BT-Drucksache 14/1185

Neuordnung der Regionalförderung in Westdeutschland - Umsetzung der Gemeinschaftsinitiative INTERREG III in Ostbayern

Vom 15. Juni 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1185
14. Wahlperiode
15. 06. 99
Kleine Anfrage
derAbgeordneten Klaus Hofbauer, Albert Deß, Maria Eichhorn, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Georg Girisch, Ernst Hinsken, Bartholomäus Kalb, Rudolf Kraus, Dr. Gerd Müller, Dr. Bernd Protzner, Dr. Klaus Rose, Max Straubinger, Dagmar Wöhrl, Benno Zierer und der Fraktion der CDU/CSU
Neuordnung der Regionalförderung in Westdeutschland -Umsetzung der Gemeinschaftsinitiative INTERREG III in Ostbayern
Die Osterweiterung der EU ist eine Chance, die es zu nutzen gilt. Zugleich ist sie eine der größten Herausforderungen in der Geschichte der EU. Gravierende strukturelle, wirtschaftliche und soziale Unterschiede zwischen den Beitrittsländern und der EU erfordern erhebliche Strukturanpassungen in den Regionen, die an der bayerisch/tschechischen Grenze liegen.
Die verstärkte EU-Förderung für Tschechien im Zuge der Heranführungsstrategie und nach dem zu erwartenden EU-Beitritt dieses Landes wird in Ostbayern aller Voraussicht nach zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Die heimische Wirtschaft muß bei dem daraus folgenden Umstrukturierungsprozeß deshalb über einen noch unbestimmten Zeitraum mit Strukturhilfen gestärkt und begleitet werden. Sowohl die europäische als auch die nationale Regionalförderpolitik von Bund und Ländern müssen hierzu einen Beitrag leisten. Auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene gilt es, bereits im Vorfeld der EU-Osterweiterung Maßnahmen zu entwickeln, um einerseits das Zusammenwachsen der Bevölkerung und Wirtschaftsstruktur an der Grenze zu fördern und andererseits den Anpassungsdruck, der aufgrund gravierender Unterschiede im Entwicklungsniveau entstehen wird, abzufedern. Letztlich ist es sinnvoller und kostengünstiger, den Risiken der Osterweiterung für den bayerischen Grenzraum präventiv entgegenzuwirken als im Nachhinein Fehlentwicklungen zu reparieren. Menschen und Wirtschaft in den Grenzgebieten dürfen nicht überfordert werden.
Um die beabsichtigte EU-Osterweiterung für die Grenzregionen auf beiden Seiten positiv auszugestalten, müssen einerseits im Rahmen der BeitrittsVerhandlungen Lösungen gefunden werden; andererseits ist das Ziel der Abfederung der Beitrittsfolgen für Ostbayern sowohl in der europäischen wie auch in der nationalen Regionalpolitik zu verankern. Die praktische Umsetzung ist mit Hilfe des EU-Strukturfonds/Ziel-2-Förderung, den Gemeinschaftsinitiativen INTERREG und LEADER sowie der nationalen Regionalförderung (Gemeinschaftsaufgaben - GA) sicherzustellen. Dringend notwendig ist eine sinnvolle und zukunftsorientierte Abstimmung dieser Programme.
Die Bevölkerung Ostbayerns begrüßt selbstverständlich den Beitritt Tschechiens zur EU. Seit Öffnung der Grenze sind in vielfältiger Form Kontakte
entstanden nicht nur in den persönlichen Beziehungen der Menschen vor Ort auf beiden Seiten der Grenze, sondern auch in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht.
Um die Folgen des Beitritts von Ländern wie Spanien und Portugal zur EU - hohe Arbeitslosenquote und in Teilbereichen hoher Agrarproduktionsanteil - für die alten wie für die neuen EU-Mitglieder abzufedern wurden lange Übergangsfristen bei der Freizügigkeit für Arbeitnehmer und für die Landwirtschaft vereinbart. Auch bei den nach 2000 erfolgenden Beitritten ehemaliger Ostblockländer sind längere Übergangsfristen notwendig, um die strukturellen Auswirkungen für die Landwirtschaft, den Arbeitsmarkt und bei den sozialen Sicherungssystemen abzufedern. Diese Übergangsfristen können nicht gegen die Interessen der Beitrittskandidaten durchgesetzt werden, sondern müssen mit unserem Nachbarland einvernehmlich vereinbart werden.
Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Kriterien für die Auswahl der neuen Ziel-2-Gebiete im Rahmen der EU-Regionalfonds-Fördermaßnahmen sind bedauerlicherweise so gestaltet, daß sie den Entwicklungsbedarf ländlicher und peripherer Gebiete - z. B. in Ostbayern - nur unzureichend berücksichtigen. Damit ist die in der nationalen Regionalförderung (GA) angestrebte ausgewogene Berücksichtigung von altindustriellen städtischen Problemgebieten und ländlichen, entwicklungsbedürftigen Regionen nicht mehr gewährleistet.
Es entspräche deshalb den strukturpolitischen Erfordernissen und dem Sub-sidiaritätsprinzip, zum Ausgleich für die Reduzierung der EU-Fördergebiete den Handlungsspielraum für die nationale und regionale Wirtschaftspolitik zu erweitern. Indes zeichnet sich jetzt eine gegenteilige Entwicklung ab. Nachdem die nationale Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA) in Bayern immer mehr vom Einzugsbereich und vom finanziellen Umfang her reduziert und das neue Ziel-2-Gebiet des EU-Regionalfonds in den kommenden Monaten erst noch festgelegt werden soll, wird die Gemeinschaftsinitiative INTERREG in Ostbayern immer mehr an Bedeutung gewinnen besonders in bezug auf die grenzüberschreitende Förderung von Regionen, die noch bedeutenden Entwicklungsbedarf haben.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erfahrungen und Erkenntnisse liegen der Bundesregierung bei der Umsetzung von INTERREG II vor?
2. Welche Projekte wurden schwerpunktmäßig gefördert, wie viele Arbeitsplätze wurden dabei gesichert bzw. neu geschaffen?
3. Gab es Probleme bei der Verteilung der Gelder, bzw. funktionierte die grenzüberschreitende Abstimmung der Maßnahmen?
4. Welche Gebietskulisse und welchen finanziellen Umfang wird INTERREG III im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet in den nächsten fünf Jahren bekommen?
5. Wie werden die sog. Hinterlieger-Landkreise behandelt?
6. Welche Rolle spielen bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bzw. der Umsetzung von INTERREG die Euregios Bayerischer Wald/Böhmerwald bzw. Egrensis, und wie werden diese Einrichtungen in Zukunft bei der Umsetzung des Programms einbezogen?
7. Soll es in Zukunft auch Lenkungsausschüsse geben?
8. Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, daß die kommunalen Organe, Vertreter der Wirtschaft und Kultur nach den Bedürfnissen vor Ort an der Projektauswahl und der Entscheidung stärker mitwirken?
Ist die Bundesregierung bereit, den geeigneten Akteuren vor Ort Fondsverwaltungskompetenzen zu übertragen?
9. Sieht die Bundesregierung eine Chance, im Zusammenhang mit dem Aufbau grenzüberschreitender Wirtschaftskooperation die Gemeinschaftsinitiative INTERREG stärker für den Unternehmensbereich in den Grenzregionen zu öffnen?
10. Ist die Bundesregierung bereit, die Gemeinschaftsinitiative INTERREG um strukturpolitische Elemente zu erweitern und im Rahmen dieses Programms vorrangig folgende Ziele zu fördern:
• den Ausbau der Infrastruktur (Verkehr, Telekommunikation, Energie, Tourismus)
• die Verbesserung der Chancen von Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt durch berufliche Qualifizierung
• die Erstellung von Analysen für neue Unternehmensstrategien im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung
• die Unterstützung von Forschung und Entwicklung und
• die Harmonisierung von Umweltstandards?
11. Wird - im Hinblick darauf, daß aufgrund der unterschiedlichen Strukturen beiderseits der Grenze zu den Beitrittsländern mit grenzüberschreitenden Projekten allein den verschiedenen Bedürfnissen nicht ausreichend Rechnung getragen werden kann - die Bundesregierung es ermöglichen, im Rahmen von INTERREG auch Projekte nur auf einer der beiden Seiten zu verwirklichen?
12. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß die INTERREG-Mittel an den Grenzen zu den neuen EU-Beitrittsländern tatsächlich eingesetzt werden?
13. Welche Chancen sieht die Bundesregierung, eine spürbare Vereinfachung und zeitliche Straffung des Förderprocederes zu erreichen?
14. Bis wann werden die Förderkulisse und der Förderumfang der neuen Ziel-2-Gebiete festgelegt?
15. Hält die Bundesregierung es trotz der Zusammenlegung der bisherigen Ziele 2 und 5b und der Ausgestaltung des Artikels 4 der neuen Strukturfondsverordnung nach wie vor für gewährleistet, daß auch künftig die Interessen ländlicher, strukturschwacher Gebiete in der EU-Strukturförderung angemessen berücksichtigt werden können?
16. In welcher Weise kann sichergestellt werden, daß die in den Leitlinien für Regionalbeihilfen und der Strukturfondsverordnung neu verankerte Forderung nach größerer Kohärenz von nationalen Fördergebieten und Einsatzgebieten der EU-Strukturfonds nicht zu einer Aushöhlung der bestehenden Rechte von Bund und Ländern führt, nationale Fördergebiete nach eigenen Kriterien festzulegen?
17. Welche Kriterien werden bei der Vergabe der Ziel-2-Gebiete herangezogen?
Soll wichtigstes Kriterium die Arbeitslosigkeit sein, oder kann sich die Bundesregierung vorstellen, daß auch die in der GA geltenden Indikatoren
• durchschnittliche Arbeitslosenquote,
• Einkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten pro Kopf,
• Infrastrukturindikator und
• Erwerbstätigenprognose herangezogen werden?
18. Können bei der Festlegung der Fördergebiete auch grenznahe Orte mit oberzentralen Funktionen wie z. B. Regensburg berücksichtigt werden, deren infrastrukturelle Einrichtungen (Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser, Theater etc.) für die gesamte Region vorgehalten werden?
19. Ist die Bundesregierung bereit, das direkte „Angrenzen" an den Beitrittsstaat Tschechien als Förderkriterium zum Tragen zu bringen?
20. In welchem Umfang und in welcher Form können in Zukunft die Länder bzw. die Gebietskörperschaften ergänzende oder eigene Programme zur Regional- und Strukturförderung auflegen?
21. Welche Möglichkeiten erkennt die Bundesregierung für eine Förderung außerhalb des Genehmigungsvorbehalts, insbesondere nach der De-mi-nimis-Regelung?
Bonn, den 14. Juni 1999
Klaus Hofbauer
Albert Deß
Maria Eichhorn
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Georg Girisch
Ernst Hinsken
Bartholomäus Kalb
Rudolf Kraus
Dr. Gerd Müller
Dr. Bernd Protzner
Dr. Klaus Rose
Max Straubinger
Dagmar Wöhrl
Benno Zierer
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

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