Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.04.2004, Az. 5 StR 11/04

5. Strafsenat | REWIS RS 2004, 3616

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Nachschlagewerk: ja[X.]St : neinVeröffentlichung : jaStPO § 302 Abs. 1Satz 1Unwirksamkeit eines sofort nach [X.]eilsverkündung erklärten[X.]s des Angeklagten, auf den der Staatsanwalt mitder Ankündigung eines unsachgemäßen Haftantrages für [X.] gedrängt hatte.[X.], Beschluß vom 20. April 2004 [X.] 5 StR 11/04 [X.]/04BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSvom 20. April 2004in der Strafsachegegenwegen Steuerhinterziehung- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 20. April 2004beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das [X.]eil [X.] vom 19. Mai 2003, soweit es diesen [X.] betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten [X.], an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des[X.] zurückverwiesen.[X.][X.] hat den Angeklagten [X.]wegen 14 Fällen [X.], zehnmal qualifiziert nach § 370a [X.], unter Einbezie-hung einer anderweitig rechtskräftig verhängten Geldstrafe zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zwei Mitange-klagte, gegen die das [X.]eil rechtskräftig ist, wurden wegen des gleichenSchuldspruchs zu Gesamtfreiheitsstrafen von fünf Jahren bzw. ebenfalls dreiJahren und sechs Monaten verurteilt. Die Verurteilung betrifft die im Zusam-menwirken mehrerer Firmen arbeitsteilig mit mindestens fünf gesondert [X.] betriebene Hinterziehung von insgesamt 3,4 u-ern im Zusammenhang mit dem Erwerb und Weiterverkauf von Gold. DieRevision des Angeklagten [X.] hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Der vom Angeklagten [X.] [X.] an die [X.]eilsverkündung erklärte [X.] erweist sichals unwirksam. Aufgrund der Art und Weise seines Zustandekommens [X.] -ein Ausnahmefall vor, in dem die [X.] grundsätzlich unwiderrufliche und unan-fechtbare [X.] Verzichtserklärung als unwirksam anzusehen ist (vgl. [X.]St 45,51, 53).a) Der [X.] erfolgte als Reaktion des Angeklagten[X.]auf die Androhung des [X.] der Staatsanwaltschaft, dieAufhebung der unmittelbar zuvor mit [X.]eilsverkündung beschlossenen Au-ßervollzugsetzung des Haftbefehls gegen den Angeklagten [X.] für denFall seiner Verweigerung eines sofortigen [X.]s zu [X.]. Mit dem [X.] hält der Senat den Sachvortrag der Re-vision in diesem Zusammenhang für erwiesen. Die Staatsanwaltschaft ist ihmin ihrer Gegenerklärung nicht entgegengetreten; dem Vortrag entgegenste-hende dienstliche Erklärungen sind nach Eingang der Revisionsschriftennicht erfolgt.Dem Vorgang war folgendes vorangegangen: Alsbald nach [X.] wurden [X.] zwischen den Verfahrensbetei-ligten initiiert; gegen [X.] wurde das Hauptverfahren ohne Gewährungeiner Erklärungsfrist [X.] worauf erst später verzichtet wurde [X.] eröffnet; es er-folgte dann eine ganz ungewöhnlich zügige, bereits zehn Tage nach Ankla-geerhebung vollzogene Aburteilung von drei Angeklagten nach gut zweistün-diger Hauptverhandlung in einem umfangreichen Steuerstrafverfahren.Vor diesem Hintergrund stützen insbesondere zwei weitere unge-wöhnliche Verfahrensvorgänge das [X.]: Zum einen ist [X.] im Zusammenhang mit dem [X.] abgegebene, vom [X.] hingenommene und protokollierte Erklärung des Staatsan-walts, bei allen drei Angeklagten stehe [X.] nach [X.] über [X.], die der anschließenden Verurteilung entsprachen [X.]—im Falle der Rechtskraft des [X.]eilsfi einer Haftverschonung nichts entgegen.Zum anderen ist es der Umstand, daß die Hauptverhandlung nach Verkün-dung des [X.]eils und der [X.] sowie den [X.] 4 -mittelverzichtserklärungen der beiden Mitangeklagten zu einer Beratung [X.] [X.] mit seinem Verteidiger vor Abgabe der in Streit stehen-den [X.]serklärung eigens unterbrochen wurde.b) Nach den der [X.]eilsfindung vorangegangenen [X.] deutet die Ankündigung des Staatsanwalts, er werde die Aufhe-bung der mit [X.]eilsverkündung beschlossenen [X.] für den Fall mangelnder Bereitschaft des Angeklagten [X.] zum [X.] beantragen, ebenso wie bereits die Erklärung [X.] zur Haftverschonung im [X.] klar darauf hin, [X.] aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine Verständigung im Strafver-fahren in unstatthafter Weise ([X.]St 43, 195, 204 f.; 45, 227, 230 f.) mit derZusage eines [X.]s verknüpft werden sollte. Entscheidendfür die Annahme einer unzulässigen Willensbeeinflussung zum Nachteil [X.] ist hier indes, daß sich die Sicht der Staatsanwaltschaft auf eineAbhängigkeit zwischen Haftverschonung und [X.] als ekla-tant sachwidrig erweist. Dadurch hebt sich der vorliegende Sachverhalt vondem in [X.]St 17, 14 entschiedenen Fall eines letztlich als wirksam erach-teten [X.]s nach einem ebenfalls bedenklichen, aber nicht ingleicher Weise unvertretbaren staatsanwaltlichen Haftantrag noch ab.Die nach § 268b StPO mit [X.]eilsverkündung zu treffende Haftent-scheidung darf grundsätzlich nicht von der Rechtskraft eines [X.]eils abhän-gen, soweit dabei [X.] wie hier [X.] über die Fortdauer der Untersuchungshaft we-gen Fluchtgefahr bzw. über eine Außervollzugsetzung der aus diesem [X.] angeordneten Untersuchungshaft zu entscheiden ist. Regelmäßig besteht[X.] auch hier ist nichts Abweichendes ersichtlich [X.] kein tragfähiger Grund, ei-nem Angeklagten, der die Überprüfung einer gegen ihn ergangenen landge-richtlichen Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe mit demRechtsmittel der Revision erstrebt, eine Außervollzugsetzung der wegenFluchtgefahr angeordneten Untersuchungshaft etwa zu versagen, die [X.] ein solches zulässiges Rechtsmittel gewährt werden [X.]) Der [X.] meint, eben wegen dieser [X.] könne der Verteidiger seinem Mandanten bei der dem Rechts-mittelverzicht vorangegangenen Beratung nur die Aussichtslosigkeit des vondem Staatsanwalt angekündigten Antrags deutlich gemacht haben; danachscheide eine relevante negative Einflußnahme auf den anschließend abge-gebenen [X.] aus. Dieser Auffassung vermag der Senatnicht zu folgen. Es bleibt dabei nämlich, wie die Verteidigung zutreffend [X.], folgendes außer acht: Das Gericht hat es schon anläßlich der ohneweiteren Einwand entgegengenommenen protokollierten Erklärung [X.] zur Haftfrage in seinem Schlußantrag und dann [X.] der sachwidrigen Ankündigung des Antrags auf Aufhebung des [X.] verabsäumt, dieser unsachgemäßen Haltung [X.] deutlich entgegenzutreten. Angemessen wäre allein gewesen, dieVerhandlung alsbald zu schließen und dem Angeklagten anheim zu geben,sich die Frage der Einlegung eines Rechtsmittels in der hierfür vorgesehenenWochenfrist zu überlegen. Stattdessen war das Gericht [X.] letztlich in ebenfallsunzulässiger Verknüpfung mit der vorangegangenen Verfahrensabsprache [X.]durch Gewährung einer nach dem Verfahrensstand sachlich nicht gerecht-fertigten Pause bestrebt, den Angeklagten an Ort und Stelle zu einer Erklä-rung über einen alsbaldigen [X.] zu veranlassen (vgl. dazu[X.]St 19, 101, 102 ff.).Damit hat sich das Gericht den vom Staatsanwalt mit seiner [X.] ausgehenden Druck aus der maßgeblichen Sicht des indiese Situation gebrachten Angeklagten so weitgehend zueigen gemacht,daß infolge der Art und Weise dieses gesamten Vorgehens der [X.] des erkennbar auf den Gedanken sofortiger Haftentlassung fixiertenAngeklagten wegen hierdurch [X.] schwerwiegender [X.] als unwirksam zu werten ist. In der gegebenen Situation hätte [X.] keine sofortige [X.]serklärung entgegennehmendürfen. Die fristgerecht eingelegte Revision ist mithin [X.] 6 -d) Aufgrund dieses Befundes, der den vorliegenden Fall als [X.] eines unwirksamen [X.]s aufgrund massiver Wil-lensmängel des Erklärenden nach der Art und Weise seines Zustandekom-mens nach bislang anerkannten [X.] kennzeichnet, kommtes nicht darauf an, ob die Unwirksamkeit des [X.]s auchdaraus abzuleiten wäre, daß das Gericht im Zusammenhang mit einer Ab-sprache unzulässigerweise auf den Verzicht hingewirkt hat (vgl. [X.] [X.] An-frage des 3. Strafsenats [X.] NJW 2003, 3426). Es kann auch offenbleiben, obein Fall der Verständigung vorliegt, in dem die Frage des [X.] zu einem maßgeblichen, dabei aber nicht —[X.], [X.] gemacht worden ist (vgl. [X.], [X.]. vom 19. Fe-bruar 2004 [X.] 4 StR 371/03, zur Veröffentlichung in [X.]St bestimmt), undwelche rechtlichen Folgerungen gegebenenfalls hieraus, auch für die Wirk-samkeit des anschließend erklärten [X.]s, zu ziehen wären.2. In der Sache hat die Revision mit der auf Verletzung des § 261StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg, die der im Zusammenhang mit der—mißglückten [X.] erhobenen Rüge zu entnehmen [X.]) Bei der vorliegenden Verfahrensgestaltung läßt sich aus dem [X.], daß der Verteidiger an dem nunmehr beanstandeten strafprozeß-rechtlich zweifelhaften Vorgehen von Gericht und Staatsanwaltschaft weitge-hend mitgewirkt hat, eine Beschränkung der Rügebefugnis nicht herleiten.Da die Sachrüge, soweit absehbar, in keinem Anklagepunkt zurDurchentscheidung auf Freispruch führen würde, bedarf es keiner Entschei-dung, inwieweit das [X.]eil sachlichrechtlicher Prüfung standhielte. [X.] nicht der Fall wäre, müßte zwar die Erstreckung einer [X.]eilsaufhebungauf die [X.] nach § 357 StPO in Betracht gezogen werden. [X.] folgt indes kein Vorrang der sachlichrechtlichen Überprüfung gegenüberder Verfahrensrüge (vgl. [X.] in [X.]. § 357 Rdn. 5).- 7 -b) Die Beweiswürdigung des [X.] ist im [X.]eil allein daraufgestützt, die Angeklagten hätten —in der Hauptverhandlung die ihnen mit [X.] zur Last gelegten Tatenfi in dem zuvor festgestellten [X.] ([X.]). Daß dies bezogen auf den Angeklagten [X.]vondessen Einlassung in der Hauptverhandlung nicht getragen wird, ist offen-sichtlich. Dieser Angeklagte hat nämlich in der Hauptverhandlung zur Sachelediglich erklärt, daß er —den Vorwürfen der Anklage nicht entgegentrete unddas in Aussicht gestellte Strafmaß [X.]; daneben äußerte er sich zuseinen persönlichen Verhältnissen (S. 4 des Hauptverhandlungsprotokolls).Es ist der Sitzungsniederschrift nicht zu entnehmen, daß der Angeklagte[X.] darüber hinaus Fragen zur Sache beantwortet hätte. Weitere [X.] sind nicht protokolliert, abgesehen von einer Erklärung im letztenWort. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß ausgerechnet jenes letzteWort des Angeklagten [X.] erstmalig ein [X.] Geständnisenthalten haben könnte.Ein irgendwie geartetes [X.] auch nur —schlankesfi [X.] Geständnis, daseinen als glaubhaft bewertbaren inhaltlichen Gehalt hätte, auf den einenSchuldspruch tragende Feststellungen gestützt werden könnten (vgl. [X.]St43, 195, 204), läßt sich diesem Einlassungsverhalten nicht entnehmen. Einbloßer [X.] reicht auch nach einer Verständigung als Basisfür eine Verurteilung mit tragfähigem Schuldspruch selbstverständlich nichtaus.c) Die Verurteilung des Angeklagten [X.]kann auch nicht deshalbauf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruhen, weil sich das Gericht etwaallein auf die geständigen Einlassungen der zur Sache aussagenden beidenMitangeklagten stützen durfte. Ganz abgesehen von der [X.] dem [X.] [X.] knappen Begründung der Beweiswürdigung im [X.]eil würde esinsoweit an jeglicher kritischer Hinterfragung der geständigen Angaben [X.] fehlen, wie sie namentlich nach im Rahmen einer Verständi-gung abgegebenen Geständnissen unerläßlich wäre ([X.]St 48, 161). Im- 8 -übrigen wäre hier eine ähnlich kritische Beweiswürdigung für den Fall erfor-derlich gewesen, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung eine nichtweiter hinterfragte geständige Erklärung zur Sache abgegeben [X.] Zur Sache beschränkt sich der Senat auf folgende Hinweise andas neue Tatgericht: Zu den eigentlichen eigenen Tathandlungen des [X.], insbesondere im Zusammenhang mit der Fertigung [X.] nach tatsächlich umsatzsteuerfreien Goldeinkäufen, fehltes an jeglichen näheren konkreten Feststellungen. Die Gesamtdauer seinermonatlichen Entlohnungen wird nicht hinreichend deutlich. Daß die [X.] schon aus der Divergenz zwischen deren geringer Höhe und den fest-gestellten üppigen Erlösen des Mitangeklagten [X.]([X.]) [X.] gegen die Zumessung gleich hoher Einzelstrafen herleitet, erscheintnachvollziehbar. Zu § 370a [X.] verweist der Senat auf die bestehenden Be-denken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift (vgl. [X.] in Fest-schrift für [X.], 2003, [X.]; Park wistra 2003, 328 m.w.N.).[X.] Häger [X.] Raum

Meta

5 StR 11/04

20.04.2004

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.04.2004, Az. 5 StR 11/04 (REWIS RS 2004, 3616)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3616

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