Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2017, Az. 2 StR 574/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11991

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:260417U2STR574.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 574/16
vom
26. April
2017
in der Strafsache
gegen

wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 12.
April 2017 in der Sitzung am 26.
April 2017, an denen
teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl

als Vorsitzender,

die [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],
die [X.]innen
am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwältin

-
in der Verhandlung -

als Verteidigerin,
Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Vertreter der [X.],

Amtsinspektorin

in der Verhandlung,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. August 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] hierdurch entstandenen notwendi-gen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und we-gen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jah-ren und neun Monaten
verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1
-
4
-
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s missbrauchte der Angeklagte seine am 19.
Juni 2008 geborenen Zwillingstöchter F.

und J.

am
30.
Januar 2016 während eines [X.] der Kinder in seiner Woh-nung.
Gegen 21:00 Uhr ging der Angeklagte in das Schlafzimmer zu seiner Tochter F.

n den Schlafsack des mit einem T-
Shirt und einer Unterhose bekleideten Kindes und führte sie in der Absicht, sich sexuell zu erregen, über ihrer Unterhose bis einige Zentimeter oberhalb ihres Genitalbereichs und streichelte seine Tochter dort. Als F.

äußerte, sie wolle

1 der Anklage).
Der Angeklagte forderte danach seine Tochter J.

auf, mit ihm zu
kommen. Zu F.

sagte er, ihre Schwester J.

komme gleich wieder. Im
Wohnzimmer entkleidete er J.

. Anschließend ging er mit ihr in das Bade-
zimmer, wo er seine Hose und Unterhose herunterzog und sich auf die Toilette setzte. Auf sein Geheiß setzte sich das Kind auf seinen Schoß. Als das Kind erklärte, dies nicht zu wollen, hob er es herunter. Danach ging er
mit J.

wie-
der ins Wohnzimmer, wo er ihren Körper im Bereich der Brust ableckte. Er ver-anlasste sodann das Kind dazu, Joghurt auf seinem Körper zu verteilen. Dann forderte er es auf, seinen Penis, der auch mit Joghurt benetzt war, in den Mund zu nehmen. Dem folgte das Kind zunächst, erklärte dann aber weinend, es [X.] dies nicht. Darauf beendete der Angeklagte den Oralverkehr (Fall
2 der An-klage).

2
3
4
-
5
-
II.
Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet. Der Erörterung bedarf nur die Frage, ob bei der Tat des Angeklagten zum Nachteil der Tochter F.

(Fall
1 der Anklage), die das [X.] als Vergehen gemäß
§
174 Abs.
1 Nr.
3 in Tateinheit mit §
176 Abs.
1 StGB bewertet hat, eine sexu-elle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne des §
184h Nr.
1 StGB vorlag.
1. Die Strafkammer hat zwar bei der rechtlichen Würdigung nicht erläu-tert, dass das Streicheln der zur Tatzeit siebeneinhalbjährigen Zwillingstochter s geschützte Rechtsgut eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit war (§
184h Nr.
1 StGB). Das bedurfte aber keiner besonderen Begründung (vgl. Senat, Urteil vom 6.
Mai 1992

2
StR 490/91, [X.]R StGB §
184c Nr.
1 Erheb-lichkeit
1).
Als erheblich in
diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmba-re Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts be-sorgen lassen (vgl. etwa [X.], Urteile vom 24. September 1980

3
StR 255/80, [X.]St 29, 336, 338; vom 24.
September 1991

5
StR 364/91, [X.], 324; vom 1.
Dezember 2011

5
StR 417/11, [X.], 269, 270; vom 21.
September 2016

2
[X.], [X.], 43, 44). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus. Bei Tatbeständen, die Kinder und Ju-gendliche schützen, können weniger strenge Maßstäbe anzulegen sein (vgl. Senat, Urteil vom 21.
September 2016

2 [X.], [X.], 43, 44; [X.] in [X.], StGB, 28.
Aufl., §
184g Rn.
6; [X.] in Festschrift 5
6
7
-
6
-
für Streng, 2017, S.
87, 95). Letztlich sind aber auch beim Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern (§
176 StGB) nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen, die sexuell motiviert sind, tatbestandsmäßig. [X.] sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (vgl. Senat, Beschluss vom 21.
September 2016

2
[X.], [X.], 43, 44).
Nach den Feststellungen des [X.]s lagen sexuelle Handlungen des Angeklagten zum Nachteil seiner zur Tatzeit erst siebeneinhalbjährigen Tochter F.

vor, die ersichtlich für das geschützte Rechtsgut von einiger Er-
heblichkeit waren. Dies folgt aus der Tatbegehung in der besonderen Bezie-hung zwischen Vater und Tochter, aus dem deutlich unter der [X.] liegenden Alter des Kindes zur Tatzeit, aus der Art der sexuellen Hand-lung und aus den Begleitumständen, wie der Tatsache, dass das Kind situativ in die nachfolgende Tat zum Nachteil der Zwillingsschwester einbezogen wurde.
2. Die Gesetzesänderungen durch das 50.
Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches -
Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestim-mung
-
vom 4.
November 2016 ([X.] I S.
2460) geben keinen Anlass zu einer für den Angeklagten günstigeren Bewertung als milderes Recht im Sinne von §
2 Abs.
3 StGB.
Die Einführung eines Auffangtatbestands für belästigend wirkende kör-perliche Berührungen in sexuell bestimmter Weise in §
184i StGB wirkt sich nicht auf die Auslegung des Begriffs der Erheblichkeit in §
184h Nr.
1 StGB aus (anders aber [X.], [X.], 157, 160 f.; [X.], [X.]. 2017, 514, 517 f.). Der Gesetzgeber bezweckte mit der Einführung des §
184i StGB nicht, [X.] von §
184h Nr.
1 StGB erfasste Verhaltensweisen aus dem Schutzbereich herauszulösen und diese nunmehr nur noch unter den dort genannten Voraus-8
9
10
-
7
-
setzungen in §
184i StGB unter Strafe zu stellen. Ziel der Neuregelung war es vielmehr, bisher strafrechtlich nicht erfasstes Verhalten auch unterhalb der Schwelle des §
184h Nr.
1 StGB zu poenalisieren (BT-Drucks. 18/9097 S.
29).
Ein Einfluss auf die Auslegung des §
184h Nr.
1 StGB ergibt sich auch nicht dadurch, dass die Rechtsprechung bei der Prüfung der Erheblichkeit der sexuellen Handlung auf eine nach Art, Intensität und Dauer sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts abstellt, womit bisher eine Abgrenzung zwischen strafbaren und straflosem Verhalten verbunden war, nunmehr aber nur noch eine solche zwi-schen Tatbeständen gemäß §§
174, 176, 177 StGB einerseits und demjenigen des §

i-chende Rechtsgüter als dasjenige, das von §
184i StGB geschützt ist.
Krehl

[X.]

[X.]

[X.]

[X.]

11

Meta

2 StR 574/16

26.04.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2017, Az. 2 StR 574/16 (REWIS RS 2017, 11991)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11991

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