BT-Drucksache 14/1143

zu dem a) A (SPD, Bü90) - Keine weitere Unterstützung der Atomkraftwerke Khmelnytsky-2 und Rivne-4 in der Ukraine - Drs. 14/795 -, b) A (CDU/CSU) - Festhalten an den Zusagen zum Bau von sicheren Ersatzreaktoren in der Ukraine - Drs. 14/819 -, c) A (PDS) - Investitionen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Khmelnytsky-2 und Rivne-4 - Drs. 14/708

Vom 15. Juni 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/1143
14. Wahlperiode

15. 06. 99

Beschlußempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuß)

a) zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/795 –

Keine weitere Unterstützung der Atomkraftwerke Khmelnytsky 2 und Rivne 4
in der Ukraine

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill,
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Cajus Caesar, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/819 –

Festhalten an den Zusagen zum Bau von sicheren Ersatzreaktoren in der Ukraine

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Angela Marquardt, Eva-Maria Bulling-Schröter,
Gregor Gysi und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/708 –

Investitionen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
in Khmelnytsky 2 und Rivne 4

A. Problem
In Kürze soll entschieden werden, ob die Europäische Bank für Wie-
deraufbau und Entwicklung (EBWE) Kredite für den Weiterbau der
Atomkraftwerke Khmelnytsky 2 (K2) und Rivne 4 (R4) in der
Ukraine vergeben wird.
Mit dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN und dem Antrag der Fraktion der PDS soll die Bundesregie-
rung gebeten werden, bei der EBWE darauf hinzuwirken, daß keine
Kredite für den Weiterbau der genannten Atomkraftwerke vergeben

Drucksache 14/1143 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

werden und statt dessen die Ukraine beim Aufbau einer effizienten
und sicheren Energieversorgung ohne Atomkraft unterstützt wird.
Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU sieht u.a. vor, die Bundes-
regierung aufzufordern, die Zusagen im Rahmen der G7-Verhand-
lungen einzulösen und die Fertigstellung der Ersatzreaktoren zu er-
möglichen.

B. Lösung
Zustimmung zum Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei gleichzeitiger Ablehnung der Anträge der Frak-
tion der CDU/CSU bzw. der Fraktion der PDS.
Mehrheitsentscheidung

C. Alternativen
Annahme eines der abgelehnten Anträge.

D. Kosten
Die Gesamtprojektkosten für die Fertigstellung der beiden Kern-
kraftwerke K2 und R4 werden nach Aussage der Fraktion der SPD
auf 3,4 Mrd. DM geschätzt, von denen Deutschland ggf. 810 Mio.
DM zu finanzieren hätte.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/1143

Beschlußempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Antrag auf Drucksache 14/795 anzunehmen,
2. den Antrag auf Drucksache 14/819 abzulehnen,
3. den Antrag auf Drucksache 14/708 abzulehnen.

Bonn, den 15. Juni 1999

Der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Christoph Matschie Horst Kubatschka Kurt-Dieter Grill Michaele Hustedt
Vorsitzender Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatterin

Ulrike Flach Eva-Maria Bulling-Schröter
Berichterstatterin Berichterstatterin

Drucksache 14/1143 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Horst Kubatschka, Kurt-Dieter Grill, Michaele Hustedt,
Ulrike Flach und Eva-Maria Bulling-Schröter

I.
Die Anträge auf den Drucksachen 14/795, 14/819 und
14/708 wurden in der 35. Sitzung des Deutschen Bun-
destages am 22. April 1999 zur federführenden Beratung
an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit überwiesen. Zur Mitberatung wurden – zum
Teil mit einer ergänzenden Überweisung in der 43. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 11. Juni 1999 –
folgende Ausschüsse aufgefordert:
– Drucksache 14/795: Auswärtiger Ausschuß

Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
und Technologie

Ausschuß für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung

– Drucksache 14/819: Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
und Technologie

– Drucksache 14/708: Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
und Technologie
Ausschuß für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung

Die mitberatenden Ausschüsse haben zu den Anträgen
wie folgt votiert:

Ausschuß/Drucksache FraktionSPD
Fraktion B90/
DIE GRÜNEN

Fraktion
CDU/CSU

Fraktion
F.D.P.

Fraktion
PDS

Auswärtiger Ausschuß
– 14/795 – + + – – +
Finanzausschuß
– 14/795 – + + – – +
Finanzausschuß
– 14/819 – – – + + –
Finanzausschuß
– 14/708 – – – – – +
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
– 14/795 – x x x x x
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
– 14/819 – x x x x x
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
– 14/708 – x x x x x
Ausschuß für wirtschaftliche Entwicklung
und Zusammenarbeit
– 14/795 – + + – – +
Ausschuß für wirtschaftliche Entwicklung
und Zusammenarbeit
– 14/708 –

Legende: +: Zustimmung; –: Ablehnung; 0: Enthaltung; x: auf die Beratung verzichtet; : für erledigt erklärt

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/1143

II.
Mit dem Antrag auf Drucksache 14/795 soll die Bun-
desregierung gebeten werden, bei der Europäischen
Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) dar-
auf hinzuwirken, daß keine Kredite für den Weiterbau
der Atomkraftwerke Khmelnytsky 2 (K2) und Rivne 4
(R4) vergeben werden und die Ukraine beim Aufbau
einer effizienten und sicheren Energieversorgung ohne
Atomkraft unterstützt wird.
Mit dem Antrag auf Drucksache 14/819 soll die Bun-
desregierung u.a. aufgefordert werden, umgehend die
Zusagen, die im Rahmen der G7-Verhandlungen ge-
macht wurden, einzulösen und so den deutschen Beitrag
zur Entschärfung der Sicherheitslage für die Ukraine und
ganz Europa zu leisten. Kurz vor der Fertigstellung der
Reaktoren dürfe das internationale Projekt nicht durch
Deutschland gefährdet werden.
Mit dem Antrag auf Drucksache 14/708 soll die Bun-
desregierung aufgefordert werden, dafür Sorge zu tragen,
daß die Europäische Bank für Wiederaufbau und Ent-
wicklung keine Mittel zur Fertigstellung der Kern-
kraftwerksprojekte Khmelnytsky 2 und Rivne 4 in der
Ukraine zur Verfügung stellt und daß statt dessen die
Mittel zur Modernisierung der ukrainischen Energiewirt-
schaft umgeschichtet werden.

III.
Der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat alle drei Vorlagen in seiner Sitzung am
15. Juni 1999 beraten.
Vom Vertreter der Bundesregierung wurde vorgetragen,
man stehe zur Verpflichtung des Memorandum of under-
standing zwischen den Regierungen der G7-Länder, der
Europäischen Kommission und der Regierung der
Ukraine aus dem Jahre 1995, im Zusammenhang mit der
Stillegung des Kernkraftwerkes in Tschernobyl die
Energieversorgung der Ukraine unter dem Aspekt der
Sicherheit und der Kostenminimierung zu gewährleisten.
Hierfür kämen auch andere nichtnukleare Kraftwerks-
kapazitäten in Frage. Die Verhandlungen hierzu seien
noch nicht abgeschlossen. Aus Sicherheitsgründen im
Vordergrund stehen müsse aber die Finanzierung des
Sarkophags für den Reaktor in Tschernobyl.
Von seiten der Fraktion der SPD wurde ausgeführt, die
Finanzierung der Atomkraftwerke K2 und R4 stelle eine
Altlast der Bundesregierung Kohl dar. 1995 sei zwischen
den G7-Staaten und der Ukraine vereinbart worden,
diesem Land beim Ersatz und bei der Stillegung des
Atomkraftwerks von Tschernobyl zu helfen. Unver-
ständlicher Weise habe man dabei schwerpunktmäßig
auf Kernenergie gesetzt. Auch in anderen Ländern (z. B.
auch in Frankreich) gebe es nun Zweifel, ob eine Finan-
zierung dieser Projekte sinnvoll sei. Die zur Diskussion
stehenden Atomkraftwerke K2 und R4 könnten keinen
Ersatz für das Atomkraftwerk Tschernobyl darstellen, da
vor den Jahren 2004 bis 2006 nicht mit deren Fertig-
stellung gerechnet werden könne, die Stillegung von
Tschernobyl aber für das Jahr 2000 vorgesehen sei. Die
Kosten für die Fertigstellung der Atomkraftwerke K2
und R4 würden derzeit auf 3,4 Mrd. DM geschätzt. Auf

Deutschland entfalle davon eine Summe von 810 Mio.
DM. Von daher sei es wirtschaftlicher, GuD-Kraftwerke
zu bauen, die sicherer seien und sich schneller fertig-
stellen ließen. Die Energieversorgung in der Ukraine
lasse sich zudem durch Effizienzsteigerung beim Wir-
kungsgrad der konventionellen Kraftwerke, beim Strom-
transport und bei der Energienutzung verbessern. Es
gebe auch keine unmittelbare Notwendigkeit zur Erhö-
hung des Kraftwerksbestandes in der Ukraine. So liege
dort die maximal angeforderte Kraftwerksleistung bei
weniger als der Hälfte der bestehenden Kraftwerkskapa-
zität. Durch die Finanzierung der Atomkraftwerke K2
und R4 werde somit die Möglichkeit geschaffen, weiter
und in verstärktem Umfang Strom nach Westeuropa zu
exportieren. Entscheidend sei allerdings für die Fraktion
der SPD die Frage der Sicherheit. Vergleichbare Kraft-
werke in den neuen Bundesländern seien nicht weiterge-
baut worden. Von daher spreche man sich gegen eine
Finanzierung der Reaktoren und für die Unterstützung
der Ukraine beim Aufbau einer effizienten und sicheren
Energieversorgung ohne Atomkraft aus.
Von seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde festge-
stellt, der Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sei eine Absage an alles, was in den
G7/G8-Verhandlungen im Hinblick auf die Verbesse-
rung der kerntechnischen Sicherheit der Reaktoren K2
und R4 vereinbart worden sei. Von seiten des Bundes-
kanzleramtes sei dagegen die Finanzierung dieser Reak-
toren öffentlich befürwortet worden. Insofern seien die
hier vorgetragenen Argumente gegen die Finanzierung
zumindest in Frage zu stellen. Sowohl Frankreich wie
Rußland hätten ein erhebliches Interesse an der Fortset-
zung der Kooperation. Man selbst sei der Auffassung,
daß die Bundesregierung und auch der Deutsche Bun-
destag die der Ukraine gegebenen Zusagen nicht mitten
in einem Verfahren zurückziehen dürften, in dem Wirt-
schaftlichkeit und Finanzierbarkeit durchaus noch ge-
prüft werden müßten. Ein solches Vorgehen stelle zudem
eine massive Einflußnahme in die Souveränität eines
Landes dar, in dem erst seit wenigen Jahren in einem
eigenständigen Parlament Entscheidungen zur Energie-
politik getroffen werden könnten.
Von seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde dargelegt, die Finanzierung der Fertigstellung der
Atomkraftwerke K2 und R4 sei nicht nur ökologisch
völlig unverantwortlich, sondern auch ökonomisch nicht
vertretbar. Sogar der Bund der Steuerzahler habe sich
gegen dieses Projekt ausgesprochen. Die Ukraine habe
1995 selbst vorgeschlagen, Gaskraftwerke zu bauen.
Dies sei aber von der EBWE unter maßgeblicher Ein-
flußnahme der Regierungen von Frankreich und
Deutschland abgelehnt worden. Das genannte Memo-
randum of understanding stelle eine Absichtserklärung,
aber keine Verpflichtung dar. Insofern gebe es jetzt die
Chance, die Fehlentscheidung von damals zu korrigieren
und eine umweltpolitisch bessere Lösung zu verwirk-
lichen. Dies sei allerdings ein sehr schwieriger Prozeß.
Man hoffe, daß in einem ersten Schritt bei den kommen-
den G7-Verhandlungen eine Absetzung dieser Frage von
der Tagesordnung erreicht werde, zumal auch in anderen
Ländern große Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Finan-
zierung der Atomkraftwerke bestünden.

Drucksache 14/1143 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Von seiten der Fraktion der F.D.P. wurde festgestellt,
entscheidend sei in dieser Angelegenheit, daß das Kern-
kraftwerk in Tschernobyl so früh wie möglich abge-
schaltet und die Ukraine in die Lage versetzt werde, die
eigene Energieversorgung jetzt und auch in Zukunft
sicherzustellen. Wie dies zu geschehen habe, sei offen-
sichtlich zwischen dem Bundeskanzleramt und den die
Bundesregierung tragenden Fraktionen umstritten. Wäh-
rend sich die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN in ihrem Antrag gegen eine Finanzierung der
Kernkraftwerke K2 und R4 aussprächen, sei vom Bun-
deskanzleramt mehrfach in den Medien für eine solche
Finanzierung Position bezogen worden. Da nach Aus-
sage des Vertreters der Bundesregierung bei den kom-
menden G7-Verhandlungen nicht mit einer Entscheidung
in dieser Sache zu rechnen sei, beantrage man, die Ab-
stimmung über die Anträge zu vertagen.
Von seiten der Fraktion der PDS wurde ausgeführt, man
habe sich als erste Fraktion gegen die Kreditvergabe
durch die EBWE zum Weiterbau der Kernkraftwerke K2
und R4 in der Ukraine ausgesprochen, da man das Pro-
jekt aus ökologischer und aus wirtschaftlicher Sicht für
unverantwortlich halte. Statt dessen spreche man sich
dafür aus, der Ukraine und den anderen MOE-Staaten
bei der Lösung ihrer Energieprobleme zu helfen, ohne
sie in die nukleare Sackgasse zu führen. Vertreter der
ukrainischen Regierung hätten in Gesprächen hier in

Bonn schon vor zwei Jahren deutlich gemacht, daß sie
eine Finanzierung alternativer Projekte wie den Bau von
Gaskraftwerken bevorzugten.
Der Ausschuß beschloß mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der F.D.P. bei Stimmenthaltung der
Fraktion der CDU/CSU den Antrag auf Verschiebung der
Abstimmung über die Anträge abzulehnen.
Der Ausschuß beschloß mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., dem
Deutschen Bundestag zu empfehlen, den Antrag auf
Drucksache 14/795 anzunehmen.
Der Ausschuß beschloß mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der F.D.P., dem Deutschen Bundestag
zu empfehlen, den Antrag auf Drucksache 14/819 abzu-
lehnen.
Der Ausschuß beschloß mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und F.D.P. bei Stimmenthaltung
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion der PDS, dem Deut-
schen Bundestag zu empfehlen, den Antrag auf Druck-
sache 14/708 abzulehnen.

Bonn, den 15. Juni 1999

Horst Kubatschka Kurt-Dieter Grill Michaele Hustedt
Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatterin
Ulrike Flach Eva-Maria Bulling-Schröter
Berichterstatterin Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/1143

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