BT-Drucksache 14/1030

Bedeutung der Situation bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland für die Existenz der Obst- und Gemüsebaubetriebe

Vom 6. Mai 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/1030 vom 06.05.1999

Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Bedeutung der Situation bei
der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland für die
Existenz der Obst- und Gemüsebaubetriebe =

06.05.1999 - 1030

14/1030

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Albert Deß, Peter Bleser,
Peter H. Carstensen (Nordstrand), Gottfried Haschke (Großhennersdorf),
Siegfried Hornung, Dr. Martina Krogmann, Meinolf Michels, Franz
Obermeier, Norbert Schindler, Dr. Andreas Schockenhoff, Dorothea Störr-
Ritter und der Fraktion der CDU/CSU
Bedeutung der Situation bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in
Deutschland für die Existenz der Obst- und Gemüsebaubetriebe

Die Richtlinie 91/414/EWG des Rates über das Inverkehrbringen von
Pflanzenschutzmitteln (PSM) vom 15. Juli 1991 wurde im
Pflanzenschutzgesetz vom 14. Mai 1998 in nationales Recht umgesetzt.
Mit der Richtlinie sollten die Anforderungen an die Zulassung EU-weit
harmonisiert werden. Nicht harmonisiert wurde jedoch die Bewertung der
Auswirkungen auf die Umwelt. Deutschland wendet den entsprechenden
Anhang VI der Richtlinie, die Einheitlichen Grundsätze für die
Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, strikt und umfassend
für alle zur Zulassung beantragten PSM an. Die anderen Mitgliedstaaten
beschränken die Anwendung von Anhang VI bei der Zulassung auf die PSM,
deren Wirkstoffe bereits im Anhang I eingetragen sind; alle anderen PSM
werden noch nach den herkömmlichen nationalen Vorgaben bewertet und
zugelassen. Da bisher nur 3 Wirkstoffe im Anhang I eingetragen sind und
weitere ca. 800 Altstoffe sowie ca. 100 neue Wirkstoffe hinsichtlich
ihrer Aufnahme in Anhang I bewertet werden müssen, bestehen weiterhin
erhebliche Diskrepanzen bei der Verfügbarkeit von PSM. Eine Angleichung
zwischen den Staaten der EU ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die
Wettbewerbsunterschiede zum Nachteil der deutschen Erzeuger verstärken
sich noch.
Im Zulassungsverfahren sind die Auswirkungen einer sachgerechten
Anwendung eines Pflanzenschutzmittels auf die Umwelt zu bewerten. Dies
gilt auch für die Auswirkungen auf im Wasser lebende Organismen. Der
Bewertungsvorgang erfolgt in mehreren Einzelschritten, es fehlt eine
Gesamtbewertung für die Auswirkungen bzw. eine Abschätzung der
Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos für die genannte
Organismengruppe. Im Verfahren zur Abschätzung der Auswirkungen einer
PSM-Anwendung auf Wasserorganismen hat man für die bei der Ausbringung
abgewehte oder abgedriftete Menge keinen Nullwert festgelegt, so daß im
mathematischen Modell auch in sehr weiter Entfernung (im Unendlichen)
vom Ausbringungsort rechnerisch noch eine Schädigung von
Wasserorganismen angenommen wird. Die Folge ist, daß die beantragte
Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, insbesondere von speziell
nützlingsschonenden Insektiziden und Akariziden für den Obst- und
Weinbau, abgelehnt wird oder die Anwendung mit so hohen Auflagen
gewährt wird, daß eine Anwendung im Obst- und Weinbau praktisch nicht
mehr möglich ist.
Bestimmte PSM dürfen im Obst- oder Weinbau nur noch mit
verlustmindernden Geräten ausgebracht werden. Der Zwang,
verlustmindernde Geräte einsetzen zu müssen, kommt in den meisten
Fällen ebenfalls einem Anwendungsverbot gleich, da wegen der nicht
ausgereiften Technik ein Einsatz der Geräte meist nicht möglich ist.
Zudem müssen diese Geräte auch in Anlagen eingesetzt werden, die weit
entfernt vom nächsten Gewässer gelegen sind, wo Wasserorganismen mit
Sicherheit nicht mehr geschädigt werden können.
Im integrierten Pflanzenschutz ist die Schonung und Förderung von
Nützlingen, insbesondere in den Raum- und Dauerkulturen des Obst- und
Weinbaues, eines der wichtigen Elemente. Im integrierten Obst- und
Weinbau können wichtige, nützlingsschonende Mittel wegen ihrer nach
obigem Verfahren ermittelten Auswirkungen auf Wasserorganismen mit
herkömmlicher Technik nicht mehr eingesetzt werden bzw. ist deren
Einsatz verboten.
Im novellierten Pflanzenschutzgesetz vom 14. Mai 1998 ist die
Mitwirkung von Bund und Ländern beim Schließen offener
Anwendungsgebiete oder Lückenindikationen vorgesehen. Dadurch soll
gewährleistet werden, daß der Anbau von Kleinkulturen wie Beerenobst,
Gemüse, Arznei- und Gewürzkräuter möglich ist und nicht scheitern soll,
weil geeignete Mittel zum Schutz von Schadorganismen fehlen. In der
Vergangenheit gab es Fälle, daß Firmen bei Anträgen in
Lückenindikationen Nachteile für die Anwendung ihrer Mittel in
ökonomisch wichtigen Hauptkulturen hinnehmen mußten. Die Folge ist, daß
Firmen keine Anträge in Lückenindikationen mehr stellen oder sogar
bereits gestellte Anträge wieder zurückziehen.
Auch bei Lückenindikationsanträgen Dritter nach § 18 PflSchG ist eine
Änderung des Hauptantrages mit ökonomisch nachteiligen Folgen für den
Zulassungsinhaber nicht auszuschließen. Dies kann Regreßansprüche des
Zulassungsinhabers nach sich ziehen.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Kann die Bundesregierung mitteilen, welche Mitgliedstaaten bei der
Zulassung von PSM bei der Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt
nicht in der Weise wie Deutschland verfahren, und welche Maßnahmen will
die Bundesregierung im Rahmen ihrer Präsidentschaft ergreifen, um auch
bei den Bewertungen eine Harmonisierung zu erzielen?
2. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die durch die
mangelnde Harmonisierung bestehenden möglichen Wettbewerbsnachteile bei
der Zulassung von PSM für die deutschen Erzeuger schnellstens zu
beseitigen?
3. Was gedenkt die Bundesregierung zu veranlassen, damit eine
realistische Bewertung der Umweltrisiken erreicht wird?
4. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, auf die
Verpflichtung zum Einsatz von verlustmindernden Geräten zu verzichten,
bis praktikable Techniken verfügbar sind?
5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Integrierte
Obstbau mit den jetzt verfügbaren PSM in vielen Kulturen und vielen
Regionen nicht mehr möglich ist, wenn es keine Änderungen gibt?
6. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, daß in vielen Fällen
der Integrierte Obstbau nicht mehr möglich ist, weil wichtige
Schädlinge nicht mehr mit nützlingsschonenden Mitteln bekämpft werden
können und, wenn überhaupt, nur noch breitwirksame Mittel eingesetzt
werden dürfen, die die über die Jahre aufgebaute Nützlingsfauna in der
Baumschicht stark schädigen, und wie begründet sie ihre Haltung?
7. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit die Situation für
den Integrierten Obst- und Weinbau wieder verbessert wird?
8. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung sichergestellt
werden, daß bei Lückenindikationsanträgen Dritter nach § 18 PflSchG
entsprechende Regreßansprüche des Zulassungsinhabers abgewehrt werden?
9. Was muß nach Auffassung der Bundesregierung getan werden, damit
ein nach § 18 PflSchG gestellter Antrag nicht zur Änderung des
Hauptantrages führt und so Planungssicherheit für die Firmen
gewährleistet werden kann?
10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Klärung der
Fragen bez. der Rechtssicherheit des Hauptantrages Voraussetzung ist,
um Lückenindikationen schließen zu können?
Bonn, den 6. Mai 1999
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Albert Deß
Peter Bleser
Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Gottfried Haschke (Großhennersdorf)
Siegfried Hornung
Dr. Martina Krogmann
Meinolf Michels
Franz Obermeier
Norbert Schindler
Dr. Andreas Schockenhoff
Dorothea Störr-Ritter
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

06.05.1999 nnnn

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