Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2012, Az. 3 StR 192/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4149

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Gegenstand

Unterbringung in der Sicherungsverwahrung: Reihenfolge der Vorverurteilungen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Januar 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit gegen den Angeklagten die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten (Einzelstrafen von vier und zwei Jahren) verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Weiter hat es ausgesprochen, dass elf Monate der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung nach § 64 StGB zu vollziehen sind. Mit seiner Revision erhebt der Angeklagte die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

[X.] stützt die Anordnung der Sicherungsverwahrung auf § 66 Abs. 1 StGB, dessen formelle Voraussetzungen der [X.] sie für erfüllt hält, weil der Angeklagte durch Urteile des [X.]s Osnabrück vom 13. März 2000 und vom 8. November [X.] wegen Vergewaltigung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) zu Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr (drei Jahre sowie drei Jahre und neun Monate) verurteilt worden ist. Dabei übersieht das [X.] jedoch, dass der Angeklagte die Tat, die dem zweiten Urteil zugrunde lag, am 1. August 1995 (und die zur ersten Verurteilung führende Tat am 28. August 1998 oder 1999) begangen hat, mithin die zur zweiten Vorverurteilung führende Tat vor und nicht nach dem ersten Urteil lag. Sicherungsverwahrung darf gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] StGB aber nur dann angeordnet werden, wenn die zur zweiten Verurteilung führende Tat nach Rechtskraft der ersten Vorverurteilung begangen worden ist. Vortaten und Vorverurteilungen müssen demgemäß in der Reihenfolge "[X.]" begangen worden sein. Der Täter muss, um die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB zu erfüllen, die Warnfunktion eines jeweils rechtskräftigen Strafurteils [X.] missachtet haben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 24. Juli 1987 - 2 StR 338/87, [X.]St 35, 6, 11 f. und vom 17. Dezember 2008 - 2 [X.], [X.], 137 mwN; [X.]/Drenkhahn/[X.], 2. Aufl., § 66 Rn. 77; [X.], StGB, 59. Aufl., § 66 Rn. 9). Daran fehlt es hier.

3

Die [X.] könnte trotzdem Bestand haben, da das [X.] ihre materiellen Voraussetzungen (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB) für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellt hat, den Urteilsgründen die Anordnungsvoraussetzungen gemäß § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB entnommen werden können und die [X.] - in der rechtsirrigen Annahme, die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB stünde in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. hierzu [X.] aaO, Rn. 129) - dieses rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Der Senat hebt die [X.] gleichwohl auf, weil er nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen kann, dass sich die fehlerhafte Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] StGB zum Nachteil des Angeklagten auf die Feststellungen zum Vorliegen der materiellen Voraussetzungen gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB ausgewirkt hat.

4

Der neue Tatrichter wird mit Blick auf § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB die Verwahrzeiten des Angeklagten in nachprüfbarer Weise festzustellen haben und gehalten sein, die widersprüchlichen Feststellungen des [X.]s Osnabrück in dessen Urteil vom 13. März 2000 zur Tatzeit der Vergewaltigung zum Nachteil der Geschädigten   I.   (1998 oder 1999) richtigzustellen.

[X.]     

Hubert     

     Schäfer

Gericke     

Ri'in [X.] Dr. Spaniol
befindet sich im Urlaub und
ist daher gehindert zu
unterschreiben.

[X.]

Meta

3 StR 192/12

31.07.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aurich, 17. Januar 2012, Az: 11 KLs 19/11

§ 66 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a StGB, § 66 Abs 1 S 1 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2012, Az. 3 StR 192/12 (REWIS RS 2012, 4149)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4149

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21 KLs-15 Js 825/19-8/20

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