnehmen
• die deutliche Verringerung der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit,
• die umfassende Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben sowie die Überwindung der unterschiedlichen Chancen von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt,
• die Beteiligung von Frauen an Bildungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen,
• die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern an Elternurlaub und Teilzeitarbeit und
• den Abbau der Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern.
Für die Referenzziele sollen die mittleren Werte der jeweils drei erfolgreichsten Mitgliedstaaten Maßstab sein.
Bonn, den 18. Juni 1999
Christel Hümme Dr. Hans-Peter Bartels Anni Brandt-Elsweier Dieter Dzewas Hans Forster Arne Fuhrmann Renate Gradistanac Christel Hanewinckel Helga Kühn-Mengel Christine Lehder Christa Lörcher Günter Oesinghaus Holger Ortel Marlene Rupprecht
Ulla Schmidt (Aachen)
Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Antje-Marie Steen
Rolf Stöckel
Hildegard Wester
Hanna Wolf (München)
Dr. Peter Struck und Fraktion
Marieluise Beck (Bremen)
Ekin Deligöz
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Irmingard Schewe-Gerigk
Kerstin Müller (Köln)
Rezzo Schlauch und Fraktion

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