BT-Drucksache 14/1031

Zur Nutzung und Anwendung der neuen Medien in Deutschland - Chancen in der Informationsgesellschaft

Vom 6. Mai 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/1031 vom 06.05.1999

Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Zur Nutzung und Anwendung der
neuen Medien in Deutschland - Chancen in der Informationsgesellschaft
=

06.05.1999 - 1031

14/1031

Große Anfrage
der Abgeordneten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Ilse Aigner, Maria
Eichhorn, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Dr. Gerhard Friedrich
(Erlangen), Norbert Hauser (Bonn), Dr.-Ing. Rainer Jork, Dr. Norbert
Lammert, Werner Lensing, Erich Maaß (Wilhelmshaven), Bernd Neumann
(Bremen), Thomas Rachel, Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke), Dr.
Erika Schuchardt, Bärbel Sothmann, Gunnar Uldall, Angelika Volquartz,
Heinz Wiese (Ehingen) und der Fraktion der CDU/CSU
Zur Nutzung und Anwendung der neuen Medien in Deutschland - Chancen in
der Informationsgesellschaft

Die neuen Informations- und Kommunikationsdienste, auch neue Medien
genannt, haben epochale Auswirkungen auf alle Lebensbereiche von Bürger
und Staat. Sie führen zu einer dramatischen Beschleunigung der
Globalisierung mit vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen, politischen
und kulturellen Herausforderungen. Die Entwicklung zur
Informationsgesellschaft verläuft rasant, grenzüberschreitend und
weltweit. Nicht nur für den einzelnen, sondern sogar für Staaten ist
der Übergang zur Informationsgesellschaft unaufhaltsam und
schicksalhaft. Nur diejenigen, die bei der Entwicklung und Anwendung
der neuen Medien eine Spitzenposition einnehmen, werden an der
Gestaltung der künftigen kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und
sozialen Welt teilhaben. Der Schlüssel für neue Arbeitsplätze, für
Wohlstand und soziale Sicherheit liegt in einer führenden Rolle bei der
Entwicklung und Anwendung der neuen Techniken und Dienste. Wer die
Zukunft gestalten will, muß bei der Entwicklung und Anwendung der
Informations- und Kommunikationsdienste zu den Handelnden gehören.
Die Entwicklung und Anwendung der neuen Informations- und
Kommunikationsdienste vollzieht sich weltweit in privatwirtschaftlichen
Unternehmen. Sie wird vom grenzüberschreitenden Wettbewerb dieser
Unternehmen untereinander getrieben. Der Staat kann die weltweite
Entwicklung der neuen Medien und Dienste weder planen noch steuern. Er
kann die Einführung der neuen Medien allerdings durch geeignete
Rahmenbedingungen fördern und beschleunigen. Große Bedeutung kommt auch
öffentlichen Leitprojekten zu, mit denen alle staatlichen und
kommunalen Ebenen als innovative Beschaffer und Anwender die
Entwicklung zusätzlich anstoßen können. Staatliche Förderung der
wissenschaflichen Grundlagenforschung ist auch bei den neuen Medien
unabdingbar.
Der dynamische Charakter des Wandels zur Informationsgesellschaft
bringt es mit sich, daß sich Aufgabenschwerpunkte verschieben und neue
Aufgabenfelder entstehen. Dementsprechend müssen Rahmenbedingungen
entwicklungsoffen gestaltet sein und möglichst große Freiräume für
Innovation und Kreativität zulassen. Die Anwender und Anbieter moderner
Informations- und Kommunikationstechniken werden sich nur dann optimal
entwickeln können, wenn die allgemeinen und speziellen
Rahmenbedingungen verläßlich und stabil sind. Bei den speziellen
Rahmenbedingungen muß die Zukunftsoffenheit des regulatorischen Rahmens
Vorrang haben vor dem Wunsch nach Sicherheit im Detail.
Voraussetzung für eine günstige Entwicklung der neuen Medien in
Deutschland sind sowohl positive allgemeine Rahmenbedingungen für den
Standort Deutschland als auch vernünftige bereichsspezifische
Regelungen als spezielle Rahmenbedingungen. Letztere betreffen
Schutzvorschriften für den Nutzer (z. B. Jugendschutz, Schutz vor
strafbaren Inhalten, Datenschutz, Verbraucherschutz), den Schutz der
Urheber, der beteiligten Unternehmen und die Wahrung der staatlichen
Interessen (z. B. Steuern, Strafverfolgung, innere und äußere
Sicherheit). Nur wenn Deutschland im internationalen Vergleich günstige
allgemeine und spezielle Rahmenbedingungen für die neuen Medien
aufweist, wird die notwendige Zahl neuer zukunftsfähiger Arbeitsplätze
entstehen.
Da die modernen Informations- und Kommunikationsdienste weltweit
grenzüberschreitend erbracht werden und das Internet von seiner
Struktur her Grenzkontrollen unmöglich macht, müssen die speziellen
Rahmenbedingungen der neuen Dienste in weiten Bereichen international
abgestimmt werden.
Nach den Koalitionsvereinbarungen zielt die Politik der Bundesregierung
auf eine beschleunigte Nutzung und Verbreitung moderner Informations-
und Kommunikationstechnologie in der Gesellschaft. Chancen und
Potentiale der Wissens- und Kommunikationsgesellschaft müssen für eine
international wettbewerbsfähige Wirtschaft, für neue Erwerbsarbeit, für
ökologische Nachhaltigkeit, für einen uneingeschränkten
Informationszugang, für Wissenserweiterung und für die weltweite
Erweiterung der Freiheitsräume der Menschen ausgeschöpft und
erschlossen werden.
Wir fragen die Bundesregierung:
Rahmenbedingungen (Ordnungsrahmen)
1. Wie beurteilt die Bundesregierung das Zusammenwachsen, d. h., die
Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und
Informationstechnologien?
In welchen Punkten und Bereichen sieht sie im Hinblick auf die
Mitteilung der EU-Kommission über die Ergebnisse der öffentlichen
Konsultation zum "Konvergenz-Grünbuch" (COM 1999 108 final) weiteren
Handlungsbedarf?
2. Was ist aus Sicht der Bundesregierung zu unternehmen, um der in
der EU-Kommissionsmitteilung enthaltenen Kernaussage Rechnung zu
tragen, nach der die Rundfunksender in ihren jeweiligen Mitgliedstaaten
veranlaßt werden sollten, klar zwischen bestimmten öffentlichen
Sendeaktivitäten und Aktivitäten auf Gebieten, die dem Wettbewerb
unterliegen, zu unterscheiden?
3. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Zulassungs- und
Genehmigungsverfahren im Medienbereich abzubauen oder zu vereinfachen
und um die Beratung und Abstimmung zwischen Bund und Ländern sowie den
verschiedenen Zulassungs- und Aufsichtsbehörden im Medien- und
Telekommunikationsbereich zu verbessern?
Hält die Bundesregierung die Schaffung eines neuen Gremiums
("Kommunikationsrat") für sinnvoll?
Wenn ja, wie sollte sich ein solches Gremium zusammensetzen,
welche Konsequenzen hätte es für die bisher mit diesen Fragen befaßten
Einrichtungen, und welche Schritte wird die Bundesregierung zum
Zustandekommen dieses Gremiums unternehmen?
Bildung
4. Durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung gemeinsam mit den
Ländern sicherstellen, daß alle Bildungsbereiche den Herausforderungen,
die mit den neuen Medien verbunden sind, gerecht werden?
Wie will die Bundesregierung für die Allgemeinheit den Zugang zu
den neuen Medien sicherstellen?
5. Wie will die Bundesregierung die Fähigkeit zum Umgang mit den
neuen Medien in den Bereichen besonders fördern, in denen der Bund
zuständig ist, wie z. B. in der beruflichen Bildung und in der eigenen
Verwaltung?
Wie will sie der zunehmenden Bedeutung der Weiterbildung Rechnung
tragen?
Arbeit
6. Wie will die Bundesregierung das Arbeitsrecht durch mehr
Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung und zusätzliche Übernahme von
Eigenverantwortung durch die Beschäftigten an die Erfordernisse der
Informationsgesellschaft anpassen?
7. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung die weitere
Verbreitung der Telearbeit fördern und gleichzeitig den Schutz der
betroffenen Arbeitnehmer sicherstellen?
8. Wie beabsichtigt die Bundesregierung die arbeits- und
sozialrechtlichen Vorschriften künftigen Erfordernissen anzupassen,
damit sie neue Formen der zeitlich begrenzten oder dauerhaften
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Unternehmen übers Netz und
neue Formen der Unternehmensorganisation ermöglichen?
Unternehmensgründungen und Selbständigkeit
9. Durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung Selbständigkeit
und Untemehmensgründungen, die bei den neuen Diensten der Motor für
Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze sind, fördern?
Wie soll der Übergang in die Selbständigkeit erleichtert werden?
10. Auf welche Weise will die Bundesregierung
Finanzierungsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen der
Software- und Medienbranche, die für Banken wenig Sicherheiten bieten
können, verbessern?
Allgemeine Standortbedingungen
11. Mit welchen attraktiven allgemeinen Standortbedingungen,
beispielsweise bei den Steuersätzen, will die Bundesregierung
Unternehmen der weitgehend standortunabhängigen Software- und
Medienbranche zu Investitionen und damit zur Schaffung neuer
Arbeitsplätze in Deutschland bewegen?
Datenschutz und Datensicherheit
12. Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung dem Datenschutz und der
Datensicherheit für die Entwicklung der neuen Medien und Dienste bei?
Wie will die Bundesregierung den Selbstschutz der Nutzer fördern?
13. Will die Bundesregierung den Nutzer- und Datenschutz, der nur
durch kryptographische Verfahren gegeben ist, einschränken?
Wie beurteilt sie die Tatsache, daß in bestimmten Staaten das Key-
recovery vorgeschrieben ist?
Wie will sie das professionelle Ausspähen von Nutzern,
beispielsweise durch sogenannte Cookies, unterbinden?
14. Welche Ziele für den Bereich Information und Kommunikation
verfolgt die Bundesregierung in internationalen Arbeitsgruppen wie
ENFOPOL, die dem Schutz der inneren Sicherheit dienen?
15. Wie beurteilt die Bundesregierung die europäischen Vorschriften
zur digitalen Signatur, welche die Unverletztheit und die Identität
eines elektronischen Dokuments sichert?
Welche Änderungen im deutschen Recht werden dadurch notwendig?
16. Wie soll die Anwendung von digitalen Signaturen gefördert werden?
Welche Rechtsvorschriften müssen geändert werden, um die
elektronische Unterschrift der Schriftform gleichzusetzen?
Welcher Zeitplan besteht für diese Anpassung?
Rechtsstaatliche Ordnung
17. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß die
rechtsstaatliche Ordnung auch unter den besonderen Gegebenheiten des
Internets durchgesetzt wird?
Welche neuen Aufgaben kommen dabei auf Bund und Länder zu?
Mit welchen Maßnahmen wird die in diesem Bereich unverzichtbare
internationale Zusammenarbeit vorangetrieben?
Jugendschutz
18. Wie wird der Schutz vor jugendgefährdenden Inhalten bei Online-
Diensten und im Internet verwirklicht?
Wie haben sich die Einrichtungen der Selbstregulierung, die
besondere Stellung der Jugendschutzbeauftragten und technische Mittel
wie Filtersoftware bewährt?
19. Plant die Bundesregierung, die Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften sowohl technisch als auch personell so
auszustatten, daß sie konsequent und umfassend auf neue
Herausforderungen im Bereich der neuen Dienste reagieren kann?
20. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die
Öffentlichkeitsarbeit gegen Gewaltdarstellungen in den Medien und ihre
Verbreitung in den neuen Medien zu verstärken?
21. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung zur Stärkung der
Elternverantwortung vor?
22. Wird sich die Bundesregierung angesichts des globalen
Informationsaustausches verstärkt dafür einsetzen, daß nationale
Regelungen und Maßnahmen zum Schutz vor rechtswidrigen und sonstigen
jugendgefährdenden Inhalten in den Netzen durch Vereinbarungen über
internationale Mindeststandards und Aktionsprogramme flankiert werden?
Wenn ja, in welcher Weise?
Wenn nein, warum nicht?
Urheberschutz
23. Auf welche Weise will die Bundesregierung den Schutz des geistigen
Eigentums in der digitalisierten und vernetzten Welt sichern, ohne die
Entwicklung der neuen Medien zu behindern?
Verbraucherschutz
24. Wie will die Bundesregierung durchsetzen, daß im Internet der
gleiche Verbraucherschutz gilt wie im übrigen Geschäftsverkehr und daß
unlautere Werbemethoden wie unverlangt zugesandte und unerwünschte E-
mail-Werbung unterbunden werden?
Elektronischer Handel und Werbung
25. Durch welche besonderen Maßnahmen will die Bundesregierung neue
Formen der Werbung im Internet und den elektronischen Handel fördern?
Welche Änderungen im Handelsrecht sind geplant?
Wie will die Bundesregierung übers Netz grenzüberschreitend
erbrachte Leistungen langfristig steuerlich behandeln?
Digitaler Rundfunk
26. Auf welche Weise will die Bundesregierung die Digitalisierung des
Rundfunks mit der damit verbundenen Vervielfältigung der
Übertragungswege und neue Angebote im Rundfunk -- wie z. B. Busineß-TV
-- sowie neue Formen der Verbindung von Rundfunk und neuen Diensten
fördern?
Anstöße durch Beschaffung
27. Welche Anstöße gibt die Bundesregierung der Entwicklung von neuen
Medien und Diensten durch innovative Beschaffung z. B. in der eigenen
Verwaltung und in der Verbreitung der deutschen Kultur und Sprache im
Ausland?
Grundlagenforschung
28. Mit welchen Projekten der Grundlagenforschung treibt die
Bundesregierung die Entwicklung der neuen Medien in Deutschland voran?
Bürger und Staat
29. Wie nutzt die Bundesregierung die neuen Medien, um ihr Handeln
effizienter zu gestalten, den Bürgerservice zu verbessern sowie ihr
Handeln und das der Bundesbehörden für den Bürger transparent und
verständlich zu machen und im Gegenzug die Bürgermeinung in ihre
Entscheidungen besser einfließen zu lassen?
Welche Modelle zur Erprobung elektronischer Verfahren der
Stimmabgabe fördert die Bundesregierung?
Neue Sicherheitsbedrohung
30. Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahren ein, die durch
Angriffe auf kritische öffentliche und private Infrastrukturen der
Information und Kommunikation in Deutschland gegenwärtig und künftig
auftreten können?
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Gewährleistung der
inneren und äußeren Sicherheit gegenüber Angriffen auf die
Informations- und Kommunikationssysteme?
Bonn, den 13. April 1999
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Ese Aigner
Maria Eichhorn
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen)
Norbert Hauser (Bonn)
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Norbert Lammert
Werner Lensing
Erich Maaß (Wilhelmshaven)
Bernd Neumann (Bremen)
Thomas Rachel
Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke)
Dr. Erika Schuchardt
Bärbel Sothmann
Gunnar Uldall
Angelika Volquartz
Heinz Wiese (Ehingen)
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

06.05.1999 nnnn

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