Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2011, Az. 3 StR 115/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5916

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Gegenstand

Betrug: Feststellung des Vermögensschadens; gutgläubiger Eigentumserwerbs des getäuschten Käufers


Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. September 2010, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit "Urkundenfälschung" (aus den Gründen ergibt sich: in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung) in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Weiter hat es der Angeklagten zur Auflage gemacht, 400 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung der Jugendgerichtshilfe abzuleisten. Es hat festgestellt, dass die Angeklagte aus den Taten 39.700 € erlangt hat, dem Verfall von Wertersatz aber Ansprüche Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit der auf eine Verfahrensrüge und die Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.

2

1. Das [X.] hat die Verurteilung der Angeklagten auf folgende Feststellungen gestützt:

3

Der Ehemann der Angeklagten hatte sich entschlossen, sich in den Besitz von Kraftfahrzeugen gehobener Fahrzeugklassen zu bringen, um sie unter Vorlage unechter Urkunden zu veräußern.

4

In Ausführung dieses Entschlusses mietete er am 4. März 2009 durch [X.] seiner tatsächlich nicht vorhandenen Absicht, das Kraftfahrzeug ordnungsgemäß zurückzugeben, bei einem gewerblichen Vermieter einen Pkw der Marke [X.] im Wert von 55.000 €. Er ließ sich von einem [X.] passende unechte Zulassungsbescheinigungen auf gestohlenen [X.] herstellen. Am 13. März 2009 verkaufte er das Fahrzeug weiter. Die Angeklagte unterstützte ihren Ehemann in Kenntnis der Herkunft des Kraftfahrzeugs bei den Verkaufsgesprächen, indem sie dem Käufer und dessen Ehefrau suggerierte, sie und ihr Ehemann lebten in guten finanziellen Verhältnissen und seien rechtmäßig im Eigenbesitz des Fahrzeugs. Der Käufer, dem sie den Pkw überließen, zahlte einen Kaufpreis in Höhe von 39.100 €.

5

Der Ehemann der Angeklagten mietete in weiterer Umsetzung seines [X.]es am 23. März 2009 ein Kraftfahrzeug der Marke [X.] im Wert von 68.550 €. Am 26. März 2009 verkaufte er den Pkw an einen [X.]. Die Angeklagte, die über den [X.] ihres Ehemanns informiert war, unterstützte ihn bei den Verkaufsverhandlungen, indem sie dem Käufer im Verein mit ihrem Ehemann zunächst am Telefon und anschließend anlässlich einer persönlichen Begegnung vorspiegelte, der zweite Schlüssel des Kraftfahrzeugs könne dem Käufer nicht überlassen werden, weil sie ihn zuhause vergessen habe. Der Käufer, dem der Pkw übergeben wurde, zahlte einen Kaufpreis von 57.000 €.

6

2. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung in zwei Fällen nicht; sie sind zum objektiven Tatbestand der Betrugstaten unzureichend. Es fehlen Angaben zu Art und Höhe des den Käufern der Kraftfahrzeuge entstandenen Schadens. Eine Schädigung der Käufer in Höhe des vollen von ihnen entrichteten Kaufpreises, auf den das [X.] jeweils Bezug nimmt, setzte voraus, dass sie im Gegenzug kein Eigentum an den Kraftfahrzeugen erlangten. Dazu, insbesondere zu den Voraussetzungen des § 932 Abs. 2 BGB unter besonderer Berücksichtigung des Gutglaubenserwerbs von Kraftfahrzeugen bei Vorlage unechter Zulassungsbescheinigungen ([X.], Urteil vom 23. Mai 1966 - [X.], [X.] 1966, 720 f.; [X.], Urteil vom 26. Mai 2011 - 23 U 434/11, juris Rn. 20 ff.; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 932 Rn. 56), legt das [X.] nichts dar.

7

Dies entzieht nicht nur dem Strafausspruch, sondern bereits dem Schuldspruch die Grundlage. Entgegen der Ansicht des [X.] kann dieser nicht deswegen bestehen bleiben, weil bei den Käufern auch im Falle ihres gutgläubigen Eigentumserwerbs wegen des nicht unerheblichen Prozessrisikos jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der schadensgleichen Vermögensgefährdung ein Betrugsschaden eingetreten sei ([X.], Urteil vom 8. Mai 1990 - 1 StR 52/90, [X.] 1990, 517, 518; Beschluss vom 15. Januar 2003 - 5 [X.], [X.], 230 f.). Denn nach der neueren Rechtsprechung des [X.] zum Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, die in gleicher Weise für das Merkmal des Vermögensschadens nach § 263 Abs. 1 StGB relevant ist, ist es im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erforderlich, eigenständige Feststellungen zum Vorliegen des Vermögensschadens zu treffen, um so dieses Tatbestandsmerkmal von den übrigen Tatbestandsmerkmalen des § 263 Abs. 1 StGB sowie die Fälle des versuchten von denen des vollendeten Betruges hinreichend deutlich abzugrenzen. Nur so lässt sich auch eine tragfähige Aussage zur Stoffgleichheit zwischen der vom Opfer erlittenen Vermögenseinbuße und dem vom Täter erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil treffen. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fallgestaltungen abgesehen bedeutet dies, dass der Schaden der Höhe nach zu beziffern und seine Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darzulegen ist ([X.], Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., [X.]E 126, 170, 211 f.).

8

Daran fehlt es hier. Weder ist ersichtlich, nach welchen wirtschaftlich nachvollziehbaren Maßstäben ein bezifferbarer Vermögensschaden allein in dem Bestehen eines zivilrechtlichen Prozessrisikos liegen kann, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Strafverfahren feststeht oder nicht ausschließbar ist, dass der getäuschte Käufer gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben hat, noch werden Parameter für die Berechnung der Höhe eines solchen Schadens erkennbar.

9

3. Aufgrund der unzureichenden Feststellungen unterliegt das landgerichtliche Urteil der Aufhebung, soweit es die Angeklagte betrifft, ohne dass es noch auf die [X.] der Revision betreffend die Anwendung der § 17 Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 1 JGG und den Angriff gegen die der Revision unterliegende ([X.], Beschluss vom 17. Februar 2010 - 2 StR 524/09, [X.]St 55, 62 Rn. 7 ff.) Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO ankäme. Auf die Ausführungen in der Antragsschrift des [X.] wird insoweit hingewiesen. Von der Aufhebung nicht betroffen ist die in den Gründen des landgerichtlichen Urteils enthaltene Entscheidung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 bis 4 StPO, die einer Überprüfung lediglich auf sofortige Beschwerde zugänglich ([X.], Beschluss vom 24. Juni 2009 - 4 [X.], [X.]St 54, 30 ff.) und nicht Gegenstand der Revision der Angeklagten ist. Eine Erstreckung der Aufhebung auf den wegen anderer Taten verurteilten Mitangeklagten scheidet aus, § 357 Satz 1 StPO.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO das [X.] nicht hindert, aufgrund der neu zu treffenden Feststellungen zu einer Verschärfung des Schuldspruchs zu gelangen. Das [X.] wird - gegebenenfalls nach Erteilung eines entsprechenden Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO - das der Angeklagten zur Last gelegte Tun unter dem Gesichtspunkt der Hehlerei nach § 259 Abs. 1 StGB in der Variante der Absatzhilfe zu untersuchen haben.

[X.]     

Ri[X.] Hubert ist erkrankt
und daher gehindert zu
unterschreiben.

Schäfer

[X.]

Mayer     

     Menges     

Meta

3 StR 115/11

08.06.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 24. September 2010, Az: 98 KLs 8/10 - 3141 Js 71006/10, Urteil

§ 263 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.06.2011, Az. 3 StR 115/11 (REWIS RS 2011, 5916)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5916

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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