BT-Drucksache 14/1176

Neubewertung der Risiken von Freisetzungen gentechnisch veränderter Pflanzen

Vom 16. Juni 1999


Deutscher Bundestag
14. Wahlperiode

Drucksache 14/1176
16. 06. 99

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Angela Marquardt, Eva-Maria Bulling-Schröter
und der Fraktion der PDS

Neubewertung der Risiken von Freisetzungen gentechnisch veränderter Pflanzen

Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen werden
hinsichtlich ihrer ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen zu-
nehmend kritischer beurteilt. Besonders in die Kritik geraten sind zu-
nächst die in bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen eingebauten
Antibiotikaresistenzen, von denen befürchtet wird, daß sie bei Aufnahme
durch den Menschen die Resistenzbildung gegen Antibiotika ausweiten.
Hinsichtlich der Bewertung von eingebautenAntiobiotikaresistenzen voll-
zog denn auch die in Deutschland zuständige Zulassungsbehörde, das Ro-
bert-Koch-Institut, vor kurzem eine Kehrtwende. Es erklärte, in Zukunft
sollten Hersteller von gentechnisch veränderten Pflanzen möglichst auf
eingebaute Antibiotikaresistenzen verzichten.

Neue Nahrung erhielt die Kritik an den Folgen des Anbaus von gentech-
nisch veränderten Pflanzen durch die Veröffentlichung von Versuchser-
gebnissen, die eine tödliche Wirkung der Bacillus-thurengiensis-Insekten-
resistenz bei gentechnisch verändertem Mais auch auf Nicht-Zielinsekten,
in diesem Fall des Monarch-Falters, konstatieren. Zu einem ähnlich gela-
gerten Ergebnis kamen auch Voruntersuchungen der Effekte von Bacillus-
thurengiensis(Bt)-Toxin-produzierenden Pflanzen im Rahmen eines For-
schungsvorhabens der Universität Bayreuth, das im Auftrag des Umwelt-
bundesamtes durchgeführt wurde. Als Reaktion auf die erstgenannte Ver-
öffentlichung stoppte die EU weitere Zulassungsverfahren für gentech-
nisch veränderte Pflanzen mit eingebautem Bt-Toxin.

Während in zahlreichen europäischen Staaten die Kritik an Freisetzungs-
versuchen und gentechnisch veränderten Pflanzen zu zumindest begrenz-
ten Moratorien oder Verboten geführt hat, hat die Bundesregierung bis-
lang nur erklärt, sie hielte größere Vorsicht bzw. Zurückhaltung bei Ge-
nehmigungen für Freisetzungen für angebracht. Das Umweltbundesamt
soll in diesem Zusammenhang ein Konzept zur langfristigen Beobachtung
der Auswirkungen von Freisetzungen gentechnisch veränderter Organis-
men erarbeiten.

Die Beurteilung von Freisetzungen gentechnisch veränderter Pflanzen
ist gerade vor dem Hintergrund der derzeit auf EU-Ebene anstehenden
Revision der Freisetzungsrichtlinie (220/90 EWG) von besonderer Be-
deutung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist aus Sicht der Bundesregierung durch die Berichte über die beob-
achtete Schadenswirkung von Bacillus-thuringiensis-Toxin aus gen-
technisch veränderten Pflanzen eine grundlegende Neubewertung der
möglichen ökologischen Folgeschäden von gentechnisch veränderten
Pflanzen mit Insektenresistenzen notwendig?

2. Wird die Bundesregierung geeignete Schritte unternehmen, um über
den vorläufigen EU-Zulassungsstopp für gentechnisch veränderte
Pflanzen mit Bt-Insektenresistenz hinaus zu erreichen, daß die bereits
im Handel befindlichen Pflanzen bzw. deren Saatgut mit dieser Art
Resistenz vom Markt genommen werden müssen?

3. Wie bewertet die Bundesregierung im Lichte der angeführten For-
schungsergebnisse mittlerweile das von Luxemburg und Österreich
gegen den Widerstand der EU-Kommission erlassene vorläufige Ver-
bot des Verkaufs von gentechnisch verändertem Bt-Mais?

4. Wird sich die Bundesregierung die Position des Ausschusses für Um-
welt, Naturschutz und Raktorsicherheit des Deutschen Bundestages
(Beschlußempfehlung und Bericht auf Drucksache 14/838) zu eigen
machen, der zur Entscheidung der EU-Kommission, den Staaten Lu-
xemburg und Österreich ein Verkaufsverbot von Bt-Mais zu unter-
sagen, beschloß, „daß das nationale Verbot der Verwendung und des
Verkaufs von gentechnisch verändertem Saatgut auch im Hinblick auf
einen fairen Wettbewerb im Sinne hoher ökologischer und ge-
sundheitlicher Standards sinnvoll und berechtigt ist“?

5. Hat die Bundesregierung auf die Erklärung des Robert-Koch-Instituts,
zukünftig solle bei gentechnisch veränderten Pflanzen/Organismen auf
eingebaute Antibiotikaresistenzen verzichtet werden, Einfluß ge-
nommen?

Wenn nicht, wie erklärt sich der Wandel in der Einschätzung des In-
stituts von möglichen Auswirkungen eingebauter Antibiotikaresis-
tenzen?

6. Hat die Bundesregierung dem Unternehmen N., welches erklärte, zu-
künftig bei ihren gentechnisch veränderten Pflanzen bzw. deren Saat-
gut auf Antibiotikaresistenzen zu verzichten, im Gegenzug eine be-
schleunigte Zulassung des neuen „Bt-11-Mais“ von N. in Aussicht ge-
stellt?

7. Erwägt die Bundesregierung aus Anlaß der zunehmend kritischeren
Einschätzung hinsichtlich der ökologischen und gesundheitlichen Fol-
gewirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen bzw. deren Frei-
setzungen ein Moratorium für Freisetzungen gentechnisch veränderter
Pflanzen und/oder deren Zulassung zu verhängen, wie es beispiels-
weise der Umweltausschuß des Europaparlaments gefordert hat?

Wenn nein, wie beurteilt die Bundesregierung in diese Richtung ge-
hende Moratorien anderer europäischer Saaten?

8. Birgt nach Ansicht der Bundesregierung das geplante langfristige Mo-
nitoring bereits zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen nicht
das Risiko, daß mögliche langfristig negative Auswirkungen dieser

Drucksache 14/1176 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode– 2 –

Pflanzen Jahre nach ihrer Zulassung gar nicht oder kaum mehr rück-
gängig zu machen sind?

9. Welche langfristigen Folgen welcher gentechnischen Veränderungen
an Pflanzen sollen nach Auffassung der Bundesregierung in diesem
Monitoring speziell beobachtet werden?

10. Welche Institute, Einrichtungen oder Ämter sollen die wissen-
schaftliche Beobachtung im Rahmen dieses Monitorings durchführen?

11. Welche Änderungen hält die Bundesregierung am vorliegenden Ent-
wurf der EU-Kommission zur Novellierung der Freisetzungsrichtlinie
für erforderlich und für politisch durchsetzbar?

12. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Än-
derungswünsche des Europäischen Parlaments, insbesondere nach
Einführung einer strengen Haftungsregelung, dem Verbot der Frei-
setzung und Vermarktung von Antibiotika- und Herbizidresistenzen
und der Einbeziehung von sozio-ökonomischen Folgewirkungen als
Kriterium im Zulassungsverfahren von transgenen Pflanzen?

13. Wird nach Ansicht der Bundesregierung das sog. Vereinfachte Frei-
setzungsverfahren (nach Kommissionentscheid 94/730/EG), bei dem
ohne Prüfung weitere Standorte von Freisetzungen der gleichen trans-
genen Pflanze nachgemeldet werden können, den immer deutlicher
werdenden komplexen ökologischen Auswirkungen von Freiset-
zungen gerecht?

Bonn, den 10. Juni 1999

Angela Marquardt
Eva-Maria Bulling-Schröter
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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